Download - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft
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echt & <strong>gesellschaft</strong><br />
Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen<br />
Union auf Grund von Titel<br />
V EUV.<br />
Die Europäisierung der Sicherheitspolitik<br />
Österreichs ist eine Tendenz, die<br />
nur scheinbar entgegen strebt. Art 23f<br />
B-VG, der die Teilnahme Österreichs<br />
an internationalen Einsätzen der EU<br />
regelt, bedeutet, dass die Mitglieder<br />
der Bundesregierung auf europäischer<br />
Ebene längst angehalten wären, die völker<strong>recht</strong>lich<br />
strikteren Verpflichtungen<br />
eines neutralen Staates – Kriegsverbot,<br />
Stationierungsverbot für ausländische<br />
Truppen und Bündnisverbot – auch in<br />
den nach wie vor im Entstehen begriffenen<br />
Grundbestand der Europäischen<br />
Sicherheitspolitik einzubringen.<br />
Hinsichtlich der Zustimmung zu<br />
Militäreinsätzen im Bereich der humanitären<br />
Hilfe, der Katastrophenhilfe,<br />
der Such- und Rettungsdienste oder<br />
auch der Friedenserhaltung im Auftrag<br />
der VN oder der OSZE stellen sich im<br />
Lichte der österreichischen Verfassung<br />
keine Probleme dar. Für humanitäre<br />
Hilfe und Katastrophenhilfe wird in<br />
einer eigenen Ausschussfeststellung<br />
niedergelegt, dass Waffengebrauch<br />
„lediglich zur Selbstverteidigung und<br />
zum unmittelbaren Schutz der in eine<br />
humanitäre Notlage geratenen Personen“<br />
6 zulässig ist.<br />
Sowohl der Kosovo- als auch der<br />
Tschad-Einsatz wurden – nicht zuletzt<br />
aus dem Grund, dass es auch zum Waffengebrauch<br />
jenseits der persönlichen<br />
Notwehr und Nothilfe kommen kann<br />
– in der Ministerratsvorlage als friedenssichernde<br />
Einsätze qualifiziert<br />
und so dem Nationalrat vorgelegt und<br />
beschlossen.<br />
Friedensschaffung im Dienste der<br />
VN oder der als Regionalorganisation<br />
anzusehenden OSZE unterwerfen sich<br />
dem Gewaltmonopol der VN und sind<br />
daher als Polizeiaktionen in der sich<br />
formierenden „Weltinnenpolitik“ anzusehen.<br />
Auch diese sind verfassungskonform.<br />
Die aktuelle Situation, in die<br />
österreichische Einsatzkräfte entsendet<br />
werden, muss klar genug sein, um<br />
sicherstellen zu können, dass österreichische<br />
Streitkräfte im Zuge solcher<br />
polizeilichen Militäreinsätzen nicht<br />
in Kriegshandlungen hineingezogen<br />
werden können. Es bedarf eines klaren<br />
Einsatzbildes mit einer entsprechend<br />
konkreten geografischen Ortsbeschreibung<br />
und einer zeitnahen Beschlussfassung,<br />
die durch Entwicklungen vor<br />
Ort nicht überholt werden kann, was<br />
auch gerade im Tschad eindrücklich<br />
vor Augen geführt wurde.<br />
Eine <strong>recht</strong>lich kritische Zone wird<br />
im Bereich der Friedensschaffung auf<br />
Basis von Beschlüssen lediglich der<br />
EU oder der Nato betreten. Der Kosovo-Einsatz<br />
kann nach einer erwartbaren<br />
Unabhängigkeitserklärung Anfang Februar<br />
in dieses Fahrwasser geraten, da<br />
die Resolution 1244 des UN-Sicherheitsrates,<br />
dann wohl nicht mehr als<br />
Grundlage angesehen werden kann.<br />
Der Zeitpunkt für das Herstellen des<br />
„Einvernehmens mit dem Hauptausschuss“<br />
(§ 2 (1) KSE-BVG) für derartige<br />
Einsätze wird im KSE-BVG nicht<br />
näher bestimmt. Für EU-Kampfeinsätze<br />
ist nach Art 23f Abs 3 B-VG im<br />
Europäischen Rat „das Stimm<strong>recht</strong> im<br />
Einvernehmen zwischen dem Bundeskanzler<br />
und dem Bundesminister<br />
für auswärtige Angelegenheiten auszuüben“.<br />
Eine vorangehende Einbeziehung<br />
des Nationalrates ist für das<br />
Abstimmungsverhalten auf internationaler<br />
Ebene bisher nicht geregelt.<br />
