Was ist noch interessant? - Bund der Heimatvertriebenen ev ...
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Wolga, Weimar, Weizenfeld<br />
II. KAPITEL<br />
Von den repressierten deutschen Sowjetbürgern<br />
bis zu den Deutschen in und aus Russland<br />
2.1 Russlanddeutsche in <strong>der</strong> Roten Armee<br />
als Kämpfer gegen Deutsche in <strong>der</strong> deutschen Wehrmacht?<br />
Aus verständlichen Gründen enthält diese extreme<br />
Situation ein sehr hohes Konfliktpotential. Das gilt<br />
für die gesamte Zeit des Krieges, also von dessen<br />
Beginn bis zu seinem Ende.<br />
Je nach Sichtweise wird <strong>der</strong> Leser möglicherweise<br />
zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Einerseits<br />
stammen die Ahnen <strong>der</strong> Russlanddeutschen<br />
genau aus jenem Land, das sich am 22. Juni 1941<br />
anschickt, das „Unternehmen Barbarossa“ durch<br />
seinen rass<strong>ist</strong>ischen Vernichtungskrieg gegen die<br />
Sowjetunion umzusetzen. An<strong>der</strong>erseits leben die<br />
Russlanddeutschen schon seit Generationen fern<br />
von ihrem Aussiedlungsland in ihrer neuen (Sowjet-)Heimat.<br />
Als frühester Termin sei an die Masseneinwan<strong>der</strong>ung<br />
ab 1763/64 erinnert. „Neu- und Altweimar“<br />
in <strong>der</strong> „Arbeitskommune des Gebiets <strong>der</strong><br />
Wolgadeutschen“ (vgl. den Buchtitel) wurden allerdings<br />
erst 1861 gegründet und erhielten von ihren<br />
Erbauern <strong>noch</strong> eindeutig deutschlandbezogene<br />
Ortsbezeichnungen. Hier liegen nur 80 Jahre zwischen<br />
nostalgischer Namensgebung und Kriegsbeginn<br />
des deutschen Nationalsozialismus gegen ihre<br />
nunmehrige Heimat.<br />
Am Anfang des Großen Vaterländischen Krieges,<br />
wie er von <strong>der</strong> sowjetischen Führung genannt<br />
wird, sind die wehrpflichtigen Russlanddeutschen<br />
gleichberechtigt mit an<strong>der</strong>en Nationalitäten <strong>der</strong><br />
Sowjetunion. Zu dieser Zeit dienen mehr als 33.500<br />
russlanddeutsche Soldaten und Offiziere in <strong>der</strong> Roten<br />
Armee, wobei die Mehrheit aus <strong>der</strong> Wolgarepublik<br />
stammt. Selbst unter den höheren Rängen<br />
gibt es in allen Truppenteilen <strong>der</strong> Roten Armee und<br />
<strong>der</strong> Flotte Hun<strong>der</strong>te von ihnen. Als Beispiele, auch<br />
mit eindeutig deutschem Familiennamen, sind zu<br />
nennen: General Sergej Wolkenstein, Oberst Nikolai<br />
Ochmann, Oberstleutnant Konstantin Wiedemann,<br />
Hauptmann Alexan<strong>der</strong> Steinle, Regimentskommissar<br />
Johann Michselberg, Oberleutnant Alexan<strong>der</strong><br />
Wagenleitner, Oberleutnant Robert Klein u. a.<br />
Selbst unter jenen, die die Grenzfestung Brest<br />
gleich zu Beginn des Krieges gegen die Angriffe <strong>der</strong><br />
45. deutschen Division verteidigen, befinden sich<br />
52<br />
Russlanddeutsche wie Major Alexan<strong>der</strong> Dulkeit,<br />
Oberstleutnant Erich Kroll, Regimentsarzt Wladimir<br />
Weber, Oberstleutnant Georg Schmidt, die Soldatenen<br />
Nikolai Küng, Wjatscheslaw Maier, Alexan<strong>der</strong><br />
Hermann u. a.<br />
Beson<strong>der</strong>s zwei neuere Publikationen verbessern<br />
die Informationsmöglichkeiten zu dieser nicht unkomplizierten<br />
Problematik: So stellt die russischsprachige<br />
Monographie „Die Wolgadeutschen in<br />
<strong>der</strong> Armee Russlands – <strong>der</strong> Wehrdienst als Faktor<br />
<strong>der</strong> Formung des patriotischen Bewusstseins“ von<br />
I. Schulga laut Vorwort den ersten Versuch einer allseitigen<br />
Analyse des Militärdienstes <strong>der</strong> Wolgadeutschen<br />
dar (vgl. 104).<br />
Ungewöhnlich hart wirkt <strong>der</strong> Titel <strong>der</strong> zweiten Publikation<br />
von A. German und ebenfalls I. Schulga: „´Es<br />
darf kein fasch<strong>ist</strong>isches Schwein in unserem Sowjetgarten<br />
sein.´ Die Sowjetdeutschen an <strong>der</strong> Front und<br />
im Hinterland des Feindes“. Sie erschien erst im Mai<br />
2010 (vgl. 40) in <strong>der</strong> russischsprachigen Zeitschrift<br />
„Rodina“ („Heimat“).<br />
Die beiden Autoren geben mit dem Titelzitat eine<br />
Einstellung wie<strong>der</strong>, wie sie ein „Sowjetdeutscher“<br />
gegen den Aggressor Deutschland und für seine<br />
als Heimat empfundene Sowjetunion mit aller Wut<br />
formuliert.<br />
Die Situation hierfür <strong>ist</strong> folgende: Um die Festung<br />
in Brest tobt vom 22.6. bis zum 29.6.1941 ein opferreicher<br />
Kampf. Der russlanddeutsche Obergefreite<br />
Maier sammelt die von einem deutschen Flugzeug<br />
über <strong>der</strong> Festung abgeworfenen Flugblätter, welche<br />
die Rotarm<strong>ist</strong>en zur Kapitulation aufrufen, und<br />
malt auf mehrere Blätter dieses deutschen Agitationsmaterials<br />
eine Schweineschnauze und fügt mit<br />
großen Buchstaben in Deutsch hinzu:<br />
„Es darf kein fasch<strong>ist</strong>isches Schwein<br />
in unserem Sowjetgarten sein.“<br />
(Übers.-Verf.)<br />
Später wird W. Maier durch eine feindliche Salve<br />
in jenem Moment nie<strong>der</strong>gestreckt, als er verwundeten<br />
Mitkämpfern helfen will. Postum wird er mit