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CRUISER08

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Seite 6<br />

Kolumne & Award<br />

CRUISER 0608<br />

Es lebe das Tuntriarchat.<br />

Von Michi Rüegg<br />

Es ist erst ein paar Tage her, da fragte mich in einer Gay-Bar eine Frau<br />

nach meiner Telefonnummer. Sie sass dazu auf dem Boden vor der Toilette,<br />

das ganze wirkte etwa so, wie wenn auf dem Trottoir ein Stück Hundescheisse<br />

zu einem raufschauen und «iss mich» sagen würde. Ich so: das<br />

geht ja gar nich’.<br />

Dabei habe ich nichts gegen Frauen. Im Gegenteil, ich bin eine der leidenschaftlichsten<br />

Feministinnen, die ich kenne. Ich hätte am liebsten<br />

die ganze Wirtschaft voller Verwaltungsrätinnen und CEOinnen, in der<br />

Armee nur Offizierinnen, Staaten sollten von Präsidentinnen gelenkt werden<br />

und so weiter. Im Gegensatz zur Mehrheit der Männer hätte ich damit<br />

kein Problem. Mein Penis fällt nicht ab, wenn ich von einer Frau eine Weisung<br />

er halte. Einzig Politessen mag ich nicht. Und ich finde, man sollte<br />

alle Stewardessen entlassen und durch hübsche junge Männer ersetzen.<br />

Aber das täte ja automatisch passieren, denn alle Stewardessen würden<br />

ja Airline-Chefinnen werden, da bliebe im Flieger viel Platz für hübsche<br />

männliche Saftschubsen.<br />

Die Welt, da bin ich überzeugt von, wäre ein besserer Planet, wenn<br />

die Frauen das Sagen hätten. Vor allem für uns Homos. Den Beweis dazu<br />

habe ich kürzlich gefunden, als mein Vater und ich uns gegenseitig Mexiko<br />

zeigten: in der Landenge von Tehuantepec, derjenigen Gegend, wo<br />

die Spanier vor Jahrhunderten denjenigen Kanal bauen wollten, den die<br />

Franzosen hernach in Panama buddelten und später an die Amis verschachterten.<br />

Dort nämlich, also nicht in Panama, sondern im südlichen Mexiko, haben<br />

Soziolo- und Ethnologen vor langer Zeit das ihrer Ansicht nach letzte<br />

echte Matriarchat entdeckt. Potzdonner, denkt jetzt der eine oder andere,<br />

das hab ich nicht gewusst. Ich will nicht den Eindruck erwecken, hier mit<br />

einem Primeur um mich zu schlagen. Michèle Roten hat vor einer Weile im<br />

Magazin darüber geschrieben. Wenn man also noch nie davon gehört hat,<br />

dann nur deshalb, weil man statt des Tagis vermutlich die NZZ liest.<br />

Zurück nach Tehuantepec. Dort gibts sogar ein Fest, bei dem die Frauen<br />

auf die Dächer steigen und die Männer mit Früchten bewerfen. Klassische<br />

Unterwerfungsgeste. Grossartig. Ja, in der Landenge haben tatsächlich die<br />

Frauen die Hosen an. Und die Männer die Röcke. Zumindest ein Teil von<br />

ihnen, denn Tehuantepec gilt als diejenige Gegend mit der höchsten Transvestitendichte.<br />

Und sie leben dort ganz unbehelligt. Das hat mir auch ein<br />

Yucatekischer Taxifahrer bestätigt, dessen Grossmutter dort aufgewachsen<br />

ist. Er meinte, in ganz Mexiko seien Schwule jahrzehntelang unterdrückt<br />

worden, nur in Omas Heimat hätten sie’s ganz gut gehabt.<br />

Ja, hätten die (Hetero-)Männer nichts zu sagen, gäbe es wohl keine<br />

Schwulenfeindlichkeit. Da sind wir wieder beim selben Gedanken wie<br />

vorher: Ein Schwuler ist für den durchschnittlichen Hetero alter Schule<br />

eine etwa gleich grosse Bedrohung wie eine Frau, die Befehle erteilt. Ergo<br />

haben Frauen und wir sehr viele gemeinsame Interessen. Wir sind Verbündete<br />

in einem jahrhundertealten Kampf gegen den Machismo. Wir sollten<br />

uns gegenseitig achten, unterstützen, uns Mut machen. Wir tragen die Fackel<br />

