Menschen, denen Sie in dieser Ausgabe begegnen: Henrik Albrecht ...
Menschen, denen Sie in dieser Ausgabe begegnen: Henrik Albrecht ...
Menschen, denen Sie in dieser Ausgabe begegnen: Henrik Albrecht ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Jeder kennt die Situation:<br />
Man sitzt e<strong>in</strong>er Krankenschwester<br />
gegenüber, und<br />
die sagt: „Jetzt wird es erst<br />
mal e<strong>in</strong> bisschen kalt“. –<br />
„Pschschsch..!“ „Und jetzt<br />
piekt es e<strong>in</strong> wenig!“ – „Oouuhh!“<br />
„Jetzt läuft es doch<br />
schon, gleich ist es soweit.<br />
Nun drücken <strong>Sie</strong> mal den Zeigef<strong>in</strong>der<br />
drei M<strong>in</strong>uten lang<br />
auf diese Stelle, damit es später<br />
ke<strong>in</strong>en Bluterguss gibt.<br />
Und fertig!“<br />
Blutabnahme.<br />
Hat jeder schon mehrfach mitgemacht.<br />
Und wer wie ich<br />
schon älter als 20.000 Tage<br />
ist, kann gar e<strong>in</strong> Lied davon<br />
s<strong>in</strong>gen. Zumal bei mir<br />
erschwerend h<strong>in</strong>zu kommt,<br />
dass ich, zum<strong>in</strong>dest im l<strong>in</strong>ken<br />
Arm, über so genannte, ich<br />
will mal sagen... „Fata-Morgana-Adern“<br />
verfüge. Es sieht<br />
so aus, als wären sie da, aber<br />
<strong>in</strong> Wirklichkeit.... Jedenfalls<br />
habe ich so schon – natürlich<br />
unabsichtlich – Generationen<br />
von Krankenschwestern <strong>in</strong><br />
die Verzweiflung getrieben.<br />
Noch bei me<strong>in</strong>em vorletzten<br />
Krankenhausaufenthalt, es<br />
war die Malteser-Kl<strong>in</strong>ik <strong>in</strong><br />
Bonn, brach e<strong>in</strong>e dralle Rothaarige<br />
nach dem fünften<br />
gescheiterten Versuch, mir<br />
Blut abzunehmen, <strong>in</strong> Tränen<br />
aus „Ich habe me<strong>in</strong>en Beruf<br />
verfehlt!“, stammelte sie<br />
mehrfach, und warf die Spritzen<br />
<strong>in</strong> die Ecke. Ihre Kolleg<strong>in</strong>nen<br />
konnten sie nur mit Mühe<br />
dran h<strong>in</strong>dern, sich etwas<br />
anzutun.<br />
Nicht nur, dass ich „Fata-Morgana-Adern“<br />
habe, me<strong>in</strong> Blut<br />
sprudelt auch nicht. Das habe<br />
ich schmerzhaft mitbekommen,<br />
als ich bei der Bundeswehr<br />
das e<strong>in</strong>zige Mal <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em<br />
Leben zum Blutspenden<br />
war. Die Aussicht auf drei<br />
Tage Sonderurlaub und e<strong>in</strong><br />
Jäger-Schnitzel mit Pommes<br />
und Salat im Offiziers-Cas<strong>in</strong>o<br />
14<br />
Von Krankenschwestern,<br />
Professoren und<br />
„Fata-Morgana-Adern“<br />
E<strong>in</strong>e ziemlich blutige Geschichte – erzählt von Helmut Thielen<br />
hatten auch mich den Gang <strong>in</strong><br />
den San-Bereich antreten lassen.<br />
Ich weiß nicht mehr, wie<br />
lange ich auf der Pritsche lag,<br />
um e<strong>in</strong>en halben Liter von der<br />
roten Flüssigkeit <strong>in</strong> das dafür<br />
vorgesehene Glas zu bekommen.<br />
„Pumpen, pumpen“,<br />
forderte mich der Sani immer<br />
wieder auf. Ich lag mittlerweile<br />
alle<strong>in</strong>e da, me<strong>in</strong>e Hand war<br />
schon eiskalt, und der l<strong>in</strong>ke<br />
Arm sah aus, als käme er aus<br />
e<strong>in</strong>em Wachsfiguren-Kab<strong>in</strong>ett.<br />
Als ich den halben Liter endlich<br />
zusammen hatte, war das<br />
Offiziers-Cas<strong>in</strong>o schon geschlossen.<br />
Zum Ausgleich für<br />
das verpasste Jäger-Schnitzel<br />
habe ich mir den Sonder-<br />
Urlaub dann gleich zweimal<br />
gegönnt. Unter anderem für<br />
die Karnevalstage 1973, wo<br />
ich dem Freddy Schmitz <strong>in</strong><br />
der „Kolp<strong>in</strong>gskiste“ beim<br />
„Kölsch-im-Akkord-zapfen“<br />
geholfen habe. Das hier verdiente<br />
Geld half mir dann<br />
über den „Blut-Spende-<br />
Schock“ h<strong>in</strong>weg.<br />
Waren das bisher<br />
Geschichten aus der<br />
Vergangenheit, so<br />
gibt es jetzt <strong>in</strong><br />
Sachen „Blutabnahme“<br />
e<strong>in</strong>en<br />
Silberstreifen<br />
am Horizont.<br />
