CRUISER08
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Seite 10<br />
kultur<br />
CRUISER 0608<br />
A Clockwork Orange<br />
Das Thema Jugendgewalt<br />
erhält mit dem<br />
Kultstück neue Brisanz<br />
ob der Staat das Recht hat, Gewalttäter<br />
zu willenlosen Subjekten zu<br />
machen, sondern eine tiefgehende<br />
philosophisch-religiöse Meditation<br />
über den Sinn von Gewalt. Nach<br />
«Romeo und Julia», «Der Streit» und<br />
«Kabale und Liebe» inszeniert David<br />
Bösch, 1978 in Zürich seine Version<br />
des berühmten Romans von Antholischen<br />
Punk ist mittels Gehirnwäsche<br />
ein angepasster Musterbürger<br />
geworden.<br />
Stanley Kubricks Film kam 1971<br />
in die Kinos. Dann gab es in England<br />
Übergriffe von Jugendlichen, die sich<br />
auf den Film beriefen. «A Clockwork<br />
Orange» ist nicht nur eine radikale<br />
Gesellschaftssatire über die Frage,<br />
Randalieren, Krawall machen,<br />
klauen, grölen, steppen und vergewaltigen.<br />
Alex, der rabiate Anführer<br />
der «droogs», hat seine eigene<br />
Auffassung davon, was Spass macht,<br />
ohne Rücksicht auf Verluste. Er arbeitet<br />
nicht, hockt lieber in der<br />
Korova-Milchbar und überlegt mit<br />
seiner Gang, was man mit dem Tag<br />
anfangen könnte. Da gibt es Milch<br />
plus, Milch mit Halluzinogenen. Das<br />
heizt an und ist genau das Richtige,<br />
wenn man Bock auf ein bisschen Gewalt<br />
hat. Alex terrorisiert Alte und<br />
Schwache, bedroht harmlose Bürger<br />
und vergewaltigt ihre Frauen. Und –<br />
er kann nicht leben ohne die Musik<br />
von Ludwig van Beethoven.<br />
Nach einem Mord wird er eingesperrt<br />
und einer neuartigen Behandlungsmethode<br />
unterzogen, die<br />
ihm seine schlechten Eigenschaften<br />
austreiben soll. Am Ende der Therapie<br />
verabscheut er Sex und Gewalt<br />
und tut keiner Fliege mehr etwas<br />
zu Leide. Aus Versehen, und weil totalitäre<br />
Systeme zur Gründlichkeit<br />
neigen, wird ihm auch die Liebe zur<br />
Musik ausgetrieben. Endlich ist Alex<br />
ein guter Mensch, aber aufgezogen<br />
wie ein Uhrwerk. Aus dem amora-<br />
Jörg Pohl, als Alex, mit André Meyer und Dominique Jann, die Droogs <br />
ny Burgess aus dem Jahr 1962. Das<br />
heftig diskutierte Thema Jugendgewalt<br />
bekommt auf der Bühne eine<br />
neue Ausdrucksform. kb<br />
2. bis 19. Juni,<br />
Schiffbau Halle 2. Zürich,<br />
Tickets 044 258 77 77<br />
© Leonard Zubler<br />
Call Cutta in a Box<br />
Das erfolgreiche interkontinentale<br />
Telefon-<br />
Theaterstück von<br />
Rimini Protokoll.<br />
Der Besucher ist allein in einem<br />
Büro, wo das Telefon schon beim Eintreten<br />
klingelt. Wenn er antwortet,<br />
verwickelt ihn eine Stimme mit merkwürdigem<br />
Akzent in ein Gespräch.<br />
Die Person hinter der Stimme scheint<br />
den Raum genau zu kennen, obwohl<br />
sie 10 000 Kilometer entfernt<br />
ist. Die Stimme gehört einem Call-<br />
Center-Mitarbeiter in Kalkutta. Die<br />
Geschichte mit dem Agenten in Indien<br />
und dem Theaterbesucher in<br />
Zürich schwankt zwischen Service-<br />
Gespräch und Flirt. Unscharf bleibt<br />
auch die Grenze zwischen Fiktion<br />
und Realität.<br />
Stefan Kaegi, Helgard Haug und<br />
Daniel Wetzel bilden das Regiekollektiv<br />
Rimini Protokoll. Sie haben<br />
sich während ihres Studiums für Angewandte<br />
Theaterwissenschaft kennengelernt.<br />
In Zürich inszenierte<br />
das Regie-Trio bereits «Blaiberg und<br />
sweetheart19», zeigte «Wallenstein»<br />
und die Koproduktion «Karl Marx:<br />
Das Kapital, Erster Band», für welche<br />
sie 2007 mit dem Mülheimer Theaterpreis<br />
ausgezeichnet wurden. Kürzlich<br />
war ihre «Uraufführung: Der Besuch<br />
der alten Dame» am Pfauen zu<br />
sehen. Im April 2008 erhielt Rimini<br />
Protokoll in Thessaloniki den europäischen<br />
Preis für neue Theaterrealitäten.<br />
kb<br />
3. bis 29. Juni, täglich, ausser<br />
Montags. 14 – 19 Uhr,<br />
im Ringier Presse haus, Zürich.<br />
Jeweils 12 Vorstellungen mit nur<br />
einem Zuschauer<br />
Tickets 044 258 77 77