Karlheinz Biederbick - Galerie Rose
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Zeitungsbilder – Puppentheater<br />
Die ankommenden, kostbaren, taufrischen<br />
und ungetrübten „Zeit-Tropfen“<br />
werden normalerweise zusammenfliessend<br />
auf das Mühlrad des Tagesprogrammes<br />
geleitet und so „nutzbar“ gemacht.<br />
Falls sie aber zuvor – um im Bild zu bleiben<br />
– in einen Mühlteich gelangen, öffnet<br />
sich mit diesem ein Bewegungsraum für<br />
von uns nicht steuerbaren Wassertierchen.<br />
Beim Betrachten von Zeitungsfotos, besonders<br />
der älteren Schwarzweiß-Aufnahmen,<br />
setzt sich etwas fest, wozu die<br />
Gedanken immer wieder zurückkehren.<br />
Es verlangt wiederholte Betrachtung bis<br />
plötzlich die Entdeckungen da sind, die<br />
Motive auftauchen, die nun von mir verlangen,<br />
festgehalten zu werden.<br />
Das bedruckte Papier mit Text und Bild<br />
fördert einerseits den Rückzug von der<br />
punktuellen und augenblicklichen Wahrnehmung,<br />
von der zugreifenden Wirklichkeit,<br />
entspannt und erweitert nützlich<br />
den Horizont, andererseits wird es zum<br />
Mühlteich.<br />
Eines Tages stieß ich als gewohnheitsmässiger<br />
Nutzer der Hamburger Printmedien<br />
auf ein Foto mit dem Titel: „Kundgebung<br />
der Deutschen Wissenschaft am 11. Nov.<br />
1933 in Leipzig“ („Spiegel“ etwa 1977).<br />
Die alte Schwarzweiß-Vorlage und der<br />
Druck reduzierten die Helligkeitsstufen,<br />
weshalb das Licht wie Mehltau über<br />
der Szene lag und den Ausdruck für die<br />
Blendung und Lähmung der Akteure erzeugte.<br />
Dieses Zeitungsbild brachte mich<br />
zur Reduktion der Figur ins Puppenhafte,<br />
wobei Helligkeitsstufen zu Reliefstufen<br />
werden konnten. Die Figuren wurden in<br />
einem Holzgestell von 305 x 305 cm in<br />
einem reliefnahen Raum wie in einem<br />
Puppentheater versammelt. Vorn eine<br />
schräge Tischfläche mit den Professoren,<br />
dahinter die uniformierten Studenten mit<br />
Fahnen, oben auf dem Podest mit Rednerpult<br />
und Buchsbäumen Figuren in verkleinertem<br />
Maßststab.<br />
Das war der für mich folgenreiche „Aufbruch“<br />
1976-1978 (siehe Bild S. 41).<br />
Diesem Konzept folgend enstand 1979<br />
ein zweites Figurenbild: “Kranzniederlegung“<br />
in den Maßen 232 x 255 x 100 cm,<br />
bei welcher den Toten der vorangegangenen<br />
Katastrophe bei bereits wieder gefüllten<br />
Waffenlagern gedacht wurde. Die<br />
beiden Arbeiten „Aufbruch“ und „Kranzniederlegung“<br />
sind großformatig, mit unterlebensgroßen<br />
Figuren aus Polyester.<br />
Im Anschluß daran folgen drei Szenen<br />
nach Zeitungsbildern, ebenfalls großformatig,<br />
mit etwas stärker übersetzten Figuren<br />
aus Holz:<br />
„Konferenz“ (1980, siehe S. 43), „Fließbandarbeiterinnen“<br />
(1981/82, siehe S. 42)<br />
und „Machtverhältnisse“ (1983, siehe S.<br />
42 unten).<br />
Das hier vorliegende Konzept „Zeitungsbild“<br />
ruhte noch fünfzehn Jahre, bis ich<br />
zur Reliefminiatur in Terracotta kam.<br />
Als Zwischenglied zu den Miniaturen<br />
gibt es ein schon relativ kleines Polyesterrelief<br />
von 1997 in den Maßen 71 x 93 cm<br />
– ein Einzelstück – „Hi“ im Olympiastadion<br />
1936 (erste Fassung siehe Bild S. 40).<br />
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