Download - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft
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echt & <strong>gesellschaft</strong><br />
Sie sieht sich außerdem nur dann zuständig,<br />
wenn zB ein Gemälde, das sich derzeit<br />
im Besitz der nationalen Museen Frankreichs<br />
befindet, Gegenstand der Restitution<br />
ist. Hierfür existiert eine Liste aller<br />
eigentümerlosen Gemälde („MNR-Liste“),<br />
die im Besitz der Musées nationaux<br />
sind. Diese ist im Internet frei zugänglich<br />
und nicht abschließend. Eine Ausnahme<br />
von diesem Zuständigkeitskriteriums<br />
bildet jedoch der Fall, in dem der strittige<br />
Kunstgegenstand nicht im Besitz dieser<br />
Museen ist, jedoch nachgewiesen werden<br />
kann, dass die in Frage kommende<br />
Enteignung in Frankreich stattgefunden<br />
hat. Hier kommt zumindest eine monetäre<br />
Entschädigung in Betracht.<br />
Die CIVS ist eine von der Regierung<br />
unabhängige Organisation, was sich<br />
aus ihrer Zusammensetzung von hohen<br />
Richtern und Experten ergibt. Sie ist jedoch<br />
keine ständige Institution: Das Dekret<br />
sieht eine maximale Amtsdauer bis<br />
2009 vor. Ferner ist hervorzuheben, dass<br />
sie im Gegensatz zu gleichwertigen Institutionen<br />
in anderen Staaten relativ gut<br />
und effektiv arbeitet. Jedoch hat auch sie<br />
Mühe, auf eine praxisrelevante Anzahl<br />
von bearbeiteten bzw abgeschlossenen<br />
Fällen pro Jahr zu kommen. Grund dafür<br />
sind die enormen Recherchearbeiten<br />
in Tausenden von Archiven, die sie entweder<br />
selbst durchführt oder zumindest<br />
veranlasst. So erklärt sich, dass die CIVS<br />
seit ihrem Bestehen nur ungefähr fünf<br />
Fällen abschließen konnte. Es kann daher<br />
mitunter bis zu fünf Jahren dauern,<br />
bis sämtliche Vorarbeiten zur Erledigung<br />
eines Antrages abgeschlossen sind und<br />
dieser der Kommission zur Entscheidung<br />
vorgelegt wird.<br />
Dennoch scheint die CIVS ein gelungenes<br />
Instrument zur Restitution von<br />
Kunstgegenständen zu sein. Sie ist bei<br />
weitem nicht perfekt, kommt ihren Zielen<br />
jedoch <strong>recht</strong> nahe. Wenn die Anzahl<br />
der abgeschlossenen Fälle nun auch noch<br />
entsprechend anstiege, könnte man in der<br />
Tat von einer äußerst menschen<strong>recht</strong>sfreundlichen<br />
Umsetzung der Washingtoner<br />
Grundsätze sprechen, die das CIVS<br />
dennoch nicht vollständig erfüllt. Ein<br />
Mittel, die Recherchearbeiten zu beschleunigen,<br />
um die Anträge schneller<br />
bearbeiten zu können und somit die Anzahl<br />
der bearbeiteten Fälle zu steigern,<br />
wäre es, diese Aufgabe nicht auf die<br />
Nationalen Museen Frankreichs abzuschieben<br />
– wie dies momentan der Fall<br />
ist –, sondern ihnen auch den Zwang aufzuerlegen,<br />
schnellst möglich im Interesse<br />
der AntragstellerInnen zu arbeiten. Denn<br />
bisher begnügen sich die Museen in der<br />
Praxis mit einer mäßigen Bearbeitungsgeschwindigkeit,<br />
um längstmöglich im<br />
Besitz der entsprechenden Kunstwerke<br />
zu bleiben. Doch allein die Tatsache, dass<br />
sich ein Großteil der Antragstellenden<br />
bereits in einem vorgerückten Alter befindet,<br />
müsste Anlass genug sein, um jeden<br />
Fall effektiv und schnell zu bearbeiten.<br />
Im Folgenden stellt sich die Frage,<br />
welche Vorgehensweise Deutschland bei<br />
der Restitution von Kunstgegenständen<br />
eingenommen hat.<br />
3.2. Beispiel Deutschland<br />
Infolge der Pariser Abkommen vom<br />
23.10.1954 ist die BRD verpflichtet, nicht<br />
nur Recherchen zu den entsprechenden<br />
Kunstgütern, die von den Nationalsozialisten<br />
vor und während des Zweiten<br />
Weltkriegs beschlagnahmt, geplündert,<br />
konfisziert, kurz: enteignet wurden, zu<br />
veranlassen und durchzuführen, sondern<br />
auch deren Restitution in die Wege zu<br />
