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Lokale Verantwortungsgemeinschaften für Bildung - Deutsche ...

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D Ausblick<br />

Dr. Bernd Ebersold<br />

Geschäftsführer der Jacobs Foundation<br />

Bei dem folgenden Text handelt es sich um die Transkription<br />

des Vortrags von Dr. Ebersold zum Abschluss des Fachtags.<br />

38<br />

Ich bin gebeten worden, der Veranstaltung einen Ausblick zu geben.<br />

Ausblick lässt mich an den Begriff Teichoskopie, aus dem Griechischen<br />

„Mauerschau“, denken, einem Mittel des antiken Dramas, das dazu<br />

dient, schwer darstellbare Ereignisse dem Zuschauer dadurch nahezubringen,<br />

dass ein Schauspieler sie schildert, als sähe er sie außerhalb der<br />

Bühne vor sich gehen. Also von einer Mauer oder einem Turm zu gucken<br />

und Ausschau zu halten. So habe ich mich heute gefühlt und nicht<br />

auf erhobenem Podest auf Sie, sondern in die Veranstaltung geblickt<br />

und eine gewisse Streitkultur erlebt.<br />

Streiten – im Sinne von Benedikt Sturzenhecker – ist ein produktiver<br />

Prozess. Ich fand es interessant, dass Diskurse insbesondere in unserem<br />

Workshop stattfanden und diese will ich aus Sicht eines Stiftungsvertreters,<br />

der ja Teil des Streites und dieser Streitkultur ist, pointierter<br />

zusammenfassen. Die Stiftungsdenke, das Visionäre kommt in dem<br />

Programm „Lebenswelt Schule“, der Vernetzung lokaler Akteure und<br />

Ressourcen für die individuelle Förderung von Kindern zum Ausdruck.<br />

Das ist fast so kompliziert wie die Lösung der Finanzmarktkrise.<br />

In „Lebenswelt Schule“ sind viele Dimensionen gebündelt, für die<br />

man eine Vision benötigt, die implizit der Zivilgesellschaft unterstellt<br />

wird; eine solche trägt die Stiftung in ihrem Herzen. Wir sind Visionäre,<br />

aber wir machen es uns viel zu leicht, denn wir reden über soziale<br />

Phänomene, über Komplexitäten, die wir eigentlich nicht verstehen,<br />

für die wir jedoch schon Lösungsansätze haben. Das kommt in Sätzen<br />

zum Ausdruck: Wir wissen ja, wie es geht. Wir wissen, wer die Beteiligten<br />

sind und was wir eigentlich tun wollen. Demgegenüber war der<br />

erste Vortrag herzerfrischend, der mich zu zwei Methoden inspiriert,<br />

wie man einen rationalen Diskurs immer gewinnt. Die erste Möglichkeit<br />

ist, man redet pointiert und lässt anschließend keine Diskussion zu,<br />

die zweite besteht darin, den Abschlussvortrag zu halten. Nach diesem<br />

kommt nämlich auch keine Diskussion zustande und diese Gelegenheit<br />

nutze ich jetzt.<br />

In der Zivilgesellschaft ist Aktivitätspotenzial für das Visionäre vorhanden.<br />

Viele von Ihnen engagieren sich in ihr und erfahren Mut. Demgegenüber<br />

kontrastiert ein Sinn für Realität, für reale Probleme. Visionen<br />

hier und Ressourcen dort, wie es in den Vorträgen zu hören war, nicht<br />

nur finanzielle, sondern auch personelle Ressourcen, irgendwie passt<br />

das scheinbar nicht zusammen. Ich habe dafür vielleicht einen Lösungsansatz<br />

aus Stiftungssicht. Erstens, Stiftungen wollen immer mehr, als sie<br />

können und eigentlich müssten wir darüber reden, was wir wollen/sollen.<br />

Zweitens, das ist auch in Deutschland weit verbreitet, diskutieren<br />

wir Visionen und Rationalität, reale Befindlichkeiten und Zielvorstellungen<br />