der Freiheit des Denkens und Handelns. Das alles, hingegen, bedeutet<br />

noch lange nicht, dass ich einer dahergekrochenen Schlampe vor einer<br />

Brunzstätte meine Telefonnummer geben würde. Wo käme man da hin.<br />

Der CSD-Stonewall-Award 2008<br />

Drei Finalisten sind<br />

bereits ausgewählt<br />

Auch 2008 wird im Rahmen<br />

des CSD Zürich der CSD-Stonewall-<br />

Award verliehen. Mit dem mit CHF<br />

3000.- dotierten Preis soll eine Einzelperson<br />

oder eine Gruppe oder Organisation<br />

gewürdigt werden, die<br />

sich in besonderem Masse für die<br />

Anliegen lesbischwuler Menschen<br />

eingesetzt hat. Durch ein öffentliches<br />

Voting wurden drei Finalisten<br />

für den CSD-Stonewall-Award 2008<br />

ermittelt. Erst während der Zeremonie<br />

auf dem Turbinenplatz selbst<br />

entscheidet die Jury, bestehend aus<br />

Vertreterinnen und Vertretern der<br />

Stiftung Stonewall und des CSD Zürich<br />

und weiteren Persönlichkeiten,<br />

wem der Award überreicht wird. Die<br />

drei Finalisten sind:<br />

Claude Janiak<br />

Gemeinderat, Landrat, Nationalrat,<br />

Nationalratspräsident, Ständerat<br />

– und offen schwul: Claude Janiak<br />

schaffte es, trotz seiner sexuellen<br />

Orientierung eine so beispielhafte<br />

politische Karriere zu machen, wie<br />

sie nur wenige offen schwul oder<br />

lesbisch lebenden Menschen weltweit<br />

auch geschafft haben. Sein Geheimnis<br />

dabei? Vermutlich ist es<br />

diese unaufgeregte, ruhige Selbstverständlichkeit,<br />

mit der Claude Janiak<br />

sein Leben lebt und auch aus<br />

seiner Homosexualität kein Geheimnis<br />

macht.<br />

GLL Gleichgeschlechtliche<br />

Liebe leben<br />

Seit acht Jahren ist dieser Verein<br />

aktiv, um Schulklassen, Jugendgruppen<br />

und religiöse Gruppen zu<br />

besuchen und damit der Homosexualität<br />

ein Gesicht zu geben. Die zentrale<br />

Aussage ist einfach: Es gibt in<br />

jedem Schulhaus lesbische, schwule<br />

und bisexuelle Jugendliche. Deshalb<br />

ist es wichtig, Homosexualität<br />

im Unterricht zum Thema zu machen.<br />

Denn diese Jugendlichen sind<br />

häufig mit ihren Gefühlen allein,<br />

und viele werden bereits in diesem<br />

Alter aufgrund ihrer sexuellen Ori-<br />

entierung ausgelacht und diskriminiert.<br />

Johannes Sieber und gaybasel.ch<br />

Eine Stadt braucht nicht nur ein<br />

vielfältiges Angebot für lesbischwule<br />

Menschen, sondern auch Menschen,<br />

die dieses Angebot bekannt machen.<br />

In Basel sorgt unter anderem<br />

Johannes Sieber mit seiner Plattform<br />

GayBasel.ch dafür. Dank gezielter<br />

Medien- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

ist es dem Kommunikations-Profi<br />

gelungen, viele Anlässe aus den Kellern<br />

und Hinterhöfen ins Stadtzentrum<br />

zu rücken und ein Publikum,<br />

weit über die Region Basel hinaus,<br />

auf die lesbischwulen Anlässe am<br />

Rheinknie aufmerksam zu machen.<br />

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