leiten. Dieses Abkommen greift somit<br />
den Washingtoner Prinzipien nicht nur<br />
zeitlich, sondern auch als hard law vor.<br />
Gemäß dem Pariser Abkommen wurden<br />
von der deutschen Regierung jegliche<br />
Restitutions- bzw Entschädigungsforderungen<br />
bis 1956 entgegengenommen.<br />
Für alle später gestellten Ansprüche dieser<br />
Art ist bis heute noch die Bundesdeutsche<br />
Treuhand für Kulturgut (ehemals:<br />
Treuhandverwaltung von Kulturgut)<br />
zuständig. Diese arbeitet jedoch den Erfahrungen<br />
aus der Praxis zur Folge noch<br />
ineffektiver als die CIVS.<br />
Am 19.7.1957 trat schließlich das<br />
Bundesrückerstattungsgesetz (BRüG)<br />
in Kraft. Aufgrund dieses Gesetzes ist es<br />
– im Übrigen ganz im Sinne der erst später<br />
entstandenen Washingtoner Grundsätze<br />
– innerstaatlich geregelt, dass Restitutionsansprüche,<br />
die aufgrund des<br />
Nationalsozialismus existieren, nicht<br />
verjähren. Das BRüG ist unter Einhaltung<br />
von fünf Grundsätzen anwendbar:<br />
Zunächst ist das BRüG nur einschlägig,<br />
wenn die in einem anderen Land als der<br />
BRD konfiszierte Sache nachweislich<br />
in das heutige Deutschland verschleppt<br />
worden ist (s § 5 BRüG). Ferner ist das<br />
BRüG zugunsten aller Opfer des Nazi-<br />
Regimes anwendbar, ganz gleich ihrer<br />
Staatsangehörigkeit. Die in Betracht<br />
kommende Entschädigung bezieht sich<br />
auf jede bewegliche Sache, die lediglich<br />
identifizierbar sein muss. Mithin legt das<br />
BRüG fest, dass niemand zweimal für<br />
denselben Schaden entschädigt werden<br />
kann.<br />
Demzufolge ist zwar eine Entschädigung<br />
nach dem BRüG möglich, jedoch<br />
nur unter Zurückzahlung der bereits erhaltenen<br />
Entschädigungssumme. Diese<br />
darf jedoch nicht schon nach dem BRüG<br />
erteilt worden sein. Abschließend ist zu<br />
erwähnen, dass das BRüG davon ausgeht,<br />
dass 80% aller während des Zweiten<br />
Weltkrieges durch die Nationalsozialisten<br />
enteigneten Gegenstände nach<br />
Deutschland verschleppt worden sind.<br />
Dies begründet die Zuständigkeit der<br />
deutschen Behörden für jegliche Restitutionsansprüche,<br />
die sich auf diese Zeit<br />
berufen. Nach deutschem Recht obliegt<br />
es dem Kläger, die entsprechenden Zusammenhänge<br />
zu beweisen. Jedoch haben<br />
in einem nicht unerheblichen Maße<br />
die Behörden eine Beweisvermutung<br />
zugunsten der AntragstellerInnen zur<br />
Anwendung gebracht.<br />
4. Ausblick<br />
Beide oben genannten Beispiele zeigen,<br />
dass trotz allen bemerkenswerten Umsetzungen<br />
der diversen internationalen<br />
Übereinkünfte, die auf den Grundsatz<br />
der Unverletzlichkeit des Eigentums<br />
abzielen, die Restitutionsfrage im Einzelfall<br />
eine Beweisfrage bleibt. AntragstellerInnen<br />
sind „nur“ dazu verpflichtet,<br />
die Verbindung zu dem ursprünglichen<br />
Eigentümer zu beweisen, um sein Recht<br />
auf Restitution zu begründen. Dieser<br />
Beweis kann mit Hilfe der während des<br />
Nationalsozialismus geführten Akten zu<br />
jeder Enteignung (s oben bzgl des CGQJ)<br />
oder der während der unmittelbar nach<br />
Kriegsende laufenden Restitutionsverfahren<br />
(s oben 2.4.) erbracht werden.<br />
Schon ein geringes Maß an Rechercheaufwand<br />
genügt, um diesen Beweis erbringen<br />
zu können. Somit kann zumindest<br />
den Erben der Erben der ursprünglichen<br />
EigentümerInnen ermöglicht werden, die<br />
Verletzung des Menschen<strong>recht</strong>es dieser<br />
EigentümerInnen in gewisser Hinsicht<br />
– wenn auch nur annäherungsweise – zu<br />
reparieren.<br />
Prof. Dr. Philippe Greciano<br />
lehrt und forscht an der<br />
Universität Paris-X und ist<br />
Referent am dortigen Grund<strong>recht</strong>szentrum<br />
(CREDOF);<br />
pgreci@yahoo.fr<br />
Seite 18 <strong>juridikum</strong> 2008 / 1