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Mitteilungen 49/2009 - Fachverband Philosophie e.v.

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Organisation“ des Gehirns. Er ist in diesem Rahmen gekennzeichnet durch seine<br />

kausalen Relationen zu Inputs (Wahrnehmungen, Empfindungen, gehörter oder gelesener<br />

Sprache etc.), zu Outputs (Handlungen, gesprochene oder geschriebene<br />

Sprache etc.) und zu anderen mentalen Zuständen. (Beispiele in M9.) Der Funktionalismus<br />

ist insofern nicht-reduktionistisch als es für den so gekennzeichneten<br />

mentalen Zustand weitgehend gleichgültig ist, in was für einem materiellen System<br />

oder durch welche neuronalen Zustände er realisiert ist. Er ist aber ebenso nichtdualistisch,<br />

als er (zumindest nach Auffassung der übergroßen Mehrheit der Autoren)<br />

in irgendeinem materiellen System realisiert sein muss. Was eine funktionale<br />

Organisation ist, lässt sich Schülerinnen und Schülern leicht an vielen Alltagsgegenständen<br />

deutlich machen. Uhren, Mausefallen, Cola-Automaten und viele andere<br />

Dinge haben eine auf diese Weise bestimmbare Funktion, die physikalisch in<br />

vielfältigster Weise realisiert sein kann. Schwerer ist ein Begriff dafür zu entwickeln,<br />

was tatsächlich mit „Relationen“ gemeint ist. Denn nur so wird deutlich, dass es einen<br />

mentalen Zustand „an sich“ nicht gibt, sondern er eben erst durch die Relationen,<br />

in denen er steht, zu einem solchen wird.<br />

Die „multiple Realisierbarkeit“ mentaler Zustände wird nicht zuletzt philosophische<br />

Grundlage für die Forschungen zur Künstlichen Intelligenz, die sich den Schülerinnen<br />

und Schülern anhand aktueller Publikationen näher bringen lassen. Wenn es<br />

für einen mentalen Zustand unerheblich ist, in was für einem System er realisiert ist<br />

(wenn es nur komplex genug ist), dann kann man ihn auch in einem technischen<br />

System realisieren. Hier liegt dann auch die Grundlage für die bedeutsamste funktionalistische<br />

Analogie, die Computerprogramm-Analogie: Geist und Körper verhalten<br />

sich zueinander wie Software und Hardware eines Computers. (Viele Autoren<br />

halten diese Analogie für überholt, zeigen damit aber lediglich, dass auch sie nicht<br />

verstanden haben, was eine Relation ist: In der Tat wird heute kein Wissenschaftler<br />

mehr meinen, dass unser Gehirn einem Computer und unser Geist einem Computerprogramm<br />

vergleichbar ist. Dennoch könnte es die Relation der Realisierung des<br />

einen in dem anderen sein. Hingegen ist es schwer vorstellbar, dass mentale Zustände<br />

tatsächlich an Aktionspotenziale gebunden sein sollen, die durch spannungsabhängige<br />

Kalium- und Natriumkanäle fortgeleitet werden.) Als Konsequenz<br />

für die Erforschung mentaler Zustände ergibt sich zudem, dass der Neurobiologie<br />

hier nur eine untergeordnete Rolle zukommen kann. Mit neurobiologischen Methoden<br />

den menschlichen Geist erforschen zu wollen ist aus funktionalistischer Sicht<br />

ebenso wenig sinnvoll wie mit einem Spannungsprüfer herausbekommen zu wollen,<br />

was für ein Programm gerade auf einem Computer läuft. (Auch hier wäre es sinnvoller,<br />

die Inputs über das Keyboard mit den Outputs über den Bildschirm zu vergleichen.)<br />

Neurobiologie kann lediglich untersuchen, wie mentale Zustände allgemein<br />

im Gehirn „implementiert“ sind. Die eigentliche Untersuchung mentaler Zustände<br />

bleibt der Psychologie, der Künstlichen Intelligenz (im Sinne der „Kognitiven<br />

Simulation“) oder auch der <strong>Philosophie</strong> überlassen.<br />

MITTEILUNGEN <strong>49</strong>/<strong>2009</strong><br />

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