Download - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft
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thema<br />
anti-diskriminierung<br />
betreut von Sandra Konstatzky und Marianne Schulze<br />
Vorwort<br />
Marianne Schulze<br />
Diskriminieren, „herabwürdigen, schlechter behandeln,”<br />
[...] eigentlich „abtrennen”, [auch] „das Trennende, der<br />
Unterschied, der Abstand,” [...]. Die Bedeutungsverschlechterung<br />
durch Einengung auf „aus der (eigenen)<br />
Gruppe aussondern.“ 1 Mehr Menschen als einem lieb sein<br />
kann und entschieden mehr, als sich dessen bewusst sind,<br />
wissen, wie es sich anfühlt, von anderen Menschen herabgewürdigt,<br />
schlechter behandelt oder aus der eigenen<br />
Gruppe ausgesondert zu werden.<br />
Internationale Normen, zahlreiche EU-Richtlinien und<br />
nationale Gesetze zielen darauf ab, Handlungen, die im<br />
Vergleich zu anderen Personen zu einer Verschlechterung<br />
der Position führen bzw Unterlassungen, die eine Schlechterbehandlung<br />
zur Folge haben, zu verhindern. Der <strong>recht</strong>liche<br />
Zugang zur Problematik erfasst die Fragen von Verursachung,<br />
Schadensfeststellung und Wiedergutmachung<br />
für den anerkannten Schaden. In den einschlägigen Entscheidungen<br />
wird dann schwarz auf weiß festgehalten, wer<br />
wen herabgewürdigt hat bzw die Schlechterbehandlung zu<br />
verantworten hat.<br />
Allein, das Leben ist bunter als eine schwarz-auf-weiß<br />
gehaltene Urteilsbegründung.<br />
Die Buntheit lagert vor allem in den Strukturen, die<br />
Diskriminierungen ermöglichen. In diesen Gefügen finden<br />
sich auch jede Menge Zwischenräume, in denen Diskriminierungen<br />
regelmäßig unsichtbar gemacht werden können.<br />
Die – juristisch geforderte – Nachweisbarkeit ist vielfach<br />
ein umherspringender Floh, der schwerlich dingfest zu machen<br />
ist.<br />
Da gibt es den „komisch klingenden“ Namen, der samt<br />
Bewerbung in die Ablage wandert. Dort versteckt sich das<br />
Vorurteil, dass Menschen mit Sehschwäche ja „eh nix lesen<br />
können.“ Ein Stückerl weiter findet sich die Annahme,<br />
dass einer, der im Gefängnis war, „sicher“ zu nix nutze<br />
ist. Und die Frauen, ja die Frauen sind sowieso „ein Problem.“<br />
Diskriminierung hat vielfältige Ursachen und mannigfaltige<br />
Konsequenzen. Die Würde des betroffenen Menschen<br />
wird negativ berührt, mitunter sogar verletzt. Die<br />
Nichteinhaltung des Diskriminierungsverbots ist auch<br />
eine Menschen<strong>recht</strong>sverletzung. In den Beiträgen dieses<br />
Schwerpunkts geht es um das – auch juristische – Sichtbarmachen<br />
von Buntheit, des Zwischenraumes in den Strukturen,<br />
in denen Diskriminierung passiert, jedoch nicht einfach<br />
eingefangen werden kann. Sei es, weil der <strong>recht</strong>liche<br />
Schutz mangelhaft ist, sei es, weil Rechtsschutzmechanismen<br />
gegen <strong>gesellschaft</strong>lich verfestigte Verhältnisse nicht<br />
adäquat ankommen können.<br />
Zum Auftakt erläutert Sandra Konstatzky, Gleichbehandlungsanwältin,<br />
die bevorstehende Novellierung des<br />
Gleichbehandlungsgesetzes in Österreich; es gäbe noch<br />
jede Menge Chancen, die zur Chancengleichheit beitragen<br />
könnten. Jüngst hat das für die Überwachung der<br />
VN-Frauen<strong>recht</strong>skonvention zuständige VN-Gremium<br />
Österreichs Umsetzung heftig kritisiert und in zwei Individualfällen<br />
schwere Defizite in den Behördenstrukturen<br />
moniert; Karin Tertinegg zieht in ihrem Beitrag Bilanz<br />
über ein Vierteljahrhundert (Nicht-)Implementierung der<br />
Konvention.<br />
Die Diskriminierung von Minderheiten wird in Österreich<br />
im Windschatten von verschiedentlich aufgestellten,<br />
verrückten und abgenommenen Ortstafeln angedeutet. Simone<br />
Schönett, eine jenische Schriftstellerin, widmet sich<br />
in ihrem Beitrag der Diskriminierung ihrer Bevölkerungsgruppe,<br />
die schon allein wegen mangelnder Sesshaftigkeit<br />
nicht in die strukturellen Schemata passt. Eine jenische<br />
Frau, die alleinerziehend ist, würde grobkörnig betrachtet<br />
bereits vier potenzielle Diskriminierungsgründe anführen<br />
können: nicht-sesshaft, sprachliche Minderheit, Frau, Alleinerzieherin.<br />
Veronika Bauer hat sich Konzepte, die die<br />
multiple – oder akkumulierte – Diskriminierung diskutieren,<br />
näher angeschaut. Spannend ist diese Frage auch im<br />
1) Kluge (Hrsg), Etymologisches Wörterbuch<br />
der deutschen Sprache 24 (2002), s.v. „diskriminieren“.<br />
<strong>juridikum</strong> 2008 / 1 Seite 29