Karlheinz Biederbick - Galerie Rose
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Zeitungsbilder – ein Zyklus<br />
Die unter diesem Titel versammelten Reliefminiaturen<br />
basieren auf der dankenswerten<br />
Vorarbeit der Fotografen und der<br />
Journalisten, welche die Fotos für ihre<br />
Textbeiträge auswählten. Es handelt sich<br />
größtenteils um Bildmaterial aus dem<br />
„Spiegel“ –von den 70er Jahren bis heute–<br />
weshalb ich den Zyklus auch Spiegel-<br />
Bilder nennen könnte.<br />
Einige stammen aus der „Zeit“ und könnten<br />
Zeit-Bilder genannt werden.<br />
Nach den Beiträgen zur jüngeren Zeitgeschichte<br />
versammelt sich ein kleines<br />
„Welttheater“, welches ich plastisch figuriere.<br />
Ermuntert wurde ich zu diesem Unternehmen<br />
durch wenige Zentimeter große<br />
Terracotta-Miniaturen der altgriechischen<br />
Kolonie im heutigen Lipari. Es sind<br />
Schauspielerfiguren aus den großen Theaterstücken<br />
als Grabbeigaben, die jetzt im<br />
dortigen Museum zu Szenen gruppiert<br />
aufgestellt sind.<br />
Man wird in diese hineingezogen, vergißt<br />
ihre Kleinheit und ist von der unnachahmlichen<br />
Formgebung im Innersten<br />
berührt.<br />
Wie die Landschaften als Fernbilder eine<br />
räumliche Unerreichbarkeit vorgeben, so<br />
ist es bei den Zeitungsbildern die zeitliche<br />
Unerreichbarkeit der meisten Szenen,<br />
die mich zur Vergegenwärtigung anregt.<br />
Es sind die Bilder, die etwas Vergangenes,<br />
Versunkenes zeigen oder eben von<br />
gestern sind, die eine Erzählhaltung, ein<br />
Nachfühlen auslösen.<br />
Als Vorlage für die „Zeitungsbilder“<br />
kommen mir solche Fotos entgegen, die<br />
öffentliche politische Inszenierungen aus<br />
dem engeren europäischen Raum zeigen,<br />
wie Ehrungen und Begrüßungen, Gespräche,<br />
Sitzungen, Konferenzen, Tagungen,<br />
Anhörungen, Kundgebungen, Tribunale<br />
sowie Kranzniederlegungen, Abschreitungen,<br />
Aufmärsche, Paraden.<br />
Schreckensbilder, die ja schon von den<br />
Journalisten sparsam verwendet werden,<br />
sind für mich ganz und gar undarstellbar,<br />
sie lassen mich verstummen.<br />
Die Bilder müssen einen „lebbaren“ Anblick<br />
geben, Raum für Satire und Spiel in<br />
Form und Szene.<br />
Die Sprachlosigkeit gegenüber dem Entsetzlichen<br />
ist im Grunde nicht aufhebbar.<br />
Die Motive greife ich eher zufällig auf,<br />
ohne an eine historische Erzählung zu<br />
denken, die ja auch ohne die Schreckensbilder<br />
unvollständig wäre. Gleichwohl<br />
lassen sich die Reliefs im Nachhinein in<br />
eine Reihenfolge bringen. Das gilt besonders<br />
für einen Zeitraum unserer jüngeren<br />
Geschichte.<br />
Das beginnt um 1900 eher sporadisch mit<br />
einzelnen, pittoresken Szenen: Wilhelm<br />
zwo bei der Hunnenrede, beim Kaisermanöver,<br />
im Adlon, mit Krupp in Essen, auf<br />
Korfu („Größe zu Größe“); Kanonen bei<br />
Krupp, Schlachtschiffe in Fernost, Pioniere<br />
der Luftfahrt.<br />
In der Folgezeit zwischen 1917 und 1947<br />
wird die Reihenfolge dichter.<br />
Ich wurde in diesen Zeitraum hineingeboren<br />
und habe dessen Ende einigermassen<br />
bewußt erlebt.<br />
Anfangs hatte ich das Minenspiel der<br />
Uniformhosen in Augenhöhe und wuchs<br />
in die ganze damit verbundene Szenerie<br />
hinein: Fahnenapelle mit erhobenem<br />
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