ZZ_broschuere2008_fuerdruck:Layout 1 - Ziegel Zentrum
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<strong>Ziegel</strong> <strong>Zentrum</strong> Süd e.V.<br />
PROFESSOREN-EXKURSION<br />
DRESDEN–LEIPZIG<br />
25. bis 28. September 2008
PROFESSOREN-EXKURSION<br />
DRESDEN–LEIPZIG<br />
25. bis 28. September 2008
Die Baugeschichte von Leipzig und Dresden über viele Jahrhunderte bis zur<br />
massiven Zerstörung beider Universitätsstädte im 2. Weltkrieg, ihre politische<br />
und planerische Entwicklung während der fast 45 Jahre DDR-Zeit und die umfassenden<br />
Eingriffe und Veränderungen nach der Wiedervereinigung ziehen Besucher<br />
in ihren Bann. Das urbane Gepräge der anspruchsvoll erneuerten Gründerzeitquartiere,<br />
die trotz der Kriegsschäden mit ihren erhaltenen Altbauten das<br />
Stadtbild bestimmen, war nach der Wende kein ausreichendes Gegengewicht<br />
im Kampf gegen die Abwanderung der Bevölkerung ins Umland. Der Neubauboom<br />
auf den grünen Wiesen vor den Toren der Städte wurde glücklicherweise<br />
durch einen Sanierungsboom in den gewachsenen Stadtvierteln abgelöst, der<br />
fast bis 2000 anhielt. Die Architektur der letzten 20 Jahre zeigt exemplarisch,<br />
wie der erste Run auf die vermeintlich schnellen Gewinne, die in den neuen<br />
Bundesländern zu machen waren, ungeheuere planerische Schnellschüsse nach<br />
sich zog. Inzwischen ist ein Diskurs unter Fachleuten gewachsen, der auf die<br />
schwierigen Entwicklungen nach der Wende neue Konzepte anwendet. Leerstand<br />
von schnell hochgezogenen „Einheitsbürogebäuden“ und notwendige<br />
Schrumpfung beim Wohnungsbestand sind brisante Themen dieses „Stadtumbaus“<br />
in den großen Städten der neuen Bundesländer.<br />
Dresden und Leipzig sind Paradebeispiele für die aktuellsten Tendenzen der<br />
Denkmalpflege heute in einem heterogenen Umfeld, das noch immer deutlich<br />
ablesbare Lücken mitten in den pulsierenden Städten zeigt. Beide Städte müssen<br />
sorgfältig wieder aufgebaute Baudenkmäler neben Plattenbauten und groß angelegten<br />
städtebaulichen Neugestaltungen der 60er Jahre im Zeichen der klassischen<br />
Moderne zu einem Stadtbild zusammenführen. Die Universitätsbauten<br />
am City-Hochhaus und vor allem der Bau der Kirche und Aula am Leipziger<br />
Augustusplatz haben sehr lebhafte, kontroverse Diskussionen bewirkt. Nichts<br />
Neues für Erick van Egeraat, der häufig durch seine „exaltierten“ Bauwerke aneckt!<br />
Das bereits vorhandene Stil-Sammelsurium von City-Hochhaus und Gewandhaus<br />
über die Oper bis zu sozialistisch geprägten Großbauten auf der<br />
Ostseite des Georgi-Rings erschweren jede Baumaßnahme am Augustusplatz.<br />
Die Bewältigung dieser vielschichtigen – auch baulichen – Vergangenheit ist<br />
eine überaus anspruchsvolle Aufgabe für Stadtplaner und Architekten.<br />
Leipzig, eine lebendige Stadt mit ausgeprägten Stadtvierteln, die verschiedenen<br />
Themen zugeordnet sind, hat viel zu bieten. Auf den Spuren der Industriearchitektur<br />
der Gründerzeit, jenen ambitionierten Großprojekten mit ihren prachtvollen<br />
Backsteinfassaden, den „Kathedralen der Arbeit“ vor allem in Plagwitz, finden<br />