2.2. Friedensschaffung auf Basis<br />
eines EU-Mandates<br />
Art 23f B-VG beinhaltet auch die<br />
mögliche Beteiligung Österreichs an<br />
„Kampfeinsätzen zur Krisenbewältigung“<br />
wie sie auch in Art 17 EUV zu<br />
Grunde gelegt sind. Die Notwendigkeit<br />
eines Mandates der VN für einen<br />
solchen Kampfeinsatz ist nach derzeitiger<br />
Rechtslage auf europäischer Ebene<br />
nicht zwingend vorgeschrieben. Ein<br />
solcher nichtmandatierter Kampfeinsatz<br />
muss völker<strong>recht</strong>lich als Krieg angesehen<br />
werden und kommt daher für<br />
einen neutralen Staat nicht in Frage.<br />
Über „konstruktive Enthaltung“<br />
(Art 23 Abs 1 Uabs 2 EUV) oder auch<br />
über ein Veto (Art 23 Abs 1 EUV) kann<br />
der neutrale Staat eine solche Kriegsbeteiligung<br />
für sich selbst oder für<br />
die EU als Ganzes verhindern. Nach<br />
Inkrafttreten des Reformvertrages voraussichtlich<br />
Anfang 2009 wird die<br />
GASP auf Basis einer „strikten Einhaltung<br />
des Völker<strong>recht</strong>es“ (Art 2 Z 5<br />
EUV idF Lissabon) in „Übereinstimmung<br />
mit den Grundsätzen der Charta<br />
der Vereinten Nationen“ 7 weiter entwickelt<br />
werden. Damit wird auch für die<br />
EU-Auslandseinsätze ein VN-Mandat<br />
zur Voraussetzung. Der neue Reformvertrag<br />
geht in Art 19 Abs 2 UAbs 3<br />
noch weiter: „Wenn die Union einen<br />
Standpunkt zu einem Thema festgelegt<br />
hat, das auf der Tagesordnung des<br />
Sicherheitsrats der Vereinten Nationen<br />
steht, beantragen die dort vertretenen<br />
Mitgliedstaaten, dass der Hohe Vertreter<br />
gebeten wird, den Standpunkt der<br />
Union vorzutragen.“<br />
Bedenken wir, dass die Beteiligung<br />
Österreichs an den Battle Groups erst<br />
2012 beginnt, ist die Gefahr eines verfassungswidrigen<br />
Auslandseinsatzes<br />
österreichischer Streitkräfte aufgrund<br />
eines EU-Beschlusses nicht sehr hoch,<br />
außer die Regierung begibt sich mit<br />
voller Absicht in einen solchen.<br />
2.3. NATO-Einsätze<br />
Kampfeinsätze im NATO-Verband<br />
ohne VN-Mandat sind neutralitäts<strong>recht</strong>lich<br />
verboten. Dies wird auch in<br />
den Materialien zum KSE-BVG unterstrichen.<br />
8 Kampfeinsätze ohne VN-<br />
Mandat sind dem an die Satzung der<br />
Vereinten Nationen gebundenen VN-<br />
Mitglied Österreich ebenso verboten.<br />
Der Verfassungsausschuss hielt bei<br />
Beschlussfassung des KSE-Gesetzes<br />
ausdrücklich fest, dass das KSE-BVG<br />
„keine zusätzlichen Beistandspflichten<br />
Österreichs“ 9 begründet.<br />
Der Afghanistan-Einsatz startete<br />
im Jahr 2001 auf Basis einer VN-Resolution,<br />
die die Terroranschläge des<br />
11.9.2001 als „eine Bedrohung des<br />
6) Bericht des Verfassungsausschusses,<br />
657 dB zd Sten Prot<br />
XX.GP des NR 1996, 2f.<br />
7) Art 28a Abs 1 EUV idF des Reformvertrages<br />
von Lissabon.<br />
8) Dort wird ausdrücklich klargestellt,<br />
„dass die Ermessenausübung<br />
unter anderem durch „die<br />
dem Inhalt der immerwährenden<br />
Neutralität bestimmenden Normen“<br />
determiniert wird. Erl zur<br />
RV 503 dB zd Sten Prot XX.GP<br />
des NR 1996, FN g, 8. S hierzu<br />
auch die herrschende Lehre, etwa<br />
bei Verdross, Die immerwährende<br />
Neutralität Österreichs (1977) 34,<br />
wonach die Neutralitätspflichten<br />
in Art I des BVG v 26.10.1955 über<br />
die Neutralität Österreichs, BGBl.<br />
Nr. 211/1955, „teils ausdrücklich,<br />
teils einschlussweise niedergelegt<br />
sind und durch die Regeln des<br />
Völker<strong>recht</strong>s bestimmt werden.“<br />
S Primosch/Siess-Scherz, Auslandsentsende<strong>recht</strong><br />
15.<br />
9) Bericht des Verfassungsausschusses,<br />
657 dB zd Sten Prot<br />
XX.GP des NR 1996, 2.<br />
<strong>juridikum</strong> 2008 / 1 Seite 11