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Zur Identität des gruppenanalytischen ... - Rudolf-heltzel.de

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klar, daß gar nicht „alle gleich“ wären und daß dies viele verschie<strong>de</strong>ne Phantasien anstoße...Der<br />

Abteilungsleiter fragt in die Run<strong>de</strong>, guckt dabei aber mich an: „Manchmal frage ich<br />

mich, ob wir zu schnell sind mit unserer Entwicklung?!" Ich antworte direkt: „Sie sind alle<br />

immer wie<strong>de</strong>r an <strong>de</strong>r Grenze <strong>de</strong>r Belastbarkeit, so geht offenbar Überleben“...Die Oberärztin<br />

antwortet: „Ich hab manchmal eine Sehnsucht nach Ruhe, nach Stabilität; diese großen Verän<strong>de</strong>rungen<br />

– das geht ja seit Jahren schon so!“ Ich teile dieses Gefühl in <strong>de</strong>r Gegenübertragung<br />

und sage, daß dies vermutlich so bleiben wer<strong>de</strong>, und daß wir uns wohl alle von unserer<br />

– verständlichen - Sehnsucht nach Stabilität verabschie<strong>de</strong>n müßten. Das Neue ist,<br />

sagt ein Oberarzt, daß die Existenz ganzer Organisationen in Frage gestellt sei – das wäre<br />

an<strong>de</strong>rs im Vergleich zu früher. Der Pflegedienstleiter bezweifelt, daß das wirklich so neu sei,<br />

auch früher habe es ständig große Verän<strong>de</strong>rungen gegeben. Der Oberarzt: aber die Station<br />

XY sterbe gera<strong>de</strong>! Der Pflegedienstleiter: „Was ist besser, ein schneller Tod o<strong>de</strong>r ewiges<br />

Sterben?!“ Ein Krankenpfleger <strong>de</strong>r angesprochenen Station ruft bewegt, es wer<strong>de</strong> immer<br />

schwerer und koste immer mehr Anstrengung, <strong>de</strong>n Patienten Kontinuität in <strong>de</strong>r Beziehung<br />

anzubieten! - Jetzt entsteht länger anhalten<strong><strong>de</strong>s</strong> Schweigen, in <strong>de</strong>m großer Ernst und eine<br />

tiefe Traurigkeit mitschwingen (auch ich spüre diese Traurigkeit in mir). Die Mitarbeiter <strong>de</strong>r<br />

neuen Station wer<strong>de</strong>n sich von einigen Patienten verabschie<strong>de</strong>n müssen, die man seit seit<br />

Jahren kennt, zu <strong>de</strong>nen tragfähige Beziehungen entstan<strong>de</strong>n sind...sie wer<strong>de</strong>n weiterhin in<br />

<strong>de</strong>r Abteilung, aber auf einer an<strong>de</strong>ren Station behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n... so schwierig sie zu ertragen<br />

waren – <strong>de</strong>r Abschied schmerzt! Jetzt wird fühlbar, wie je<strong>de</strong> geplante Verän<strong>de</strong>rung, je<strong>de</strong><br />

Umstellung mit Verlusten und Abschie<strong>de</strong>n verbun<strong>de</strong>n ist – die Gruppe trauert darum. - Ich<br />

beschließe die Sitzung, in<strong>de</strong>m ich sage, daß sowohl ein schneller Tod als auch ein langsames<br />

Sterben Trauern auslöse - das gehöre auch zu <strong>de</strong>n großen Herausfor<strong>de</strong>rungen: Trauern<br />

mitten in laufen<strong>de</strong>n Verän<strong>de</strong>rungsprozessen. – Die Stimmung, die gegen En<strong>de</strong> dieser<br />

Sitzung vorherrschte, kann ich am besten so umschreiben: Es schien <strong>de</strong>n Beteiligten klar,<br />

wie schwer das ist, was sie durchstehen müssen: Existenzbedrohung, Verän<strong>de</strong>rungsdruck,<br />

Konkurrenz, Neid, Mühe, Sehnsucht, Verlust, Tod und Trauer. Aber es war kein Vorwurf<br />

mehr im Raum, die Großgruppe „hielt“ – in diesem Moment – all dies gera<strong>de</strong> dadurch, daß<br />

es mitgeteilt, gehört und gefühlt wer<strong>de</strong>n konnte, ohne daß jemand dies in Frage stellte o<strong>de</strong>r<br />

zu unterbin<strong>de</strong>n versuchte. – Wie ich nach einigen Monaten erfuhr, hatten die zwei Großgruppensitzungen<br />

nachhaltige Wirkung in <strong>de</strong>r Abteilung, u. a. konnte die besprochene Stationsumstellung<br />

tatsächlich durchgeführt wer<strong>de</strong>n und fand breite Zustimmung. Im Nachhinein<br />

ließe sich die vorgestellte Sequenz auch so verstehen, daß die Großgruppe im zweiten Teil<br />

<strong>de</strong>r Arbeit zur <strong>de</strong>pressiven Position fand und sich daher umso konstruktiver <strong>de</strong>n anstehen<strong>de</strong>n<br />

Aufgaben zuwen<strong>de</strong>n konnte.

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