sich neue, beneidenswert idyllische Wohn- und Arbeitssituationen. Büros,<br />
Ateliers und Lofts in den Buntgarnwerken und der Baumwollspinnerei, die Erinnerungen<br />
an die Docklands in London wachrufen, als sie noch ursprünglicher und<br />
03<br />
Leipzig und Dresden<br />
Vorwort<br />
Dipl.-Ing. Arch. Waltraud Vogler
weniger kommerzialisiert waren. Firmenneugründungen sprießen in derart attraktivem<br />
und anregendem Umfeld. Stadtvillen beginnen sich im Musikerviertel, einem<br />
Ende des 19. Jahrhunderts entstandenen, ehemals repräsentativen, großbürgerlichen<br />
Viertel, auf Kriegsbrachen zu entwickeln. Auch wenn der Verkauf<br />
zögerlicher vorangeht, als man es den potentiellen Käufern und den zeitweilig<br />
auch als Bauträger agierenden Architekten wünschen möchte.<br />
Das Eintauchen in die klassischen Touristenbereiche Dresdens zwischen Frauenkirche<br />
und Semperoper konfrontiert auch mit den umstrittenen Planungskonzepten<br />
am Neumarkt oder dem Stadtbild prägenden Neubau der Synagoge. Erzeugt<br />
das Reproduzieren von Baudenkmälern „kunstgewerbliche Stadtattrappen<br />
unter Preisgabe der alltäglichen städtischen Funktionen“? – ein Thema, das Prof.<br />
Thomas Will im Rahmen der Debatte zum Denkmalschutz anspricht. Nach der<br />
aufwändigen Rekonstruktion der Frauenkirche sicher eine interessante Frage. In<br />
unmittelbarer Nachbarschaft konfrontiert die Prager Straße jeden Besucher, der<br />
sich der Altstadt vom Hauptbahnhof aus nähert, mit den allgegenwärtigen<br />
Kriegswunden, auch wenn die städtebauliche Leistung des Planungskollektivs in<br />
diesem wesentlichen innerstädtischen Gebiet zwischen 1965 und 1978 heute<br />
anerkannter ist, als sie bei der Eroberung eben dieses Areals durch das „freie<br />
Spiel der marktwirtschaftlichen Kräfte“ kurz nach der Wende war. Und all dies<br />
in einer Stadt, die dabei ist, sich den Titel „Weltkultur-Erbe“ durch den anscheinend<br />
verkehrstechnisch dringend notwendigen Bau der Waldschlösschenbrücke<br />
zu „verbauen“ und die klassizistische Fassade des Militärhistorischen Museums<br />
von Daniel Libeskind mit einem gigantischen Keil – als Zeichen für Pazifismus –<br />
aufbrechen zu lassen!<br />
Da taucht man gerne in die inzwischen wieder sehr heil anmutende Welt der<br />
Gartenstadt Hellerau ein. Ländliche Wohnidylle – zu Beginn des 20. Jahrhunderts<br />
vornehmlich geschaffen von den Architekten Riemerschmid, Tessenow und<br />
Muthesius – gemischt mit neuen Nutzungskonzepten, die in den Gebäuden der<br />
ehemaligen Werkstätten für viele kreative Menschen Raum bieten. Ähnlich kreativ<br />
wie die Mitarbeiter von Prof. Schulten, die an der TU Dresden eine freitragende<br />
Schalenkonstruktion aus <strong>Ziegel</strong>mauerwerk entwickelt und selbst gebaut<br />
haben, um die Machbarkeit einer komplexen Form zu erforschen und das Potential<br />
dieses gängigen Baumaterials zu demonstrieren. Auf einem Uni-Campus,<br />
der von mächtigen, sehr gut erhaltenen, historischen Sichtziegelgebäuden geprägt<br />
ist, fügt sich das kleine, gekurvte experimentelle Bauwerk ganz bescheiden<br />
ein. Es erregte dennoch Aufsehen bis nach München, um im Rahmen der<br />
