24.11.2014 Aufrufe

Download - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft

Download - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft

Download - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

thema<br />

1. Einleitung<br />

„Der wahre Kampf darf nicht zwischen den Diskriminierungsgründen<br />

laufen“ – mit dieser Aussage von Dieter Schindlauer,<br />

Präsident des Klagsverbandes zur Durchsetzung der Rechte<br />

von Diskriminierungsopfern, anlässlich einer Konferenz zum<br />

Thema Mehrfachdiskriminierung im Mai 2006 in Wien ist die<br />

hier zu diskutierende Problematik auf den Punkt gebracht.<br />

Alle Menschen haben eine multiple Identität: Wir alle haben<br />

ein Alter, ein Geschlecht, eine sexuelle Orientierung und eine<br />

ethnische Zugehörigkeit; viele sind religiös oder haben eine<br />

Behinderung. Das bedeutet, dass eine Diskriminierung sehr<br />

wahrscheinlich aufgrund von mehr als einem Grund auftreten<br />

kann. 1 Am bekanntesten ist der „Doppeleffekt“ im Zusammenhang<br />

mit Gender und einem der anderen Gründe, nämlich Alter,<br />

Behinderung, Religion und Weltanschauung, ethnische Zugehörigkeit<br />

oder sexuelle Orientierung.<br />

2. Begriff der Mehrfachdiskriminierung<br />

Historisch wurden und werden auch heute noch die<br />

einzelnen Diskriminierungsgründe (meist) parallel in<br />

Betracht gezogen. 2 Dies bedeutet, dass das gesamte<br />

Konzept des Nichtdiskriminierungs<strong>recht</strong>s auf dem<br />

Verständnis eines „Einzelidentitätsmodells“ basiert,<br />

dh eine Person wird aufgrund eines persönlichen<br />

Merkmals nur unter einem bestimmten Diskriminierungsgrund<br />

betrachtet. Dass dieser Ansatz unter<br />

Umständen Probleme aufwirft, wird im Laufe dieses<br />

Aufsatzes aufgezeigt werden.<br />

Die Ideen des Konzepts der Mehrfachdiskriminierung<br />

wurden erstmals in den späten 1980ern von<br />

afroamerikanischen Feministinnen in die wissenschaftliche<br />

Diskussion eingeführt. 3 Die Grundüberlegung<br />

war, Personen zu ermächtigen und strukturelle<br />

Fairness und Gleichheit zu garantieren. 4 Personen<br />

sollen in dieser Konzeption nicht mehr bloß durch ein Identitätsmerkmal<br />

identifiziert werden sondern vielmehr sollte ein<br />

„Multiidentitätsmodell“ geschaffen werden, um Menschen der<br />

Realität entsprechend als durch mehrere Merkmale definierte<br />

Personen darzustellen. Die Idee wurde aus den Erfahrungen<br />

geboren, dass gerade afroamerikanische Frauen spezifische<br />

Formen der Diskriminierung erleiden, die weder weiße Frauen<br />

noch afroamerikanische Männer betreffen. 5<br />

Innerhalb der Mehrfachdiskriminierung iwS erfolgt nach<br />

Makkonen eine weitere Unterteilung in drei verschiedene Erscheinungsformen:<br />

• Mehrfachdiskriminierung ieS: eine Person erleidet Diskriminierung<br />

aufgrund mehrerer Gründe, jedoch erfolgt<br />

die Diskriminierung jeweils aufgrund nur eines einzigen<br />

Grundes zu einer bestimmten Zeit. Es handelt sich um eine<br />

Kumulierung mehrerer Diskriminierungserfahrungen.<br />

• Compound discrimination: in diesem Fall handelt es sich<br />

um Diskriminierung aufgrund mehrerer Gründe zur gleichen<br />

Zeit.<br />

• Intersektionelle Diskriminierung: auch hier handelt es sich<br />

um Diskriminierung aufgrund mehrerer Gründe zur gleichen<br />

Zeit, jedoch führen diese „addierten“ Gründe zu einem ganz<br />

spezifischen neuartigen „Typ“ von Diskriminierung. 6<br />

Von besonderem Interesse ist hier die intersektionelle Diskriminierung,<br />

diese wurde anhand der „Traffic Intersection<br />

Metaphor“ von Crenshaw beschrieben. „In this metaphor race,<br />

gender, class and other forms of discrimination or subordination<br />

are the roads that structure the social, economic or political<br />

terrain. […] These thoroughfares are sometimes framed<br />

Mehrfachdiskriminierung<br />

Das Konzept der intersektionellen<br />

Diskriminierung als Schritt<br />

zu einem moderneren<br />

Nichtdiskriminierungs<strong>recht</strong>?<br />

Veronika Bauer<br />

·································<br />

as distinctive and mutually exclusive avenues of power. But<br />

these thoroughfares often overlap and cross each other, creating<br />

complex intersections at which two, three or four of the<br />

avenues meet”. 7<br />

Ziel des intersektionellen Ansatzes ist es, das eindimensionale<br />

Verständnis des Nichtdiskriminierungs<strong>recht</strong>s zu überwinden<br />

und so überlappende Ausgrenzungen und komplexe<br />

Diskriminierungsfälle sichtbar zu machen. 8<br />

3. Die EU, Österreich und das Konzept der<br />

intersektionellen Diskriminierung<br />

Im <strong>recht</strong>lichen Rahmen der Europäischen Union werden derzeit<br />

sechs Diskriminierungsgründe geschützt: Gender, Rasse und<br />

ethnische Herkunft, Religion und Weltanschauung, Behinde-<br />

1) Fredman, Double rouble: multiple discrimination<br />

and EU law, European Anti-Discrimination<br />

Law Review 2/2005, 1.<br />

2) United Nations Division for the Advancement<br />

of Women/OHCHR/United Nations<br />

Development Fund for Women, Gender and<br />

Racial Discrimination, Report of the Expert<br />

Group Meeting (2000) 1, http://www.un.org/<br />

womenwatch/daw/csw/genrac/report.htm<br />

(18.10. 2007)<br />

3) Makkonen, Multiple, Compound and Intersectional<br />

Discrimination: Bringing the<br />

Experiences of the Most Marginalized to the<br />

Force (2002) 2, http://web.abo.fi/instut/imr/<br />

norfa/timo.pdf (18.10.2007).<br />

4) Kwan, Intersections of race, ethnicity,<br />

class, gender & sexual orientation: Jeffrey<br />

Dahmer and the cosynthesis of categories,<br />

Hastings Law Journal 1997, 1257-1292.<br />

5) Makkonen, Discrimination 1; Näheres dazu<br />

in der unten angeführten Fallstudie.<br />

6) Fredman, The future of equality in Britain,<br />

EOC Working Paper Series, Nr 5 (2002), 24.<br />

7) Patel, Notes on gender and racial discrimination:<br />

an urgent need to integrate an<br />

intersectional perspective to the examination<br />

and development of policies, strategies<br />

and remedies for gender and racial equality,<br />

http://www.un.org/womenwatch/daw/csw/<br />

Patel45.htm (18.10.2007).<br />

8) Smykalla/Lewalter, Zur Relevanz von Wissen<br />

zu Gender, Diversity und Intersektionalität am<br />

Beispiel des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes<br />

(2007), http://www.wu-wien.ac.at/<br />

gender/vernetzungstreffen/vortrag_gkompz_<br />

intersek._agg_040507.pdf (18.10.2007).<br />

Seite 50 <strong>juridikum</strong> 2008 / 1

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!