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Im Kampf gegen die Schande<br />
Das neue Werk „Imperium der Schande“ kann<br />
einerseits als ein sehr pessimistisches Album<br />
eingeschätzt werden, anderseits aber auch<br />
als ein realistisches. Fakt ist, dass sich die Mitglieder<br />
von Eisheilig mit einem zähen Zeitgeist<br />
auseinandersetzen, der nicht nur die „schwarze“<br />
Generation von heute und morgen peinigt,<br />
sondern so ziemlich jeden<br />
anspricht. Sie vermögen ihre<br />
politischen Ansichten verbal,<br />
sowie musikalisch auszudrücken.<br />
Das Erste, womit sich<br />
der Hörer auseinandersetzen<br />
muss, ist die Frage, von welcher<br />
Schande eigentlich die<br />
Rede ist.<br />
Dennis Mikus: Ich denke, man muss es als Schande<br />
empfinden, wenn jeden Tag 100.000 Menschen an<br />
Hunger oder seinen unmittelbaren Folgen sterben<br />
und im Gegensatz dazu die Weltwirtschaft nie so<br />
produktiv war wie jetzt. Es gäbe ohne jeden Zweifel<br />
genug, um die gesamte Menschheit in ihren<br />
Grundbedürfnissen zufrieden zu stellen. Ein Mensch,<br />
der heute an Hunger stirbt, wird ausgebeutet und<br />
ermordet. Das ist das Prinzip einer kannibalischen<br />
Weltordnung. <strong>Die</strong> Interessensvertreter dieser Ordnung,<br />
die 500 größten Konzerne, kontrollieren über<br />
50% aller auf der Erde produzierten Güter. Sie fahren<br />
nach wie vor wahnsinnige Gewinne ein und<br />
breiten ihre Macht immer weiter aus. Auch in unserem<br />
Rechtssystem ist es vollkommen legal, dass<br />
Millionen Menschen für den Wohlstand von nur sehr<br />
wenigen arbeiten. Wir befinden uns mitten im Turbokapitalismus<br />
und unser vermeintlicher Wohlstand erbaut<br />
sich auf den Gräbern der Ärmsten dieser Welt.<br />
Das ist das Imperium, eine Weltherrschaft korrupter<br />
Konzerne, denen man entgegentreten muss. Fadenscheinige<br />
Argumente, warum Menschen der Dritte-Welt-Länder<br />
sich nicht selbst versorgen können,<br />
müssen hinterfragt, aufgeklärt und aus den Köpfen<br />
der Leute verbannt werden.<br />
Ebenso wird in „Imperium der Schande“ zum<br />
Kampf aufgerufen. Gegen wen oder was soll<br />
gekämpft werden, und wird vom Menschen<br />
als einzelnes Individuum gesprochen oder von<br />
einem Kollektiv, was sich zum Beispiel politisch<br />
engagieren soll?<br />
Es geht um den Kampf gegen das Schweigen, das<br />
Hinnehmen dieser Weltordnung. Das darf besonders<br />
uns als Nutznießern der Verfügbarkeit von<br />
fast allen Gütern, die weltweit produziert werden,<br />
nicht egal sein. Wir haben die Möglichkeit, unsere<br />
Stimme zu erheben, Dinge zu<br />
boykottieren und uns gegen<br />
diese menschenverachtenden<br />
Prinzipien zu wehren. Millionen<br />
Menschen in den Produktionsländern<br />
haben das nicht.<br />
Man stelle sich vor, dass der<br />
Verantwortliche der „Nestle-<br />
Gruppe“, Peter Brabeck dafür<br />
eintritt, Wasser mit einem<br />
Marktwert zu versehen. Das würde bedeuten, dass<br />
Wasser kein allgemeines Gut mehr ist. Es wäre also<br />
dann illegal, aus einer Quelle zu trinken, und vermutlich<br />
auch Regenwasser aufzufangen. Nestle gehört<br />
zu den 5 mächtigsten Lebensmittelkonzernen der<br />
Erde. In was für einer irrsinnigen Welt leben wir, in<br />
der, als ein Beispiel, jeder von uns Nestle Produkte<br />
konsumiert, und der Oberbefehlshaber dieser Gruppe<br />
scheinbar ein unbremsbarer Turbokapitalist ist,<br />
der keine Grenzen mehr zu kennen scheint? Wir ha-<br />
„Es geht um den<br />
kampf gegen das<br />
Schweigen, das<br />
hinnehmen dieser<br />
Weltordnung.“<br />
Fotos: Anja Keil<br />
ben offensichtlich zwischen all den mehr oder weniger<br />
sinnvollen Jobs, denen wir tagtäglich hinterher<br />
jagen, kaum mehr einen Kopf, um die Übersicht zu<br />
haben für das, was wir hier ganz nebenbei alles mit<br />
uns machen lassen. Wir müssen das erkennen und<br />
schnellstmöglich handeln. Wir müssen uns informieren,<br />
Dinge hinterfragen und gemeinsam dagegen<br />
angehen. Das ist eine Verantwortung gegenüber all<br />
dem, was nach uns kommen wird. Es reicht nicht,<br />
jeden Monat sein Gehalt zu organisieren und zu sehen,<br />
dass man seine Rechnungen und Konsumartikel<br />
bezahlt. Das mag vielleicht irgendein Gefühl von Zufriedenheit<br />
und Gemeinschaftlichkeit erzeugen, weil<br />
es ja hierzulande allen so geht, führt aber in Wahrheit<br />
lediglich zur totalen Ablenkung von den wirklich<br />
elementaren, unbequemen Fragen, deren Antworten<br />
leider immer noch offen sind.