Zukunft Schiene - Siemens Mobility
Zukunft Schiene - Siemens Mobility
Zukunft Schiene - Siemens Mobility
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como<br />
Ausgabe 09 | September 2012 | www.siemens.com/mobility<br />
Complete mobility – Fakten, Trends, Stories<br />
S<br />
<strong>Zukunft</strong> <strong>Schiene</strong><br />
Bahnen und ihre Rolle in der<br />
Welt von morgen
2<br />
welcome como 09 | September 2012<br />
Liebe Leserin, lieber Leser,<br />
„ Mobilität in und zwischen<br />
den Städten gehört zu den<br />
großen Herausforderungen<br />
der <strong>Zukunft</strong>.<br />
<strong>Schiene</strong> hat <strong>Zukunft</strong>, davon bin ich fest überzeugt. Denn Bahnen verfügen<br />
über Eigenschaften, die sie in sehr vielen Fällen zum Verkehrsmittel erster<br />
Wahl machen.<br />
In den vergangenen, vom Auto geprägten Jahrzehnten wurde immer wieder<br />
über den Stellenwert des <strong>Schiene</strong>nverkehrs und seine Rolle in der Welt von<br />
morgen diskutiert. Seit einiger Zeit erlebt die <strong>Schiene</strong> einen neuen Aufschwung.<br />
Ehemals stillgelegte Straßenbahnlinien werden wiederbelebt, neue Eisenbahnstrecken<br />
gebaut – und das aus guten Gründen.<br />
Unbestritten zählt Mobilität zu den wesentlichen Wachstumsmotoren unserer<br />
Gesellschaft. Allerdings werden die Ressourcen knapper und der Treibstoff<br />
Erdöl, der fast hundert Jahre lang den mobilen Fortschritt bestimmt hat,<br />
erhält die Rolle eines teuer gehandelten Wirtschaftsgutes. Da ist Elektromobilität,<br />
sofern aus Erneuerbaren Energien gespeist, ein praktikabler Weg aus der<br />
Abhängigkeit von fossilen Quellen.<br />
Am Grundproblem überfüllter Straßen und<br />
zugeparkter Innenstädte ändern freilich auch Elektroautos<br />
nichts. <strong>Schiene</strong>nfahrzeuge dagegen, von<br />
der Trambahn über die Metro bis zum Hochgeschwindigkeitszug,<br />
bringen beste Voraussetzungen<br />
mit, Menschen und Waren umweltschonend,<br />
sicher und wirtschaftlich von A nach B zu bringen.<br />
So haben Fahrzeuge und Leitsysteme einen<br />
enorm hohen Grad der Zuverlässigkeit erreicht.<br />
Das beweist der Hochgeschwindigkeitszug Velaro<br />
täglich unter schwierigsten klimatischen Bedingungen<br />
durch nahezu hundertprozentige Verfügbarkeit.<br />
Das belegen wiederholte Auszeichnungen<br />
wie der „Golden Spanner“ für den zuverlässigsten<br />
Regionaltriebzug in Großbritannien, den Desiro<br />
UK. Ebenso bestimmen intelligente IT-Lösungen<br />
wie zum Beispiel komfortables eTicketing, das<br />
den Umstieg vom Auto auf Tram und Metro besonders<br />
komfortabel gestaltet, den Erfolg der <strong>Schiene</strong>.<br />
Dies und mehr ist Thema in der vorliegenden<br />
como-Ausgabe, die zur internationalen Verkehrsfachmesse InnoTrans im September<br />
erscheint. Vor dem Hintergrund dessen, dass bereits über die Hälfte<br />
der Weltbevölkerung in urbanen Gebieten lebt und dieser Trend sich fortsetzen<br />
wird, zeigt <strong>Siemens</strong> auf dieser Ausstellung „Produkte und Lösungen für<br />
die Mobilität in und zwischen den Städten“. Ein Motto, das sehr genau unser<br />
selbst gestecktes Ziel beschreibt: Complete mobility für diese und kommende<br />
Generationen zu erreichen.<br />
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine informative Lektüre.<br />
Ihr<br />
Dr. Ansgar Brockmeyer<br />
Leiter High Speed and Commuter Rail<br />
Rail Systems Division
focus<br />
12 Immer auf Achse<br />
Wie kommt es, dass manche Züge dauernd im<br />
Einsatz sind? Weil Zuverlässigkeit planbar ist.<br />
18 Metallostroy<br />
Sind Züge so zuverlässig wie der Velaro RUS,<br />
steckt oft mehr dahinter: Hightech beim Service.<br />
28 Unter Palmen<br />
Santo Domingo hat ein Verkehrsproblem.<br />
Eine hochmoderne U-Bahn schafft Abhilfe.<br />
36<br />
08<br />
horizon<br />
como 09 | September 2012 inhalt<br />
Inhalt<br />
4 Weichen stellen<br />
Ist der <strong>Schiene</strong>nverkehr wirklich zukunftsfähig?<br />
Im Prinzip ja, sagt Prof. Arnd Stephan im Interview.<br />
Doch nur, wenn Effizienz und Attraktivität<br />
gesteigert werden.<br />
10 Automatisch optimiert unterwegs<br />
Mehr Bahnverkehr verlangt mehr <strong>Schiene</strong>nwege –<br />
oder einfach intelligentere Technik.<br />
move<br />
34 ח“ש 7 :ביתנב ריחמה .תונגמ סמוע<br />
Maut, Stau oder Shuttle-Bus? Auf einer Schnellstraße<br />
bei Tel Aviv können sich Autofahrer jetzt<br />
frei entscheiden.<br />
connect<br />
36 Smarter reisen<br />
Einfach ein- und umsteigen – das wäre<br />
doch komfortabel! Mit einer durchgängigen<br />
eTicketing-Plattform kein Problem.<br />
18<br />
3
4<br />
horizon como 09 | September 2012<br />
Komfortable Straßenbahnen<br />
oder lärmende<br />
Güterzüge, <strong>Zukunft</strong>s -<br />
mo dell oder Milliardengrab<br />
– das Bild des<br />
<strong>Schiene</strong>nverkehrs in der<br />
Öffentlichkeit ist oft zwiespältig.<br />
Wie aber kann Mobi -<br />
lität von morgen tatsächlich<br />
aussehen? Sind Eisenbahnen<br />
wirklich zukunftsfähig – und<br />
welchen Herausforderungen müssen<br />
sich Hersteller und Betreiber<br />
stellen? Ein Gespräch mit Prof. Dr.-<br />
Ing. Arnd Stephan, Professor für<br />
Elektrische Bahnen am Institut für<br />
Bahnfahrzeuge und Bahntechnik<br />
der Fakultät Verkehrswissenschaften<br />
„Friedrich List“ an der TU Dresden.
como: Herr Prof. Stephan, lassen Sie uns gleich<br />
mal in die Glaskugel schauen: Welche <strong>Zukunft</strong><br />
hat das Verkehrsmittel Bahn?<br />
Prof. Dr.-Ing. Arnd Stephan: Reden wir über<br />
die <strong>Zukunft</strong>sfähigkeit der Bahn generell, dann<br />
müssen wir uns zunächst den aktuellen Stand<br />
ansehen. Etwa ab den 1990er Jahren begann die<br />
Entwicklung einiger heute prägender Randbedingungen.<br />
So sehen wir insbesondere zu Spitzenlastzeiten<br />
zunehmend eine Erschöpfung<br />
anderer Verkehrswege, auf der Straße und in<br />
der Luft. Wir sehen weltweit eine verstärkte<br />
Investitionstätigkeit in Bahnen und Maßnahmen<br />
zur Beschleunigung des Bahnverkehrs durch<br />
Automatisierung. Auch werden neu beschaffte<br />
Fahrzeuge mit deutlich verbesserter Technik<br />
como 09 | September 2012 horizon<br />
Weichen stellen<br />
„ Natürlich müssen wir auch gute<br />
Produkte haben. Aber die großen<br />
Herausforderungen für eine zukunftsfähige<br />
Bahn sind logistischer und<br />
informa tions technischer Natur:<br />
Betrieb, Logistik, Angebotsqualität.<br />
5<br />
und neuen Technologien ausgestattet. Und wir<br />
haben beim Güterverkehr eine Containerisierung<br />
des Welthandels. Das alles steht unter der<br />
Überschrift Globalisierung. Dabei kann das System<br />
Bahn in drei Segmenten stark punkten: Das<br />
erste Segment ist der Hochleistungsgüterverkehr<br />
als Bestandteil einer Logistikkette – nicht<br />
bis in die Firma hinein, sondern mit langlaufenden,<br />
weiträumigen Verkehren. Das zweite Segment<br />
ist der schnelle, attraktive Personenfernverkehr,<br />
möglichst sogar auf eigenen Trassen,<br />
wie wir es derzeit vorwiegend in Asien erleben.<br />
Und das dritte Segment ist die leistungsfähige<br />
innerstädtische Nahverkehrsbahn. Überall da<br />
kann die <strong>Schiene</strong> punkten, hier liegen ihre<br />
<strong>Zukunft</strong>sperspektiven.<br />
Können Sie Beispiele dazu geben?<br />
Durch die Globalisierung sehen<br />
wir eine Zunahme der Rohstoff-<br />
und Warenströme nicht mehr<br />
nur lokal, sondern weltweit, und<br />
gerade auf großen Strecken über<br />
Land spielt die Eisenbahn ihre<br />
Vorteile aus. Die Verlagerung<br />
lang dauernder oder lang laufender<br />
Transporte auf spurgeführte<br />
Systeme ist logistisch und<br />
wirtschaftlich vorteilhaft, denn<br />
der Straßenverkehr ist da zu teuer<br />
und die Flussschiffahrt zu<br />
langsam. In Asien, dem Mittleren Osten und<br />
zukünftig auch Südamerika entstehen deshalb<br />
vielleicht sogar neue, ganz eigene Güterbahnen.<br />
Ist das nicht beim Personenfernverkehr ganz<br />
ähnlich?<br />
Durchaus. Da spielt aus meiner Sicht eine wichtige<br />
Rolle, dass sich Siedlungsstrukturen derzeit massiv<br />
ändern. Wir erleben eine Bevölkerungskonzentration<br />
in den Städten und eine Entvölkerung der<br />
Landflächen. Diese Entwicklung erfordert schnelle<br />
Punkt-zu-Punkt-Verbindungen zwischen entfernten<br />
Zentren und zugleich überregionale Verkehrsmärkte.<br />
Und es gibt ja schon zunehmend<br />
internationalen Wettbewerb auf der <strong>Schiene</strong>,<br />
beim Bau sowieso und inzwischen sogar beim<br />
Betrieb, da ist viel Dynamik im Markt.
