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Karlheinz Biederbick - Galerie Rose

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Motiv – Gestalt<br />

Bei der Umsicht trifft die Wahrnehmung auf gespeicherte<br />

Formkombinationen, die als Dinggestalt<br />

augenblicklich verfügbar sind und uns den Halt geben.<br />

Das Gleiche gilt für die Wahrnehmung eines<br />

Lebewesens, besonders eines Menschen, den wir<br />

als wesentlichen Formzusammenhang erleben. Wir<br />

nennen dies die natürliche Gestalterfahrung.<br />

Bei der bildlichen Darstellung bleibt es allerdings<br />

nicht bei der Aufzählung und Aneinanderreihung<br />

solcher Formen. Es melden sich „unsachliche“ Zusammenhänge.<br />

Bei der „Nachfrage“ zeigt sich, daß bestimmte Formen<br />

in ihrer Guppierung Bindekräfte entwickeln.<br />

Das Produkt der sich bindenden Teile ist das Motiv.<br />

Es melden sich die gleichen Bindekräfte wie bei der<br />

natürlichen Gestalterfahrung, die nun allerdings<br />

eine „sublimierte“ Gestalterfahrung auslösen. Die<br />

Motive haften nicht einfach an den Dingen und Lebewesen,<br />

sie sind übergreifend oder untergreifend,<br />

detailliert. Wenn sie umgreifend sind, werden sie<br />

zur Gestalt, zur Kunstfigur oder Bildgestalt. Motive<br />

und Gestalten sind nicht einfach da. Sie umschliessen<br />

die Formen, binden und trennen sie.<br />

Das geschieht in zeitlicher Folge, im Werden und<br />

Vergehen. Sie haben eine Zeitdimension beim Erfassen<br />

wie beim Hervorbringen, wobei sie sich<br />

herausbilden, sich im Bildfeld und Stück umlagern<br />

und verlieren. Auch sind sie in gewissen Grenzen<br />

variabel. Der Bildner und Musiker schlägt Wellen in<br />

die Bindekräfte der Teile, wenn er am Werk ist. Der<br />

Betrachter ist manchmal auf hoher See.<br />

Die Motive verschmelzen sich reibend und überlagernd<br />

zur Bildgestalt. Die Reibung, wenn und wie<br />

sie gesehen wird, gibt dem Gebilde seinen Gehalt,<br />

seine flüchtige, schmerzende Tiefe.<br />

Die Getsalterfahrung verlangt Betrachtungszeit. Aus<br />

der traditionellen Sicht des Malers oder Bildhauers<br />

muß der Betrachter frei über seine Betrachtungszeit<br />

verfügen können.<br />

Die Gestalt, um die es in der Bildenden Kunst geht,<br />

ist die sich allmählich im Sehfeld abzeichnende Einheit<br />

von Formzügen, die nun allerdings plötzlich als<br />

„Wesen“ aus der Tiefe auf uns zukommt und dabei<br />

die Zeiterfahrung diskontinuierlich macht. In dieser<br />

Widersprüchlichkeit verdrängt das „Jetzt“ die Erwartung.<br />

Es stellt sich etwas ein, ergreift uns. Zwingen<br />

kann man es allerdings nicht.<br />

Der wesenhafte Formzusammenhang wird ins Ding<br />

oder als Ding gebracht, als Zeichnung, Bild, Relief,<br />

Plastik.<br />

Der Formzusammenhang trifft uns, kommt auf uns<br />

zu, geht nach innen zu den magischen Kombinationen<br />

und den gespeicherten, empfundenen Bildern,<br />

den Zeichen und den Proportionen.<br />

Der Formzusammenhang ist nachwirkend, kann in<br />

Erinnerung bleiben, wie eine Melodie.<br />

Motive und Gestalten haben einen Bezug zur Fläche.<br />

Erst mit dem Abstand dieser zum Betrachter<br />

kann das Wesen aus der Tiefe kommen. Das bindet<br />

den Zeichner an seinen Platz in der Landschaft und<br />

den Betrachter vor dem Blatt. Das Flächige ist kein<br />

Mangel, sondern eine notwendige Voraussetzung.<br />

Selbst die Vollplastik hat flächige Bezüge durch ihre<br />

Hauptansichten. Das Relief bringt seine Projektionsebene<br />

mit, es ist in diesem Sinne entgegenkommend.<br />

Die leichte Variabilität der Blickrichtung aktualisiert<br />

dabei die Gegenüberstellung.<br />

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