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Lebenslust Gottingen

Das Magazin für Göttingen und Südniedersachsen Ausgabe 7, März bis Mai 2015

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lebenslust:gö VERANSTALTUNGEN 59<br />

Für lebenslust:gö besuchte unser Logenplatzautor die Oper in Kassel und sah sich dort die Aufführung „Iphigénie en Tauride“ an.<br />

Seine Schilderungen, die wie gewohnt nicht den Anspruch erheben, eine fachmännische Expertise zu sein, sondern sich vielmehr<br />

als die Eindrücke eines „ganz normalen Zuschauers“ verstehen, lesen Sie hier.<br />

Der LogenPlatz Spezial<br />

❜❜<br />

Sturm, Stimmung & zwei Geschwister❛❛<br />

„Iphigénie en Tauride“ am Staatstheater Kassel<br />

Christoph Willibald Gluck gilt als einer der bedeutendsten<br />

Opernkomponisten der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts<br />

und die vieraktige Oper „Iphigénie en Tauride“ wird im Allgemeinen<br />

als sein Meisterstück angesehen. Man darf also Einiges<br />

erwarten, wenn das Staatstheater Kassel nunmehr ihre Interpretation<br />

dieses im Jahre 1779 uraufgeführten Werkes präsentiert.<br />

„Pelops der Tantalide freit in Pisa mit flinken Rossen Oinomaos Tochter,<br />

die Atreus Mutter ward. Atreus erzeugte Menelas nud Agamemnon,<br />

ihm gebar die Tantalidentochter mich, Iphigenie.“ So beginnt<br />

der stimmungsvolle Monolog, mit dem Iphigénie in das Geschehen<br />

auf der Bühne einführt. Innerlich tief verzweifelt ist sie, diese Heldin<br />

– oder Antiheldin ? –, die, von Diana auf die Tauriden verschleppt,<br />

ein bedauernswertes Dasein als Hohepriesterin fristet. Bedauernswert<br />

insbesondere deswegen, weil es auch zu ihren Aufgaben zählt,<br />

Menschenopfer darzubringen.<br />

Eine offensichtlich durchaus tagesfüllende Tätigkeit, erinnern doch<br />

das Bühnenbild mit kahlen verschiebbaren Wänden in nüchternem<br />

Schwarz-Weiß sowie die Kostümierung, die von blutschillernden<br />

dunklen Schürzen beherrscht wird, an einen namenlosen Schlachthof<br />

im Nirgendwo. Dementsprechend aufgewühlt gerät auch die<br />

Anfangssequenz, in der die großartig aufgelegte Sopranistin Hulkar<br />

Sabirova als Iphigénie, gefangen in einem tosenden Orkan, den Elementen<br />

trotzen muss.<br />

In sehr hörenswerten Arien und durchaus berührenden, wenngleich<br />

nicht opulenten Chören und schließlich in den für diese Oper typischen<br />

Rezitativen entfaltet sich eine genretypische Handlung voller<br />

Drama, innerer Zerrissenheit und tiefem Gefühl. Thoas, der König<br />

der Taurer, mit großartigem Bass intoniert von Hee Saup Yoon verlangt<br />

nach weiteren Opfern, die Iphigénie vollziehen soll, um eine<br />

düstere Vorsehung abzuwenden. Diese Arie des Thoas stellt sicherlich<br />

einen der glanzvollen Höhepunkte der ersten Hälfte dar. Schiffbrüchige<br />

sollen es sein, die vom Opferdolch hingemetzelt werden.<br />

Und wie der Zufall es so will, ist es ausgerechnet Orest, der Bruder<br />

von Iphigénie, der mit seinem Freund Pylades in diese Falle tappt.<br />

Zunächst unerkannt, berührt dieser gleichwohl das Herz Iphigénies<br />

und bringt sie zu dem Schluss, dass wenigstens einer der beiden –<br />

Orest oder Pylades – gerettet werden soll. Orest droht nach einigen<br />

Streitereien schließlich für den Fall seines Überlebens den Freitod an<br />

und erreicht so die Freilassung von Pylades. Erst kurz vor Vollzug des<br />

Opfers erkennt Iphigénie das Verwandtschaftsverhältnis. Unfähig,<br />

Fotos: N. Klinger<br />

ihres Amtes zu walten, wird sie vom herbeieilenden Thoas verdrängt,<br />

der nunmehr selbst Hand anlegen will. Bevor ihm dies<br />

jedoch gelingt, wird er vom treuen Pylades, der mit Verstärkung aus<br />

Griechenland zurückgekehrt ist, niedergestreckt. Die drohenden<br />

verlustreichen Kampfhandlungen werden von der Göttin Diana<br />

unterbunden. Am Ende sind die Geschwister so in Liebe und<br />

Frieden vereint.<br />

Das in französischer Sprache abgefasste Libretto birgt viel Gefühl,<br />

welches durch das gesangsstarke Ensemble hörenswert auf die<br />

Bühne transportiert wird. Dabei liefert das Staatsorchester Kassel<br />

unter Leitung von Dirigent Jörg Halubek eine ebenso tongewaltige<br />

wie facettenreiche Untermalung, die zuweilen – in Anspielung an<br />

die örtlichen Gegebenheiten – sogar etwas orientalisch anmutet.<br />

Herausragend ist hierbei sicherlich die Auseinandersetzung zwischen<br />

Orest und Pylades, in der Hansung Yoo als Orest und Bassem<br />

Alkhouri als Pylades prächtig harmonieren. Ebenso begeisternd ist<br />

die Schlusssequenz am Ende des vierten Aktes, in der abermals Hee<br />

Saup Yoon als Thoas kurze aber einprägsame Glanzpunkte setzt.<br />

Imposant sind schließlich die Chöre, die am Schluss zudem mit<br />

wesentlich mehr Nachdruck vorgetragen werden als noch in der<br />

ersten Hälfte.<br />

Alles in allem präsentiert Regisseurin Reinhild Hoffmann dem Zuschauer<br />

einen Abend mit wunderschönen Bildern und außerordentlich<br />

gelungenen Choreographien vor einem Bühnenbild, welches im<br />

Wesentlichen durch Licht und Schatten charakterisiert ist. (Als einziger<br />

Farbtupfer stechen menetekelgleich die Blutspuren an der<br />

Wand hervor.) Das Publikum jedenfalls nimmt diese Emotionen<br />

gerne auf und spendet begeisterten Applaus. ■

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