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Ausgabe 0802.pdf - Theater-Zytig

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Premieren ı Spotlicht<br />

Freunde des Volkstheaters Sachseln<br />

Dällebach Kari<br />

pd. Der Versuch einer tragikomischen<br />

Darstellung eines Menschen, der es nicht<br />

immer lustig fand, lustig zu sein.<br />

Es gab eine Zeit, als Originale zum Dorfbild<br />

gehörten. Diese hatten in ihrem<br />

Rucksack eine ungewöhnliche Lebensgeschichte<br />

oder wurden im Laufe der Zeit<br />

durch ihr Aussehen oder ihr Verhalten zu<br />

Randfiguren, die aber doch im Dorfleben<br />

eine zentrale Rolle spielten.<br />

Eine solche Figur war in der Berner<br />

Altstadt der dreissiger Jahre Karl Dällenbach,<br />

genannt Dällebach Kari. Nach<br />

aussen war er der sprachgewandte<br />

Unterhalter - im Innern aber eine verletzlich<br />

trauernde Kreatur. Gerade dieses<br />

Wechselspiel macht Kari interessant.<br />

So interessant, dass wir versuchen, aus<br />

verschiedenen Quellen diese Lebensgeschichte<br />

auf unsere Kleintheaterbühne zu<br />

bringen. Wohlverstanden nicht als Schenkelklopfer,<br />

sondern als biografisches<br />

Schauspiel mit dem nötigen Respekt<br />

vor dem Leben eines Menschen, der<br />

Geschichte schrieb.<br />

Das Stück beginnt mit dem Schluss von<br />

Karis Leben. Auf dem Vorplatz seines<br />

Salons trifft man sich nach dem Leichenmahl,<br />

um sein Leben noch einmal<br />

Revue passieren zu lassen. In die einzelnen<br />

Abschnitte werden Szenen aus dem<br />

Leben und Leiden von Kari eingespielt,<br />

die der Figur dieses Originals annähernd<br />

gerecht werden wollen. Die Inszenierung<br />

von Beppi Baggenstos zeigt eine klare<br />

Linie ohne viel Firlefanz, lässt Unnötiges<br />

weg, ohne dabei Bekanntes zu vergessen.<br />

Das strukturierte Spiel wird durch die<br />

eigenwillige Musik von Urs Ehrenzeller<br />

unterstützt.<br />

Die Sachsler <strong>Theater</strong>freunde wollen<br />

ihre Darstellung des Nachgesagten in<br />

die Reihe der anderen Darstellungen<br />

stellen und auch sie erheben nicht den<br />

Anspruch, nur das Wahre zu zeigen.<br />

Daten siehe Inserat S. 28 und Spielplan<br />

Bild: zvg<br />

theaterstans<br />

Anne Bäbi im Säli<br />

pd. Der Misthaufen ist «das eigentliche<br />

Herz des Berner Bauernhofes»: Das<br />

schrieb Jeremias Gotthelf 1842 über<br />

Anne Bäbi Jowägers Hof mit dem tiefen<br />

Dach und dem gepflegten Baumgarten.<br />

Zwei Bände hat Gotthelf der Bäuerin<br />

Anne Bäbi Jowäger gewidmet, zwei Teile<br />

einer Moralpredigt, einer Streitschrift<br />

wider Aberglauben und Dummheit. Und<br />

gleichzeitig hat Gotthelf eine humorvolle<br />

schweizerische Liebesgeschichte vom<br />

Feinsten geschrieben, in der seine Liebe<br />

zu den konservativen Schweizern, und<br />

verhalten sie sich noch so dumm, immer<br />

durchscheint. Denn Anne Bäbi scheint<br />

immer zu wissen, was recht und Sitte ist.<br />

Und reitet sich und die Seinen damit ins<br />

Unglück. Für ihren Sohn Jakobli glaubt<br />

sie in Lisi eine Tochter gefunden zu<br />

haben. Doch Lisi will den blattennarbigen<br />

Jakobli nur wegen seines Geldes. Und<br />

Jakobli hätte eigentlich lieber das einfache<br />

Meyeli. Dazu spielt die Magd Mädi<br />

ihr eigenes Spiel – mit Jakobli und mit<br />

Knecht Sami.<br />

Doch das war früher. Heute wird im Säli<br />

der Dorfbeiz «Ochsen» in bester schweizerischer<br />

Volkstheatertradition Gotthelfs<br />

Stück geplant, besetzt und geprobt,<br />

nachdem im Vorjahr «Ueli der Knecht»<br />

gespielt wurde. Damals musste Natascha<br />

die wüste Magd Stini verkörpern. Jetzt<br />

will sie nicht schon wieder eine schlechte<br />

Rolle, die der ungattigen Magd Mädi,<br />

übernehmen, sondern viel lieber das sittsame<br />

und schöne Meyeli spielen. Da stellt<br />

auch die Trennung von ihrem Freund<br />

Jack kein Hindernis dar, obwohl der auf<br />

der Bühne als Meyelis Bräutigam Jakobli<br />

bereits gesetzt ist. Nicht nur Natascha<br />

entspricht der Gotthelfschen Moral nicht.<br />

Der Regisseur ist «e Tüütsche», der mit<br />

seinen modernen Ideen Hans alias Vater<br />

Jowäger wütend macht, zumal der gerade<br />

seinen Bauernhof verkaufen will, die<br />

Serviertochter ist eine gewiefte Russin,<br />

welche die Schweizer gut zu packen<br />

weiss. Und aus einem Gaden heraus werden<br />

pornografische Produkte vertrieben.<br />

Kaum einer der Schauspieler im Säli hat<br />

die Füsse mehr auf dem Boden. Es ist die<br />

Welt, in der nichts mehr so ist, wie es bei<br />

Gotthelf hätte sein sollen, aber auch dort<br />

nie wirklich war.<br />

Daten siehe Inserat Januar-<strong>Ausgabe</strong> und<br />

Spielplan oder theaterstans.ch<br />

18<br />

<strong>Theater</strong>-<strong>Zytig</strong> 0802

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