Download - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft
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thema<br />
aufgrund von Gender geltend, wonach ihr der sofortige Weg<br />
zu Gericht offen stünde, da das Verfahren vor der Gleichbehandlungskommission<br />
nicht zwingend vorgesehen ist. Es ist<br />
mehr als fraglich, ob eine solche Behandlung von Mehrfachdiskriminierung<br />
sinnvoll ist oder ob es aber ‚besser‘ wäre, eine<br />
‚one-stop agency‘ einzuführen, welche sich gleichermaßen mit<br />
Diskriminierung aufgrund aller Gründe auseinandersetzt und<br />
dies mit einem intersektionellen Ansatz tut.<br />
3.2. Fallstudie 2: Wenn Personen „unsichtbar“ werden 17<br />
In diesem Abschnitt soll auf ein besonders problematisches<br />
Thema hingewiesen werden: die Tatsache, dass Personen die<br />
intersektionale Diskriminierung erleiden, manchmal Gefahr<br />
laufen im System des geltenden Antidiskriminierungs<strong>recht</strong>es<br />
überhaupt keinen Anhaltspunkt für eine Geltendmachung ihrer<br />
Ansprüche zu finden.<br />
Eine schwarze Frau bewirbt sich um eine Stelle. Ebenso<br />
bewerben sich weiße Frauen und schwarze Männer. Im Endeffekt<br />
wird prozentuell eine gleich große Zahl an weißen Frauen<br />
und schwarzen Männern eingestellt, nicht jedoch die schwarze<br />
Frau. Diese kann nun nach dem „Einzelidentitätsmodell“,<br />
welches im Diskriminierungs<strong>recht</strong> nach wie vor vorherrscht<br />
nur schwer ihre Ansprüche geltend machen. Denn das geltende<br />
Diskriminierungs<strong>recht</strong> sieht das Konzept der ‚Vergleichsperson’<br />
vor, dh in der Begutachtung eines Diskriminierungsfalles<br />
wird eine Vergleichsperson herangezogen, um festzustellen ob<br />
die betroffene Person tatsächlich Opfer einer Diskriminierung<br />
geworden ist. Schwierig wird dieses Modell der Vergleichsperson<br />
bei Fällen der intersektionellen Diskriminierung – wer wäre<br />
hier die adäquate Vergleichsperson? Oder ist dieses Gedankenmodell<br />
für das Konzept der Intersektionalität veraltet und nicht<br />
weiter brauchbar?<br />
Im vorliegenden Fall hat die schwarze Frau ein Problem: Bezieht<br />
sie sich auf ihr ‚besonderes Merkmal’, eine Frau zu sein,<br />
wird ihr entgegengehalten werden, dass eine prozentuell faire<br />
Anzahl an Frauen eingestellt wurde, sodass eine Diskriminierung<br />
aufgrund des Geschlechts nicht vorliegt. Bezieht sie sich auf ihr<br />
‚besonderes Merkmal‘, schwarz zu sein, wird angemerkt werden,<br />
dass genügend Männer schwarzer Hautfarbe eingestellt worden<br />
sind, sodass auch eine Diskriminierung aufgrund der ethnischen<br />
Zugehörigkeit nicht stattgefunden hat. Lediglich die schwarze<br />
Frau als ‚neue Idenität‘ – dh aufgrund des Denkmodells der intersektionellen<br />
Diskriminierung – wäre in der Lage wegen ihrer<br />
einzigartigen Mehrfachidentität ihre Ansprüche durchzusetzen.<br />
Im geltenden eindimensionalen Antidiskriminierungs<strong>recht</strong> wäre<br />
diese Frau ‚unsichtbar‘, da ja, wie erwähnt, weder Diskriminierung<br />
aufgrund des Geschlechts noch Diskriminierung aufgrund<br />
der ethnischen Zugehörigkeit (allein) vorliegt.<br />
Dieser abstrakte Fall ist an den Fall Bahl v. Law Society aus<br />
Großbritannien angelehnt. In Bahl klagte eine Frau und gab an,<br />
dass sie aufgrund der Tatsachen, dass sie eine Frau und dass sie<br />
Asiatin sei, diskriminiert worden sei. 18 4. Schlussfolgerungen und Ausblick<br />
– Sind Reformen notwendig?<br />
Wie die obigen Ausführungen gezeigt haben, birgt das Konzept<br />
der intersektionellen Diskriminierung eine Vielzahl an offenen<br />
Fragen für das Nichtdiskriminierungs- und Gleichbehandlungs<strong>recht</strong>.<br />
Ist das herrschende Nichtdiskriminierungs<strong>recht</strong> auf<br />