Hochschularbeit des <strong>Ziegel</strong> <strong>Zentrum</strong> Süd einen weiteren Grund für die Reise<br />
nach Sachsen zu bieten. Der Anfang des „roten Fadens“, der die Professoren-<br />
Exkursionen begleitet, war gefunden.<br />
Vier Tage lang reist eine Gruppe von 27 Professorinnen und Professoren der Architektur<br />
und des Bauingenieurwesens anlässlich der Professoren-Exkursion gemeinsam<br />
nach Leipzig und Dresden. Sie besuchen im interdisziplinären Diskurs<br />
die TU Dresden, mit der Chance, sich über Hochschulgrenzen hinweg mit den<br />
Lehrenden vor Ort über aktuelle Themen auszutauschen. Diese Unternehmung ist<br />
eng verwoben mit der Lehre an den Hochschulen von fünf Bundesländern, mit<br />
denen das <strong>Ziegel</strong> <strong>Zentrum</strong> Süd im Rahmen von Studentenseminaren und -exkursionen<br />
in Süddeutschland zusammenarbeitet. Die jährlich im September durchgeführten<br />
Professoren-Exkursionen bieten allen Beteiligten die rare Gelegenheit,<br />
bestehende Beziehungen zu vertiefen, neue Anknüpfungspunkte zu finden und<br />
interessante Konzepte für die Zukunft in einer inspirierenden und entspannten<br />
Umgebung gemeinsam anzudenken und die aufgeworfenen Themen in der eigenen<br />
Lehre zum Einsatz zu bringen.
06Inhaltsverzeichnis<br />
Leipzig und Dresden, Vorwort<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
Programm Tag 1<br />
City-Hochhaus, Leipzig (Hermann Henselmann; Peter Kulka)<br />
Universitäts-Campus (Behet Bondzio Lin)<br />
Paulinerkirche, Aula der Universität (Erick van Egeraat)<br />
Hauptbahnhof, Dresden (Giese, Weidner, Rosbach; Foster & Partners)<br />
Prager Straße (Peter Sniegon, Hans Konrad, Kurt Röthig)<br />
Rundkino (Gerhard Landgraf, Waltraud Heischkel)<br />
UFA-Kristallpalast (Coop Himmelblau)<br />
Neumarkt<br />
Frauenkirche (George Bähr)<br />
Alte Synagoge (Gottfried Semper)<br />
Neue Synagoge (Wandel, Lorch, Hirsch)<br />
Hotel Westin Bellevue (George Bähr; Takeshi Inoue)<br />
Waldschlösschenbrücke<br />
Schloss Eckberg/Villa Souchay (Christian Friedrich Arnold)<br />
Programm Tag 2<br />
Frei geformte Mauerschale, TU Dresden<br />
Zeuner-Bau der TU Dresden (Karl Weißbach)<br />
Goerg-Schumann-Bau der TU Dresden (O. Kramer; O. Schubert, G. Münter)<br />
Beyer-Bau der TU Dresden (Martin Dülfer)<br />
Fritz-Foerster-Bau der TU Dresden (Martin Dülfer)<br />
SLUB, Sächsische Landes- + Unibibliothek (Ortner + Ortner)<br />
Militärhistorisches Museum (Daniel Libeskind + H. G. Merz)<br />
Gartenstadt Hellerau<br />
Festspielhaus Hellerau (Heinrich Tessenow)<br />
Deutsche Werkstätten Hellerau (Richard Riemerschmid)<br />
Richard Riemerschmid<br />
Heinrich Tessenow<br />
Hermann Muthesius<br />
Sächsischer Landtag (Barthold + Tiede; Peter Kulka)<br />
Zwinger (Matthäus Daniel Pöppelmann)<br />
Semperoper (Gottfried Semper)<br />
Lipsiusbau (Constantin Lipsius; Auer + Weber + Partner)<br />
Blaues Wunder<br />
Villa Marie<br />
Standseilbahn<br />
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Programm Tag 3<br />
Galerie für Zeitgenössische Kunst, Leipzig (Eelbo, Kulka, as-if Arch.)<br />
KPMG<br />
Stadtvillen im Musikerviertel (König Wanderer, Fuchshuber + P., u.a.)<br />
Café Grundmann<br />
