Download - Arbeitsgemeinschaft für Internationalen Rechtsverkehr
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I. INTERNES<br />
Genever - in Holland also sprechen doch ohnehin alle<br />
Deutsch. Denken wir, und irgendwie stimmt es ja auch,<br />
denn was wir da häufig hören, ist in Vokabular wie<br />
Grammatik von sehr guter Qualität. Allenfalls die<br />
Phonetik wirkt etwas weicher, doch so klingen auch<br />
Ikonen des gesellschaftlichen Konsenses in Deutschland,<br />
etwa Frau Antje oder Rudi Carrell, und das ruft grundsätzlich<br />
Wohlgefühl hervor. Daran hängt allerdings ein<br />
fa-tales Missverständnis, dem vermutlich jeder und jede<br />
von Ihnen schon einmal be-gegnet ist: die Kollegen in<br />
Holland reden so wie wir, also denken sie auch wie wir.<br />
Zusätzlich gehen dann unsere deutschen Mandanten<br />
noch davon aus, dass ja dann wohl auch das Recht in den<br />
Niederlanden etwa so sein werde wie unseres. Das führt<br />
oft zu lustigen, aber nur mit viel Aufwand zu beseitigenden<br />
Fehleinschätzungen.<br />
Mehr noch. Obwohl aus Sicht anderer Völker Ihre<br />
Sprache in Phonetik und Komplexi-tät auch keine<br />
wesentlich höheren Anforderungen zu stellen scheint als<br />
unsere, obwohl also das Risiko, beim Einsatz der<br />
Muttersprache nicht verstanden zu werden, für<br />
Deutsche und Niederländer etwa gleich hoch ist, sprechen<br />
viel mehr niederländi-sche Anwälte auch andere<br />
Sprachen wie Englisch, Französisch oder Spanisch sehr<br />
viel häufiger und besser als ihre deutschen Kollegen.<br />
Und die gehen oft genug nicht besonders souverän um<br />
mit diesem unerwarteten Kompetenzgefälle. Wenn Sie<br />
bei einem ersten Kontakt bei Ihrem deutschen<br />
Gegenüber nach den ersten paar Sätzen hochgezogene<br />
Schultern und ein arrogant wirkendes Verhalten feststellen,<br />
dann wird das häufig genug nicht anderes sein als<br />
ein spontaner Minderwertigkeitskomplex.<br />
III.<br />
Wenn wir nicht überhaupt von vornherein Englisch<br />
sprechen, ohne es zu merken. Da unsere beiden Länder<br />
zu sogenannten freien Welt gehören, gilt für diejenigen,<br />
die sich frei dahin herumbewegen, except where otherwise<br />
stated, der altehrwürdige Grundsatz extra Americam<br />
nulla vita, et si est vita, non est ita. Die Kultur folgt<br />
dem Handel, nebenbei bemerkt, seit Jahren ein Lieblingsthema<br />
unserer <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong>, und wir entwickeln<br />
oft genug nachgerade spätkoloniale Verhaltensmuster,<br />
indem wir unbeirrbar unsere Zahlen in Form von<br />
Schedulen präsentieren, im Rah-men der Legal Due<br />
Diligence checken, ob die Entity genug Equity hat, oder<br />
die von uns zu verhandelnden Deals sexy finden, wenn<br />
das Business Concept einmal abgehoben hat und jetzt<br />
fliegt. Da hilft es wenig, sich an den lieben alten Georges<br />
Clemenceau zu erinnern, der ja die Überzeugung propagierte,<br />
die USA seien der direkteste Weg von der Barbarei<br />
zur Zivilisation ohne Umweg über die Kultur. Letztlich<br />
haben wir, haben vor allem unsere Mandanten, keine<br />
oder jedenfalls immer weniger Wahl. Das ist auch in den<br />
Niederlanden nicht anders als bei uns.<br />
Doch ist es Zufall, dass uns unsere niederländischen<br />
Kolleginnen und Kollegen viel souveräner vorkommen,<br />
wenn sie mit Vokabular, aber auch mit Verhaltensmustern<br />
der anglo-amerikanischen Rechtssphäre umgehen<br />
Ja, wenn Sie denn unbedingt wollen, mit ihrer Kultur<br />
Oder ist dieser Eindruck nicht ganz einfach damit zu<br />
erklären, dass ein niederländischer Anwalt sehr viel mehr<br />
Geschäftsmann ist als sein deutscher Kollege Dass er<br />
sich, und sei es nur im ureigenen merkantilen Interesse,<br />
leichter auf das Denken und Handeln seines Auftraggebers<br />
einzulassen bereit ist, ohne damit gleich seine<br />
Unabhängigkeit einzubüßen Dass er aber auch in Verhalten<br />
und Organisation, von der Akquisition bis zur<br />
zweckdiktierten Einordnung in gro-ße Strukturen, dem<br />
US-amerikanischen Anwalt, eher sogar noch dem englischen<br />
solicitor, näher ist als seine deutschen Kollegen<br />
Wir reden hier zu einem gewissen Teil wohl - natürlich -<br />
über Traditionen einer großen Nation von Kaufleuten,<br />
die es, etwas anders als ihre Nachbarin im Osten, nicht<br />
ganz so nötig hat, Kaufmännisches erst noch mit dem<br />
Präfix "hanseatisch" zu versehen, damit es auch wirklich<br />
ernst genommen wird. Im Übrigen reden wir ganz einfach<br />
über beruflichen Stil. Und auch hier haben wir den<br />
Eindruck, dass Weltgewandtheit, dass die Bereitschaft,<br />
sich Sprach-, geographische und auch kulturelle Grenzen,<br />
nicht nur die zwischen Europa und Nordamerika,<br />
im Interesse eines Auftrags und dessen Erfolges einmal<br />
wegzudenken, in den Niederlanden deutlich mehr zu<br />
Hause ist als in den allermeisten unserer Kanzleien.<br />
14<br />
MittBl. DAV Internationaler <strong>Rechtsverkehr</strong> 1/06