6<br />
„ Man muss Fahrgästen den Zugang und<br />
das Handling so leicht wie möglich machen<br />
horizon como 09 | September 2012<br />
Auch der Stadt- und Regionalverkehr entwickelt<br />
sich ja dynamisch ...<br />
Da sind es allerdings die großen Siedlungskonzentrationen<br />
und Megacities, die auf Massenverkehrslösungen<br />
setzen müssen. Städte verfügen –<br />
und das ist für mich ein ganz wesentlicher Punkt<br />
– nur begrenzt über innerstädtische Verkehrsflächen,<br />
vor allen Dingen für den ruhenden Verkehr.<br />
Und wir sehen es täglich: Gerade in der<br />
Hauptverkehrszeit sind fast alle Bahnen in Bewegung,<br />
während fast alle Autos stehen. Die meisten<br />
Autos verbrauchen Fläche einfach durch ihre<br />
Existenz, weil sie rund 90 Prozent ihrer Lebenszeit<br />
stehen, statt zu fahren. Das ist gerade für<br />
Agglomerationen das entscheidende Argument:<br />
Mit mehr Bahn können wir vorhandene Verkehrsflächen<br />
besser nutzen.<br />
Dann wäre die viel diskutierte Elektromobilität,<br />
die ja in der Regel mit Elektroautos in Verbindung<br />
gebracht wird, der falsche Weg?<br />
Elektromobilität auf der Straße löst ja genau dieses<br />
Verkehrsflächenproblem nicht. Das Thema<br />
hat im Moment einen umweltpolitischen Anstrich,<br />
der genau gesehen gar keiner ist, weil die Energie<br />
dafür derzeit einfach noch zu schlecht erzeugt<br />
und zu schlecht gewandelt wird. Die internationale<br />
Entwicklung zeigt aber, dass überall dort, wo<br />
die anfangs genannten Herausforderungen –<br />
Hochleistungs-Güterverkehr, schneller Personenfernverkehr<br />
und verlässlicher Stadtverkehr –<br />
zusammenkommen, derzeit neue Bahnprojekte<br />
entstehen.<br />
Bei innerstädtischen Nahverkehrsbahnen verzeichnen<br />
wir weltweit einen Boom – fast jeden Monat<br />
wird ein neues Projekt auf den Weg gebracht.<br />
Ja, allerdings als Reaktion auf bereits bestehende<br />
Probleme, nicht etwa vorausschauend, um Entwicklungsstruktur,<br />
Raumwirksamkeit zu entfalten.<br />
Da läuft die Entwicklung der Bahnprojekte<br />
der bevölkerungstechnischen Entwicklung hinterher.<br />
Man kann aber mit Bahnsystemen, die<br />
immer Raumwirksamkeit entfalten, auch Siedlungsentwicklung<br />
betreiben. Zum Beispiel in den<br />
Niederlanden legt man Bahnstrecken bewusst in<br />
Gebiete, um Ansiedlung zu betreiben. Das ist<br />
dann aber eine Aufgabe für die Politik.<br />
Hat man nicht schon in den Kindertagen der<br />
Bahn mit neuen Strecken die Raumentwicklung<br />
im zwischenstädtischen Bereich forciert?<br />
Das war im 19. Jahrhundert so, und das Prinzip<br />
funktioniert sowohl zwischen den Städten als<br />
auch vor allen Dingen innerstädtisch. Die Straßenbahn<br />
hat eine innerstädtische Mobilität<br />
ermöglicht, die es vorher überhaupt nicht gab.<br />
Dabei wird heute das Thema Energie in der<br />
allgemeinen Debatte immer sehr hoch aufgehängt.<br />
Weil da jeder mitreden kann. Für mich liegen aber<br />
die eigentlichen Vorteile in der Raumentwicklung<br />
mit dem positiven Nebeneffekt, dass <strong>Schiene</strong>nverkehr<br />
auch energetisch vorteilhaft ist, wenn man es<br />
gut macht. Bahnen müssen deshalb Treiber sein,<br />
in diese erneuerbaren Energieszenarien einzusteigen,<br />
und die Deutsche Bahn hat da aus meiner<br />
Sicht eine gute Zielvorstellung: von den erneuerbaren<br />
Energien so zu partizipieren, dass sie im<br />
Jahr 2050 rein erneuerbar fährt. Ein selten<br />
berücksichtigter, wenn auch für die weitere Bahnentwicklung<br />
nicht entscheidender energetischer<br />
Vorteil ist ja, dass bei der elektrischen Bahn nicht<br />
nur der Antrieb energieeffizient ist. Fahrende<br />
Züge sind zusammengenommen auch ein großer<br />
mechanischer Energiespeicher, der beim Bremsen<br />
Strom ins Netz zurückspeisen kann.<br />
In der allgemeinen Diskussion geht es ja eher<br />
darum, fossile Treibstoffe einzusparen. Ist deshalb<br />
das Thema E-Mobilität so sehr auf Straßenfahrzeuge<br />
fixiert?<br />
Die Frage nach der Verknappung des Erdöls stellt<br />
sich so gar nicht, kritisch wirkt vor allem die Verteuerung.<br />
Man findet ja doch immer wieder<br />
irgendwas, und wenn man es aus Schiefer herauspressen<br />
muss. Aber die schon heute beginnende<br />
Verteuerung wird die Nutzung fossiler Energie<br />
künftig auf hochpreisige Transporte beschränken,<br />
die wie bei Luftverkehr und Seeschiffsverkehr<br />
den energetisch hochwertigen Energiespeicher<br />
Erdöl brauchen. Wo wir aber elektrische<br />
Energie aus alternativen Quellen beziehen können,<br />
hat die <strong>Schiene</strong> eine sehr gute Perspektive,<br />
denke ich.<br />
Das gilt ohne Einschränkungen?<br />
Ja gut, die Politik muss das unterstützen und die<br />
Bahn muss entsprechend starke Leistungsmerkmale<br />
bringen. Es ist aber nicht die Technik, sondern<br />
vor allem die Organisation, die <strong>Schiene</strong>nverkehr<br />
attraktiv macht. Nehmen wir noch<br />
einmal die Containerisierung des Welthandels.
Ein Schiff mit ein paar tausend Containern auf<br />
Züge umzuladen und dann 400 Kilometer weiter<br />
zu fahren, ist in jeder Hinsicht effektiver, als dasselbe<br />
mit hunderten Lkws zu machen. Für Probleme<br />
wie den Stückgutverkehr wüsste ich auf<br />
Anhieb keine interessante Lösung, aber für<br />
schnelle Containertransporte von A nach B ist die<br />
Bahn ideal.<br />
Das klingt nach einem Complete-mobility-<br />
Szenario, in dem die Güterbahn einen ganz<br />
bestimmten Platz zugewiesen bekommt …<br />
Das unterstütze ich voll. Wesentlich ist die Integration<br />
in ein Gesamtsystem – gleichgültig übrigens,<br />
ob man Güter oder Personen transportiert.<br />
Wenn zum Beispiel ein chinesischer Hochgeschwindigkeitszug<br />
die tausend Kilometer von<br />
Wuhan nach Guangzhou in drei Stunden fährt,<br />
ist das konkurrenzlos schnell.<br />
Und damit absolut konkurrenzfähig?<br />
Na ja, in Deutschland muss eben ein ICE –<br />
bedingt durch die Siedlungsstruktur – alle<br />
30 Kilometer anhalten, da wird das mit der<br />
Konkurrenzfähigkeit vergleichsweise schwierig.<br />
Aber es spielen auch Aspekte wie<br />
Informationszugang und Schnittstellen<br />
eine wichtige Rolle. Ich muss den Fahrgästen<br />
den Zugang und das Handling so<br />
leicht wie möglich gestalten, um die<br />
technischen und logistischen Vorteile<br />
wirklich ausspielen zu können.<br />
Ein Umbau der bestehenden Infrastruktur,<br />
der Bahnhöfe und intermodalen<br />
Verkehrsknoten, ist also<br />
unabdingbar?<br />
Dieser Umbau ist schon in Gange<br />
und muss in <strong>Zukunft</strong> weiter getrieben<br />
werden, um die Vernetzung<br />
der verschiedenen Verkehrsträger<br />
zu optimieren. Bei Flughäfen, die<br />
schon gut über die <strong>Schiene</strong> angebunden<br />
sind, nutzen die Passagiere<br />
massiv auch die Bahn statt<br />
des Autos. Deshalb muss man<br />
sich darauf konzentrieren: Mit<br />
welchen anderen Verkehrssystemen<br />
will ich die Leute abholen<br />
und wie schaffe ich einen<br />
möglichst einfachen Zugang<br />
ohne zusätzliche Hürden?<br />
Mit<br />
mehr<br />
Bahn<br />
können<br />
wir<br />
vor han dene<br />
Ver kehrsfl<br />
ächen<br />
besser nutzen.<br />
como 09 | September 2012 horizon<br />
7
8<br />
horizon como 09 | September 2012<br />
Wir müssen<br />
über die<br />
Investition in<br />
Intelligenz<br />
statt in Beton<br />
und Stahl<br />
nachdenken.<br />
Das heißt, dass neben baulichen und strukturellen<br />
Maßnahmen auch organisatorische Hürden<br />
abgebaut werden. Sind denn Tarifmodelle, Fahrpläne<br />
und Ticketverkauf noch zu kompliziert?<br />
Allerdings. Wenn Sie heute in einer fremden Stadt<br />
vor dem Ticketautomaten stehen und sich erstmal<br />
in Tarifzonen einarbeiten müssen, ist das ein riesiges<br />
Zugangshindernis. Da winken die Leute ab und<br />
nehmen ein Taxi. Man muss sich nicht auskennen<br />
müssen. Leute, die sich auskennen, haben meist<br />
ohnehin eine Monatskarte, die muss ich nicht<br />
mehr gewinnen.<br />
Das hat also weniger mit der Bahn selbst zu tun<br />
als mit Information und Kommunikation?<br />
Durch Internet und Smartphones zum Beispiel ist<br />
bereits eine fruchtbare Dynamik im Markt entstanden,<br />
weil hier Lösungen als IT-Dienstleistung<br />
auf dem Markt angeboten werden. Da bin ich also<br />
optimistisch – sofern die physischen Schnittstellen<br />
des multimodalen Verkehrs funktionieren.<br />
Nur müssen die Betreiber über das eigene System<br />
hinausgucken, und dieser Complete-mobility-<br />
Ansatz darf nicht nur ein Schlagwort sein, sondern<br />
muss in die Praxis umgesetzt werden. Wenn<br />
ich zum Beispiel mit dem Zug von Dresden Richtung<br />
Berlin unterwegs bin, ist der Fahrradwagen<br />
voll besetzt. Die Leute können und wollen mit<br />
dem eigenen Fahrrad nach Hamburg oder nach<br />
Sylt fahren. Das sind Erfolge im Kleinen, mit<br />
denen wir die verschiedenen Mobilitätsszenarien<br />
zusammenbinden können.<br />
Da stellt sich schnell auch die Frage<br />
nach den verfügbaren Kapazitäten.<br />
Leider leistet eine Eisenbahnstrecke<br />
heute weniger als eine sechsspurige<br />
Autobahn, weil physikalisch be dingt<br />
der Zugfolgeabstand zu groß sein<br />
muss für mehr Züge auf derselben<br />
Strecke. Die Straße erlaubt<br />
einfach mehr Kapazität pro<br />
Kilometer, allerdings wird das<br />
nur mit verteilter Intelligenz<br />
und mehr Personal<br />
er reicht, nämlich mit ei -<br />
nem eigenen Fahrer in<br />
jedem Wa gen. Spielt<br />
also der Personaleinsatz<br />
keine Rolle, bietet<br />
der Straßenverkehr<br />
ei nen hö heren<br />
Durch satz als die<br />
Eisenbahn mit<br />
ihren großen<br />
Bremsweg -<br />
ab ständen.