Industriearchitektur in Leipzig-Plagwitz<br />
Buntgarnwerke (O. Jummel; Händel + Franke)<br />
Lofts am Elsterufer (Gregor Fuchshuber + Partner)<br />
Sweetwater (Weis + Volkmann)<br />
Baumwollspinnerei<br />
Konsumzentrale (Fritz Höger)<br />
Stelzenhaus (Herrmann Böttcher; Weis + Volkmann)<br />
Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft, Stadtumbau im Bestand<br />
Rundling (Hubert Ritter)<br />
Völkerschlachtdenkmal (Bruno Schmitz, Clemens Thieme)<br />
Nikolaischule (Storch, Ehlers + Partner)<br />
Programm Tag 4<br />
Grassi-Museum (C.- W. Zweck, H. Voigt, H. Ritter; Ilg Friebe Nauber)<br />
Gutenbergschule (Otto Droge)<br />
Haus des Buches (Hentrich-Petschnigg + P., Angela Wandelt)<br />
Schumann-Haus<br />
Reklam-Karree (Max Bösenberg; Bunk-Hartung + Partner)<br />
Grafischer Hof, Restaurant Castellum 1776<br />
Quellenverzeichnis<br />
Leipzig Stadtplan<br />
Dresden Stadtplan<br />
TeilnehmerInnen<br />
Impressum<br />
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08Tag 1
Zeitplan Donnerstag, 25.09.08<br />
12.30 Uhr Treffpunkt in Leipzig, Restaurant Panorama Tower (Nähe Hbf),<br />
zum Mittagessen im 29. OG<br />
Augustusplatz 9, 04109 Leipzig, Telefon 0341/710 05 90<br />
14.00 Uhr Blick über Leipzig mit Einführung<br />
Von der Dachterrasse im 31. OG aus<br />
Stadtentwicklung und Campusneubauten Leipzig<br />
Architekt Kirche: Erick van Egeraat<br />
Institutsgebäude + Läden: behet bondzio lin architekten<br />
Führung: Dipl.-Ing. Arch. Roland Bondzio<br />
Augustusplatz/Grimmaische Straße 30<br />
14.45 Uhr Weiterfahrt nach Dresden<br />
Vortrag im Bus zur Geschichte der Frauenkirche<br />
Prof. Horst Thomas, Georg-Simon-Ohm Hochschule Nürnberg<br />
16.00 Uhr Stadtführung in Dresden vom Hauptbahnhof zum Hotel<br />
Besichtigungen:<br />
Hauptbahnhof, Sanierung: Forster & Partners<br />
Prager Straße mit Rundkino, UFA-Kristallpalast<br />
Frauenkirche<br />
Führung: Prof. Dr. Thomas Bulenda, FH Regensburg (Hbf),<br />
Prof. Horst Thomas, Georg-Simon-Ohm Hochschule Nürnberg<br />
Prager Straße/Neumarkt/Am Hasenberg<br />
17.15 Uhr Kaffeepause in der Cafeteria der Neuen Synagoge<br />
17.30 Uhr Besichtigung der Neuen Synagoge<br />
Architekten: Wandel Lorch Hirsch<br />
Führung: Herr Just, Vertreter der Jüdischen Gemeinde<br />
Am Hasenberg/Rathenauplatz<br />
18.30 Uhr Spaziergang zum Hotel über die Brühl’schen Terrassen und die<br />
Augustusbrücke<br />
19.00 Uhr Einchecken Hotel Westin Bellevue Dresden<br />
Architekten: George Bär, 1724, Takeshi Inoue, 1985<br />
Große Meißner Straße 15, 01097 Dresden, Telefon 0351/805 17 22<br />
20.00 Uhr Fahrt zum Restaurant Schloss Eckberg<br />
Mit kurzem Zwischenstopp bei der Baustelle<br />
zur Waldschlösschenbrücke<br />
Erläuterungen im Bus: Prof. Dr. Thomas Bulenda, FH Regensburg<br />
20.30 Uhr Abendessen im Restaurant Schloß Eckberg<br />
Architekt: Christian Friedrich Arnold, 1859–61<br />
Bautzner Straße 134, 01099 Dresden, Tel 0351/80 99-0<br />
23.30 Uhr Busfahrt zum Hotel<br />
mit Bus<br />
Bus fährt zum Hotel<br />
mit Bus<br />
mit Bus
10City-Hochhaus<br />
Augustusplatz 9<br />
Architekten: Hermann Henselmann, 1968–73<br />
Umbau: Peter Kulka, 2001<br />
