JAHRESBERICHT 2002 - Gerda Henkel Stiftung
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DEUTSCHLAND ALS »FUSSBALL-<br />
VOLKSGEMEINSCHAFT«: ÜBER DIE<br />
MÖGLICHKEITEN IDEOLOGISCHER UND<br />
POLITISCHER FORMIERUNG EINER<br />
MODERNEN MASSENKULTUR, 1919 BIS 1954<br />
Sport und Ideologie: Zuschauer eines Fußballspiels<br />
in der Zeit des Nationalsozialismus<br />
GEWALT IM MITTELALTER,<br />
MÜNCHEN, 27. BIS 29. MÄRZ 2003<br />
STIPENDIAT Rudolf Oswald, München<br />
FÖRDERUNG Promotionsstipendium | Die <strong>Gerda</strong> <strong>Henkel</strong> <strong>Stiftung</strong> unterstützt das<br />
Dissertationsvorhaben durch die Gewährung eines Promotionsstipendiums.<br />
Der Gegenstand des Dissertationsvorhabens von Rudolf Oswald (München) ist die<br />
Untersuchung des Volksgemeinschaftsdiskurses im deutschen Fußballsport zwischen<br />
1919 und der Mitte der 50er Jahre. Der Fußballsport hatte sich, als eine erschwingliche<br />
Freizeitbeschäftigung, seit dem Ende des Ersten Weltkrieges in Deutschland zur<br />
Angelegenheit der breiten Massen entwickelt. In Verbindung mit einer vom Fußballboom<br />
profitierenden Sportpresse wurden damit die Grundlagen einer neuen Form der<br />
Massenkultur gelegt. Innerhalb der bürgerlichen Rasensportbewegung, repräsentiert<br />
vom DFB, wurde dieser Aufschwung aber als Aufforderung verstanden, die Aneignung<br />
des Spiels durch die männliche Jugend formierend zu steuern. Die Folge war<br />
eine starke Ideologisierung der Sportart, deren Schlüsselbegriff die »Volksgemeinschaft«<br />
war und deren Ausübung als Mittel zur Hebung von Wehrkraft und Volksgesundheit<br />
betrachtet wurde, während die Fußballmannschaft als abstrakte Größe zum<br />
Modell einer homogenen Gesellschaftsordnung avancierte. Bürgerliche, sozialistische<br />
und konfessionelle Gemeinschaftskonzeptionen wiesen, trotz ihrer unterschiedlich<br />
definierten Zweckbestimmung, drei gemeinsame Strukturmerkmale auf: Dienst an<br />
einer Gemeinschaft, deren Nichterfüllung die Erziehung des Individuums zur<br />
Gemeinschaft forderte, wobei das Scheitern wiederum den Ausschluss aus der<br />
Gemeinschaft zur Folge hatte. Herr Oswald beabsichtigt, im Rahmen seines Dissertationsvorhabens<br />
zu zeigen, dass sich diese Trias aus Dienst, Erziehung und Exklusion<br />
nicht zuletzt in theoretischen Konzeptionen niederschlug, wobei vor allem der populäre<br />
Fußball, aufgrund seines Charakters als Mannschaftsspiel, zum Idealbild völkischer,<br />
proletarischer und religiöser Gemeinschaft wurde. Mit diesen Vorstellungen<br />
war der »kommerzialisierte« Fußball nicht vereinbar. Aufgrund der propagandistischen<br />
Erfordernisse des NS-Regimes erfuhr der Gemeinschaftsdiskurs ab 1933 eine<br />
Verlagerung – hin zum Fußball als Konsumgut – und es wurde versucht, das Fußballpublikum<br />
als »erlebbare Volksgemeinschaft« zu inszenieren. Nach 1945 stand die<br />
Politik dem Sportgeschehen im Allgemeinen zunächst distanziert gegenüber. Um so<br />
erstaunlicher war die Reaktion in Westdeutschland auf »das Wunder von Bern«, den<br />
Gewinn der Fußballweltmeisterschaft 1954 in der Schweiz, der neben Währungsreform<br />
und Wirtschaftswunder zu einem Gründungsmythos der Bundesrepublik wurde.<br />
Die zeitgenössischen Debatten bilden aber nur einen Aspekt der Arbeit. Ein alltagsgeschichtlicher<br />
Ansatz wird sich den »Orten« zuwenden, an den die Massenkultur Fußball<br />
mit den Versuchen ideologischer und politischer Formierung konfrontiert war.<br />
Neben Presse und Rundfunk wird dabei vor allem das Fußballstadion thematisiert,<br />
denn dies war zum einen die Stätte komplexer Vergemeinschaftungsprozesse, zum<br />
anderen der Ort, an dem sich die Herausbildung der ersten Fußballsubkulturen »von<br />
unten« vollzog.<br />
LEITER Dr. Manuel Braun, Cornelia Herberichs<br />
INSTITUTION LMU München, Institut für deutsche Philologie<br />
Universität Zürich, Deutsches Seminar<br />
FÖRDERUNG Tagung | Die <strong>Gerda</strong> <strong>Henkel</strong> <strong>Stiftung</strong> förderte die Tagung durch die<br />
Übernahme von Reise- und Unterkunftskosten der Referenten.<br />
Das Projekt »Gewalt im Mittelalter« entstand aus mehreren Impulsen: Es wollte die<br />
deutsche Mediävistik an eine lebendige internationale Diskussion heranführen und<br />
diese zugleich durch einen konsequent interdisziplinären Ansatz fortentwickeln.<br />
Zudem ist der Gegenstand Gewalt besonders geeignet, derzeit diskutierte kulturwissenschaftliche<br />
Fragestellungen zu bündeln und an konkretem Material zu erproben.<br />
Schließlich fordert die Frage, wie sich das Mittelalter in eine Geschichte der Gewalt<br />
einordnet, grundsätzliche Überlegungen dazu heraus, wie sich Geschichte jenseits<br />
von Teleologie konzipieren lässt und wie mit den Entwürfen »großer« Erzählungen<br />
umzugehen ist. Ziel eines von Dr. Manuel Braun organisierten interdisziplinären