Download - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft
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echt & <strong>gesellschaft</strong><br />
Eigentum zwischen<br />
Krieg und Frieden<br />
Das Restitutions<strong>recht</strong> für<br />
Kunstgegenstände aus<br />
deutsch-französischer Sicht<br />
Philippe Greciano<br />
················································<br />
1. Einleitung<br />
2. Enteignungen von<br />
Kunstgegenständen im<br />
„Von allem, was positiv ist und was<br />
„Dritten Reich“<br />
menschliche Konventionen einführten,<br />
ist die Kunst wie die Wissenschaft losgesprochen,<br />
und beide erfreuen sich ei-<br />
nicht nur KünstlerInnen auf diverse<br />
Im Folgenden wird dargelegt, dass sich<br />
ner absoluten Immunität von der Willkür Rechte berufen können, sondern auch<br />
der Menschen.“ 1 Dieses Schillerzitat, die EigentümerInnen eines Kunstwerkes<br />
das aus dem Jahre 1795 stammt, stellt – eine Problematik, die besonders im<br />
deutlich dar, dass Kunst und Künstler- Lichte des Nationalsozialismus eine Rolle<br />
spielt. In der Zeit des „Dritten Reiches“<br />
Innen Freiheit benötigen, um entstehen<br />
zu können. Kunst existiert nicht nur in wurden – aus heutiger Sicht – eine Vielzahl<br />
von Enteignungen durchgeführt.<br />
den anerkannten Formen von Literatur,<br />
Malerei und Musik, sondern ist das, was Unter diesem Gesichtspunkt tritt Kunst<br />
KünstlerInnen als Kunst bezeichnet und mit einem weiteren Menschen<strong>recht</strong> in<br />
worüber andere streiten, ob es Kunst Kontakt, nämlich mit dem Recht auf die<br />
ist. Die Garantie der Kunstfreiheit gewährt<br />
KünstlerInnen, denjenigen, die sowohl auf nationaler (Art 14 GG; Art 5<br />
Unversehrtheit des Eigentums, so wie es<br />
das Werk geschaffen haben, ein Abwehr<strong>recht</strong>;<br />
aber auch denen, die mit der (s Art 17 der Allgemeinen Erklärung der<br />
StGG) als auch auf Völker<strong>recht</strong>sebene<br />
Vermittlung und der Lehre der Kunst befasst<br />
sind. Ein Abwehr<strong>recht</strong> ist ein Recht finiert ist.<br />
Menschen<strong>recht</strong>e; Art 1 1. ZPEMRK) de-<br />
gegen den Staat. Der Staat darf nicht in<br />
die Kunstfreiheit und in das Eigentum 2.1. Enteignungsprozesse im „Dritten<br />
eingreifen, er darf auch den Wirkungsbereich<br />
der Künste nicht durch Zensuren Die Enteignungen der jüdischen Be-<br />
Reic“: historischer Kontext<br />
begrenzen. Damit beschränkt sich der völkerung in Deutschland während des<br />
Anspruch des Grund<strong>recht</strong>strägers nicht Nationalsozialismus wären ohne präzise<br />
auf die Abwehr direkter Eingriffe in die Planung nicht möglich gewesen. Ein gigantischer<br />
Verwaltungsapparat dirigierte<br />
kunstrelevanten Bereiche und in das Eigentum,<br />
sondern begründet auch einen den Enteignungsprozess nicht nur auf<br />
Anspruch auf staatlichen Schutz gegen dem Gebiet des ursprünglichen Deutschlands,<br />
so wie es vor 1939 bestand, son-<br />
Eingriffe Dritter. Die Menschen<strong>recht</strong>e<br />
haben nicht nur einen Einfluss auf die dern auch in den besetzten Zonen. Im<br />
Kunst an sich, sondern auch auf die Eigentums<strong>recht</strong>e.<br />
Im Folgenden wird das spiels Frankreichs dargestellt werden. 3<br />
