Download - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft
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echt & <strong>gesellschaft</strong><br />
auf die Unversehrtheit ihres Eigentums.<br />
Enteignungen durch den Staat sind nur<br />
unter strengsten Bedingungen möglich.<br />
Die dafür notwendigen Rechtfertigungsgründe<br />
werden sehr eng ausgelegt. Des<br />
Weiteren muss im Gegenzug eine entsprechende<br />
Entschädigung gezahlt werden.<br />
Jede so erlangte Sache wurde im<br />
„Dritten Reich“ nicht nur registriert,<br />
sondern auch kategorisiert. Diese Kategorisierung<br />
ermöglicht heute den Historikern,<br />
den Enteignungsprozess nachzuvollziehen.<br />
Darüber hinaus ist dies für<br />
jegliche Restitutionsansprüche, die nach<br />
Kriegsende gestellt wurden oder zumindest<br />
bestanden, von besonderem Interesse.<br />
Die <strong>recht</strong>mäßigen Eigentümer finden<br />
dank dieser heute noch existierenden<br />
Unterlagen des CGQJ ihre enteigneten<br />
Kunstwerke wieder, auch wenn es sich<br />
bei diesen oftmals nur noch um die Erben<br />
der Erben des ursprünglichen Eigentümers<br />
handelt. Die nachstehende Darstellung<br />
soll diesbezüglich erläutern, wie<br />
diese Kategorisierung organisiert war.<br />
Jeder enteignete Gegenstand wurde einer<br />
bestimmten Sektion 5 zugeteilt. Es stellt<br />
sich in logischer Konsequenz die Frage,<br />
warum sich das CGQJ die Mühe gemacht<br />
hat, alles derart genau zu registrieren.<br />
Wozu eine Sache einer Sektion zuteilen,<br />
um anschließend zu wissen, dass ein<br />
Stuhl einst einer Person X gehörte?<br />
Dazu ist hervorzuheben, dass es sich<br />
in vielen Fällen nicht nur um Stühle<br />
handelte. Kunstwerke, Gesellschaften,<br />
Immobilien und vieles andere von bedeutendem<br />
Wert waren Gegenstand der<br />
Enteignungsprozesse. Hinzu kommt,<br />
dass diese Gegenstände nicht einfach<br />
nur enteignet wurden, sondern dass die<br />
Behörden des Vichy-Regimes jede Sache<br />
von geringfügig höherem Wert sofort<br />
verkauften und den daraus entstandene<br />
Erlös direkt dem „Dritten Reich“ zugute<br />
kommen ließen. Für diesen Vorgang<br />
waren sog „administrateurs provisoires“<br />
(vorübergehende Zwangsverwalter) zuständig.<br />
Diese wurden vom CGQJ ernannt,<br />
welches im Gegenzug wiederum<br />
über eine Abteilung verfügte, die diese<br />
vorübergehenden Zwangsverwalter kontrollierte.<br />
So konnte zB für eine Immobilie<br />
sowie für eine Gesellschaft, deren<br />
Eigentümer aus den verschiedensten<br />
Gründen (Flucht, NS-Deportationen<br />
usw) verschwunden waren, ein solcher<br />
Zwangsverwalter bestellt werden, der die<br />
entsprechenden Wertgegenstände entweder<br />
an „Arier“ oder an das „Reich“ bzw<br />
das Vichy-Regime veräußerte. Selbiges<br />
geschah auch in Bezug auf Kunstwerke.<br />
Jedoch interessierte sich Hitler in einem<br />
besonders hohen Maße für Kunst, sodass<br />
Kunstwerke großteils ihren direkten Weg<br />
in das „Dritte Reich“ fanden.<br />
Diese Enteignungen wurden in einer<br />
aus verschiedenen Gründen äußerst<br />
menschen<strong>recht</strong>swidrigen Art und Weise<br />
vollzogen. Die Opfer wurden entweder<br />
deportiert oder flohen aus Gründen entsprechender<br />
Drohungen. Enteignet wurde<br />
ohne jegliche Vorwarnung. Weder an<br />
ein faires Verfahren, noch an Entschädigungssummen<br />
war zu denken. Bedrohung<br />
des Lebens, Zwang zur Flucht, Verletzung<br />
des Eigentums usw – die einzelnen Menschen<strong>recht</strong>sverletzungen,<br />
wie die anhand<br />
der oben angeführten Menschen<strong>recht</strong>sdokumente<br />
sichtbar werden, reihten sich nur<br />
so aneinander.<br />
Kunst, Eigentum und Menschen<strong>recht</strong>e<br />
sind auf den ersten Blick getrennt.<br />
Wenn man jedoch bedenkt, in welch hohem<br />
Maße der Kunstmarkt während des<br />
