9. Lagebericht - Mediendienst Integration
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Einleitung<br />
Auch wenn diese Fortschritte erfreulich sind, gibt es im<br />
öffentlichen Dienst insgesamt Nachholbedarf. Der<br />
öffentliche Dienst muss die Vielfalt unserer Gesellschaft<br />
abbilden. Beschäftigte mit Migrationshintergrund sind<br />
zudem wichtige Brückenbauer – ob bei Behörden und<br />
Ämtern, bei der Feuerwehr oder der Polizei.<br />
Die Fortschritte spiegeln sich auch in den Ergebnissen des<br />
Jahresgutachtens 2012 des Sachverständigenrates<br />
deutscher Stiftungen für <strong>Integration</strong> und Migration<br />
wider. Danach war die Mehrheit der Befragten (mit<br />
Migrationshintergrund: 47,6 %, ohne Migrationshintergrund:<br />
53,4 %) der Meinung, dass die <strong>Integration</strong>spolitik<br />
der vergangenen fünf Jahre die <strong>Integration</strong> gefördert hat.<br />
Eine Minderheit sah Verschlechterungen (mit Migrationshintergrund:<br />
17,6 %, ohne Migrationshintergrund:<br />
10,4 %).<br />
Der Sachverständigenrat hat ebenfalls darauf hingewiesen,<br />
dass die besonders im Jahr 2010 kontrovers<br />
geführte Debatte um Zuwanderung und <strong>Integration</strong> das<br />
gesellschaftliche Miteinander zwischen Einheimischen<br />
und Zugewanderten nicht nachhaltig beschädigt hat. Es<br />
stimmt optimistisch, dass sich das positive <strong>Integration</strong>sklima<br />
in der Mitte unserer Gesellschaft offenbar verfestigt<br />
hat.<br />
<strong>Integration</strong> in der öffentlichen Debatte und<br />
im Schatten der NSU-Mordserie<br />
Die öffentliche Debatte im Berichtszeitraum wurde<br />
geprägt durch die Kontroverse um das Buch von Thilo<br />
Sarrazin „Deutschland schafft sich ab“ im Herbst 2010,<br />
durch die Aufdeckung der NSU-Mordserie im November<br />
2011 sowie eine andauernde Debatte über den Islam in<br />
Deutschland.<br />
Sarrazin zeichnete ein Zerrbild der <strong>Integration</strong> in<br />
Deutschland. Seine fragwürdigen Thesen halten auch<br />
einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht stand, wie<br />
zum Beispiel eine Studie der Humboldt-Universität zu<br />
Berlin 3 belegt. In der Folge sahen sich Migrantinnen und<br />
Migranten in Deutschland herabgesetzt, darunter viele<br />
integrationsbereite und erfolgreiche. Als Beauftragte<br />
forderte ich damals nachdrücklich, bei der Diskussion<br />
über Zuwanderung und <strong>Integration</strong> nicht allein die<br />
Defizite, sondern auch die Erfolge in den Blick zu<br />
nehmen. Nur so gelingt es, einen wirklichkeitsgetreuen<br />
Gesamteindruck zu erhalten.<br />
3 Vgl. Foroutan, Naika (Hrsg): Sarrazins Thesen auf dem<br />
Prüfstand. Ein empirischer Gegenentwurf zu Thilos Sarrazins<br />
Thesen zu Muslimen in Deutschland, erschienen in der<br />
W-Serie der Humboldt-Universität zu Berlin, Nr. 1, Berlin<br />
2010.<br />
Die Erfolge und Leistungen der in Deutschland lebenden<br />
Migrantinnen und Migranten dürfen nicht ausgeblendet<br />
werden: Seit 2005 hat sich das Bildungs- und Ausbildungsniveau<br />
junger Migrantinnen und Migranten stetig<br />
erhöht. Nicht genug beachtet wurde die Vielzahl von<br />
Zuwanderern, die jeden Tag zur Steigerung der Wirtschaftskraft<br />
unseres Landes beitragen. Die mehr als<br />
600.000 Unternehmerinnen und Unternehmer aus<br />
Zuwandererfamilien bilden junge Menschen aus und<br />
schaffen Arbeitsplätze, an denen jeder zwanzigste<br />
Erwerbstätige in Deutschland beschäftigt ist.<br />
Das integrationspolitische Klima und die Diskussion über<br />
das Zusammenleben von Einheimischen und Zuwanderern<br />
in Deutschland wurden zudem durch die Aufdeckung<br />
einer Mordserie mit rechtsextremistischem Hintergrund<br />
geprägt. Sie erschütterte ganz Deutschland. Unklar<br />
ist bisher noch, wie die rechtsextremistische Terrorzelle<br />
aus Zwickau zwischen 2000 und 2007 unentdeckt acht<br />
türkischstämmige, einen griechischstämmigen Migranten<br />
und eine Polizistin brutal ermorden konnte. Bundeskanzlerin<br />
Dr. Angela Merkel sprach bei der zentralen Gedenkfeier<br />
im Februar 2012 von einer Schande für Deutschland.<br />
Vor allem in den türkischen und griechischen Gemeinden<br />
in Deutschland herrschten Fassungslosigkeit und<br />
Angst. Erinnerungen an die furchtbaren Bilder der<br />
rassistischen Anschläge von Hoyerswerda, Mölln und<br />
Solingen wurden geweckt. Viele Migrantinnen und<br />
Migranten fühlten sich in Deutschland plötzlich nicht<br />
mehr sicher; sie fürchteten neue Anschläge. Ihr Vertrauen<br />
in den deutschen Rechtsstaat wurde erschüttert. Unsere<br />
gemeinsame Aufgabe ist es, dieses Vertrauen wiederherzustellen.<br />
Dies gilt insbesondere für die Angehörigen der Opfer, die<br />
sich über Jahre haltlosen Verdächtigungen ausgesetzt<br />
sahen. Nach dem Bekanntwerden der Mordserie traf die<br />
Beauftragte umgehend mit Vertreterinnen und Vertretern<br />
der türkischen und griechischen Migrantenorganisationen<br />
zusammen, um mit ihnen die Situation der<br />
Angehörigen der Opfer und die Verunsicherung in den<br />
türkischen und griechischen Gemeinden zu erörtern.<br />
Essentiell für die Beauftragte sind die entschlossene<br />
Aufklärung der NSU-Mordserie und effektive Strafverfolgung,<br />
der Schutz und die Unterstützung von Opfern<br />
rassistischer und rechtsextremistischer Gewalt durch<br />
geeignete Anlaufstellen und die nachhaltige Prävention<br />
gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Hierzu hat<br />
der Beirat der Beauftragten im März 2012 konkrete<br />
Vorschläge vorgelegt.<br />
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