6. Der große Saal im Gewerkschaftshaus ist rappelvolL Zusammensein, mal mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Abteilungen reden und das gemeinsame Ziel machen das Ganze zu mehr als einer Streikversammlung. Hier wächst etwas zusammen, was auch die kommenden Tage überstehen lässt. Eine gelebte Form von Solidarität.
DER EICHBAUM-STREIK 2005 Rede von Georg Dohr zum Streik-Ende am 22. Februar 2005 Man habe noch Zeit und es solle nichts übers Knie gebrochen werden. Der Betriebsrat betonte, mit solchen Maßnahmen sei der Nerv des Betriebsrates getroffen und ein weiteres Zuwarten könne in keinem Fall erwartet werden. Mit Maßnahmen wie dem Austritt aus dem Tarifverband oder Lohnverzicht seien die Probleme des Betriebes nicht zu lösen. Außerdem hinke der Vergleich mit dem Osten. Bei der Massenarbeitslosigkeit im Osten Deutschlands stünden die Kolleginnen und Kollegen mit dem Rücken zur Wand und seien damit gefundene Opfer in solchen Auseinandersetzungen. Die Gegenseite erklärte, von einem Austritt aus dem Tarifverband sei keine Rede, man sollte sich jedoch über die weitere Entwicklung des Betriebes gemeinsam unterhalten. .. . als ich meiner Tochter vom Streik erzählt habe, habe ich ihr auch davon erzählt, dass wir uns auch Sorgen machen und viele auch Angst haben. Und dass die Chefs den Leuten Angst machen, sie würden ihre Arbeit verlieren, immer wenn sie piep sagen. Sie hat mich gefragt, ob die Leute dann wirklich ihre Arbeit verlieren würden und ob wir dann auch kein Geld mehr haben, wenn wir mit den Chefs streiten. Ich habe ihr gesagt, wir glauben, dass der Arbeitgeber nicht immer die Wahrheit erzählt, sondern die Angst der Menschen ausnutzt, damit sie nicht m ehr piep sagen. Und da hatte meine Tochter Lilian (6 Jahre) eine Idee, wie wir denen, die sich nicht trauen mit uns zu streiken erklären sollen, wie sie ihre Angst verlieren können. Sie hat mir erklärt, das sei vielleicht wie in dem Buch von Jim Knopf und Lukas dem Lokomotivführer. Jim und Lukas sehen dort in der Wüste am Horizont einen Riesen von ungeheurer Größe stehen. Der kleine Jim hat große Angst, aber Lukas sagt nur: " Ich finde außer seiner Größe scheint er ja ganz manierlich zu sein und nur weil er so groß ist, braucht er noch lange kein Ungeheuer zu sein. Mir scheint, das ist ein ganz harmloser Riese ". " Vielleicht verstellt er sich ", rief aber Jim voller Angst, " er will uns wahrscheinlich fangen und einkochen. Ich hab mal von so einem Riesen gehört". Beide trauten sich dann aber und winkten den Riesen zu sich her. Jetzt geschah etwas ganz erstaunliches. J e näher der Riese kam, desto kleiner wurde er. Als er bei ihnen war, hatte er die gleiche Größe wie Jim und Lukas. " Guten Tag ", sagte er und nahm seinen Strohhut ab. " ich heiße Herr Vorstand und ich weiß gar nicht, wie ich euch danken soll, dass ihr nicht vor mir weggelaufen seid. Seit vielen Jahren sehne ich mich danach, dass jem and so viel Mut aufbringen würde. Aber niem and hat mich bis j etzt näher kommen lassen. Dabei sehe ich doch nur von fern so schrecklich groß aus." Herr Tur Tur, wie der Riese im Buch wirklich heißt, erklärt dann noch sein Geheimnis: " Wissen sie ", sagt er, " in Wirklichkeit bin ich nämlich gar kein Riese. Ich bin nur ein Scheinriese. Je weiter ich entfernt bin, desto größer sehe ich aus. Und je näher ich komm e, desto m ehr erkennt man meine wirkliche Gestalt". Meine Tochter gab mir den Tipp, ich solle denen, die Angst haben, die Geschichte vom Scheinriesen erzählen und sie würden verstehen, was hier gespielt wird. Und ich denke Lilly hatte Recht. Angst ist kein guter Berater.