Karlheinz Biederbick - Galerie Rose
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Polyester-Realismus… die „gefrorene Sekunde“<br />
Unter dieser soeben beschriebenen<br />
Schicht, also zeitlich früher, liegt die<br />
Phase der lebensgroßen, realistischen<br />
Polyesterplastiken. Auch hier spielte der<br />
Kontakt des Menschen zur Erdoberfläche<br />
und den zu ihr gehörenden Dingen<br />
eine wesentliche Rolle. Die Figuren haben<br />
aus diesem Grunde keine Sockel.<br />
Hier taucht schon das Thema „Liegewiese“<br />
auf: „Liegendes Paar“, „Urlauber in<br />
Sandburg“, „Badegesellschaft“, „Großer<br />
Schwimmer“, – dazu die Arbeiten meiner<br />
Frau – weiter „Mann auf Badewanne“,<br />
„Fallschirmspringer“ (Erdlandung),<br />
„Teerarbeiter“ (in Holz und Wachs),<br />
„Mann auf Treppe“ (der gehetzte Funktionär),<br />
„Eishockey“ (Gemeinschaftsarbeit<br />
mit Christa B.), „Arbeiter mit<br />
Preßlufthammer“ (dessen Aktionen sich<br />
gegen die geliebte Oberfläche richten).<br />
Die drei zuletzt genannten Arbeiten<br />
enthalten Formstaffelungen, festgestellte<br />
Bewegungsphasen.<br />
Die Polyesterplastiken bestehen materiell<br />
aus einer synthetischen, in den Raum<br />
gezogenen Haut.<br />
Es sind keine Naturabgüsse, sie sind vielmehr<br />
nach der klassischen Hierarchie<br />
der Formen – Gundformen, Zwischenformen,<br />
Oberflächenformen – mit Genauigkeit<br />
modelliert. Dennoch sind sie<br />
nicht auf das Ideal-Schöne bezogen, sie<br />
zielen eher auf das Provokant-Gewöhnliche<br />
von Alltagsfiguren, ausgestattet mit<br />
einer glatten und kalten Oberfläche.<br />
Die Polyesterfiguren stehen gewissermaßen<br />
im Dienste einer Provokation: sie<br />
führen eine Momentaufnahme vor, einen<br />
wahllos festgehaltenen Augenblick,<br />
die „gefrorene Sekunde“, die feststellende<br />
Beziehung zur Wirklichkeit.<br />
Immerhin spielt diese zugleich auf eine<br />
Jetzterfahrung an: Der Pilzsucher erfährt<br />
dies, wenn er auf dem Waldboden<br />
einen Pilz entdeckt, als kleinen<br />
freudigen Schreck. Ähnlich geht es<br />
bei der Entdeckung eines Motivs und<br />
schließlich bei der Gestaltfindung: Die<br />
Zeit wird „diskontinuierlich“. Wir nennen<br />
dies den Augenblick. Der Blick der<br />
Augen ist grundsätzlich in Erwartung<br />
einer Entdeckung. Das beschreibt die<br />
Ausgangslage der Tätigkeiten, um die es<br />
hier geht.<br />
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