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Mitteilungen 49/2009 - Fachverband Philosophie e.v.

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Axel Ziemke<br />

Gehirn und Bewusstsein<br />

Eine Unterrichtsreihe über die Analytische <strong>Philosophie</strong> des Geistes<br />

Interesse an diesem Thema zu motivieren, erübrigt sich. Zu sehr ist es mit den Erfolgen<br />

der modernen Hirnforschung Thema öffentlicher Diskussionen. Zu sehr trifft<br />

es durch seine Bezüge zu Fragen wie jener nach individueller Unsterblichkeit oder<br />

individueller Freiheit seit jeher das Selbstverständnis eines jeden selbstständig<br />

denkenden Menschen. Dargestellt werden soll hier, wie ich dieses Thema in einer<br />

Unterrichtsreihe der 13. Klasse meiner Schule behandle. Meine Schule ist eine<br />

Waldorfschule. Der im eigentlichen Sinne „gymnasiale“ Unterricht beschränkt sich<br />

auf die 13. Klasse. Die Schülerinnen und Schüler haben seit der 12. Klasse <strong>Philosophie</strong>unterricht.<br />

In der 13. Klasse belegen sie <strong>Philosophie</strong> als mündliches Prüfungsfach.<br />

Für das Thema nicht unerheblich ist, dass ich mit ihnen parallel zu der<br />

hier darzustellenden Unterrichtsreihe im Fach Biologie das Thema Neurobiologie<br />

behandle, wodurch interessante fachübergreifende Bezüge möglich sind. Als Ziel<br />

meiner Unterrichtsreihe sehe ich, dass die Schülerinnen und Schüler eigene Positionen<br />

zu der Frage nach dem Verhältnis von Gehirn und Bewusstsein entwickeln,<br />

ihre eigenen Positionen argumentativ vertreten und sich mit anderen Positionen kritisch<br />

auseinandersetzen können, aber auch, dass sie andere Positionen würdigen<br />

und ihnen mit der Bereitschaft zur Korrektur ihrer eigenen Auffassungen begegnen<br />

können. Ich erhebe diese Ansprüche sowohl hinsichtlich der Auseinandersetzung<br />

mit den verschiedenen Positionen in der aktuellen philosophischen Diskussion, als<br />

auch hinsichtlich einer Gesprächskultur innerhalb der Lerngruppe.<br />

Hinführung zum Körper-Geist-Problem<br />

Um die Problemstellung der Unterrichtsreihe zu explizieren, kann ich zumeist an<br />

Diskussionen aus dem vorangehenden Schuljahr anknüpfen. Die Frage nach individueller<br />

Unsterblichkeit oder Reinkarnation bringen die Schülerinnen und Schüler<br />

schnell in den Zusammenhang mit der Frage, ob es „im“ menschlichen Körper „etwas“<br />

gibt, das den Tod dieses Körpers überlebt oder sogar schon vor seiner Zeugung<br />

„da“ war, auch wenn die spontanen Antworten auf diese Frage zunächst in<br />

der Regel religiös oder eben anti-religiös orientiert sind. Anknüpfend an den Substanzbegriff<br />

der Renaissancephilosophie explizieren wir die beiden grundsätzlichen<br />

Antwortmöglichkeiten: Die monistische Position geht nur von einer, zumeist der materiellen<br />

Substanz aus und impliziert, dass nach dem Tod des Körpers nichts „Seelisches“<br />

mehr bestehen kann. Die dualistische Position hingegen nimmt zwei verschiedene<br />

Substanzen an, die Körper und Seele des Menschen zugrunde liegen,<br />

und lässt die Möglichkeit offen, dass etwas Seelisches des Menschen den Tod des<br />

Körpers überleben oder auch seiner Zeugung vorangehen könnte. Den letztgenannten<br />

Standpunkt verbinden wir mit einer Bearbeitung der ersten vier Paragraphen<br />

des vierten Teils des „Discours de la méthode“ von René Descartes. Im Unterrichtsgespräch<br />

sollen die Schülerinnen und Schüler ihre nun als monistisch oder<br />

dualistisch klassifizierten Standpunkte auch jenseits ihrer jeweiligen religiösen Be-<br />

MITTEILUNGEN <strong>49</strong>/<strong>2009</strong><br />

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