JAHRESBERICHT 2002 - Gerda Henkel Stiftung
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STIPENDIAT Dr. Eric-Oliver Mader, München<br />
FÖRDERUNG Forschungsstipendium | Die <strong>Gerda</strong> <strong>Henkel</strong> <strong>Stiftung</strong> unterstützt<br />
das Projekt durch die Gewährung eines Forschungsstipendiums<br />
sowie die Übernahme von Reise- und Sachkosten.<br />
Ziel des Forschungsprojektes von Dr. Eric-Oliver Mader ist es, am Beispiel des 1613<br />
erfolgten Übertritts Wolfgang Wilhelms von Pfalz-Neuburg zum Katholizismus<br />
entscheidende Politikkonzepte und ihre Umsetzung an einem frühneuzeitlichen<br />
Fürstenhof zu analysieren. Über die weitreichenden politischen Konsequenzen der<br />
Konversion des Pfalzgrafen ist sich die Historiographie einig, wohingegen der<br />
Antrieb – persönliche Glaubensüberzeugung oder politische Motive – kontrovers<br />
diskutiert wird. Eine eingehende Analyse des politischen Weltbildes und Deutungshorizontes<br />
des Fürsten und seines »brain trusts«, der die fürstlichen Entscheidungen<br />
vorbereitete, der Art und Weise der Entscheidungsfindung und der Mentalitäten der<br />
Räte sowie eine Diskussion um Politikkonzepte erfolgte bisher nicht.<br />
Mit dem Regierungsantritt Wolfgang Wilhelms 1615 begann eine Rekatholisierung<br />
des seit drei Generationen lutherischen Territoriums, das insbesondere unter<br />
seinem Vater Philipp Ludwig als protestantischer Musterstaat galt. Gleichzeitig<br />
ermöglichte der Konfessionswechsel, die in Jülich-Kleve bestehenden Erbansprüche<br />
zumindest teilweise zu behaupten. Während die Konversion Wolfgang Wilhelms im<br />
Kontext des Jülich-Klevischen Erbfolgestreites als Ereignis von europäischer Tragweite<br />
erscheint, wird ihr auch deshalb Relevanz zugemessen, weil es sich dabei um den<br />
ersten Übertritt eines bedeutenderen Reichsfürsten zum Katholizismus handelt und<br />
damit das ius reformandi erstmals zugunsten der katholischen Kirche angewendet<br />
wurde. Im Kontext des Glaubenswechsels des Fürsten lassen sich diverse politische<br />
Denkweisen und Handlungsmuster beobachten, die Dr. Mader auf drei Ebenen untersuchen<br />
wird. Zunächst wird er sich dem politischen Deutungshorizont des Fürsten<br />
widmen. Die Privatbibliothek Wolfgang Wilhelms wurde über Umwege in die Staatsbibliothek<br />
München eingegliedert, so dass eine Liste von Büchern, die der Fürst Ende<br />
des 16. Jahrhunderts und Anfang des 17. Jahrhunderts besaß, rekonstruiert und<br />
anschließend ideengeschichtlich und in Hinsicht auf seinen geistigen Horizont ausgewertet<br />
werden kann. Weiterhin soll der Zusammenhang zwischen den politischen<br />
Entscheidungsprozessen einerseits und den vorbereitenden Konzepten andererseits,<br />
die die Politik Wolfgang Wilhelms kurz nach seinem Regierungsantritt begleiteten,<br />
erforscht werden. Im Mittelpunkt stehen dabei nicht nur die Gutachten und Zuschriften<br />
von Pfalz-Neuburger Räten, Agenten oder Residenten, sondern auch die Politikberatung,<br />
die Wolfgang Wilhelm von Maximilian von Bayern erhielt. Schon unter<br />
seinem Vater war ein weites Agenten- und Kommunikationsnetz aufgebaut worden,<br />
das der strategischen Vorbereitung und dem Management des Erbanfalls in Jülich-<br />
Kleve diente. Die Räte in Köln, Prag, Paris, Nürnberg und anderen Orten lieferten<br />
Analysen zur politischen Lage, um sofortige Handlungsfähigkeit zu garantieren.<br />
Dr. Mader will versuchen, den juristisch-theologischen und politiktheoretischen wie<br />
-praktischen Deutungshorizont, der in den Agentenkorrespondenzen und in Gutachten<br />
der Beratergremien am Pfalz-Neuburger Hof zum Ausdruck kommt, erstmals<br />
genauer darzustellen. Im dritten Teil der Studie steht die lutherische Wahrnehmung<br />
der Konversion im Vordergrund und es werden die Reaktionen der pfalz-neuburgischen<br />
Räte thematisiert, die teilweise in wichtigen Stellungen blieben, ohne zum<br />
katholischen Glauben überzutreten. Darüber hinaus werden auch die Gutachten ausgewertet<br />
werden, die die lutherisch gebliebenen Brüder des Fürsten, August von Pfalz-<br />
Sulzbach und Johann Friedrich von Pfalz-Hiltpoltstein, in Auftrag gaben. Sie stellen<br />
gleichsam einen publizistisch-politischen Widerstand dar, gegen den sich die eigene<br />
Entscheidungsfindung und -legitimation durchsetzen und profilieren musste. Die<br />
von Dr. Mader vorgenommene Einbindung des publizistischen und gutachterlichen<br />
Argumentationskampfes in die Betrachtung politischer Entscheidungsprozesse um<br />
1600 lässt eine neue Perspektive auf das Spannungsfeld zwischen Konfession und<br />
Politik erwarten.<br />
KONVERSION UND FRÜHMODERNE STAATSBILDUNG.<br />
POLITIKKONZEPTE, ENTSCHEIDUNGSPROZESSE<br />
UND REAKTIONEN AUF DEN ÜBERTRITT DES<br />
PFALZGRAFEN WOLFGANG WILHELM VON<br />
PFALZ-NEUBURG ZUM KATHOLIZISMUS<br />
Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm von Pfalz-Neuburg<br />
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