Und was kann man tun, die Bremswegabstände zu<br />
verkürzen?<br />
Der Stahlrad-<strong>Schiene</strong>-Kontakt ist mit seiner geringen<br />
Reibung energetisch sehr vorteilhaft beim<br />
Rollen, beim Bremsen aber gerade nicht. Daran<br />
werden wir nicht so viel ändern können. Technologisch<br />
schaffen wir kürzere Bremswege nur<br />
durch die Weiterentwicklung des Rad-<strong>Schiene</strong>-<br />
Bremssystems, zum Bei spiel mit Wirbelstrombremsen<br />
statt mechanischer Brem sen. Wir müssen weiterhin<br />
über die Investition in Intelligenz statt in<br />
Beton und Stahl nachdenken. Durch intelligente<br />
Leittechnik wie ETCS, Vergleichmäßigung von<br />
Fahrprofilen auf der Strecke und vorausschauende<br />
Betriebssteuerung lässt sich die Durchlassfähigkeit<br />
massiv steigern. So kann die Eisenbahn<br />
leistungsfähiger werden und tatsächlich an den<br />
Transport-Durchsatz einer Straße rankommen.<br />
Die Forschungsleistung liegt dort zunächst im<br />
betriebsorganisatorischen Bereich, unterstützt<br />
durch Intelligenz und Telematik.<br />
Das Kuppeln von Fahrzeugen auf der Autobahn,<br />
die Elektronische Deichsel, kennt man ja seit<br />
Jahren. Kann das der Straße dann wieder Vorsprung<br />
gegenüber der <strong>Schiene</strong> verschaffen?<br />
Das ist eine Sicherheitstechnologie, aber wirtschaftlich<br />
ist sie sicher nicht. Das elektronische<br />
Kuppeln auf langen Autobahnstrecken befreit uns<br />
ja nicht davon, die Verbindung am Ende der elektronisch<br />
gefahrenen Strecke wieder zu trennen –<br />
und dann braucht der Lkw wieder einen Fahrer.<br />
Der Personalbestand bleibt erhalten, der technische<br />
Aufwand steigt. Technisch machbar ist das<br />
natürlich. Wir können auch Eisenbahnwagen<br />
elektronisch kuppeln, wenn sie mit eigenem<br />
Antrieb und eigener Leittechnik ausgerüstet sind.<br />
Das könnte aber keiner bezahlen.<br />
Lassen Sie uns doch kurz über die gesellschaftliche<br />
und politische Akzeptanz der <strong>Schiene</strong><br />
sprechen. Da gibt es ja deutliche Unterschiede<br />
weltweit ...<br />
Dass die Akzeptanz weltweit verschieden ist, kann<br />
ich unterschreiben. Dass aber die Eisenbahn zum<br />
Beispiel in entwickelten Ländern weniger angesehen<br />
wäre, sehe ich nicht. Auch in den USA, wo 60<br />
Prozent des Güterferntransports über die <strong>Schiene</strong><br />
abgewickelt werden, ist die Eisenbahn nicht grundsätzlich<br />
politisch benachteiligt. Sicher könnte man<br />
sich in Deutschland mehr Akzeptanz wünschen; das<br />
liegt aber auch daran, dass die Wertschöpfung derzeit<br />
mehr in anderen Wirtschaftsbereichen stattfindet<br />
und weniger in der Eisenbahnindustrie. Dass in<br />
der Schweiz die Bahn gut im Bewusstsein der Menschen<br />
verankert ist, liegt an ihrer historisch guten<br />
Vernetzung. Schweizer Bahnen bieten auf engem<br />
Zur Person: Arnd Stephan<br />
como 09 | September 2012 horizon<br />
Raum ein exzellentes Verkehrsangebot, das übrigens<br />
auch wieder durch klare Tarifangebote und<br />
Informationen gestützt wird – da waren die Schweizer<br />
immer gut. Auch in China beispielsweise hat die<br />
Eisenbahn schon immer viel transportiert, sie ist<br />
konsequent in die Logistikkette eingebunden und<br />
übernimmt den Transport über große Entfernungen.<br />
Die Strecken werden ausgebaut, schnelle und<br />
langsame Verkehre voneinander getrennt. Das kostet<br />
natürlich viel Geld, ist aber keine Frage der politischen<br />
Bevorteilung, sondern Teil eines langfristigen<br />
Wirtschaftskonzepts. Wie wollen wir langfristig<br />
im Land wirtschaften? Wie fördern wir die Vernetzung<br />
des Landes, um eine höhere Wirtschaftsleistung<br />
zu erreichen? Politische Unterstützung muss<br />
sein, weil die Investitionen ja letzten Endes doch<br />
meist aus dem Staatshaushalt kommen.<br />
Auch in Deutschland scheint die gesellschaftliche<br />
Akzeptanz für Mobilität auf der <strong>Schiene</strong> zu<br />
steigen.<br />
Die Statistik der Fahrgastzahlen im 1. Halbjahr 2012<br />
zeigt eine traumhafte Steigerung. Das hat sicher mit<br />
politischen und wirtschaftlichen Randbedingungen<br />
wie der Spritpreisentwicklung zu tun, aber aus meiner<br />
Sicht auch mit einem zunehmend attraktiven<br />
Angebot. Denn die Bahn ist viel besser als ihr Leumund.<br />
Ich bin oft mit dem Zug unterwegs, weil ich<br />
mich während der Fahrt in Ruhe auf Besprechungen<br />
und Vorträge vorbereiten kann. Das ist in keinem<br />
anderen Verkehrsmittel so. Schlecht über die Bahn<br />
reden meist die, die selten oder gar nicht fahren.<br />
Herr Prof. Stephan, herzlichen Dank.<br />
Prof. Dr.-Ing. Arnd Stephan studierte Elektrotechnik/Elektrische<br />
Bahnen an der Hochschule<br />
für Verkehrswesen in Dresden, schloss 1990<br />
mit dem Diplom ab und promovierte 1995.<br />
Zunächst Lehrbeauftragter für das Fachgebiet<br />
Elektrische Bahnen an der Verkehrsfakultät der<br />
TU Dresden, wurde er dort 2002 zum Honorarprofessor<br />
für Unkonventionelle elektrische<br />
Verkehrssysteme ernannt. Seit 2008 ist er<br />
dort Professor für Elektrische Bahnen.<br />
Von 1993 bis 2008 war Stephan auch für das<br />
IFB Institut für Bahntechnik in Dresden tätig,<br />
ab 2003 als Prokurist. Außerdem ist er seit<br />
2004 Geschäftsführender Direktor des Kompetenzzentrums<br />
für Hochleistungsbahnen und<br />
Magnetbahnsysteme an der TU Dresden.<br />
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10<br />
horizon como 09 | September 2012<br />
Automatisch optimiert un<br />
Der Nah- und Fernverkehr auf der<br />
<strong>Schiene</strong> wächst kontinuierlich, die<br />
Kapazitäten der <strong>Schiene</strong>nnetze leider<br />
nicht. Doch es gibt Alternativen:<br />
Mit intelligenten IT-Lösungen lassen<br />
sich vorhandene Strecken optimal<br />
auslasten, Wartungszeiten der Fahrzeuge<br />
reduzieren und Bahnen für<br />
Betreiber und Fahrgäste noch attraktiver<br />
machen.<br />
Unbestritten bestimmt Mobilität die Wettbewerbsfähigkeit<br />
von Städten und Regionen<br />
und damit auch die Lebensqualität der Menschen.<br />
Dabei zählen zwar elektrische Bahnen generell<br />
zu den leistungsfähigsten Verkehrsmitteln,<br />
doch leider stößt die Verkehrsinfrastruktur vielerorts<br />
an Kapazitätsgrenzen. Daher entwickelt<br />
<strong>Siemens</strong> neue Technologien und IT-gestützte Lösungen,<br />
die dabei helfen können, vorhandene Kapazitäten<br />
besser auszulasten.<br />
Eine Alternative zum langwierigen und teuren<br />
Ausbau der Infrastruktur ist beispielsweise,<br />
durch intelligentere Betriebsleitsysteme mehr<br />
Durchsatz auf der <strong>Schiene</strong> zu erhalten. „Klassische<br />
Betriebsleitsysteme planen, steuern und<br />
überwachen einfache bis komplexe Bahnsysteme“,<br />
sagt Dr. Maximilian Eichhorn, Leiter des<br />
weltweiten Rail IT-Geschäfts bei <strong>Siemens</strong>. „Interaktive,<br />
modulare Systeme dagegen können mehr<br />
Ein gut ge plantes<br />
Betriebs -<br />
leit system<br />
generiert hohe<br />
Wert schöpfung<br />
Dr. Maximilian Eichhorn<br />
und lassen sich flexibel in ihren Funktionen<br />
anpassen. Und weil <strong>Siemens</strong> mehr als 130 Jahre<br />
Erfahrung mit Bahntechnik hat, wissen unsere<br />
Ingenieure sehr genau, welche Lösungsansätze<br />
die besten Ergebnisse erwarten lassen.“<br />
Ein integriertes „Fleet and Crew“-Managementsystem<br />
etwa gibt nicht nur dem Flottenbetreiber<br />
optimale Werkzeuge an die Hand, sondern auch<br />
den Mitarbeitern. Es informiert über Wartungstermine,<br />
Laufleistung und Ladung der Fahrzeuge,<br />
den richtigen Tourplan oder darüber, welche Aufgaben<br />
die Crew bekommt, wenn ein Zug ausfällt.<br />
Andere Systemmodule melden den Zustand der<br />
Strukturen neben dem eigentlichen Bahnbetrieb,<br />
beispielsweise Energieversorgung und Anzeigesysteme<br />
in Bahnhöfen, und können durch Kommunikationslösungen<br />
ergänzt sein.<br />
Interaktive Betriebsleitsysteme entlasten die<br />
Bediener mit automatischem Betrieb von Routineaufgaben,<br />
helfen beim Erstellen optimierter<br />
Fahrpläne für bessere Streckenauslastung und<br />
geben Hilfestellungen bei Zugkonflikten und Fahrplanabweichungen.<br />
„Innerhalb des Streckennetzes<br />
hat jede Veränderung mehr oder weniger weitreichende<br />
Folgen“, so Eichhorn. „Fährt irgendwo ein<br />
Zug verspätet los, sind alle Züge vor und hinter ihm<br />
betroffen, zugleich aber auch Züge, die an Kreuzungspunkten<br />
einen Anschluss herstellen sollen.“<br />
Halbautomatische Systeme unterbreiten dem Einsatzleiter<br />
dann Handlungsvorschläge aus einer Bibliothek<br />
vorgegebener Szenarien. Dynamische Systeme
terwegs<br />
dagegen sollen Lösungsmöglichkeiten und die wirtschaftlichen<br />
oder organisatorischen Konsequenzen<br />
daraus fallweise berechnen. Eichhorn: „Ziel ist es,<br />
anhand der aktuellen Faktenlage in sehr kurzer Zeit<br />
optimierte Lösungen zu ermitteln und dem Disponenten<br />
die Entscheidung möglichst leicht zu machen.“<br />
Welch hohe Wertschöpfung von einem gut ge -<br />
planten Betriebsleitsystem ausgehen kann, zeigt<br />
das Beispiel der Eisenerzbahn BHP Billiton Iron<br />
Ore, die zahlreiche Minen im Westen Australiens<br />
mit dem Hafen in Port Hedland verbindet. Hier ist<br />
ein wichtiger Teil der verzweigten, fast 2.000 Kilometer<br />
langen Gesamtstrecke teilweise eingleisig<br />
und die mehr als 200 Wagen langen Erzzüge<br />
können sich nicht an allen Stellen begegnen. Das<br />
System übernimmt automatisch nicht nur die optimale<br />
Streckenbelegung – abhängig von den Beladungsvorgängen<br />
in den Minen und der Belegung<br />
des Hafens. Es organisiert auch das Zusammenführen<br />
und Trennen der Züge, die per Global Positioning<br />
System GPS lokalisiert werden, das Management<br />
des Fuhrparks und mehr – insgesamt ein<br />
integriertes, komplettes Lieferkettensystem. Maximilian<br />
Eichhorn: „Mit jedem zusätzlichen Zug, der<br />
reibungslos die Strecke passiert und zur richtigen<br />
Zeit im Hafen eintrifft, kann der Betreiber eine<br />
komplette Erzladung mehr verbuchen.“<br />
Auch bei der Instandhaltung der Fahrzeuge können<br />
IT-Lösungen für mehr Effizienz und verbesserte<br />
Wirtschaftlichkeit sorgen. Eine vorausschauende<br />
Instandhaltung, wie sie zum Service-Spektrum von<br />
como 09 | September 2012 horizon<br />
<strong>Siemens</strong> gehört und in como 07/2011 ausführlich<br />
beschrieben ist, kann freilich nur mit wirklich leistungsstarken<br />
IT- und Kommunikations-Systemen<br />
funktionieren: Beim russischen Hochgeschwindigkeitszug<br />
Velaro RUS zum Beispiel überwachen<br />
Detektoren und Sensoren während des Betriebs laufend<br />
wichtige Komponenten und melden Unregelmäßigkeiten<br />
an ein zentrales System; so lassen sich<br />
notwendige Instandhaltungsmaßnahmen noch im<br />
Vorfeld eines Schadens einleiten. Das System ordert<br />
bei Bedarf Ersatzteile und führt die Service-Mitarbeiter<br />
per Monitor gezielt durch die Arbeiten. Das<br />
Ergebnis hier: Der gezielte Einsatz intelligenter IT-<br />
Lösungen verhindert unerwartete Ausfälle, sichert<br />
die maximale Auslastung der Fahrzeuge bei reduzierten<br />
Lebenszyklus-Kosten und führt zu praktisch<br />
hundertprozentiger Verfügbarkeit der Züge.<br />
Auch die Betriebssicherheit lässt sich deutlich<br />
verbessern – sogar nachträglich, wie das Beispiel<br />
der zwischen 1968 und 1971 eröffneten Victoria<br />
Line der Londoner U-Bahn zeigt. <strong>Siemens</strong> stattete<br />
