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Menschen, denen Sie in dieser Ausgabe begegnen: Henrik Albrecht ...

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Jeder kennt die Situation:<br />

Man sitzt e<strong>in</strong>er Krankenschwester<br />

gegenüber, und<br />

die sagt: „Jetzt wird es erst<br />

mal e<strong>in</strong> bisschen kalt“. –<br />

„Pschschsch..!“ „Und jetzt<br />

piekt es e<strong>in</strong> wenig!“ – „Oouuhh!“<br />

„Jetzt läuft es doch<br />

schon, gleich ist es soweit.<br />

Nun drücken <strong>Sie</strong> mal den Zeigef<strong>in</strong>der<br />

drei M<strong>in</strong>uten lang<br />

auf diese Stelle, damit es später<br />

ke<strong>in</strong>en Bluterguss gibt.<br />

Und fertig!“<br />

Blutabnahme.<br />

Hat jeder schon mehrfach mitgemacht.<br />

Und wer wie ich<br />

schon älter als 20.000 Tage<br />

ist, kann gar e<strong>in</strong> Lied davon<br />

s<strong>in</strong>gen. Zumal bei mir<br />

erschwerend h<strong>in</strong>zu kommt,<br />

dass ich, zum<strong>in</strong>dest im l<strong>in</strong>ken<br />

Arm, über so genannte, ich<br />

will mal sagen... „Fata-Morgana-Adern“<br />

verfüge. Es sieht<br />

so aus, als wären sie da, aber<br />

<strong>in</strong> Wirklichkeit.... Jedenfalls<br />

habe ich so schon – natürlich<br />

unabsichtlich – Generationen<br />

von Krankenschwestern <strong>in</strong><br />

die Verzweiflung getrieben.<br />

Noch bei me<strong>in</strong>em vorletzten<br />

Krankenhausaufenthalt, es<br />

war die Malteser-Kl<strong>in</strong>ik <strong>in</strong><br />

Bonn, brach e<strong>in</strong>e dralle Rothaarige<br />

nach dem fünften<br />

gescheiterten Versuch, mir<br />

Blut abzunehmen, <strong>in</strong> Tränen<br />

aus „Ich habe me<strong>in</strong>en Beruf<br />

verfehlt!“, stammelte sie<br />

mehrfach, und warf die Spritzen<br />

<strong>in</strong> die Ecke. Ihre Kolleg<strong>in</strong>nen<br />

konnten sie nur mit Mühe<br />

dran h<strong>in</strong>dern, sich etwas<br />

anzutun.<br />

Nicht nur, dass ich „Fata-Morgana-Adern“<br />

habe, me<strong>in</strong> Blut<br />

sprudelt auch nicht. Das habe<br />

ich schmerzhaft mitbekommen,<br />

als ich bei der Bundeswehr<br />

das e<strong>in</strong>zige Mal <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em<br />

Leben zum Blutspenden<br />

war. Die Aussicht auf drei<br />

Tage Sonderurlaub und e<strong>in</strong><br />

Jäger-Schnitzel mit Pommes<br />

und Salat im Offiziers-Cas<strong>in</strong>o<br />

14<br />

Von Krankenschwestern,<br />

Professoren und<br />

„Fata-Morgana-Adern“<br />

E<strong>in</strong>e ziemlich blutige Geschichte – erzählt von Helmut Thielen<br />

hatten auch mich den Gang <strong>in</strong><br />

den San-Bereich antreten lassen.<br />

Ich weiß nicht mehr, wie<br />

lange ich auf der Pritsche lag,<br />

um e<strong>in</strong>en halben Liter von der<br />

roten Flüssigkeit <strong>in</strong> das dafür<br />

vorgesehene Glas zu bekommen.<br />

„Pumpen, pumpen“,<br />

forderte mich der Sani immer<br />

wieder auf. Ich lag mittlerweile<br />

alle<strong>in</strong>e da, me<strong>in</strong>e Hand war<br />

schon eiskalt, und der l<strong>in</strong>ke<br />

Arm sah aus, als käme er aus<br />

e<strong>in</strong>em Wachsfiguren-Kab<strong>in</strong>ett.<br />

Als ich den halben Liter endlich<br />

zusammen hatte, war das<br />

Offiziers-Cas<strong>in</strong>o schon geschlossen.<br />

Zum Ausgleich für<br />

das verpasste Jäger-Schnitzel<br />

habe ich mir den Sonder-<br />

Urlaub dann gleich zweimal<br />

gegönnt. Unter anderem für<br />

die Karnevalstage 1973, wo<br />

ich dem Freddy Schmitz <strong>in</strong><br />

der „Kolp<strong>in</strong>gskiste“ beim<br />

„Kölsch-im-Akkord-zapfen“<br />

geholfen habe. Das hier verdiente<br />

Geld half mir dann<br />

über den „Blut-Spende-<br />

Schock“ h<strong>in</strong>weg.<br />

Waren das bisher<br />

Geschichten aus der<br />

Vergangenheit, so<br />

gibt es jetzt <strong>in</strong><br />

Sachen „Blutabnahme“<br />

e<strong>in</strong>en<br />

Silberstreifen<br />

am Horizont.<br />

Er<br />

h e i ß t<br />

Denise,<br />

betreut<br />

d a s<br />

L a b o r<br />

me<strong>in</strong>er Hausärzte<br />

Dr. Eichel und Dr. Esser <strong>in</strong> der<br />

Kl<strong>in</strong>ik „L<strong>in</strong>ks vom Rhe<strong>in</strong>“ <strong>in</strong><br />