Das 34-geschossige Universitätshochhaus wurde 1973 übergeben. Es ist<br />
142,5 m hoch (Gesamthöhe mit Antennenträger 155,40 m) und weist eine<br />
Stärke der Außenwände von 400 mm bis zum 13. Obergeschoß und von 300<br />
mm bis zum letzten Normalgeschoß auf. Die 20 m hohe Spitze ist in Stahlfachwerkkonstruktion<br />
ausgeführt. In 110 m Höhe befand sich ein Café und vier weitere<br />
Panoramalokale. Das Gebäude wurde durch Peter Kulka umgebaut. Es<br />
beherbergt jetzt den Klangkörper des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR). Neben<br />
einer neuen Fassadenverkleidung aus Steinplatten erhielt das Hochhaus einen<br />
quaderförmigen Anbau. Die Form des „Uniriesen“, „Weisheitszahnes“ oder<br />
auch „(Steilen) Zahnes“ (wie das Gebäude im Volksmund häufig genannt wird)<br />
kann nachträglich als ein aufgeschlagenes Buch interpretiert werden. In Wirklichkeit<br />
ist der Querschnitt symmetrisch und stellt eine optimale Form einer Maschinenwelle<br />
dar.<br />
In den Jahren 1999 bis 2002 wurde das City-Hochhaus komplett saniert, sowohl<br />
alle 29 Etagen als auch die Fassade. Auf dem Dach ist eine Aussichtsplattform<br />
eingerichtet. Sie befindet sich in einer Höhe von ca. 130 m, bietet<br />
einen guten Überblick über die Innenstadt und ist daher ein beliebtes Touristenziel.<br />
Die Universität Leipzig ist heute nicht mehr im Inneren zu finden: das Gebäude<br />
wurde von der Landesregierung verkauft und gehört mittlerweile der<br />
US-Investmentbank Merrill Lynch. Mieter sind unter anderem der MDR und das<br />
Panorama-Restaurant in 110 Metern Höhe. Im März 2008 verlegte die Europäische<br />
Strom- und Energiebörse EEX ihren Hauptsitz in das Hochhaus.
Annette Menting<br />
Kleine Stadt in der Stadt<br />
Ein Zwischenbericht zum neuen Campus der Universität (gekürzter Text)<br />
Mit dem Universitätsquartier wird der wohl prägnanteste Bereich – die Stadt erhielt<br />
hier in den sechziger Jahren durch den Universitätsturm eine skylineprägen -<br />
de Akzentuierung – umgestaltet.<br />
Für die Universität bedeutet die Neugestaltung eine weitere Etappe im kontinuierlichen<br />
Wandel: Geutebrück ließ das Areal 1830 umgestalten und ergänzte<br />
es um das Augusteum, und Rossbach verlieh in den neunziger Jahren des 19.<br />
Jahrhunderts den Bauten üppige Fassaden in zeittypischer Neogotik- bis Neobarock-Gestaltung,<br />
die wiederum einige Jahrzehnte später revidiert wurde. Ein radikaler<br />
Einschnitt war die Vernichtung des historischen Bestands in den sechzi -<br />
ger Jahren und die ideologisch motivierte Neugestaltung im Sinne der sozialistischen<br />
Stadt. Nun erfolgt erneut ein erheblicher Eingriff, wobei von den Bauten<br />
der ehemaligen Karl-Marx-Universität wenig übrig bleiben wird.<br />
Als der Entwurf der Architekten Behet, Bondzio und Lin 2002 nach dem Wettbewerbsverfahren<br />
vorgestellt wurde, richtete das öffentliche Interesse sich im wesentlichen<br />
auf den Augustusplatz und insbesondere auf den ehemaligen Stand -<br />
ort der Paulinerkirche. Die Wettbewerbsjury hatte seinerzeit dem Campus-Entwurf<br />
hohe Qualität attestiert. Die sich hier anschließende Kontroverse bewegte<br />
sich zwischen den gegensätzlichen Forderungen von originalgetreuer Rekonstruktion<br />