die Tunnellinie vor einigen Jahren mit einem integrierten<br />
Managementsystem aus, das die 22,5<br />
Kilometer lange Strecke, ihre 16 Stationen sowie<br />
die Zugangsbereiche außerhalb umfasst. Das<br />
Management Performance Information Service<br />
(MPIS)-System in der zentralen Leitstelle zeigt<br />
Auslastungs- und Leistungsdaten der Strecke, der<br />
Bahnhöfe und der Fahrzeuge. Es verwaltet die<br />
Notfall-Telefone in den Tunnels ebenso wie Störungsmeldungen,<br />
liefert Systemdiagnosen, gibt<br />
Hilfestellung zum Aufspüren von Fehlern und<br />
analysiert anhand der ständig wachsenden Datenbasis<br />
mögliche Fehlerquellen. Über Kameras lässt<br />
sich auch beurteilen, ob beispielsweise wegen<br />
Veranstaltungen oder zu starkem Verkehr der<br />
Zugang im Außenbereich erschwert ist.<br />
Auch die Fahrgäste können aus einem dynamischen<br />
Informationssystem großen Nutzen ziehen.<br />
Es generiert aus Fahrzeugdaten und Fahrplänen<br />
aktuelle Informationen über den Zugverlauf mit<br />
Ankunftszeiten und Fahrplänen. Dazu werden<br />
zahlreiche Kommunikations-Teilsysteme in einem<br />
zusammenhängenden Netz gebündelt und gesteuert.<br />
Ziel ist es, Echtzeitinformationen über Lautsprecheranlagen,<br />
Informationsanzeiger, Infoterminals<br />
oder auch über Internetportale und mobile<br />
Geräte automatisiert bereitzustellen. Maximilian<br />
Eichhorn: „Will ein Bahnkunde umsteigen, bekommt<br />
er zeitnah auf seinem Mobiltelefon angezeigt, ob<br />
der gewählte Bus Verspätung hat, ob ein Stau Ursache<br />
für die Verzögerung ist und ob die U-Bahn trotz<br />
Umweg die bessere Wahl ist.“<br />
IT-Lösungen wie diese erleichtern unter dem<br />
Strich nicht nur die Betriebsabläufe und nutzen<br />
vorhandene Kapazitäten besser. Sie lenken Passagierströme,<br />
optimieren den Fahrgastfluss und<br />
steigern die Attraktivität der Bahn.<br />
11
12<br />
focus como 09 | September 2012
como 09 | September 2012 focus<br />
Immer auf Achse<br />
Erst im harten Alltagsbetrieb zeigt Technik,<br />
wie zuverlässig sie wirklich arbeitet –<br />
auch bei Straßenbahnen, Metros und<br />
Hochgeschwindigkeitszügen. Die sollen<br />
Fahrgäste schnell und pünktlich ans<br />
Ziel bringen, Tag für Tag, bei jedem<br />
Wetter und dabei über den ge-<br />
samten Lebenszyklus wirtschaftlich<br />
im Betrieb. Klar ist: Wollen Bahnen<br />
ihren Platz im Mobilitäts-Mix be-<br />
haupten, müssen sie mehr denn je<br />
durch Leistung überzeugen. Da<br />
können nur wirklich zuverlässige,<br />
hundertprozentig einsatzbereite<br />
Fahrzeuge punkten. Deshalb<br />
setzt <strong>Siemens</strong> auf robuste<br />
und bewährte Technologien,<br />
intelligente Planung und<br />
optimierte Instandhaltung.<br />
13
14<br />
focus como 09 | September 2012<br />
Hochgeschwindigkeitszüge wie der Velaro haben alle<br />
wesentlichen Komponenten doppelt an Bord<br />
Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit stehen immer<br />
im Fokus, für Fahrzeugingenieure sowieso.<br />
Denn die technischen Möglichkeiten der<br />
Einflussnahme sind vielfältig und reichen vom<br />
intelligenten Fahrzeugdesign über die Wahl der<br />
zuverlässigsten Komponenten bis hin zum Ersatzteil-Management<br />
nach Jahrzehnten des Betriebs.<br />
Wie aber lässt sich maximale Zuverlässigkeit wirklich<br />
erreichen? Welche Strategien verfolgen die<br />
<strong>Siemens</strong>-Ingenieure, um Züge und Bahnen nahezu<br />
hundertprozentig verfügbar zu machen?<br />
Manches leuchtet auf den ersten Blick ein:<br />
Robuste und bewährte Technologien tragen ihren<br />
Teil zu mehr Betriebssicherheit und geringerem<br />
Ausfallrisiko bei. Verschleißfreie und verschleißarme<br />
Systeme sollten ebenfalls stets sicher funktionieren<br />
und kaum Wartung benötigen. Redundanz,<br />
bei der eines von mehrfach vorhandenen Systemen<br />
im Falle einer Störung sofort die ausgefallene<br />
Funktion übernehmen kann, ist gleichfalls eine<br />
erprobte Strategie für mehr Zuverlässigkeit. So<br />
haben Hochgeschwindigkeitszüge wie der Velaro<br />
alle wesentlichen Komponenten wie Stromabnehmer,<br />
Energieversorgungssysteme oder Sensoren<br />
gleich zweifach an Bord. Sicherheitsrelevante Systeme<br />
wie etwa die Drehgestellüberwachung sind<br />
sogar nicht nur doppelt, sondern zusätzlich in verschiedenen<br />
Ausführungen eingebaut.<br />
Das Prinzip der verteilten Traktion, das <strong>Siemens</strong><br />
im gesamten Fahrzeugprogramm von der Avenio-<br />
Straßenbahn bis zum Velaro einsetzt, erweitert diese<br />
Redundanz-Strategie auf den Antrieb. Denn<br />
diese sogenannten Triebzüge werden nicht von<br />
Lokomotiven gezogen oder geschoben, sondern<br />
über die gesamte Zuglänge hinweg von motorisier-<br />
ten Drehgestellen angetrieben. Die arbeiten unabhängig<br />
voneinander: Selbst wenn eine Traktionseinheit<br />
ausfallen sollte, arbeiten die anderen mit<br />
voller Leistung weiter und bringen den Zug pünktlich<br />
ans Ziel.<br />
Plattformkonzept: Variation mit bewährten<br />
Komponenten<br />
Gleich aus mehreren Gründen hilfreich ist es, ganze<br />
Produktfamilien auf einer systematisch entwickelten<br />
Plattform aufzubauen – einer gemeinsamen<br />
technischen Basis für verschiedene Modelle.<br />
Auf einer solchen modularen Plattform lassen sich<br />
Baugruppen oder kundenspezifische Ausstattungsmerkmale<br />
leicht kombinieren. Die Vorteile: Wo<br />
gleiche Komponenten für verschiedene Fahrzeugvarianten<br />
verwendet werden, sinken die Entwicklungskosten.<br />
Zugleich kommen Optimierungen<br />
und Weiterentwicklungen im Laufe der Jahre idealerweise<br />
der gesamten Produktfamilie zugute und<br />
verbessern die Verfügbarkeit der Fahrzeuge.<br />
So ist beispielsweise die neue Metro-Plattform<br />
Inspiro – erste Züge werden Ende 2012 nach Warschau<br />
geliefert – mit zahlreichen Komponenten<br />
versehen, die sich in ähnlicher Konfiguration bestens<br />
bewährt haben. Die Fahrwerke etwa basieren<br />
auf jenen für die Metros in Oslo und Nürnberg, die<br />
Antriebe bewähren sich dort ebenfalls seit Jahren.<br />
Auch bei künftigen Aufträgen lassen sich dank des<br />
Optimiert: Die Bugklappe des neuen Velaro D<br />
erhielt eine einfache und robuste Mechanik.
16<br />
focus como 09 | September 2012<br />
Beim Plattformkonzept profi tiert die ganze<br />
Produktfamilie von Optimierungen<br />
Für die neue Metro-Plattform Inspiro (Bild oben) und die Straßenbahn-Plattform<br />
Avenio werden Komponenten verwendet, die sich<br />
in ähnlicher Konfi guration schon bestens bewährt haben.<br />
Plattformkonzepts zahlreiche Module nach Bedarf<br />
ändern oder tauschen, von der Motorisierung bis<br />
zur Innenraumgestaltung. So wird der neue<br />
U-Bahn-Zug C2 für München zwar technisch zum<br />
Teil auf der Inspiro-Plattform aufgebaut sein, Zugkopf<br />
und Innenraum aber sind vom Münchner<br />
Designer Neumeister + Partner gestaltet. In einer<br />
Kombination aus Innovation und bewährten Komponenten<br />
entstehen damit individuelle, in der Praxis<br />
höchst zuverlässige Fahrzeuge.<br />
Gleiches trifft auf die Niederflurstraßenbahn<br />
Avenio zu. Denn diese Plattform für den urbanen<br />
Nahverkehr ist die konsequente Weiterentwicklung<br />
der in Budapest und im portugiesischen Almada<br />
erfolgreich eingesetzten Fahrzeugserie Combino<br />
Plus. Die detaillierte Vermessung von mehr als 20<br />
verschiedenen Straßenbahnnetzen mit sehr unterschiedlichen<br />
Eigenschaften und Rückwirkungen<br />
auf die Fahrzeuge führte zu detailliertem Wissen<br />
darüber, wie Niederflurfahrzeuge konzipiert und<br />
ausgelegt werden müssen, um zuverlässig zu funktionieren.<br />
Ergebnis dieser Forschungsarbeit ist die<br />
Avenio-Plattform, die im Frühjahr 2014 ihre Premiere<br />
in Den Haag feiern wird.<br />
Velaro RUS: Neue Wege für die Antriebskühlung<br />
Der Hochgeschwindigkeitszug Velaro, den es in<br />
ländertypischen Versionen für Spanien, Russland<br />
und China gibt und der demnächst als Velaro D<br />
die ICE-Flotte der Deutschen Bahn verstärkt (siehe<br />
como 08/2012, Seite 34), ist ein weiterer Beleg<br />
für den Erfolg eines intelligenten Plattformkonzepts.<br />
So wurde der Velaro RUS für seinen Einsatz<br />
auf der Schnellfahrstrecke zwischen Moskau<br />
und Sankt Petersburg so modifiziert, dass er bei<br />
plus 40 Grad im Sommer und 40 Grad Minus im<br />
Winter voll einsatzfähig bleibt, sicherheitsrelevante<br />
Bauteile arbeiten noch bei minus 50 Grad<br />
Celsius störungsfrei. Unter anderem wurden Außenlackierung,<br />
Isolierung und Kabelverbindungen<br />
frostfest und wintersicher gemacht. Schließlich<br />
verändert sich die Länge jedes Wagens innerhalb<br />
dieses Temperaturspektrums um mehr als drei<br />
Zentimeter – kaum ein anderer Hochgeschwindigkeitszug<br />
ist unter so harten klimatischen Bedingungen<br />
unterwegs.
como 09 | September 2012 focus<br />
Regen, Eis und Schneesturm: Bei -40 bis +45 Grad Celsius testet <strong>Siemens</strong> den Regionaltriebzug Desiro RUS<br />
für die Russischen Eisenbahnen (RZD) im Klima-Wind-Kanal. Im Inneren überwachen Sensoren Heizung und<br />
Klimaanlage, Luftbefeuchter und Heizmatten auf den Sitzen simulieren die Passagiere.<br />
Weiterhin entwickelten die <strong>Siemens</strong>-Ingenieure<br />
ein Konzept zur sicheren Belüftung der Fahrgasträume<br />
und der unter dem Zug liegenden<br />
Antriebseinheiten. Während beim Velaro E, der in<br />
Spanien zwischen Madrid und Barcelona unterwegs<br />
ist, sowie beim chinesischen Velaro CN die<br />
Kühlluft für die Antriebe stets von unten angesaugt<br />
wird, geschieht dies beim Velaro RUS nur<br />
im Sommer. Im Winter dagegen wird die Kühlluft<br />
vom Dachbereich über Luftkanäle nach unten in<br />
die Bodenwanne geleitet. Das verhindert, dass<br />
Flugschnee unter dem Zug die Ansaugkomponenten<br />
der Kühlung verstopft und die Antriebe<br />
überhitzen. Nur bei den sogenannten Laufwagen,<br />
deren Drehgestelle nicht angetrieben sind, wird<br />
die Luft innerhalb der Bodenwanne angesaugt<br />
und die Luftkanäle durch den Innenraum können<br />
zugunsten weiterer Sitzplätze entfallen.<br />
Klar ist, dass jeder neue Fahrzeugtyp, so auch der<br />
Desiro RUS, auf Herz und Nieren geprüft wird, unter<br />
anderem im Klima-Wind-Kanal von Rail Tec Arsenal<br />
(RTA) in Wien, einem Unternehmen, an dem auch<br />
<strong>Siemens</strong> beteiligt ist. In diesem weltweit einmaligen<br />
Klimalabor lassen sich extreme Wetterbedingungen<br />
perfekt simulieren: Auf Knopfdruck toben heftige<br />
Schneestürme mit feinsten Flocken oder pappigem<br />
Nassschnee. Anschließend heizen künstliche Sonnen<br />
den Zug auf und die RTA-Techniker überprüfen<br />
das Abtauverhalten. Alle Funktionen des Zuges, von<br />
der Klimaanlage über die Stromabnehmer bis hin<br />
zur Türmechanik, müssen unter solchen Bedingungen<br />
störungsfrei arbeiten. Um eine besonders hohe<br />
Zuverlässigkeit zu erreichen, geht <strong>Siemens</strong> deshalb<br />
bei den Tests meist weit über das Anforderungsprofil<br />
der Bahnkunden hinaus.<br />
Lesen Sie weiter auf Seite 24<br />
17
Auf Touchscreens können Mitarbeiter die<br />
Arbeitsschritte abrufen und bestätigen.<br />
Sensoren erfassen unterwegs die Leistung<br />
der Bremsen und anderer wichtiger Teile.<br />
Die Bildschirme in der Betriebszentrale geben<br />
Auskunft über den Stand der Arbeiten.<br />
Zuverlässige Technik<br />
und intelligenter Service:<br />
So bleibt der Velaro fi t.<br />
Ersatzteile für fällige Arbeiten liegen bereit,<br />
wenn der Zug ins Depot kommt.
