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FINE Das Weinmagazin - 02/2015

Fine Das Weinmagazin ist in der Welt der großen Weine zu Hause. Hauptthema: SCHWEIZ

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URSULA HEINZELMANN<br />

GENIESSEN – ABER WIE!<br />

Champagner mit Erdbeeren<br />

- das geht nur im Film<br />

The other<br />

Cavalli!<br />

Champagner im Glas ist grundsätzlich ein<br />

erfreulicher Tatbestand, besonders wenn<br />

wir davon ausgehen, dass Fine-Leser bei<br />

der Auswahl desselben mit Sachverstand und Kompetenz<br />

vorgehen. Doch was bedeutet beschwingtes<br />

Schäumen für die feste Nahrungszufuhr? Schlimmstenfalls:<br />

gar nichts. Bei Empfängen nämlich, deren<br />

Veranstalter noch nie nach einem langen Arbeitstag<br />

mit durchhängendem Magen eine Stunde ohne<br />

einen Bissen im Stehen verbrachten. Gar nichts<br />

bedeutet meist auch: der Champagner ist so lala.<br />

Passons. Nächste Stufe: Häppchen, auf Neudeutsch<br />

Fingerfood, von Räucherlachs bis Edel-Sushi. Entspricht<br />

am ehesten den Erwartungen, bietet aber<br />

wenig Überrraschungen. Tatsächlich als Begleitung<br />

zum Essen fließt Champagner eher selten in<br />

die Gläser, und wenn, wird meist Edles und tendenziell<br />

Helles serviert, von Steinbutt bis Perlhuhn,<br />

gern in Beurre Blanc, mit ein wenig Hummer und/<br />

oder Trüffel, um der Kostbarkeit im Glas Rechnung<br />

zu tragen. Aber bedarf die tatsächlich einer solchen<br />

Bestätigung? Ist nicht Einfachheit der wahre neue<br />

Luxus?<br />

Die großartigsten Champagner-Begleiter, die<br />

mir je begegnet sind, waren die kleinen, gesalzenen,<br />

in der Schale gekochten Kartoffeln von der<br />

französischen Atlantik-Insel Noirmoutier mit jodigem<br />

Meeres aroma und eher gemüsig als mehlig.<br />

Sie ergänzten und untermalten einen gestandenen<br />

Blanc de Blancs von R & L Legras aus Chouilly.<br />

Noch überraschender: geräucherte Sprotten, denen<br />

man nur den Kopf abzwickt, sie aber ansonsten goldglänzend<br />

und ganz verzehrt. Rauch und Mineralik,<br />

Fischfett und Hefe-Malolaktik, feines Schäumen<br />

und das leise Knacken der Gräten – perfekt. Dazu<br />

eine der würzigmineralischen Nummern-Cuvées<br />

von Jacquesson, und das Leben ist so, wie es sein<br />

sollte. Mit den Händen essen passt nicht zum edlen<br />

langstieligen Glas? Ach was, wozu gibt es Servietten.<br />

Ebenso ungewöhnlich und quasi nie zum Champagner<br />

serviert: Büffelmozzarella. Und zwar bitte die<br />

allerbeste, allerfrischeste, molkesaftig und wiesenmilch<br />

aromatisch. <strong>Das</strong> klingt befremdlich? Was<br />

der Weinliebhaber nicht kennt, trinkt er nicht?<br />

Deshalb: Champagner kaltstellen (etwa einen der<br />

Charakterköpfe von Bruno Paillard), Käse kaufen,<br />

ausprobieren!<br />

Nach dem Käse - doch halt, an dieser Stelle<br />

gehört angemerkt, dass Chaource, der säuerlichsahnige<br />

Käse aus der südlichen Champagne (wo die<br />

Kühe unter Apfelbäumen grasen) mit seiner feinen<br />

Bitternote zwar eine geographisch etwas weniger<br />

überraschende, deshalb aber nicht minder großartige<br />

Begleitstimme liefert (dass er aus Rohmilch<br />

und professionell affiniert sein sollte, versteht sich<br />

von selbst).<br />

Aber dann kommt, was kommen muss: das<br />

Thema Süßes. Was ich hier mit einem nur halb<br />

unterdrückten Seufzer anbringe. Denn einerseits<br />

sind da unsere französischen Nachbarn, für die<br />

»une coupe«, ein Glas Champagner, grundsätzlich<br />

immer und zu allem passt. Immer? D’accord.<br />

Zu allem? Ganz und gar nicht, weil das nämlich<br />

auch Desserts und Geburtstagskuchen einschließt.<br />

Selbst wenn der Champagner nicht ganz knochentrocken<br />

ist, kann er dem nicht standhalten, hisst die<br />

weiße Säurefahne und zeigt sich von der aggressiven<br />

Seite. Also: nein. Nein!<br />

Ebenfalls nein: Erdbeeren. Werden wir den<br />

Pretty-Woman-Fluch wohl je loswerden? Seit der<br />

Premiere dieses zugegebenermaßen in mancherlei<br />

Hinsicht unterhaltsamen Films vor fünfundzwanzig<br />

Jahren hat sich unser Frauenbild glücklicherweise<br />

(hoffentlich!) gewandelt. Aber die<br />

Erdbeeren, die Richard Gere Julia Roberts in der<br />

Silberschale serviert, weil das, wie er sie belehrt,<br />

»den Geschmack des Champagners zum Ausdruck<br />

bringt«, die geistern immer noch durch viele Köpfe.<br />

Also, noch mal ganz deutlich, verehrte Leserinnen<br />

und Leser: Erdbeeren und Champagner, das geht<br />

nur im Film. Im wahren Leben weiß unser Freund<br />

im Glas aufgrund der Textur der Beeren einfach<br />

nicht, wohin mit seiner Säure, sowohl der sauren<br />

als auch der prickeligen.<br />

Dabei lag Richard Gere gar nicht so weit<br />

da neben, denn richtig großartig sind: Himbeeren.<br />

Zu quasi jedem Champagner, vorweg, zum Dessert,<br />

einfach so. Die zerplatzen ebenso leise, fruchtig und<br />

beschwingt auf der Zunge wie die Champagnerperlen,<br />

und wenn es sie nicht schon gäbe, dann<br />

hätte sie einer der genialen modernen Köche längst<br />

erfunden und patentiert. <strong>Das</strong> ist nicht nur pretty,<br />

sondern einfach beautiful. •<br />

Foto: Thilo Weimar für <strong>FINE</strong><br />

www.deglidei.it<br />

118 <strong>FINE</strong> 2 | <strong>2015</strong>

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