Folgenden soll letzteres anhand des Bei-<br />
Restitutions<strong>recht</strong> für Kunstgegenstände Frankreich und insb Paris sind hierbei<br />
unter dem Blickwinkel des Rechts auf hervorzuheben, da die Massenemigrationsbewegung,<br />
so wie sie seit den 1930er<br />
Unverletzlichkeit des Eigentums betrachtet.<br />
2 Jahren bereits existierte, sich entweder<br />
nach Paris richtete oder zumindest über<br />
Paris verlief. 4 Dies hatte zur Folge, dass<br />
Recherchen zu einem Großteil der verloren<br />
gegangenen Kunstgegenstände ihren<br />
Anfang in Paris nehmen. Zu diesem<br />
Zweck ist es von besonderem Interesse,<br />
die einzelnen Bestandteile dieses Verwaltungsapparats<br />
samt seinen Zuständigkeiten<br />
darzustellen. Erst dann kann<br />
man sich dem Restitutionsprozess im<br />
eigentlichen und insb juristischen Sinne<br />
widmen, um schließlich eine Verbindung<br />
zu den Menschen<strong>recht</strong>en herstellen zu<br />
können.<br />
2.2. Das „Zentrale Kommissariat für<br />
Judenfragen“<br />
Zunächst ist das „Zentrale Kommissariat<br />
für Judenfragen“ (CGQJ: „Commissariat<br />
général aux questions juives“) zu erwähnen.<br />
Es handelt sich hierbei um eine<br />
Behörde, die zur damaligen Zeit für alle<br />
Fragen bzgl der jüdischen Bevölkerung<br />
im besetzten Frankreich und später im<br />
Vichy-Regime zuständig war. Die Aufgaben<br />
des CGQJ, das per Dekret vom<br />
29.03.1941 errichtet wurde, reichten von<br />
Gesetzgebungskompetenzen bis hin zur<br />
„wirtschaftlichen Säuberung“. Ziel war<br />
es, die Juden aus dem gesamten wirtschaftlichen<br />
Leben zu verbannen. Um<br />
seinen einzelnen Aufgaben ge<strong>recht</strong> zu<br />
werden, war das CGQJ in einzelne Abteilungen<br />
unterteilt. Für die „wirtschaftliche<br />
Säuberung“ war die „direction de<br />
l’aryanisation économique“ zuständig,<br />
die wiederum nach geografischem Muster<br />
in mehrere „directions régionales“<br />
und eine „direction centrale“ aufgeteilt<br />
war. Diese „directions“ waren in ihrer<br />
Arbeit äußerst genau und registrierten<br />
jeden Gegenstand, der enteignet wurde,<br />
auch wenn er noch so klein war.<br />
Während des Naziregimes hieß dieser<br />
Prozess im Übrigen nicht „Enteignung“,<br />
sondern „Restitution“: Die offizielle Position<br />
war, dass die Juden die in Frage<br />
kommenden Gegenstände wider<strong>recht</strong>lich<br />
besessen hätten. Dieser Logik nach habe<br />
es sich also um Naturalrestitutionen zugunsten<br />
des „Dritten Reiches“ gehandelt.<br />
Aus heutiger Sicht ist dies natürlich als<br />
Rechtswidrigkeit eindeutig abzulehnen.<br />
Enteignungen sind heute prinzipiell verboten.<br />
Einzelmenschen haben ein Recht<br />
1) Schiller, Über die ästhetische<br />
Erziehung des Menschen, in einer<br />
Reihe von Briefen, 9. Brief, Horen<br />
1795.<br />
2) Piketty/Dubois/Launay, Guide<br />
des recherches dans les archives<br />
des spoliations et des restitutions<br />
(2000).<br />
3) Le Masne de Chermont/Schulmann,<br />
Le pillage de l’art en France<br />
pendant l’Occupation et la situation<br />
des 2 000 œuvres confiées aux<br />
Musées nationaux (2000).<br />
4) Franke, Paris – eine neue Heimat?<br />
(2000).<br />
<strong>juridikum</strong> 2008 / 1 Seite 15