como 09 | September 2012 focus 23<br />
Металлострой<br />
In Metallostroy nahe St. Petersburg liegt ein Instandhaltungsdepot<br />
der russischen Eisenbahngesellschaft RZD. Hier wird der Velaro<br />
RUS gewartet, der Hochgeschwindigkeitszug von <strong>Siemens</strong> für die<br />
Schnellfahrstrecke Moskau – St. Petersburg.<br />
Das Besondere an diesem Depot ist seine technische Ausstattung,<br />
eine der modernsten der Welt: Hier werden die Fahrzeuge<br />
innerhalb weniger Stunden über Nacht gewartet, damit sie am<br />
Morgen ihren Betrieb wieder aufnehmen können. Möglich ist das<br />
durch vorausschauende Instandhaltung, bei der Zug-Diagnosesysteme<br />
unterwegs den Zustand zahlreicher Komponenten in<br />
Echtzeit überwachen: Sensoren an den Drehgestellen geben<br />
Nur wenige Stunden dauert die Wartung der<br />
250 Meter langen Hightech-Züge.<br />
Auskunft über den Betriebszustand und Verschleiß, Messfühler<br />
erfassen Bremsverhalten, Antriebsdynamik oder Klimafunktionen.<br />
Diese Daten, aber auch Meldungen über Funktionsstörungen<br />
werden während der Fahrt ins Depot gefunkt. Daraus entstehen<br />
exakte Arbeitsanweisungen für Wartung und Ersatzteilversorgung.<br />
Kommt der Zug in Metallostroy an, stehen Servicetechniker<br />
und Ersatzteile schon bereit – Standzeiten beschränken sich<br />
auf ein Minimum.<br />
Seit 2009 sorgt dieses Verfahren dafür, dass die RZD für die<br />
Strecke Moskau – St. Petersburg keinen einzigen Reservezug<br />
braucht: Der Velaro ist hundertprozentig verfügbar.<br />
Ständig verfügbar: Schon am nächsten Morgen<br />
gehen die Züge wieder auf die Strecke.
Das Instandhaltungsdepot Metallostroy der russischen Eisenbahngesellschaft RZD<br />
ist eine der modernsten Serviceanlagen weltweit. Hier wird der von <strong>Siemens</strong> entwickelte<br />
Hochgeschwindigkeitszug Velaro RUS gewartet. Schon während der Fahrt<br />
sammeln Diagnosesysteme wichtige Funktionsdaten und senden sie an die Servicezentrale.<br />
Kommen die Hightech-Züge abends ins Depot, stehen bereits exakte Ablaufpläne<br />
für notwendige Arbeiten fest. Über Nacht werden die Züge fit gemacht –<br />
schon am nächsten Morgen gehen sie wieder auf die Strecke.
Sapsan
24<br />
focus como 09 | September 2012<br />
Optimieren in 3D: Auch mögliche Probleme bei der Instandhaltung lassen sich im virtuellen Raum rechtzeitig erkennen.<br />
Fortsetzung von Seite 17<br />
Zuverlässigkeit beginnt im virtuellen Raum<br />
Das Bemühen um Zuverlässigkeit und technische<br />
Standfestigkeit der Züge beginnt allerdings weit<br />
früher. So findet bereits die Fahrzeugkonzeption<br />
am Computer in einer dreidimensionalen Umgebung<br />
statt. Bis auf die letzte Schraube modellieren<br />
die <strong>Siemens</strong>-Konstrukteure die einzelnen Baugruppen<br />
innerhalb der virtuellen Welt, und auch die<br />
meisten Zulieferer halten die von ihnen entwickelten<br />
Komponenten als 3D-Daten bereit. Das spart<br />
nicht nur Zeit und Kosten. Der gesamte Prozess ist<br />
dadurch weniger anfällig für Fehler, denn in der<br />
virtuellen Umgebung werden die Entwicklungsmodelle<br />
maßstabsgetreu auf einer 3D-Projektionsfläche<br />
dargestellt. So lassen sich Möglichkeiten der<br />
Optimierung durchspielen, mögliche Schnittstellenprobleme<br />
lokalisieren und Fehler beseitigen,<br />
die man in der realen Welt womöglich zu spät<br />
erkennen würde. Selbst die Wartungsfreundlichkeit<br />
von Komponenten können die Fahrzeugdesigner<br />
schon in dieser frühen Phase überprüfen.<br />
Freilich lassen sich nicht alle Ereignisse, die<br />
im Lauf eines Fahrzeuglebens auftreten können,<br />
tatsächlich vorhersehen. Deshalb besitzen<br />
moderne Züge umfassende Diagnose- und Sensorsysteme,<br />
die den Zustand einzelner Komponenten<br />
überwachen. Ziel ist einerseits eine optimierte<br />
Wartung, bei der Bauteile genau zum<br />
richtigen Zeitpunkt ausgewechselt werden –<br />
nicht zu früh, wie es im Rahmen fester Instandhaltungsintervalle<br />
oft der Fall ist, aber auch nicht<br />
erst dann, wenn die Komponente bereits versagt
hat. Andererseits soll die vorausschauende<br />
Instandhaltung oder „Predictive Maintenance“<br />
bei flexiblen Instandhaltungszeiten die Verfügbarkeit<br />
einer Zugflotte auf hohem Niveau sichern<br />
(siehe como 07/2011, Seite 32).<br />
Beim Velaro RUS beispielsweise kontrollieren<br />
Diagnosesysteme den Zustand der Radsätze, überwachen<br />
permanent Antriebskomponenten, Bremsen,<br />
Türsteuerungen und Klimaanlagen. Die Daten<br />
fließen per Funk an das „Computerized Maintenance<br />
Management System“ (CMMS), das anhand<br />
bereits gesammelter Vergleichsdaten beurteilt,<br />
wann und wie der beobachtete Effekt voraussichtlich<br />
zum Versagen eines Bauteils führt. Die Servicemitarbeiter<br />
können dadurch speziell die Bereiche<br />
im Auge behalten, in denen sich Ausfälle abzeichnen,<br />
und rechtzeitig eingreifen.<br />
como 09 | September 2012 focus<br />
Die Verfügbarkeit<br />
von Velaro E und<br />
Velaro RUS liegt in<br />
der Praxis bei mehr<br />
als 99 Prozent<br />
<strong>Siemens</strong> nutzt das CMMS zudem, um systematisch<br />
aus aufgetretenen Fehlern zu lernen. Jeder<br />
Vorfall wird erfasst und ausgewertet. So wächst<br />
die Menge der Informationen im CMMS ständig,<br />
die Prognosen für Ausfälle werden immer genauer<br />
und die Konstrukteure gewinnen neue Erkenntnisse,<br />
wie sich die Zuverlässigkeit der Züge weiter<br />
verbessern lässt. Und die ist schon heute erfreulich<br />
hoch: Für die Hochgeschwindigkeitszüge<br />
Velaro E in Spanien und Velaro RUS in Russland<br />
garantiert <strong>Siemens</strong> eine Verfügbarkeit von 98 Prozent<br />
– in der Realität liegen die Werte sogar bei<br />
mehr als 99 Prozent.<br />
Obsoleszenz-Management: Überlebensversicherung<br />
für Züge<br />
Intelligent konstruiert und gewartet, können <strong>Schiene</strong>nfahrzeuge<br />
30 Jahre und mehr ohne nennenswerte<br />
Ausfälle ihren Dienst tun. Was aber, wenn<br />
nach Jahrzehnten ein wichtiges Bauteil den Dienst<br />
quittiert und gar nicht mehr original verfügbar ist<br />
– ein spezieller Sensor oder ein Computerboard<br />
mit einem Prozessor früherer Generation? Die<br />
Innovationszyklen gerade elektronischer Bauteile,<br />
Komponenten und Systeme werden schließlich<br />
immer kürzer, und ohne geeignete Ersatzteile<br />
müssten die Fahrzeuge womöglich außer Dienst<br />
gestellt werden.<br />
Doch auch Obsoleszenz, der Übergang von der<br />
Verfügbarkeit zur Nicht-Verfügbarkeit von Teilen,<br />
lässt sich sicher in den Griff bekommen. Langfristige<br />
Verträge und strategische Partnerschaften mit<br />
den Lieferanten stellen zunächst sicher, dass die<br />
Komponenten bis zum Ende des Fahrzeug-Lebenszyklus<br />
verfügbar sind. Beendet hin und wieder<br />
dennoch ein Hersteller vor Ablauf dieser Zeit die<br />
Produktion, muss schnell Ersatz gefunden werden.<br />
Da ist es hilfreich, wenn die Fahrzeuge schon vorausschauend<br />
konzipiert wurden und beispielsweise<br />
durch offene Schnittstellen andere Baugruppen<br />
verwendet werden können. Plattform-Lösungen<br />
mit vielen standardisierten Bauteilen tragen übrigens<br />
ebenfalls dazu bei, dass eine ausreichende<br />
Zahl adäquater Ersatzteile bereitsteht.<br />
25
26<br />
focus como 09 | September 2012<br />
Oben: Der Skytrain in Bangkok,<br />
gebaut und gewartet<br />
von <strong>Siemens</strong>, ist nahezu<br />
hundertprozentig verfügbar.<br />
Mitte: Der Desiro UK erhielt<br />
2010 und 2012 den „Golden<br />
Spanner“ als zuverlässigster<br />
Zug Großbritanniens.<br />
Rechts: Eigens für den<br />
Desiro UK errichtete <strong>Siemens</strong><br />
moderne Instandhaltungs-<br />
Depots in Großbritannien.<br />
Oben: Bei den zwölf Zügen des Kuala Lumpur<br />
International Airport Ekspres in der malaysischen<br />
Hauptstadt gibt es praktisch keine Ausfälle.