Zweiten Weltkrieges florierte, was nur<br />
aufgrund dieser Enteignungsmaschinerie<br />
möglich war, so erscheint es keineswegs<br />
bedenklich, auch die Enteignung von<br />
Kunst im Zuge der Menschen<strong>recht</strong>sverletzungen<br />
zu Zeiten des und durch den<br />
Nationalsozialismus zu erwähnen.<br />
2.3. Der Einsatzstab Reichsleiters<br />
Rosenberg (ERR)<br />
Hitler gab schon am 30. Juni 1940 den<br />
Befehl, sämtliche Gemälde zu konfiszieren,<br />
insb wenn sie sich im Eigentum von<br />
Juden befanden. Die Ausführung dieser<br />
Order kam zunächst Otto Abetz, Pariser<br />
Botschafter des „Dritten Reiches“, später<br />
dem „Einsatzstab Reichsleiters Rosenberg“<br />
(ERR) zu. Am 17. September 1940<br />
erteilte Hitler der Wehrmacht den Befehl,<br />
den „ERR“, der dem Nazi-Ideologen<br />
Alfred Rosenberg untergeordnet war,<br />
bestmöglich in der Erfüllung seiner Aufgaben<br />
zu unterstützen. Die ersten Plünderungen<br />
erfolgten schon im Juni/Juli<br />
1940. Sie wurden von Abetz angeordnet<br />
und mit Hilfe der Gestapo sowie der französischen<br />
Polizei umgesetzt. Die größten<br />
Pariser Kunstsammler fielen ihnen zum<br />
Opfer, insb die Häuser Edouard et Maurice<br />
de Rothschild, Seligmann, Georges<br />
Wildenstein, Alphonse Kann. Im Namen<br />
der sog „Rosenberg-Aktion“ begab sich<br />
schon im Februar 1941 der erste Zug<br />
beladen mit Tausenden von enteigneten<br />
Gemälden ins „Reich“. Diese wurden in<br />
gigantischen Lagern in Deutschland, in<br />
Österreich und in der Tschechoslowakei<br />
verwahrt.<br />
2.4. Restitutions- und<br />
Entschädigungsverfahren nach<br />
Kriegsende<br />
Eine Vielzahl von Entschädigungs- und<br />
Restitutionsverfahren wurde unmittelbar<br />
nach Kriegsende angestrengt. Um das<br />
Schicksal der verschiedensten Kunstwerke<br />
nachvollziehen zu können, wurden<br />
vielerlei Institutionen ins Leben gerufen.<br />
So entstand in Frankreich zB das „Office<br />
des biens et intérêts privés“ (OBIP) per<br />
Dekret vom 13.12.1944. Diese Gründungen<br />
gingen auf eine Initiative der<br />
alliierten Besatzungsmächte zurück. Diese<br />
schufen zunächst die sog Collecting<br />
points, die im Grunde genommen nichts<br />
anderes als die von den Nazis angelegten<br />
Lager waren, die nun frei zugänglich sein<br />
sollten. Es handelte sich hierbei insb um<br />
die Lager München und Wiesbaden.<br />
Aufgrund dieser Initiative wurden<br />
in allen Ländern, die ehemalige Besatzungszonen<br />
des Nazi-Regimes waren,<br />
Kommissionen gegründet, die Kunstgegenstände<br />
infolge selbständigen Handelns<br />
wiedererlangten, daraufhin erste<br />
Bestandsaufnahmen in Angriff nahmen<br />
und schließlich die Kunstgegenstände<br />
an die entsprechenden Regierungen der<br />
Länder, wo die Enteignungen stattgefunden<br />
hatten, zurückgaben. Selbiges<br />
geschah mit den Kunstwerken der Collecting<br />
points. Die Restitutionszentrale<br />
in Berlin leitete und überwachte diese<br />
Maßnahmen. Problematisch war jedoch,<br />
dass die Restitutionen zugunsten der<br />
Regierungen stattfanden. Die Kunstgegenstände<br />
wurden also nicht direkt an<br />
den Einzelnen zurückgegeben. Dies hat<br />
zur Folge, dass noch Jahrzehnte nach<br />
Kriegsende Prozesse gegen Museen<br />
5) Wirtschaftssektionen im Département<br />
de la Seine: Sektion I:<br />
Textilien; Sektion II: Kino und Theater;<br />
Sektion III: chemische Produkte,<br />
Druckerzeugnisse; Sektion<br />
IV: kleine Unternehmen; Sektion<br />
V A: Finanzen; Sektion V B: Immobilien;<br />
Sektion V C: Banken und<br />
Börse; Sektion VI: Einrichtungen<br />
(zB Kunstgegenstände); Sektion<br />
VII: Elektroindustrie; Sektion VIII:<br />
Binnenwirtschaft (vgl Laloum, Les<br />
Juifs dans la banlieue parisienne<br />
des années 20 aux années 50<br />
(1998)).<br />
Seite 16 <strong>juridikum</strong> 2008 / 1