fast immer dichotomisch. Ich glaube, es ist notwendig, den Mut<br />

zu Visionen weiterhin aufrechtzuerhalten. Wir müssen an die Front gehen,<br />

dort mit zivilgesellschaftlichem Engagement kämpfen, bei Anerkennung<br />

der Realitäten. Wir müssen akzeptieren, dass wirtschaftliche<br />

Krisenzeiten so sind, wie sie sind, und dass bildungspolitische Ideale<br />

bei den Anforderungen der Finanzmarktkrise ein wenig auf der Strecke<br />

bleiben können. Man kann das aber auch positiver formulieren.<br />

Wenn man den Begriff Zivilgesellschaft aufgeben und klassisch von<br />

Bürgergesellschaft reden würde, wäre schon etwas gewonnen. Zivil, das<br />

klingt toll, weil es sich nicht interessengebunden anhört. Die Bürgergesellschaft<br />

dagegen, das habe ich von Ralf Dahrendorf erfahren und<br />

als Quelle notiert, ist zunächst einmal dadurch gekennzeichnet, dass sie<br />

interessengeleitet und in der Regel auch interessendivergent ist. Diese<br />

Erkenntnis hat den Vorteil, dass wir nicht immer nur den Staat anprangern<br />

müssen und sagen: Das ist eigentlich etwas anderes als Zivilgesellschaft.<br />

Wenn wir im politischen Willensbildungsprozess das visionäre,<br />

zivilgesellschaftliche, bürgergesellschaftliche Tun, die Praxis und<br />

die Realität nicht außer Acht lassen, sondern uns als Teil dieses Prozesses<br />

der Willensbildung verstehen, die eine langfristige Vision und<br />

Veränderung der Gesellschaft zum Besseren nicht vergisst, dann ist das<br />

die Klammer, die einen guten Ausblick bietet.<br />

Noch ein Hinweis: Ich empfinde es als positiv, dass die Bundesregierung<br />

480 Milliarden Bürgschaften für den Bankensektor und den zusammencrashenden<br />

Bereich bereitstellt. Warum Es sollte uns Mut machen,<br />

weil die Finanzmarktkrise und ihre Behandlung in der Politik auch für<br />

den <strong>Bildung</strong>sbereich zeigt, dass Politik, wenn ein politisch, gesellschaftlich<br />

relevantes Problem, und um ein solches handelt es sich, auftritt,<br />

per se handlungsfähig ist. Ob sie im richtigen Sinne handlungsfähig ist<br />

und die Richtung stimmt, das kann ich nicht beurteilen, in diesem Bereich<br />

bin ich kein Experte, aber zunächst einmal ist sie handlungsfähig.<br />

Leidens-, Entscheidungs- und Problemdruck sind zumindest eine<br />

politische Kategorie, auf die Politik hört. Der zweite positive Ansatz ist<br />

der, dass Politik reagiert, weil die Bürgergesellschaft ihr zutraut, dass es<br />

sich um ein Problemfeld handelt, das solche Einschnitte und finanziellen<br />

Umschichtungen tatsächlich notwendig macht.<br />

Wenn der <strong>Bildung</strong>s- oder Forschungssektor, aus dem ich ursprünglich<br />

herkomme, begreift, dass er in diese Richtung die Problemfelder,<br />

den Leidensdruck richtig adressiert und sich im Rahmen der bürgergesellschaftlichen<br />

Engagements als Teil des politischen Willensbildungsprozesses<br />

versteht, dann hat man die Hoffnung, dass es einen sozialen<br />

Wandel geben wird. Ansonsten brechen bürgergesellschaftliches Engagement<br />

und Realität wieder auseinander. Ich fand beeindruckend, dass<br />

beides in dieser Veranstaltung dicht beieinander lag und nicht strittig,<br />

sondern in einem rationalen Diskurs ausgetragen wurde. Vielen herzlichen<br />

Dank, der Fachtag war ein Gewinn für mich.

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