Er<br />
h e i ß t<br />
Denise,<br />
betreut<br />
d a s<br />
L a b o r<br />
me<strong>in</strong>er Hausärzte<br />
Dr. Eichel und Dr. Esser <strong>in</strong> der<br />
Kl<strong>in</strong>ik „L<strong>in</strong>ks vom Rhe<strong>in</strong>“ <strong>in</strong><br />
Rodenkirchen und kennt<br />
me<strong>in</strong>e Adern ansche<strong>in</strong>end<br />
wie ihre „Westentasche“. Seit<br />
rund drei Jahren strahlt sie<br />
mich vor der Blutabnahme<br />
an, geht zielstrebig an die<br />
Sache ran, es wird kurz kalt,<br />
hat es eigentlich schon<br />
gepiekt?, schon ist das Röhr-<br />
chen voll und der Arm <strong>in</strong><br />
Ruhestellung mit dem Zeigef<strong>in</strong>ger<br />
auf dem kle<strong>in</strong>en Mulltupfer.<br />
Dann strahlt sie immer<br />
noch so unbekümmert und<br />
er<strong>in</strong>nert mich dabei an den<br />
jungen Lukas Podolski.<br />
Manchmal hörte ich sie schon<br />
(fast) sagen: „Ich hab mir das<br />
D<strong>in</strong>g genommen, hab nicht<br />
lange überlegt und es re<strong>in</strong><br />
gemacht!“<br />
Leider s<strong>in</strong>d aber Krankenschwestern<br />
wie Denise eher<br />
selten. Mir liefen immer die<br />
rustikalen Exemplare über<br />
den Weg. Ich den achtziger<br />
Jahren empfahl der „Playboy“<br />
e<strong>in</strong>mal Patienten wie mir, sich<br />
bei der Blut-<br />
A b n a h m e<br />
e i n f a c h<br />
a u f<br />
e t w a s<br />
anderes<br />
zu konzentrie-<br />
ren: „Schauen <strong>Sie</strong> auf den<br />
Brust-Ansatz der Krankenschwester!“<br />
Das leuchtete mir<br />
e<strong>in</strong>, und ich nahm mir vor,<br />
den Rat beim nächsten Mal zu<br />
beherzigen.<br />
Dann kam die Geschichte mit<br />
dem Professor. Der Professor<br />
war wirklich e<strong>in</strong> richtiger Professor<br />
und e<strong>in</strong>e absolute<br />
Koryphäe auf se<strong>in</strong>em Gebiet.<br />
Er war natürlich auch schon<br />
etwas älter, aber ich hatte den<br />
E<strong>in</strong>druck, dass alle<strong>in</strong> die Aura,<br />
die ihn umgab, mich auf der<br />
Stelle gesunden ließ. Durch<br />
„Vitam<strong>in</strong> B“ war ich zu e<strong>in</strong>igenVorsorge-Untersuchungen<br />
bei ihm gekommen. Und<br />
wie früher bei se<strong>in</strong>en Studenten<br />
wanderte er h<strong>in</strong>ter se<strong>in</strong>em<br />
Schreibtisch auf und ab,<br />
erklärte, was und warum er<br />
was machte. Dann galt se<strong>in</strong>e<br />
ganze Aufmerksamkeit wieder<br />
mir, um nach kurze Zeit<br />
wieder h<strong>in</strong>ter se<strong>in</strong>en Schreibtisch<br />
zu wechseln und weiter<br />
zu dozieren. Ich war fasz<strong>in</strong>iert,<br />
sprachlos, atemlos. Vor<br />
allem, weil ich mir nicht wie <strong>in</strong><br />
der Arzt-Praxis, sondern wie<br />
im Hörsaal der Unikl<strong>in</strong>ik vor<br />
kam, nur das ich gleichzeitig<br />
als Patient auf dem OP-Tisch<br />
lag und auch die Studentenschaft<br />
darstellte. So verg<strong>in</strong>gen<br />
zwei Stunden, und<br />
nach <strong>denen</strong> fühlte ich mich<br />
so fit wie e<strong>in</strong> Turnschuh<br />
von Adidas, Puma und<br />
Nike zusammen.<br />
„Jetzt brauche ich<br />
nur noch Ihr Blut“,<br />
sprach der Professor,<br />
und holte mich<br />
damit wieder <strong>in</strong> die<br />
Wirklichkeit zurück.<br />
„Sollen wir nicht<br />
e<strong>in</strong>e Krankenschwester<br />
holen?“, fragte ich<br />
zaghaft, und das nicht nur,<br />
weil ich die Sache mit dem<br />
„Brustansatz“ ausprobieren<br />
wollte, sondern weil ich wie<br />
e<strong>in</strong> Tier den heraufziehenden<br />
Vulkan-Ausbruch spürte.<br />
Der Professor ließ sich nicht<br />
umstimmen, nahm sich wie<br />
selbstverständlich die nötigen<br />
Utensilien, dann me<strong>in</strong>en<br />
l<strong>in</strong>ken Arm. Während er mir<br />
erzählte, wie sehr se<strong>in</strong>e Frau<br />
und er die Zeitschrift schätzten,<br />
für die ich schreibe, stieß<br />
er mit der Nadel zwei Mal <strong>in</strong>s<br />
Leere. „<strong>Sie</strong> haben aber auch<br />
Adern“, murmelte er vor sich