24 KAPITEL 3. PROBLEMBEREICHE DES WISSENSMANAGEMENTSWissensverteilungDas implizite Wissen (tacit knowledge) gilt ja als an Personen gebundenes Wissen (siehe Abschnitt2.4). Geht es nun um das Aufbereiten, Speichern und Abrufen von Daten, so hat dies noch nichts mitWissensmanagement zu tun, sondern fällt mehr in die Kategorie Daten- und Informationsmanagement.Wie kann man nun aber Wissen und hier vor allem implizites Wissen transferieren? Die Antwort aufdiese Frage ist ernüchternd: Im Grunde kann implizites Wissen nicht übertragen werden, denn derSender und der Empfänger müssten die gleiche Weltanschauung und eine identische Wissensbasishaben. Allerdings kann der Austausch von Informationen zwischen Individuen als erster Schritt inRichtung Wissensverteilung gesehen werden. [Lugger et al. 2001]Der Transfer von Wissen ist durch zwei Fakten charakterisiert: Erstens ist immer der unberechenbareFaktor Mensch daran beteiligt. Und zweitens wird der Transfer von Wissen immer durchein Frage-und-Antwort-Spiel durchgeführt. Man könnte dies auch als Beobachten und Imitieren bezeichnen.Der Beginn von Wissenstransfer ist gewöhnlich eine Frage, also eine Beobachtung. Zeitweiseist der Transfer von Wissen sogar das Resultat eines zufälligen, nicht beabsichtigten Ereignisses.[Lugger et al. 2001]Basierend auf den oben genannten zwei Fakten gibt es viele Gründe, warum WissensmanagementProjekte scheitern und wichtige Fragen unbeantwortet bleiben oder gar nicht gestellt werden. Es folgtnun eine erste Unterteilung und eine kurze Auflistung von Wissensbarrieren.Barrieren der WissensverteilungViele der Barrieren basieren auf der Begebenheit, dass am Austausch von Wissen Menschen beteiligtsind. Mißtrauen, Verständnisprobleme, Zurückhaltung oder der Widerwille zu Veränderungen sind nureinige Beispiele dafür, dass der Wissenstransfer schwierig ist. Aufgrund der großen Zahl an bekanntenBarrieren macht es Sinn, diese zu gruppieren und strukturieren. Im Wesentlichen kann man zwischenBarrieren, die von Individuen erzeugt werden, und solchen, die die Arbeitsumgebung verursacht, unterscheiden.[Lugger et al. 2001]Individuelle Barrien im Wissensmanagement gibt es viele. Eine Barriere, die über einen längerenZeitpunkt aufgebaut wird, sind beispielsweise Interessensänderungen von einzelnen Mitarbeiternüber die Jahre hinweg. Denn Mitarbeiter werden meist dort eingesetzt, wo ihre Qualifikationen ambesten zum Einsatz kommen. Dies impliziert zumeist auch, dass das Interesse eines Mitarbeiters fürein Fachgebiet gegeben ist. Ändert sich dieses Interesse nun, wird das zum einen nirgendwo in derOrganisation erfasst und zum anderen steigt der Frust und die Demotivation beim entsprechenden Mitarbeiter.Als weitere Barrieren der Wissensverteilung sind bekannt: Vorurteile, Angst vor Meinung deranderen, Angst vor Kritik, schlechte Erfahrungen in der Vergangenheit, zuwenig Selbstvertrauen, <strong>of</strong>fensichtlichesFehlen von kommunikativer Fähigkeiten, das Fehlen von Feingefühl im Umgang mitanderen, Angst vor Wissensschmarozern, Angst vor Vorgesetzten, Zeitmangel, generelle Zurückhaltungbei der Investition von Zeit in Knowledge Management, Humorlosigkeit unter den Kollegen, usw.[Lugger et al. 2001]Dazu kommt noch, dass diese Hindernisse individueller Natur durch organisatorische Wissensbarrierenverstärkt werden. Darunter versteht man beispielsweise eine abgeschlossene Unternehmenskultur,strenge Hierachien, übertriebene Bürokratie, langwierige Routinen der Informationssuche ohneausreichende Unterstützung, keine oder ungenügende Verbreitung von wesentlichen Informationen,nicht verfügbare Kontakte, konstanten Zeitdruck, das Durchsetzen von kurzfristigen Lösungen,überholte Abläufe, die nicht abgeändert werden oder fehlendes Verständnis vom Management.[Lugger et al. 2001]In großen und verteilten Unternehmen stehen natürlich organisatorische Wissensbarrieren im Vor-
3.3. ABBAU VON WISSENSBARRIEREN 25dergrund. So kann innerhalb eines Konzerns ein Konkurrenzdenken unter den einzelnen Betriebsstättenentstehen, wenn sich diese zum Beispiel in verchiedenen Ländern befinden. Hierfür verantwortlich sindunter anderem eine unterschiedliche Mentalität der Mitarbeiter oder ein übertriebenes nationales Bewußtsein.Solche kulturellen Differenzen in einem Unternehmen wirken sich natürlich negativ auf dieZusammenarbeit der Bereiche und Abteilungen aus.Bei Abläufen und Projekten, die über mehrere Betriebsstätten verteilt sind, spielt natürlich immerder Aspekt der örtlichen Barrieren eine Rolle. Es ist leicht ersichtlich, dass bei der Kommunikation übereine räumliche Distanz trotz Unterstützung von moderner Kommunikationstechnologie das Vertraueninnerhalb von Teams sinkt. Chatten, Telefonieren oder Besprechungen in Videokonferenzen könnenniemals ein Ersatz dafür sein, dass sich verteilte Teams in regelmässigen Abständen persönlich treffen,damit das Vertrauen untereinander wieder aufgefrischt wird.Auch ein strenger, hierachischer Aufbau der Organisation wirkt sich in Kombination mit bürokratischenProzeduren nachteilig auf wissensbasierte Prozesse aus. Zudem gibt es in großen Unternehmenauch gewisse Machtaspekte unter leitenden Mitarbeitern. Man achtet vermehrt auf die Fehler der anderen,um daraus eventuell Pr<strong>of</strong>it für die eigene Karriere zu schlagen. Wichtige Entscheidungen oderProjekte verzögern sich dadurch sehr <strong>of</strong>t, da durch internes Mobbing Mitarbeiter einfach ausgetauschtwerden oder keiner die Verantwortung übernehmen will.Bedingt durch die eben genannten Barrieren ergeben sich allerdings auch individuelle Wissensbarrieren.Wie erwähnt spielt sehr <strong>of</strong>t die Angst vor Fehlern im eigenen Handeln eine Rolle. Zudemkann auch das Selbstbewußtsein durch die Größe eines Konzerns negativ beeinträchtigt werden. Diestritt vor allem dann ein, wenn ein Mitarbeiter Tätigkeiten außerhalb seines gewohnten Umfeldes – zumBeispiel in einer anderen Abteilung oder gar in einer Betriebsstätte in einem anderen Land – verrichtenmuss.Diese und viele andere individuelle und organisatorische Barrieren haben seit jeher eine große Anzahlan Knowledge Management Projekten vereitelt und werden diese wohl auch in Zukunft scheiternlassen. Aus diesem Grund versucht man diese Barrieren zusammenzufassen und zu kategorisieren.Nachfolgend wird nun eine mögliche Kategorisierung der Barrieren beschrieben.