europäischer und nationaler österreichischer Ebene in der Lage<br />
den Anforderungen eines intersektionellen Ansatzes ge<strong>recht</strong> zu<br />
werden oder bedarf es einer Umstrukturierung des geltenden<br />
Rechts und auch prozessualer Neuerungen, wie etwa der Schaffung<br />
einer ‚one stop agency‘, welche sich gleichermaßen mit<br />
allen Diskriminierungsgründen auseinandersetzt?<br />
Eindeutig müssen potentielle Vorteile des Konzepts der intersektionellen<br />
Diskriminierung hervorgehoben werden. Mit<br />
diesem Ansatz ist es möglich, neue Formen der Diskriminierung<br />
– die bis jetzt ‚versteckt‘ geblieben waren – hervorzubringen.<br />
Dies erklärt sich daraus, dass das Konzept sich direkt auf<br />
jene Personen konzentriert, die am meisten benachteiligt sind.<br />
Das Konzept der Mehrfach- bzw intersektionellen Diskriminierung<br />
hat sich bis heute noch nicht durchgesetzt und wird<br />
hauptsächlich auf abstrakt-theoretischer, nicht jedoch praktischer<br />
Ebene diskutiert. Makkonen sieht hierfür vier Gründe.<br />
Erstens, wie bereits erwähnt, ist das Konzept und dessen Nutzbarkeit<br />
bis jetzt nur auf abstrakter, nicht jedoch auf praktischer<br />
Ebene verwendet worden. Zweitens sind die meisten internationalen<br />
und nationalen Menschen<strong>recht</strong>sorganisationen so zusammengesetzt,<br />
dass sie sich entweder nur auf einen bestimmten<br />
Diskriminierungsgrund konzentrieren oder dass sie zwar mit allen<br />
Gründen arbeiten, jedoch nicht in einer „überschneidenden“<br />
Art und Weise. Drittens wurde das Konzept erst kürzlich auch<br />
in die internationale Diskussion im Menschen<strong>recht</strong>sbereich<br />
eingebracht und wird nur langsam wahrgenommen. Und viertens<br />
hat das Konzept bis jetzt nur mäßige nationale Erfolge<br />
erzielen können, da es aktuell nur von einigen wenigen Staaten<br />
anerkannt und tatsächlich angewendet wurde.<br />
KritikerInnen sprechen davon, dass mit dem Konzept der<br />
intersektionellen Diskriminierung die Büchse der Pandora geöffnet<br />
werden würde – so würde es zu einer unermesslichen<br />
Vielzahl an neuen ‚kombinierten‘ Diskriminierungsgründen<br />
kommen und das gesamte Diskriminierungs<strong>recht</strong> dadurch zu<br />
Fall gebracht werden.<br />
Abschließend ist noch anzuführen, dass dieser Artikel lediglich<br />
eine Kurzvorstellung des Konzepts intendierte; es stellen<br />
sich noch eine Vielzahl weiterer Fragen in Bezug auf intersektionelle<br />
Diskriminierung, auf die nicht näher eingegangen<br />
werden konnte.<br />
Mag a . Veronika Bauer, E.MA. ist Wissenschaftliche<br />
Mitarbeiterin am European Training and Research<br />
Center for Human Rights and Democracy, Graz;<br />
veronika.bauer@etc-graz.at<br />
17) Diese Fallstudie wurde im Rahmen der<br />
Konferenz „First European Conference on<br />
Multidimensional Equality Law“ am 11. und<br />
12.5.2007 in Oldenburg, Deutschland von<br />
Prof. Sandra Fredman, Universität Oxford,<br />
vorgestellt.<br />
18) Bahl v. Law Society wurde vom Court of<br />
Appeals am 30.6.2004 so entschieden, dass<br />
zwar jeder Diskriminierungsgrund einzeln zu<br />
betrachten sei, diese Gründe jedoch unauflösbar<br />
mit einander verbunden sind. Dh ein klarer<br />
intersektioneller Ansatz wurde hier nicht gewählt,<br />
jedoch wurde das Problem der Intersektionalität<br />
und der ‚Vermischung’ mehrerer<br />
Diskriminierungsgründe vom Gericht erkannt.<br />
Für weitere Information siehe zB Moon, Multiple<br />
Discrimination – problems compounded<br />
or solutions found, März 2007, http://www.<br />
justice.org.uk/images/pdfs/multiplediscrimination.pdf<br />
(18.12.2007).<br />
Seite 52 <strong>juridikum</strong> 2008 / 1