und interpretierender Neugestaltung. Aufgrund der Debatte folgte<br />
2004 ein zusätzliches Qualifizierungsverfahren, aus dem der Entwurf von Erick<br />
van Egeraat zur Realisierung bestimmt wurde. In den aktuellen Mediendarstellungen<br />
wird oftmals verdrängt, dass das neue Universitätsquartier von zwei Architektenteams<br />
gestaltet wird: Neben den Gebäuden am Augustusplatz vom Rotter -<br />
damer Büro Egeraat entstehen an den anderen Seiten die Neu- und Umbauten,<br />
von der Mensa bis zum Seminargebäude, nach dem Entwurf des Münsteraner<br />
Architektenteams Behet, Bondzio und Lin. Angesichts dieser Konstellation stellt<br />
sich die Frage, wie die unterschiedlichen Entwürfe aufeinander abgestimmt<br />
sind. Eine Antwort scheint bereits gegeben, denn die neue Paulineraula ist derart<br />
exponiert, dass sie Diskussion und Image bestimmt. Bei der Frage nach einer<br />
neuen Identität der Leipziger Universität stehen sich die Außenwirkung einer repräsentativen<br />
Platzfront und die Atmosphäre eines vitalen Universitätslebens gegenüber.<br />
Behet, Bondzio und Lin hatten im Wettbewerb für den neuen Campus<br />
das Motiv einer „kleinen Stadt in der Stadt“ entwickelt, um die verschiedenen<br />
Universitätsbauten thematisch zu vereinen. Dieses Konzept wurde zwei Jahre<br />
später verändert, denn mit der Setzung einer baulichen Dominante am Augustusplatz<br />
wurde die einheitliche Fassung des Campushofs aufgelöst.<br />
11<br />
Universitätscampus<br />
Augustusplatz, Grimmaische Straße,<br />
Universitätsstraße, Moritzbastei<br />
Architekten: Behet Bondzio Lin, 2004–10
Der hermetisch abgeschlossene Hörsaalbau wurde von einer neuen baulichen<br />
Schicht umgeben, die dem historischen Grundstücksverlauf folgt. Das frühere Erscheinungsbild<br />
wurde quasi umgekehrt, und anstelle eines geschlossenen Hörsaal-Solitärs<br />
bestimmt nunmehr die Mensa als offener, kontext-bezogener Stadtbaukörper<br />
den Ort. Die Universitätsstraße wird in ihren ursprünglichen Zustand<br />
versetzt, doch wichtiger erscheint die äußerst gelungene Bezugnahme zur Moritzbastei<br />
mit ihren terrassierten Plateaus. Bisher war sie als Fremdkörper vom<br />
Campus räumlich abgehängt, doch inzwischen entwickelt sich ein gelungenes<br />
Zusammenspiel mit der neuen Mensa durch die differenzierte Proportionierung<br />
und Staffelung. Möglicherweise wird aus der einstigen Randzone nun der einladendste<br />
Bereich des neuen Campus. Als einzige Bestandteile des früheren Universitätsareals<br />
bleiben das Hörsaal- und das Seminargebäude erhalten. Neben<br />
der vorgelagerten Raumschicht erfährt das Hörsaalgebäude eine zusätzliche<br />
Aufwertung, indem Lichthöfe eingestanzt werden, die auch der Bibliothek in den<br />
Untergeschossen eine Tageslichtstimmung verleihen.<br />
Behet, Bondzio und Lin entwarfen mit dem Institutsgebäude an der Grimmaischen<br />
Straße einen zweiten Campus-Neubau. In diesem Übergangsbereich von<br />
Innenstadt und Ring wird die Aufnahme früherer Baufluchten und Traufkanten<br />
räumlich besonders markante Änderungen bewirken. Anstatt der Möglichkeit,<br />
an den Brunnenanlagen zu verweilen oder auf den Freiflächen zu skaten, wird<br />