Zuverlässige Mobilität für<br />
Millionenstädte<br />
Wie gut das in der Praxis funktioniert, zeigen<br />
unter anderem die von <strong>Siemens</strong> geplanten, gebauten<br />
und gewarteten Nahverkehrssyteme rund um<br />
den Globus. In der malaysischen Hauptstadt Kuala<br />
Lumpur beispielsweise verbindet ein Schnellbahnsystem<br />
von <strong>Siemens</strong> seit 2002 mit insgesamt zwölf<br />
Zügen den Flughafen Kuala Lumpur International<br />
(KLIA) mit dem Zentralbahnhof in der City: Acht<br />
Züge des KLIA Ekspres befahren die 57 Kilometer<br />
lange Bahnverbindung mit Geschwindigkeiten bis<br />
160 Stundenkilometer ohne Zwischenhalt, vier<br />
KLIA Transit-Züge bedienen drei weitere Stationen<br />
auf der Strecke – praktisch ohne Ausfälle.<br />
In Thailands Hauptstadt Bangkok wiederum<br />
ging die aufgeständerte Stadtbahn Skytrain, die in<br />
18 Metern Höhe über dem Geschäftsviertel von<br />
Bangkok verläuft, schon 1999 in Betrieb. <strong>Siemens</strong><br />
übergab die Anlage schlüsselfertig und übernahm<br />
zunächst für fünf, dann für weitere zehn Jahre die<br />
Instandhaltung. Für Betreiber BTS war vor allem<br />
die Zuverlässigkeit des Stadtbahnsystems Grund<br />
für die Vertragsverlängerung: Alle vertraglichen<br />
Vorgaben wurden weit übertroffen, die Verfügbarkeit<br />
lag stets zwischen 99 und 100 Prozent.<br />
Das steht auch beim Airport Rail Link, der im<br />
August 2010 den Betrieb aufnahm, zu erwarten<br />
(siehe como 03/2009, Seite 18). Hier bedienen<br />
vierteilige klimatisierte Triebzüge der Airport<br />
Express Line die Strecke zwischen Flughafen und<br />
City Airport Terminal direkt, dreiteilige Triebzüge<br />
der Airport City Line halten an insgesamt acht<br />
Bahnhöfen bis in die Innenstadt und bieten zahlreiche<br />
Umsteigemöglichkeiten zu Metro, Bus und<br />
Skytrain. Dass auch sie im Laufe ihrer Lebensdauer<br />
zu einem Paradebeispiel für Zuverlässigkeit<br />
werden, erscheint gesichert, denn sie basieren auf<br />
der anerkannt zuverlässigen Fahrzeugplattform<br />
des Desiro UK.<br />
Desiro UK – auf Zuverlässigkeit abonniert<br />
Die Geschichte der Desiro-Familie in Großbritannien<br />
ist geprägt von der bereits mehrfach ausgezeichneten<br />
hohen Zuverlässigkeit der Züge. So<br />
erhielt der <strong>Siemens</strong> Desiro UK der britischen<br />
Baureihe Class 444 den begehrten Preis „Golden<br />
como 09 | September 2012 focus<br />
Spanner 2010“ (Goldener Schraubenschlüssel)<br />
der internationalen Fachzeitschrift Modern Railways.<br />
Im Vorjahr hatte die Fahrzeugflotte im<br />
Dienste von South West Trains einen neuen<br />
Zuverlässigkeitsrekord mit fast 89.000 störungsfreien<br />
Kilometern aufgestellt – die von <strong>Siemens</strong><br />
hergestellten und instandgehaltenen Züge galten<br />
damit offiziell als die zuverlässigsten in<br />
Großbritannien. Und kürzlich erhielt der Desiro<br />
UK der Class 350/2 den „Golden Spanner 2012“<br />
als zuverlässigster Regionaltriebzug: Die Flotte<br />
hatte innerhalb eines Monats mehr als 615.000<br />
Kilometer ohne technischen Fehler zurückgelegt<br />
und damit den neuen britischen Rekord für<br />
einen Passagierzug erzielt.<br />
Der jüngste Spross dieser bewährten Plattform,<br />
der Desiro City für Städteverbindungen und innerstädtischen<br />
Verkehr, könnte an diese Erfolgsgeschichte<br />
anknüpfen, denn selbst hier konnten noch<br />
zahlreiche technische Optimierungen vorgenommen<br />
werden. Die <strong>Siemens</strong>-Ingenieure fanden heraus:<br />
Werden die Radlager der neu dimensionierten<br />
Drehgestelle nach innen gesetzt, führt dies zu<br />
weniger Verschleiß des Fahrwegs, geringerem Wartungsaufwand<br />
an den Radsätzen – und aller Voraussicht<br />
nach zu noch mehr Zuverlässigkeit.<br />
In einem Monat mehr als<br />
615.000 Kilometer ohne<br />
technischen Fehler – das<br />
ist neuer britischer Rekord<br />
für Passagierzüge<br />
27
28<br />
Unter<br />
Palmen<br />
Als vor wenigen Jahren in<br />
Santo Domingo die erste<br />
Metro-Linie ihren Betrieb<br />
aufnahm, begann für die<br />
Hauptstadt der Dominikanischen<br />
Republik ein neues<br />
Zeitalter der Mobilität. Nun<br />
wird in wenigen Monaten<br />
die Metro-Linie 2 in Betrieb<br />
gehen – ein komplexes Projekt<br />
bis hin zur Finanzierung.
como 09 | September 2012 focus<br />
Überall auf der Welt suchen Städte mit hohem<br />
Bevölkerungswachstum nach Wegen, den<br />
zunehmenden Straßenverkehr und seine<br />
negativen Auswirkungen für die Menschen in den<br />
Griff zu bekommen. So auch Santo Domingo, die<br />
Hauptstadt der Dominikanischen Republik. Hier<br />
nahm im Januar 2009 die erste Metro-Linie ihren<br />
Betrieb auf – der erste Schritt in ein neues Zeitalter<br />
der Mobilität. Nun soll Anfang 2013 mit der Linie 2<br />
der nächste Schritt folgen.<br />
Wie schon bei der ersten Metro-Strecke, ist<br />
<strong>Siemens</strong> auch hier wesentlich beteiligt. „Wir führen<br />
das Eurodom-Konsortium an, das aus deutschen,<br />
französischen, dominikanischen und spanischen<br />
Unternehmen besteht“, sagt Miguel<br />
Berrozpe, Direktor dieses Konsortiums und technischer<br />
Leiter des Projekts. „Neben dem Gleisbau hat<br />
Eurodom die komplette elektrotechnische Ausrüstung<br />
mit Elektrifizierung, Automatisierung und<br />
den Kommunikationssystemen übernommen und<br />
wird die Anlagen während der ersten drei Jahre<br />
instand halten.“ <strong>Siemens</strong> Financial Services SFS<br />
sorgte außerdem für die reibungslose Finanzierung<br />
des Projekts.<br />
Doch der Reihe nach: Santo Domingo, 1498 vom<br />
Bruder des Seefahrers Christoph Kolumbus an der<br />
Mündung des Flusses Ozama gegründet, gilt als<br />
älteste von Europäern errichtete Stadt in der Neuen<br />
Welt. Sie ist Hauptstadt der Dominikanischen<br />
Republik, die gemeinsam mit dem kleineren westlichen<br />
Nachbarstaat Haiti auf der Antilleninsel<br />
Hispaniola liegt. Vor allem durch den Tourismus<br />
weist das Land in den vergangenen Jahren ein stabiles<br />
Wirtschaftswachstum auf, allerdings ist die<br />
Infrastruktur auf manchen Gebieten noch kaum<br />
entwickelt. So zum Beispiel beim öffentlichen Verkehr:<br />
Zwar verkehren auf manchen Überlandstrecken<br />
klimatisierte Busse regionaler Gesellschaften,<br />
die wichtige Verbindungen mehrfach täglich,<br />
teils sogar im Stundentakt bedienen. Doch gerade<br />
in Santo Domingo, wo neben den städtischen Bussen<br />
der Oficina Metropolitana de Servicios de<br />
Seit Eröffnung der<br />
U-Bahn Linie 1 ist die<br />
Nachfrage ständig<br />
gestiegen – auf über<br />
100.000 Fahrten täglich<br />
Miguel Berrozpe<br />
29
30<br />
focus como 09 | September 2012<br />
Mit der neuen Linie 2 werden Pendler auch in Ost-West-Richtung komfortabel und vor allem deutlich schneller vorankommen.
Autobuses (OMSA) meist überladene Sammeltaxen<br />
und Minibusse den öffentlichen Personenverkehr<br />
übernehmen, ist die Kapazität der Verkehrswege<br />
längst erschöpft.<br />
„Vor Eröffnung der Metro-Linie 1 war der Personenverkehr<br />
in der Stadt geprägt von einer Vielzahl<br />
dieser Sammeltaxen und verschiedenen Minibus-<br />
Linien konkurrierender Unternehmen, den sogenannten<br />
sindicatos“, berichtet Miguel Berrozpe aus<br />
eigener Erfahrung. „In den vergangenen Jahren<br />
aber wuchs die Bevölkerung der dominikanischen<br />
Hauptstadt auf rund drei Millionen Einwohner an.<br />
Und mit diesem Bevölkerungswachstum nahm<br />
auch das Verkehrsaufkommen dramatisch zu –<br />
Pendler stehen oft stundenlang im Stau.“<br />
Die Metro soll das Verkehrsproblem lösen<br />
Das U-Bahn-Projekt soll diese Situation von Grund<br />
auf ändern. Die Metro wird von der „Behörde zur<br />
Neuordnung des Transportwesens“ (Oficina para el<br />
Reordenamiento del Transporte, OPRET) betrieben<br />
und ist Teil eines nationalen Raumordnungsplans.<br />
Der wurde vom langjährigen Präsidenten Leonel<br />
Fernández angeregt und soll die Verkehrssituation<br />
im ganzen Land verbessern. Speziell in Santo<br />
Domingo sieht die Gesamtplanung sechs sich<br />
ergänzende Metro-Linien vor, die um das Jahr<br />
2025 in Betrieb sein sollen.<br />
Die bereits 2009 eröffnete Linie 1 durchquert<br />
das Stadtzentrum in Nord-Süd-Richtung und entlastet<br />
die meist verstopfte Straßenbrücke über<br />
den Rio Isabela. Im südlichen Teil verläuft die<br />
Strecke unterirdisch, ab der Station Máximo<br />
Gómez bis zur Endstation Mamá Tingó im Norden<br />
auf einem Viadukt. Schon im ersten Betriebsjahr<br />
beförderte sie neun Millionen Passagiere, durchschnittlich<br />
rund 25.000 pro Tag. „Die Nachfrage<br />
ist seither ständig gestiegen und liegt heute bei<br />
über 100.000 Fahrten täglich“, so Miguel Berrozpe.<br />
Denn der Nutzen für die Reisenden ist offensichtlich:<br />
„In Spitzenzeiten beträgt die Reisezeit zwischen<br />
den Endstationen der Linie 1 weniger als 25<br />
Minuten. Auf der Straße würde man mehr als zwei<br />
Stunden brauchen.“<br />
Die neue Linie 2 soll, ergänzt durch spezielle<br />
Zubringerbusse, künftig noch mehr Menschen von<br />
den Straßen in die Metro locken. Berrozpe: „Beide<br />
Linien verbinden ja bevölkerungsreiche Stadtteile<br />
im Norden und Osten, in denen hauptsächlich<br />
Menschen mit unteren und mittleren Einkommen<br />
wohnen, mit der City, den Universitäten, Behörden<br />
„ como 09 | September 2012 focus<br />
Die Herausforderung<br />
bei der<br />
100-Prozent-<br />
Finanzierung:<br />
Konsortialpartner<br />
aus vier<br />
verschiedenen<br />
Ländern<br />
Silke Kleemann<br />
und Geschäftshäusern im Süden. Die westliche<br />
Endstation der Linie 2 im Stadtteil Los Alcarrizos<br />
wird vor allem Pendler bedienen. In einer zweiten<br />
Ausbauphase soll diese Strecke in beide Richtungen<br />
verlängert werden. Und eine direkt anschließende<br />
Linie 5 soll das Streckennetz von dort nach<br />
Süden in die historische Altstadt erweitern.“<br />
Als Konsortialführer ist <strong>Siemens</strong> nicht nur für<br />
die Steuerung des gesamten Projekts zuständig,<br />
sondern auch für die Installation der Signal- und<br />
Steuerungstechnik mit der automatischen Zugbeeinflus<br />
sung ZUB 222, des Betriebsleitsystems<br />
Vicos OC100, der Stromschienenoberleitung und<br />
der fünf sogenannten Unterwerke entlang der<br />
Strecke, die Gleichstrom mit 1.500 Volt Spannung<br />
in die Oberleitung einspeisen.<br />
Dass die neue Strecke der Linie 2 vollständig<br />
unterirdisch verläuft, hat mehrere Gründe. Einerseits<br />
sind die Platzverhältnisse in der Innenstadt<br />
recht beengt, andererseits erfordern die besonderen<br />
klimatischen und geologischen Verhältnisse auf<br />
der Insel auch spezielle Maßnahmen: „Santo Domingo<br />
liegt sowohl in der Hurrikan-Zone als auch in<br />
einer Zone seismischer Aktivität, wie das schwere<br />
Erdbeben im Nachbarstaat Haiti im Januar 2010<br />
gezeigt hat“, so Miguel Berrozpe. Die relative Luftfeuchte<br />
in Santo Domingo liegt bei tropischen 90<br />
Prozent, die Temperatur beträgt tagsüber bis 30 °C<br />
und nachts etwa 20 °C. Die salzhaltige Luft vom Meer<br />
kann die Anlagen und Leitungen schädigen, die<br />
Windgeschwindigkeit in Wirbelstürmen erreicht<br />
durchaus Werte um 200 km/h. Und damit die starken<br />
Regenfälle während der Hurrikan-Periode von<br />
Mai bis November die Tunnel nicht überfluten, ist<br />
eine entsprechend groß dimensionierte Pumpenan-<br />
31
32<br />
focus como 09 | September 2012<br />
Die hochmoderne Betriebsleitzentrale ist bereits<br />
auf die geplante Erweiterung des Liniennetzes ausgelegt.<br />
Steuerung und Überwachung des Betriebs<br />
übernimmt das Betriebsleitsystem Vicos OC100.<br />
lage zur Entwässerung wichtig. Trotz extremer Einsatzbedingungen<br />
soll schließlich die Verfügbarkeit<br />
des Metro-Systems erhalten bleiben – ein Projekt<br />
mit besonderen Herausforderungen also.<br />
Auch die Finanzierung kommt<br />
aus einer Hand<br />
Ein kleiner Inselstaat mit mäßigem Länderrating<br />
bezahlt so etwas nicht mal eben aus der Portokasse.<br />
Eine solide Finanzierung des Projekts zu möglichst<br />
günstigen Konditionen war also gefragt. Dafür<br />
erhielten die Experten von <strong>Siemens</strong> Financial Services<br />
(SFS) in Berlin den Zuschlag: „Auftraggeber<br />
OPRET war an einer 100-Prozent-Finanzierung inter-<br />
