Papier zu br<strong>in</strong>gen, als wir nach zehnM<strong>in</strong>uten erneut unterbrochen wur<strong>de</strong>n. Jetztbegannen die mündlichen Prüfungen imvor<strong>de</strong>ren Teil <strong>de</strong>r Aula: Drei Dozentenhielten gleichzeitig drei verschie<strong>de</strong>nePrüfungen ab. Die Aula ähnelte nun e<strong>in</strong>emBahnhof. Die Stu<strong>de</strong>nten kamen undg<strong>in</strong>gen, die nächsten wur<strong>de</strong>n aufgerufenund wie<strong>de</strong>r h<strong>in</strong>ausgeschickt. Dah<strong>in</strong> war dieKonzentration, die wir nach <strong>de</strong>n schonaufregen<strong>de</strong>n Erlebnissen <strong>de</strong>s Morgensmühsam wie<strong>de</strong>r zurückgewonnen hatten.Als Studieren<strong>de</strong> vor und h<strong>in</strong>ter unsbegannen, sich zu mel<strong>de</strong>n und fragten, wieman Truffaut o<strong>de</strong>r Hitchcock schreibt (mansollte dazu wissen, dass <strong>de</strong>n Gegenstand<strong>de</strong>r Prüfung e<strong>in</strong> Buch von Truffaut überHitchcock darstellte), g<strong>in</strong>g dieErnsthaftigkeit <strong>de</strong>r Prüfung endgültigverloren.Endlich - nach getaner Arbeit und dreiverrückten Stun<strong>de</strong>n gaben wir unser Werkab und hofften nur noch, dass unsereKlausur nicht verloren gehen wür<strong>de</strong>...Katr<strong>in</strong> Dautel24
Unsre Florent<strong>in</strong>erDas Überdurchschnittliche, Gewaltige undÜberwältigen<strong>de</strong> und als be<strong>de</strong>utendBetrachtete wur<strong>de</strong> durch Chronisten <strong>de</strong>mPergament o<strong>de</strong>r Papier anvertraut. DasAlltägliche aber, geben wir es doch zu,wan<strong>de</strong>rt mit <strong>de</strong>r gelesenen Tageszeitung <strong>in</strong><strong>de</strong>n Papierkorb. Das Geheimnisvolleverdichtet sich <strong>in</strong> <strong>de</strong>r Stadt selbst und <strong>in</strong><strong>de</strong>r Landschaft zu fast greifbarer Substanz.Wir ahnen, dass sich h<strong>in</strong>ter <strong>de</strong>n Mauern<strong>de</strong>r antiken Paläste, <strong>in</strong> <strong>de</strong>n überschattetenTore<strong>in</strong>fahrten, <strong>in</strong> diesen sonnenbestrahltenInnenhöfen, welche wir unendlich fernh<strong>in</strong>ter kunstvollen Gittern sehen, D<strong>in</strong>geverbergen, die zu wissen sich lohnenwür<strong>de</strong>n. Baumgruppen, weite Durchblickevon kühn geführten Straßen an <strong>de</strong>nHügelkuppen entlang, schroffe Tälersche<strong>in</strong>en hier e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> hoher Absichtangelegt und dann jener Verwil<strong>de</strong>runganheimgegeben wor<strong>de</strong>n zu se<strong>in</strong>, die <strong>in</strong>Parkanlagen <strong>de</strong>m Besucher ursprünglicheNatur vortäuscht.Die beste Haltung, zu welcher mangegenüber dieser Stadt raten kann, ist wohldie e<strong>in</strong>er unersättlichen Neugier<strong>de</strong>. <strong>Florenz</strong>ist im wahrsten S<strong>in</strong>ne ste<strong>in</strong>gewor<strong>de</strong>neGeschichte, und es ist auch heute fastausschließlich damit beschäftigt, diesese<strong>in</strong>e eigene Historie zu betrachten.<strong>E<strong>in</strong></strong> glücklicher Umstand will es unserlauben, <strong>E<strong>in</strong></strong>blicke auch <strong>in</strong> dasAlltagsleben zum<strong>in</strong><strong>de</strong>st <strong>de</strong>r Mittelschichtzu werfen.Wir können damit rechnen, dass sich <strong>de</strong>rCharakter <strong>de</strong>s Florent<strong>in</strong>ers <strong>in</strong> jahrhun<strong>de</strong>rtelangerGeschichte nicht wesentlichgewan<strong>de</strong>lt hat. Er ist von e<strong>in</strong>em hohenStolz auf se<strong>in</strong>e Stadt erfüllt, die er, mitgewissem Recht, für <strong>de</strong>n Mittelpunkt <strong>de</strong>rWelt, und wenn ihm dies glaubwürdigbestritten wird, je<strong>de</strong>nfalls von Italien hält.Alle an<strong>de</strong>ren Geme<strong>in</strong>wesen <strong>de</strong>n Arnoh<strong>in</strong>auf und h<strong>in</strong>unter leben immer noch <strong>in</strong>lebendiger Rivalität mit diesem großenNachbarn. Der alte Hass, e<strong>in</strong>st geschürtdurch immer wie<strong>de</strong>r versuchte grausameEroberungszüge und jahrhun<strong>de</strong>rtelangeAusbeutung durch die große Stadt ist zwarheute zu mehr o<strong>de</strong>r weniger böswilligemSpott abgewan<strong>de</strong>lt o<strong>de</strong>r gemil<strong>de</strong>rt – mandarf ihn aber nicht leicht nehmen. Trotz>Autostrada< und mo<strong>de</strong>rner Verkehrsmittels<strong>in</strong>d noch heute Prato und <strong>Florenz</strong>meilenweit vone<strong>in</strong>an<strong>de</strong>r entfernt, ganz zuschweigen von Lucca o<strong>de</strong>r gar Pisa.In welcher <strong>de</strong>utschen Stadt etwa gibt ese<strong>in</strong>e solch unverhüllte Verachtunggegenüber <strong>de</strong>m Nachbarn, wie sie <strong>in</strong> <strong>de</strong>mFlorent<strong>in</strong>er Spruch gegen die Pisanergipfelt: >Meglio un morto <strong>in</strong> casa che unPisano all’uscio