der Passant zukünftig durch eine passagenhafte Enge bis zum Augustusplatz geleitet.<br />
In den unteren Etagen des Neubaus werden Ladengeschäfte eingerichtet,<br />
die oberen Etagen werden von der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät genutzt.<br />
Die Doppelfunktion des Universitätsbaus spiegelt sich in der Fassadengestaltung<br />
mit ihren großzügigen Schaufenstern und den darüber liegenden Lochfassaden<br />
wider.<br />
Im Konzept von Egeraat soll sich die Paulineraula als neues Zeichen der Universität<br />
auch gegen das Hochhaus behaupten. Zwar gehört der Turm funktional<br />
nicht mehr zur Universität, doch ist er nach wie vor raumbestimmend. Zur wirkungsvollen<br />
Steigerung der expressiv-kristallinen Paulineraula wurden das Rektoratsgebäude<br />
und der Felsche-Bau in ihrem gestalterischen Duktus angepasst. Im<br />
Kontext des Gesamtcampus erscheinen die Egeraat-Bauten sehr auf sich bezogen<br />
und unabhängig von den übrigen Universitätsbauten gestaltet. Für das gesamte<br />
Universitätsquartier wäre es wichtig, dass vor allem der Campushof sich<br />
als interner „Marktplatz“ entfalten kann, um das universitäre Alltagsleben räumlich-atmosphärisch<br />
zu unterstützten und den Hauptnutzern des Quartiers eine<br />
neue identitätsstiftende Mitte zu bieten.
Die Jury des Architektenwettbewerbs für das Bauvorhaben „Aula/Kirche“ der<br />
Universität Leipzig am Augustusplatz hat den Entwurf des Rotterdamer Büros van<br />
Egeraat mit klarer Mehrheit (10:3 Stimmen) auf den 1. Platz gesetzt. Erste Stellungnahmen<br />
von Rektor Häuser, Finanzstaatssekretär Voß und Oberbürgermeister<br />
Tiefensee reichten von Erleichterung, Zufriedenheit bis Begeisterung. „Die<br />
expressive Architektur stellt etwas Besonderes dar, und um etwas Besonderes ist<br />
es uns auch gegangen. Damit nimmt die Universität auch architektonisch wieder<br />
eine herausgehobene Rolle am Augustusplatz ein, die auch in die Innenstadt hinein<br />
wirkt", sagte Prof. Dr. Franz Häuser. „Wichtig war und ist uns, dass der Entwurf<br />
den hohen Anforderungen, die wir an die Verbesserung der Bedingungen<br />
für Forschung und Lehre stellen, entspricht und gleichzeitig eine angemessene Erinnerung<br />
an die Universitätskirche und ihre Sprengung verkörpert.“<br />
Erick van Egeraat unterstrich, dass sein Entwurf die ehemalige Architektur nicht<br />
kopiere, sie aber in moderner Form zurückzubringen versuche. Seine Philosophie<br />
sei es ohnehin, etwas wärmer, voller, reicher zu bauen, als das gemeinhin<br />
in den letzten 50 Jahren geschehen sei. Die weitere Qualifizierung des Entwurfs,<br />
versprach er, werde im ständigen Dialog mit allen Beteiligten geschehen.<br />
Der wird sich vorrangig mit einem ins Leben gerufenen Planungsbeirat vollziehen,<br />
in dem Universität, Stadt und Freistaat vertreten sind. Eine Aufgabe wird es<br />
beispielsweise sein, wie das auch schon in ersten Empfehlungen der Jury ausgesprochen<br />
wurde, den Charakter der Aula deutlicher nachzuweisen, also der<br />
Funktionalität des Innenraums, der den Eindruck einer dreischiffigen Hallenkirche<br />
vermittelt, besondere Beachtung zu schenken.<br />