essiert“, beschreibt Silke Kleemann von SFS die Aufgabenstellung,<br />
„ein klarer Fall für eine ECA-Finanzierung.“<br />
Bei ECA-Finanzierungen sichern Export<br />
Credit Agencies die finanzierende Bank gegen das<br />
Risiko eines Zahlungsausfalls des Kreditnehmers im<br />
Ausland ab. In den meisten Industrieländern übernehmen<br />
dies staatliche oder private Versicherer. In<br />
Deutschland beispielsweise ist die private Euler Hermes<br />
Kreditversicherung vom Staat ermächtigt, alle<br />
damit zusammenhängenden Angelegenheiten im<br />
Namen, im Auftrag und für Rechnung des Bundes<br />
abzuwickeln – umgangssprachlich hat sich der<br />
Begriff „Hermes-Deckung“ durchgesetzt.<br />
Silke Kleemann: „ECA-Finanzierungen sind in<br />
solchen Ländern üblich und eine häufig genutzte
Finanzierungsquelle. Die Besonderheit bei diesem<br />
Projekt war allerdings, dass wir durch die Struktur<br />
des Eurodom-Konsortiums, an dem ja Unternehmen<br />
mit Firmensitz in Deutschland, Frankreich, der<br />
Dominikanischen Republik und Spanien beteiligt<br />
sind, einen Liefervertrag mit Lieferungen aus vier<br />
verschiedenen Ländern hatten.“ Die darauf abgestellte<br />
Finanzierung sollte deshalb durch die Kreditversicherer<br />
der jeweiligen Exportländer, Euler<br />
Hermes, Coface und CESCE, parallel abgesichert<br />
werden. „Vor allem ging es darum, die ECA-Finanzierung<br />
unter Einbeziehung der lokalen Lieferungen<br />
des dominikanischen Konsortialmitglieds zu<br />
maximieren und die Cash-Zahlungen des Kunden<br />
unter Beachtung der ECA-Bedingungen zu mini-<br />
como 09 | September 2012 focus<br />
mieren.“ Eine komplexe organisatorische Aufgabe<br />
für die SFS-Experten, die aber trotz zahlreicher<br />
beteiligter Banken dem Kunden ein zinsgünstiges<br />
Finanzierungspaket und jedem Unternehmen des<br />
Konsortiums gleiche Zahlungsbedingungen verschaffen<br />
konnten. „Nach rund neun Monaten intensiver<br />
Abstimmungs- und Verhandlungsrunden hatten<br />
wir die komplette Finanzierung Ende September<br />
2011 unter Dach und Fach“, so Silke Kleemann. „Ein<br />
Modell, das auch anderen Städten zügig die notwendigen<br />
Investitionsmittel verschaffen kann.“<br />
Ein knappes Jahr später sieht nun auch der Eurodom-Direktor<br />
und technische Projektleiter Miguel<br />
Berrozpe Licht am Ende des Tunnels: „Der Probebetrieb<br />
mit einigen Zügen läuft schon seit Ende<br />
Februar. Und im Oktober soll ein erster Abschnitt,<br />
im ersten Quartal 2013 dann die gesamte Linie 2<br />
in Betrieb gehen.“ Dann werden Metrozüge mit<br />
80 Stundenkilometern im 200-Sekunden-Abstand<br />
Santo Domingo durchqueren und Zug um Zug<br />
gestresste Autofahrer zum Umsteigen bewegen.<br />
Florida (USA)<br />
Bahamas<br />
Cuba<br />
Jamaica<br />
Haiti<br />
Dominikanische Republik<br />
Santo Domingo<br />
33<br />
Die Dominikanische Republik<br />
• Hauptstadt: Santo Domingo, knapp 3 Mio. Einwohner<br />
• Klima: tropisch<br />
• Lage: Ostteil der Insel Hispaniola, Große Antillen<br />
• Größe: 48.700 km2 • Bevölkerung: 9,45 Mio., Bevölkerungs wachstum rund 1,6%<br />
• Landessprache: Spanisch<br />
• Präsident: Dr. Leonel Fernández Reyna 2004–2012<br />
Danilo Medina Sanchez seit 16.08.2012
34<br />
move como 09 | September 2012<br />
ח"ש 7 :ביתנב רי<br />
Ein weltweit einzigartiges Mautsystem sorgt in Israel dafür, dass<br />
Autofahrer, die den morgendlichen Stau vor den Toren Tel Avivs<br />
vermeiden wollen, tatsächlich freie Fahrt bekommen.<br />
Berufsverkehr ohne Staus und Stockungen? Das<br />
ermöglicht seit Anfang 2011 ein Verkehrssteuerungssystem<br />
in Israel. Auf der Autobahn 1<br />
zwischen Jerusalem und Tel Aviv regelt sich der<br />
Verkehr auf einem gesonderten Schnellfahrstreifen<br />
sozusagen von selbst – nach marktwirtschaftlichen<br />
Prinzipien über eine Maut: Der Autofahrer<br />
kann selbst entscheiden, ob ihm Vorfahrt auf der<br />
Autobahn die aktuelle Benutzungsgebühr wert ist.<br />
Separate Vorfahrt-Spuren kennt man seit langem:<br />
als Bus- und Taxispuren oder als HOV-Spuren<br />
(High Occupancy Vehicle) für Fahrzeuge, die mit<br />
mehreren Personen besetzt sind. Sie dienen dem<br />
Ziel, den öffentlichen Verkehr zu fördern und<br />
durch Fahrgemeinschaften die Kapazität der Straße<br />
besser zu nutzen. Auch die Idee, den Verkehrsfluss<br />
mittels variabler Gebühren zu steuern, ist nicht<br />
grundsätzlich neu. So gibt es in den USA mehrere<br />
Regionen, in denen die Maut für Sonderspuren je<br />
nach Tageszeit gestaffelt ist. Allerdings sind dies<br />
starre Systeme. Entspricht der tatsächliche Verkehrsfluss<br />
einmal nicht dem Schema der Gebührentabelle,<br />
steckt der Autofahrer trotz hoher Gebühren<br />
im Stau fest.<br />
Ganz anders beim Verkehrssteuerungssystem<br />
für die rund 13 Kilometer lange „Fast Lane“ der A1<br />
im Großraum Tel Aviv, das <strong>Siemens</strong> zusammen mit<br />
der Technischen Universität München als Pilotprojekt<br />
entwickelt hat. Denn diese HOT-Spur (High<br />
Occupancy Toll) garantiert als Gegenwert für die<br />
bezahlte Maut eine Mindest-Verkehrsqualität: „Die<br />
Nutzungsgebühr wird anhand der aktuellen Verkehrslage<br />
berechnet und im Minutentakt der Nachfrage<br />
angepasst“, sagt Jörg Schneppendahl, Leiter<br />
von Customer Service and Transportation Solutions<br />
im <strong>Siemens</strong>-Sektor Infrastructure & Cities. „Je nach<br />
Verkehr liegt sie zwischen sieben und 75 Schekel,<br />
das entspricht 1,40 bis 16 Euro.“ Die Umstellung<br />
der Tarife erfolgt nach einer Anlaufphase mittlerweile<br />
automatisch, mögliche Fehlerquellen korrigiert<br />
die intelligente Verkehrsleitanlage durch in<br />
sich geschlossene Regelkreise selbst – das System<br />
wird gewissermaßen aus Erfahrung klüger. Zwischen<br />
den Kreuzen Lod und Kibbuz Galuyot messen<br />
Detektoren im Abstand von etwa 1,5 Kilometern<br />
in Echtzeit die Anzahl der Fahrzeuge und deren<br />
Geschwindigkeit. Videokameras erfassen zudem<br />
das Kennzeichen, die monatliche Abrechnung<br />
bekommt der Autofahrer dann frei Haus. Das<br />
Besondere daran: Die Mauteinnahmen werden<br />
unter anderem zur Finanzierung kostenloser Shuttlebusse<br />
genutzt. Wer mag, kann nun sein Auto<br />
außerhalb der Stadt parken und mautfrei per Bus<br />
in die Innenstadt fahren.<br />
Bei der Programmierung der neuartigen Verkehrsleittechnik<br />
hatten die Ingenieure zwei klare<br />
Zielvorgaben: Zum einen muss die Maut-Fahrspur<br />
eine garantierte Reisegeschwindigkeit bieten, damit<br />
die Autofahrer das kostenpflichtige Angebot auf Dauer<br />
akzeptieren. „Das Steuerungsinstrument dafür<br />
ist die dynamisch ermittelte Gebühr. Deren Höhe<br />
soll den Zufluss auf die Sonderspur so dosieren,<br />
dass es zu keiner nennenswerten Störung kommt“,<br />
sagt <strong>Siemens</strong>-Verkehrsexperte Thomas Sachse. Zum<br />
anderen darf die Gebühr nicht zu hoch aus fallen:<br />
Nutzen zu wenige Fahrer die „Fast Lane“, wird das<br />
zweite Ziel, die optimale Auslastung des Gesamtsystems,<br />
nicht erreicht. Der Algorithmus zur Gebührenberechnung<br />
muss also zwei widersprüchliche<br />
Das System legt die Maut dynamisch selber fest.<br />
Sitraffi c Dynafee: Integriert in die Zentrale Sitraffi c Conduct+<br />
Gebühr<br />
Detektions-Daten<br />
Dynamische Kalkulation<br />
der Gebühr<br />
Situations-Analyse
como 09 | September 2012 move<br />
חמה .תונגמ סמוע<br />
Gebühr und Nutzung variieren je nach Tageszeit.<br />
Verkehrsnachfrage<br />
Verkehrsqualität und -nachfrage bestimmen die Gebühr<br />
Tageszeit<br />
Verkehrsnachfrage<br />
Gebühr<br />
Reisezeit auf HOT-Spur<br />
Reisezeit auf HOT-Spur, Gebühr<br />
Klare AAnsage:<br />
An der Einfahrt zur A 1 können sich<br />
Au Autofahrer entscheiden, ob ihnen schnelleres<br />
Vorankommen 7 Schekel wert ist.<br />
Vorgaben erfüllen. Dass dies im Alltag<br />
nicht immer eindeutige Ergebnisse<br />
bringt, liegt nahe. „In solchen Fällen“, so<br />
Sachse, „hat dann innerhalb des Systems<br />
die Reisegeschwindigkeit Vorrang vor<br />
der Mindestverkehrsstärke.“<br />
Den Autofahrer braucht das komplexe<br />
Berechnungsverfahren nicht zu küm-<br />
mmern.<br />
Er muss nur entscheiden, ob er die<br />
kkostenlosen<br />
Fahrspuren durch den sto-<br />
ck ckenden Verkehr oder die gebührenpflichti-<br />
ge<br />
„Fast Lane“ nimmt. Entscheidungshilfen<br />
lie liefern ihm Anzeigetafeln entlang der Auto-<br />
bah bahn, die über die aktuelle Verkehrslage auf<br />
der<br />
staugefährdeten Hauptstrecke sowie<br />
übe über den momentanen Tarif auf der Schnell-<br />
spur<br />
informieren.<br />
Na Nach gut einem Jahr Praxis fällt die Bilanz<br />
posit positiv aus. Seit Inbetriebnahme im Januar<br />
2011<br />
nutzen täglich rund 6.000 Autos die „Fast<br />
Lane“<br />
auf der A1. Das System vermag die erho-<br />
bene GGebühr<br />
heute so einzustellen, dass Ver-<br />
kehrsst kehrsstärke und mittlere Geschwindigkeit im<br />
optimal optimalen Bereich bleiben. Welche Mauthöhe die<br />
Fahrer<br />
akzeptieren, hängt allerdings stark von<br />
der Tageszeit ab: Im beginnenden Berufsverkehr<br />
ab sieben Uhr morgens klettert die Rate auf vier<br />
bis fünf Euro – und in Spitzenzeiten bezahlen eilige<br />
Pendler sogar bis zu 16 Euro.<br />
Außerhalb der Spitzenstunden nimmt die Zahlungsbereitschaft<br />
stark ab, selbst wenn auf der<br />
Hauptstrecke nachmittags Dauerstau herrscht und<br />
die Vorzugs-Spur bei nur 1,40 Euro Maut einen<br />
hohen Reisezeitgewinn ermöglicht. Die Gründe<br />
dafür sehen die <strong>Siemens</strong>-Verkehrsforscher vor<br />
allem im Reisezweck: Morgens, auf dem Weg zur<br />
Arbeit, scheint Zeit tatsächlich Geld zu sein. Nachmittags<br />
sind die Autofahrer offenbar eher privat<br />
unterwegs und kaum bereit, für schnelleres Vorankommen<br />
zu bezahlen.<br />
Die Bewährungsprobe in der Praxis hat das System<br />
damit bestanden, resümiert Jörg Schneppendahl.<br />
„Weil der Verkehr auf der Fast Lane immer<br />
fließt, erspart dies den Fahrern im morgendlichen<br />
Berufsverkehr viel Stress – und der Umwelt eine<br />
Menge unnötiger CO2-Emissionen.“<br />
35
36<br />
connect como 09 | September 2012<br />
Smarter reisen<br />
Immer mehr Menschen leben in urbanen Regionen,<br />
bis zum Jahr 2050 werden es voraussichtlich 60 %<br />
der Weltbevölkerung sein. Wie können all<br />
diese Menschen mobil bleiben, wo doch<br />
schon heute Verkehrsstaus und Parkplatznot<br />
Alltag sind? Mit öffentlichem<br />
Nah verkehr, durchgängigen Mobi -<br />
litäts ketten – und einem elektronischen<br />
Ticket für alle Fälle.<br />
Die erste Hürde in einer fremden Stadt<br />
sind meist die Fahrkartenautomaten:<br />
Unterschiedliche Verkehrsmittel und<br />
komplizierte Tarifstrukturen erschweren<br />
die Auswahl des passenden Fahrscheins<br />
– gerade für Fahrgäste, die nur gelegentlich<br />
öffentliche Verkehrsmittel nutzen.<br />
Und am Ende fehlt zum erfolgreichen<br />
Ticketkauf auch noch das passende<br />
Kleingeld. Das schreckt ab. Sollen Busse<br />
und Bahnen eine interessante Alternative<br />
zum Pkw werden, sind hier neue,<br />
komfortable und benutzerfreundliche<br />
Konzepte gefordert.<br />
Die Lösung liegt im eTicketing. Seit<br />
geraumer Zeit schon hat <strong>Siemens</strong> Ticket-<br />
Systeme für unterschiedliche internationale<br />
Standards im Programm – mit allen Komponenten<br />
vom Schrankensystem über Management-<br />
und Mobile-Ticketing-Systeme bis hin zur<br />
Smartcard, die das bargeldlose Bezahlen ebenso<br />
wie eine nutzungsabhängige Abrechnung der Kosten<br />
ermöglicht. Die von <strong>Siemens</strong> entwickelte Smartcard<br />
ist eine elektronische Chipkarte im Kreditkartenformat,<br />
mit der sich der Fahrgast bei den einzelnen<br />
Fahrten registriert. Sie ist mit einem aktiven RFID-Chip<br />
zur Identifizierung mittels Funkwellen ausgestattet –<br />
eine elektronische Fahrkarte, die freilich nicht nur die<br />
Fahrkarte aus Papier ersetzt. Je nach Anwendung und<br />
Einsatzgebiet lässt sie sich intermodal für verschiedene<br />
Verkehrsmittel und interoperabel für verschiedene<br />
Verkehrs-Unternehmen und Tarifverbünde sowie an -<br />
geschlossene Dienstleister einsetzen.<br />
Mit dem eTicket können Fahrgäste<br />
fl exibel zwischen den unterschiedlichen<br />
Verkehrsmitteln wechseln.