Rodenkirchen und kennt<br />

me<strong>in</strong>e Adern ansche<strong>in</strong>end<br />

wie ihre „Westentasche“. Seit<br />

rund drei Jahren strahlt sie<br />

mich vor der Blutabnahme<br />

an, geht zielstrebig an die<br />

Sache ran, es wird kurz kalt,<br />

hat es eigentlich schon<br />

gepiekt?, schon ist das Röhr-<br />

chen voll und der Arm <strong>in</strong><br />

Ruhestellung mit dem Zeigef<strong>in</strong>ger<br />

auf dem kle<strong>in</strong>en Mulltupfer.<br />

Dann strahlt sie immer<br />

noch so unbekümmert und<br />

er<strong>in</strong>nert mich dabei an den<br />

jungen Lukas Podolski.<br />

Manchmal hörte ich sie schon<br />

(fast) sagen: „Ich hab mir das<br />

D<strong>in</strong>g genommen, hab nicht<br />

lange überlegt und es re<strong>in</strong><br />

gemacht!“<br />

Leider s<strong>in</strong>d aber Krankenschwestern<br />

wie Denise eher<br />

selten. Mir liefen immer die<br />

rustikalen Exemplare über<br />

den Weg. Ich den achtziger<br />

Jahren empfahl der „Playboy“<br />

e<strong>in</strong>mal Patienten wie mir, sich<br />

bei der Blut-<br />

A b n a h m e<br />

e i n f a c h<br />

a u f<br />

e t w a s<br />

anderes<br />

zu konzentrie-<br />

ren: „Schauen <strong>Sie</strong> auf den<br />

Brust-Ansatz der Krankenschwester!“<br />

Das leuchtete mir<br />

e<strong>in</strong>, und ich nahm mir vor,<br />

den Rat beim nächsten Mal zu<br />

beherzigen.<br />

Dann kam die Geschichte mit<br />

dem Professor. Der Professor<br />

war wirklich e<strong>in</strong> richtiger Professor<br />

und e<strong>in</strong>e absolute<br />

Koryphäe auf se<strong>in</strong>em Gebiet.<br />

Er war natürlich auch schon<br />

etwas älter, aber ich hatte den<br />

E<strong>in</strong>druck, dass alle<strong>in</strong> die Aura,<br />

die ihn umgab, mich auf der<br />

Stelle gesunden ließ. Durch<br />

„Vitam<strong>in</strong> B“ war ich zu e<strong>in</strong>igenVorsorge-Untersuchungen<br />

bei ihm gekommen. Und<br />

wie früher bei se<strong>in</strong>en Studenten<br />

wanderte er h<strong>in</strong>ter se<strong>in</strong>em<br />

Schreibtisch auf und ab,<br />

erklärte, was und warum er<br />

was machte. Dann galt se<strong>in</strong>e<br />

ganze Aufmerksamkeit wieder<br />

mir, um nach kurze Zeit<br />

wieder h<strong>in</strong>ter se<strong>in</strong>en Schreibtisch<br />

zu wechseln und weiter<br />

zu dozieren. Ich war fasz<strong>in</strong>iert,<br />

sprachlos, atemlos. Vor<br />

allem, weil ich mir nicht wie <strong>in</strong><br />

der Arzt-Praxis, sondern wie<br />

im Hörsaal der Unikl<strong>in</strong>ik vor<br />

kam, nur das ich gleichzeitig<br />

als Patient auf dem OP-Tisch<br />

lag und auch die Studentenschaft<br />

darstellte. So verg<strong>in</strong>gen<br />

zwei Stunden, und<br />

nach <strong>denen</strong> fühlte ich mich<br />

so fit wie e<strong>in</strong> Turnschuh<br />

von Adidas, Puma und<br />

Nike zusammen.<br />

„Jetzt brauche ich<br />

nur noch Ihr Blut“,<br />

sprach der Professor,<br />

und holte mich<br />

damit wieder <strong>in</strong> die<br />

Wirklichkeit zurück.<br />

„Sollen wir nicht<br />

e<strong>in</strong>e Krankenschwester<br />

holen?“, fragte ich<br />

zaghaft, und das nicht nur,<br />

weil ich die Sache mit dem<br />

„Brustansatz“ ausprobieren<br />

wollte, sondern weil ich wie<br />

e<strong>in</strong> Tier den heraufziehenden<br />

Vulkan-Ausbruch spürte.<br />

Der Professor ließ sich nicht<br />

umstimmen, nahm sich wie<br />

selbstverständlich die nötigen<br />

Utensilien, dann me<strong>in</strong>en<br />

l<strong>in</strong>ken Arm. Während er mir<br />

erzählte, wie sehr se<strong>in</strong>e Frau<br />

und er die Zeitschrift schätzten,<br />

für die ich schreibe, stieß<br />

er mit der Nadel zwei Mal <strong>in</strong>s<br />

Leere. „<strong>Sie</strong> haben aber auch<br />

Adern“, murmelte er vor sich

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