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Was ist noch interessant? - Bund der Heimatvertriebenen ev ...

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Wolga, Weimar, Weizenfeld<br />

Wolga, Weimar, Weizenfeld – was <strong>ist</strong> das für ein Titel?<br />

Auf den ersten Blick ergibt sich für den Leser bei <strong>der</strong><br />

Aneinan<strong>der</strong>reihung dieser drei Wörter wohl kaum<br />

eine logische Gedankenkette. Er fühlt sich eher rätselhaften<br />

Ungereimtheiten gegenüber. Möglicherweise<br />

entstehen Fragen bei ihm wie:<br />

<strong>Was</strong> hat denn die „Wolga“ mit „Weimar“ zu tun?<br />

Wo gibt es einen Zusammenhang zwischen „Weimar“<br />

und „Weizenfeld“?<br />

Gehen wir zuerst auf die Wolga ein!<br />

„Wolga“ <strong>ist</strong> zunächst für viele nur eine geografi sche<br />

Bezeichnung, die zum Beispiel die Länge dieses russischen<br />

Stromes beinhaltet, nämlich ca. 3.600 km.<br />

Damit können nun Größenverhältnisse bestimmt<br />

werden. Also: Die Wolga <strong>ist</strong> <strong>der</strong> längste Strom Europas<br />

und nimmt in <strong>der</strong> Weltrangl<strong>ist</strong>e diesbezüglich<br />

den 15. Platz ein.<br />

Die Bezeichnung „Wolga“ umfasst aber weit mehr<br />

als lediglich geografi sche Daten. Von Bedeutung<br />

sind ebenso h<strong>ist</strong>orische, politische, ökonomische,<br />

ökologische, verkehrstechnische, kulturelle, tour<strong>ist</strong>ische<br />

Geschehnisse und Beson<strong>der</strong>heiten, die mit<br />

diesem legendären Strom verbunden sind.<br />

Im Zusammenhang mit unserem spezifi schen Anliegen<br />

<strong>ist</strong> festzustellen, dass die Wolga, wie wohl<br />

kein an<strong>der</strong>er Strom, einen ganz beson<strong>der</strong>en Platz in<br />

<strong>der</strong> deutsch-russischen Geschichte einnimmt. Mancher<br />

wird gar die Wolga „Schicksalsstrom“ nennen.<br />

Diese außergewöhnliche Geschichte – bezogen auf<br />

große Menschenmengen – beginnt mit den Manifesten<br />

(1762 und 1763) <strong>der</strong> russischen Zarin Katharina<br />

II. Vor allem deutsche Auswan<strong>der</strong>er folgten ihrem<br />

Angebot, sich an <strong>der</strong> Wolga zwischen Saratow<br />

(im Norden) und Kamyschin (im Süden) rechts (auf<br />

<strong>der</strong> Bergseite) und links (auf <strong>der</strong> Wiesenseite) anzusiedeln.<br />

In dem Auf und Ab <strong>der</strong> folgenden knapp 200 Jahre<br />

entwickeln auch die Deutschen über Generationen<br />

hinweg jenes beson<strong>der</strong>e Gefühl zu <strong>der</strong> Wolga, das<br />

die Russen in Lie<strong>der</strong>n, Gedichten, Sagen, Romanen<br />

usw. bereits seit langem ausdrücken und poetisch<br />

in „Mütterchen/Mutter Wolga“ („Матушка/Мать<br />

Волга“) zusammenfassen.<br />

Von diesem Strom werden die Siedler für ihre Volksgruppe<br />

auch den Namen „Wolgadeutsche“ ableiten.<br />

1924 wird die „Arbeitskommune des Gebiets <strong>der</strong><br />

Wolgadeutschen“ zur „Autonomen Sozial<strong>ist</strong>ischen<br />

Sowjetrepublik <strong>der</strong> Wolgadeutschen (russ.: АССР<br />

Wappen <strong>der</strong> ASSR <strong>der</strong> Wolgadeutschen (vgl. Wikipedia)<br />

Немцев Поволжья). Die Wolgarepublik <strong>ist</strong> damals<br />

mit 27.200 km² weit größer als heute Thüringen mit<br />

16.175 km², deutlich größer als Hessen mit 21.114<br />

km², auch größer als Mecklenburg-Vorpommern<br />

mit 23.170 km².<br />

Die Ex<strong>ist</strong>enz <strong>der</strong> Wolgarepublik wird im Zusammenhang<br />

mit dem Eroberungskrieg des Deutschen Reiches<br />

gegen die Sowjetunion und den daraus abgeleiteten<br />

Beschlüssen des Präsidiums des Obersten<br />

Sowjets <strong>der</strong> UdSSR radikal beendet.<br />

Durch die Deportation <strong>der</strong> Wolgadeutschen rückt<br />

ihr Strom als Realität in unerreichbare Ferne. Die<br />

Wolga mit ihren Städten, Dörfern und Fel<strong>der</strong>n wird<br />

für viele Vertriebene zu einem unauslöschlichen<br />

Erinnerungsbild und damit zu einem wesentlichen<br />

Überlebensfaktor.<br />

Wann und wie genau die wolgadeutschen Deportierten<br />

über das Ende <strong>der</strong> Schlacht von Stalingrad<br />

(an <strong>der</strong> Wolga) im Februar 1943 und damit über die<br />

Wende im 2. Weltkrieg zugunsten <strong>der</strong> Sowjetunion<br />

erfuhren, <strong>ist</strong> uns nicht bekannt. Immerhin fanden<br />

diese Kämpfe unweit ihrer ehemaligen Heimat<br />

statt. Von Kamyschin – <strong>der</strong> südlichsten Spitze <strong>der</strong><br />

einstigen Wolgarepublik – bis Stalingrad (ab 1961<br />

Wolgograd) sind es nur 120 km.<br />

Seit jenem Deportations-Erlass vom 28. August<br />

1941 sind inzwischen 70 Jahre vergangen. Immer<br />

wie<strong>der</strong> aufs Neue haben die Russlanddeutschen<br />

versucht, an <strong>der</strong> Wolga ihre Autonomie zu erreichen.<br />

Vergeblich! Wohl auch deshalb sind bisher ungefähr<br />

2,5 Millionen nach Deutschland als Spätaussiedler<br />

„zurückgekehrt“, so mancher auch an den<br />

„Vater Rhein“.<br />

Viktor Schnittke, in Engels, <strong>der</strong> Hauptstadt <strong>der</strong> damaligen<br />

Wolgarepublik, geboren, fasst die eigenen<br />

Erinnerungen und Überlegungen (1992) hinsichtlich<br />

seiner russlanddeutschen Volksgruppe so zusammen:<br />

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