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Mitteilungen 49/2009 - Fachverband Philosophie e.v.

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auch auf ganz elementare Weise anders empfinden als ein Afrikaner aus dem farbenfrohen<br />

tropischen Regenwald. Wenn die Schülerinnen und Schüler über hinreichende<br />

neurobiologische Grundkenntnisse verfügen, kann man ein solches Verständnis<br />

von Farbe bzw. Farbempfindung auch anhand moderner neurowissenschaftlicher<br />

Theorien plausibel machen (vgl. Literaturhinweis am Ende). Wie bereits<br />

im Falle des Materialismus setzen sich die Schülerinnen und Schüler im Anschluss<br />

an diese Diskussion des Funktionalismus mit Ausschnitten von Publikationen auseinander,<br />

die aus dem Kontext moderner Forschungen zur Künstlichen Intelligenz<br />

und funktionalistischen Psychologie stammen und erüben dort die schöpferische<br />

Anwendung ihrer Kenntnisse zum Funktionalismus in der Rekonstruktion und Kritik<br />

dieser Texte (etwa M12).<br />

Nachdem die Schülerinnen und Schüler die drei hier vorgestellten Grundpositionen<br />

in der analytisch-philosophischen Diskussion des Körper-Geist-Problems gründlich<br />

kennen und beurteilen können, bemühe ich mich, das aus didaktischen Gründen<br />

eingeführte „Schachteldenken“ abschließend wieder etwas aufzulösen. Besonders<br />

der Wissenschaftsfortschritt in der Erforschung des menschlichen Bewusstseins hat<br />

die Grenzen zwischen der materialistisch orientierten klassischen neurobiologischen<br />

Forschung einerseits und der eher funktionalistisch orientierten psychologischen<br />

Forschung und kognitiven Simulation verschwimmen lassen. Und so setzt<br />

sich auch bei manchen Analytischen Philosophen eine Art „Patchwork-Denken“<br />

durch, das die verschiedenen Ansätze als unterschiedliche methodische Zugänge<br />

für dasselbe Problem sehen. So hält es Patricia Churchland heute beispielsweise<br />

durchaus für denkbar, dass sich der Materialismus als der beste Ansatz für ein Verständnis<br />

elementarer mentaler Zustände erweisen wird, während der Funktionalismus<br />

besser zur Konzeptualisierung höherer mentaler Zustände in der Lage sein<br />

könnte. Zumeist ist den Schülerinnen und Schülern zu diesem Zeitpunkt ohnehin<br />

klar, dass es für sämtliche Positionen gute Argumente gibt und dass all diese Positionen<br />

auch unübersehbare Probleme aufwerfen. Wenn am Ende des Kurses noch<br />

Schülerinnen (selten sind es Schüler) aus ihren Intuitionen oder religiös bedingten<br />

„Glaubenssätzen“ heraus an einer individuellen Unsterblichkeit festhalten, versuche<br />

ich mit ihnen angemessene Strategien zu entwickeln, um auch diese Standpunkte<br />

argumentativ zu vertreten. So lässt sich der Funktionalismus auch durchaus im<br />

Sinne einer den Tod des Körpers überlebenden funktionalen Architektur denken.<br />

Auch ein „Kantianischer“ Ansatz, der die Frage nach der Unsterblichkeit der Seele<br />

eher als ein praktisch- als ein theoretisch-philosophisches Problem denkt, kann hier<br />

seinen Platz haben. Material für solche weiter führenden Überlegungen finden sich<br />

in dem Buch „Im Netzwerk der Unsterblichkeit. Ein Philosoph und ein Biochemiker<br />

Selbstgespräch über Gehirn, Bewusstsein und geistige Welten“, einer um Verständlichkeit<br />

bemühten Einführung in die philosophischen und neurobiologischen<br />

Grundlagen des Körper-Geist-Problems. 1<br />

------------------<br />

1<br />

Ziemke, Axel: Im Netzwerk der Unsterblichkeit. Ein Philosoph und ein Biochemiker im<br />

Selbstgespräch über Gehirn, Bewusstsein und geistige Welten. Info3-Verlag, Frankfurt a. M.<br />

2007<br />

MITTEILUNGEN <strong>49</strong>/<strong>2009</strong><br />

43

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