Karlheinz Biederbick - Galerie Rose
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Gegenstandslosigkeit, Konstellation:<br />
Andererseits gibt es für den Zeichner<br />
vor der Wasseroberfläche und den Steinmassen<br />
keine „Rettung“: beide Elemente<br />
entziehen sich, sind im Grunde unfaßbar,<br />
auch wenn wir von Wellen sprechen, Fels<br />
und Geröll. Kaum haben wir eine Welle<br />
angeschaut, verschwindet sie und macht<br />
der nächsten Platz. Die Wasseroberfläche<br />
liegt in der Raumzeit und ist unbegreifbar.<br />
Sie ist weder zeichnerisch noch plastisch<br />
darstellbar. Die Momentaufnahme, das<br />
Foto mit seinem Reiz, verfehlt ihr unruhiges<br />
Wesen.<br />
Ähnlich ist es im Grunde bei den Steinmassen,<br />
die aus Lapillifall und Lavaflüssen<br />
hevorgingen und sich im Niederbrechen<br />
und Abrutschen befinden. Die<br />
Langsamkeit der Vorgänge verschafft uns<br />
jedoch einen Anblick. Die nachfühlbaren<br />
Formzüge bringe ich mit den Koordinaten<br />
meines Blattes in Verbindung. Das hat<br />
zur Folge, daß im Sehen die Bewegung<br />
der Masse, die dynamischen Formen ihre<br />
Dominanz verlieren. Beherrschend wird<br />
die Anordnung der Bögen, Spitzen, Grate,<br />
Punkte und Flächen im Format des Blattes:<br />
die Konstellation.<br />
Hiermit verbindet sich manchmal und<br />
plötzlich die Empfindung großer Schönheit,<br />
ein Geist ist anwesend, etwas von<br />
der „anderen Seite“.<br />
Bei dieser Form der Wahrnehmung ist<br />
eine weiträumige Aktivierung des Gehirns<br />
anzunehmen, die wir uns wie die<br />
Wasseroberfläche als in der Raumzeit liegend<br />
vorstellen müssen. Diese Teilhabe<br />
ist für uns als dem Wasser entstiegene<br />
Lebewesen nicht unbedingt abwegig.<br />
Die von solchen Augenblicken zurückbleibende<br />
Zeichnung wird Notation für<br />
ein Terracotta-Relief. Sie enthält die Konstellation.<br />
Zugleich kommt eine Ahnung<br />
für den Andrang der Masse zurück. In<br />
der Gegenstandslosigkeit der Felsmassen<br />
zeigt sich der „Gegen-Stand“.<br />
Wenn auch die Naturformen in ihrer Verbindung<br />
zum Unendlichen undarstellbar<br />
sind, kann das Relief diesen „Stand“ und<br />
Druck vermitteln. Der „wüste“ Andrang<br />
der Masse ist Hintergrund aller Plastizität,<br />
ist im Grunde hinter allem, hinter der<br />
„Welt“. Das plastische Objekt ist aus diesem<br />
Grunde „welthaltig“.<br />
Die Gegenstandslosigkeit ist schlecht zu<br />
ertragen. Wir Ausgesetzten antworten<br />
auf die Härte, Wölbung, Zerklüftung des<br />
Anstehenden mit dem Hineinsehen von<br />
Bekanntem, mit der Projektion.<br />
Da ist Dantes Profil, dort ein liegendes<br />
Pferd, Drachenkopf und Wal.<br />
Zugleich sucht das Auge in der Maßstabslosigkeit<br />
von Fels und Geröll nach<br />
bekannten Gegenständen. So steuern<br />
Badende und Boote vor der sonnenbeschienenen<br />
Küste, selbst die auf runden<br />
Steinen liegenden Eisenteile eines gestrandeten<br />
Schiffes die Wahrnehmung.<br />
Es entsteht eine Dankbarkeit gegenüber<br />
dem Benennbaren. Trotzdem haftet beim<br />
Zeichnen der Blick nicht an den benennbaren<br />
Gegenständen. In der Umsicht liegt<br />
vielmehr ein Nachfühlen von Bewegungen<br />
und ein Vernehmen von Verdichtungen<br />
und Schwerpunkten im Formgezüge.<br />
Solche Haltepunkte für den Blick sind eigenwüchsig,<br />
sie wechseln im Sehen. Mit<br />
ihnen gruppieren sich die Formen und<br />
entwickeln Bindekräfte. Das Produkt der<br />
sich bindenden Teile ist das Motiv.<br />
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