Cast: Irrfan Khan, Tillotame Shome, Tisca Chopra Regie: Anup Singh Genre: Geschichtsdrama Filmlänge: 110 Minuten Release: 20. Februar <strong>2015</strong> Rating: 70 <strong>BNA</strong> GERMANY <strong>März</strong> / <strong>April</strong> <strong>2015</strong>
FILM REVIEW QISSA Schwere Kost, aber dennoch absolut sehenswert Nachdem der Film bereits diverse Awards erhalten und mit unzähligen Lobpreisungen auf internationalen Filmfestivals überschüttet wurde, hat „Qissa“ nun auch endlich, nach langem Warten, die indischen Kinos erreicht. Zudem wurde der Film simultan auch auf VOP und DVD veröffentlicht, um sicherzustellen, ein breites Publikum in Indien zu erreichen, was bei einen Punjabi-Film und erst recht einem Film mit einem derartig sozial-kritischen Thema nicht ganz einfach ist. Denn „Qissa“ führt die Psyche und Denkweise vieler indischer Familien vor, die besessen davon sind, nur Söhne zu haben, statt Töchter und das aus den verschiedensten Gründen. Diese Denk- und Handlungsweise, die einen Jungen und später auch den Mann in der Gesellschaft weit vor ein Mädchen oder eine Frau stellen, zeigt sich heute leider noch immer zuhauf in Indien, vor allem in den ländlichen Gegenden, wie beispielsweise im Punjab, wo immer noch Mädchen-Föten abgetrieben werden - und das in dieser aufgeklärten und gebildeten Gesellschaft des 21. Jahrhunderts. „Qissa“ erzählt die Geschichte eines Vaters namens Umber Singh (Irrfan Khan), der bei der Geburt seines vierten Kindes auf einen Sohn hofft, nachdem seine anderen Kinder alles Mädchen sind. Doch auch das vierte Kind ist ein Mädchen und Umber kann diese Tatsache nicht akzeptieren und beschließt daher, diese Tochter als Sohn großzuziehen. Dabei ignoriert er völlig die physischen und psychischen Gegebenheiten und Entwicklungen seiner Tochter und zerstört mit seinem besessenen und ignoranten Verhalten beinahe das Leben seiner gesamten Familie, insbesondere seiner Tochter. Der Film konzentriert sich, nachdem er anfangs kurz zeigt, wie brutal die Teilung Indiens verlaufen ist und die Familie all ihr Hab und Gut auf der Flucht nach Indien zurücklassen musste, komplett auf die Vater-Tochter-Beziehung und zeigt etliche, teilweise auch schockierende Wendungen. Regisseur Anup Singh springt in der zweiten Hälfte des Films in die Welt des Übernatürlichen über. Für den Zuschauer kann die vielschichtige Erzählweise im Film stellenweise verwirrend sein, vor allem, wenn man die kulturellen und geschichtlichen Hintergründe nicht kennt. Das ist es auch, was den Film schwer zugänglich für eine breite Masse macht, trotz seiner guten Story, der guten Kameraführung und der tollen Schauspielleistung der Darsteller. In den Film sind einige persönliche Erfahrungen des Regisseurs mit eingeflossen, was die Glaubwürdigkeit des Films stärkt und starke Emotionen beim Zuschauer hervorruft. Anup Singh gelingt es, mit „Qissa“ Poesie auf die Leinwand zu bringen. Irrfan Khan in der Rolle des exzentrischen Vaters Umber spielt dermaßen überzeugend, dass der Zuschauer ihn zu keinem Zeitpunkt im Film zu hassen vermag, ganz gleich, wie fies er sich seiner Familie gegenüber verhält, getrieben von dem gesellschaftlichen Druck, einen Sohn zu haben. Aber er liebt dennoch seine Familie und Irrfan Khan bringt dies so überzeugend rüber, dass er die Herzen der Zuschauer gewinnt. Tillotama Singh in der Rolle der Tochter/des Sohnes Kanwar spielt ebenso glaubwürdig ihre Rolle als leidendes Mädchen. Tisca Chopra spielt die Rolle der Mutter und unterwürfigen Ehefrau und gibt ebenfalls eine gute Leistung ab. „Qissa“ ist ein schwieriger, aber dennoch absolut sehenswerter Film und wird auch Sie sicherlich nicht emotional unberührt lassen. <strong>BNA</strong> GERMANY <strong>März</strong> / <strong>April</strong> <strong>2015</strong> 71