So können Fahrgäste zum Beispiel alle Verkehrsmittel<br />
einer Stadt oder eines Verkehrsverbundes<br />
nutzen und flexibel zwischen den unterschiedlichen<br />
Verkehrsmitteln wechseln, zusätzlich aber<br />
weitere Leistungen wie etwa Parkgebühren, Eintrittspreise<br />
oder Mietfahrzeuge damit bezahlen.<br />
Abgerechnet wird am Schluss –<br />
automatisch, bargeldlos und<br />
nur für die tatsächlich in<br />
Anspruch genommenen<br />
Leistungen.<br />
Und weil die<br />
Fahr-<br />
como 09 | September 2012 connect<br />
gäste wählen können, ob sie lieber per Lastschrift<br />
oder Kreditkarte bezahlen oder ihr eTicket als Guthabenkarte<br />
führen wollen, können sie auch ohne<br />
Angabe persönlicher Daten anonym unterwegs sein.<br />
Variabel ist die Smartcard auch beim Einsatz in<br />
unterschiedlichen Zugangssystemen. Bei Systemen<br />
nach dem Check-in/Check-out-Zugangsprinzip<br />
(CiCo) meldet sich der Fahrgast mit seiner<br />
Smartcard an einem Kontrollsystem aktiv an und<br />
ab, indem er beim Ein- und Ausstieg die Karte vor<br />
die Lesefläche des Terminals hält.<br />
Das CiCo-Prinzip lässt sich nicht nur für Busse<br />
und Bahnen nutzen, sondern kann zusätzlich<br />
auch für Parkplatz-Kartenleser, Mietwagenstationen<br />
oder Bike-Sharing-Stationen freigeschaltet<br />
sein. Beispielsweise hat <strong>Siemens</strong> für den portugiesischen<br />
Bahnbetreiber Comboios de Portugal<br />
(CP) ein CiCo-System zusammengestellt, das eine<br />
nahtlose Vernetzung mit dem multimodalen Verkehrsanbieter<br />
OTLIS in Lissabon ermöglicht und<br />
in bestehende Infrastrukturen integriert ist.<br />
Relevante Komponenten wie etwa Zugangseinrichtungen<br />
und Lesesysteme stammen von<br />
<strong>Siemens</strong> als Systemintegrator, die Daten<br />
werden in einem zentralen Managementsystem<br />
verwaltet.<br />
Für den Fahrgast noch komfortabler ist<br />
das Be-in/Be-out-Prinzip (BiBo), das ohne<br />
aktives Einlesen der Smartcard auskommt.<br />
Beim Betreten des Fahrzeugs wird die Karte<br />
automatisch erfasst, beim Aussteigen<br />
wieder ausgebucht. Bei diesem berührungslosen<br />
Verfahren genügt es, die<br />
Smartcard dabei zu haben. Gefahrene Strecken<br />
sowie Wechsel in eine andere Klasse<br />
werden automatisch registriert, dann die<br />
jeweils günstigste Tarifvariante für den Passagier<br />
berechnet. Auch hier kann der Kunde<br />
selbstverständlich per Rechnung oder im<br />
Lastschriftverfahren bezahlen – so bietet ein<br />
BiBo-System maximalen Komfort bei minimalem<br />
Aufwand.<br />
2010 hat <strong>Siemens</strong> in der Schweiz das eTicketing-System<br />
nach dem BiBo-Prinzip wieder<br />
aufgenommen und seitdem kontinuierlich weiterentwickelt.<br />
Durch drahtlose Systemkomponenten<br />
und ausgereifte Technologie konnten die<br />
Kosten im Vergleich zu früheren Anwendungen<br />
deutlich reduziert werden. Dabei bietet das neue<br />
System nach internationalen eTicketing-Standards<br />
eine integrierte Systemarchitektur bis hin<br />
zur Abrechnung. Das Verfahren bringt für Fahrgäste<br />
und Betreiber spürbare Vorteile. Deshalb<br />
planen die Schweizer Bundesbahnen SBB und der<br />
Verband öffentlicher Verkehr VöV in der Schweiz,<br />
bis 2017 mit einem einzigen eTicket, das den<br />
37
38<br />
connect como 09 | September 2012<br />
Die verschiedenen<br />
eTicketing-<br />
Systeme lassen<br />
sich auch in<br />
bestehende<br />
Infrastrukturen<br />
integrieren und<br />
bieten zahlreiche<br />
weitere Ausbaumöglichkeiten.<br />
Be-in/Be-out<br />
(BiBo)<br />
Verkehrsmittel, Tarif und die Ein- und<br />
Ausstiegspunkte werden automatisch<br />
über Funk erfasst.<br />
Komfort eines Abonnements für alle bietet, alle<br />
herkömmlichen Fahrkarten abzulösen.<br />
Auch mit individuellen Zugangsmedien wie<br />
Mobiltelefonen und Smartphones lässt sich das<br />
elektronische Ticket nutzen. Eine sogenannte<br />
App kann ortsabhängig zusätzliche Serviceleis-<br />
CiCo-System: Am Eingang aktiv registrieren.<br />
Check-in/Check-out<br />
(CiCo)<br />
Der Fahrgast registriert sich mit der<br />
Smartcard aktiv an den jeweiligen<br />
Zugangskontrollsystemen.<br />
tungen wie Kauf eines bestimmten Tickets, Routenplanung,<br />
Navigation oder Fahrplanauskünfte<br />
bieten. Das mit mehr als 175.000 Nutzern in<br />
Deutschland am weitesten verbreitete mobile<br />
Ticketsystem hat <strong>Siemens</strong> so bereits realisiert: Die<br />
Tochterfirma HanseCom betreibt und entwickelt<br />
seit 2007 das vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen<br />
VDV koordinierte „Handy Ticket<br />
Deutschland“. Die Mandantenfähigkeit dieser<br />
Lösung erlaubt es mehreren Verkehrsunternehmen<br />
und -verbünden, gemeinsam dasselbe Managementsystem<br />
zu nutzen, ohne gegenseitig Einblick<br />
in ihre Daten- oder Benutzerverwaltung zu geben.<br />
Mehr als 25 Nahverkehrsanbieter in 19 Nahverkehrsregionen<br />
sind inzwischen an dieses interoperable<br />
System angeschlossen.<br />
Das Vertriebs- und Kundenmanagement für<br />
eTicketing erledigen Verkehrsunternehmen im Hintergrund<br />
mit dem modularen Managementsystem<br />
PTnova. Es bildet alle vertrieblichen Geschäftsprozesse<br />
und Verkaufsvorgänge eines Verkehrsunternehmens<br />
ab und bietet unter anderem Funktionen<br />
zum Vertragsmanagement, der Kontenverwaltung<br />
und der Buchhaltung. Als branchenspezifische<br />
Software ist PTnova direkt in SAP integriert und
Hintergrundsystem<br />
Das zentrale Vertriebshintergrundsystem PTnova führt alle Daten der vorgelagerten Vertriebscomo 09 | September 2012 connect<br />
komponenten zusammen und sorgt für abgestimmten Datenaustausch von der Smartcard über<br />
die Kartenlesegeräte bis zur Buchhaltung. Es deckt das Kunden- und Vertragsmanagement<br />
ebenso wie die Chipkarten- und Geräteverwaltung ab.<br />
Ticketkontrolle<br />
Mobile oder stationäre Lesegeräte<br />
verifizieren die Smartcard und<br />
überprüfen ihre Gültigkeit.<br />
Smartcard<br />
Die Smartcard ist die Schlüsselkomponente für die Registrierung von Fahrten in verschiedenen Verkehrsmitteln<br />
sowie für die intermodale Nutzung zusätzlicher Mobilitäts- und Freizeitangebote. Durch ihre<br />
Doppelfunktionalität ist die <strong>Siemens</strong> Smartcard sowohl in BiBo- als auch CiCo-Systemen einsetzbar.<br />
vereinfacht den Aufwand für Rechnungswesen und<br />
Controlling deutlich. Sie kann wie beim „Handy-<br />
Ticket Deutschland“ zentral für Kooperationen<br />
genutzt werden, die ihre buchhalterische Eigenständigkeit<br />
und die Datenhoheit über ihre Kundendatensätze<br />
behalten wollen – wesentliche Vor-<br />
GSM/GPRS/UMTS<br />
BiBo Gateway<br />
�<br />
Zahlungsmodalitäten<br />
Bezahlung anonym per Guthaben<br />
(Prepaid), alternativ per Lastschrift<br />
oder Kreditkarte (Postpaid).<br />
aussetzung für die Implementierung in einem<br />
durchgängigen, in termodalen Verkehrsnetz. Auch<br />
zahlreiche Be treiber wie die Belgische Eisenbahn<br />
(SNCB/NMBS), die Wiener Linien, die Berliner Verkehrsbetriebe<br />
oder die Basler Verkehrsbetriebe<br />
setzen PTnova bereits mit Erfolg ein.<br />
Weck- und Raumerfassungsantennen<br />
mit WLAN<br />
�<br />
GPS/Galileo<br />
como 09 | September 2012 connect<br />
Zugang über<br />
Mobiltelefone<br />
Als MobileTicketing-Applikation<br />
für Handys und Smartphones mit<br />
Online-Ticketkauf und Zusatzinfos.<br />
BiBo-System:<br />
Drahtlose<br />
RFID-Technik<br />
für bequeme<br />
Fahrt und<br />
Abrechnung.<br />
39
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Herausgeber:<br />
<strong>Siemens</strong> AG · Sektor Infrastructure & Cities ·<br />
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