Jury-Vorsitzender Prof. Zlonicky gab der Hoffnung Ausdruck, dass der beispielgebende<br />
Dialog zwischen den Architekten und den Jury-Mitgliedern in der letzten<br />
Phase des Wettbewerbs zum Nutzen der Realisierung weitergeführt werde.<br />
Er sei überzeugt, der Siegerentwurf, indem er Brücken baue in dem Spannungsfeld<br />
unterschiedlicher Erwartungen zwischen Rekonstruktion und Neuinterpretation,<br />
werde eine „friedenstiftende“ Wirkung entfalten. Der Sieger selbst erklärte<br />
– mit dem Blick auf die Aufgabe, an die willkürliche Vernichtung der Universitätskirche<br />
zu erinnern –, er habe in den 24 Jahren seiner Tätigkeit als Architekt<br />
noch nie zurückgebaut, aber er sei immer bereit gewesen, von früherer Qualität<br />
und Intensität des Bauens zu lernen. Also kein Nachbau des Gotteshauses, aber<br />
angesichts der Bedeutung seines Schicksals habe er die Silhouette der Kirche<br />
zum Leitmotiv der gesamten Planung des Neubaus gemacht. Er verstehe diesen<br />
Neubau als ein Projekt, das an Vergangenes erinnert, aber zugleich auch in die<br />
Zukunft verführt.<br />
13<br />
Paulinerkirche/Aula der Universität<br />
Augustusplatz<br />
Architekt: Erick van Egeraat, 2004–10<br />
http://db.uni-leipzig.de/aktuell<br />
Augusteum und Paulinerkirche um1890
14Hauptbahnhof Dresden<br />
Am Hauptbahnhof<br />
Architekten Altbau: Ernst Giese, Paul Weidner und<br />
Arwed Rosbach, 1892–97<br />
Architekten Umbau: Foster & Partners, Schmidt Stumpf<br />
Frühauf und Partner, 2001–07<br />
Der alte Hauptbahnhof wurde anstelle des Böhmischen Bahnhofs 1892–97 von<br />
Ernst Giese, Paul Weidner und Arwed Rosbach erbaut. Die dreischiffige Stahlbogenhalle<br />
besitzt 18 Bahnsteige, im Mittelschiff (Spannweite 50 m) ebenerdig<br />
als Kopfbahnhof, in den Seitenschiffen (Spannweiten 30 m) als Hochbahnsteige<br />
für den Durchgangsverkehr.<br />
Der Dresdner Hauptbahnhof wurde als einer der letzten großen Deutschen<br />
Bahnhöfe von der „Deutschen Bahn AG“ saniert. Er bekam anstatt eines Glasdaches<br />
ein neues Membrandach, einem Material aus äußerst reissfestem Gewebe<br />
(Teflon-Dach aus Glasfaser). Die Farbe des transluzenten Materials ist<br />
weiß. Es lässt je nach Sonnenintensität verschiedene Farbtöne des Tageslichtes<br />
durchscheinen oder reflektiert es auf der Außenseite. Direkt über den eisernen<br />
Hallenbögen spaltet sich das zeltartige Dach zu schmalen Schlitzen, die den<br />
direkten Blick zum Himmel freigeben. Die selbstreinigende Teflon-Membran<br />
stammt von der Firma „Sky-span“ in Rirnsting am Chiemsee. Sie ist nicht einmal<br />
einen Millimeter dick, jedoch aufgrund ihrer Eigenschaften extrem wetterfest.<br />
Die Belastung hält bis zu 90 Tonnen pro laufendem Meter aus. Über die originalen<br />
Eisenstahlbögen musste ein sekundäres Tragwerk eingebaut werden, um<br />
die ungeheuren Zugkräfte, die durch die starke Spannung der Membran entstehen,<br />
in die Fundamente zu leiten. Zum ersten Mal konnte ein historisches Bauwerk<br />
mit diesem neuen Material in Verbindung gebracht werden. Das neue<br />
Dach ist schmutzresistent, lässt wieder Licht durch das Gebäude fließen und<br />
bringt das historische Tragwerk zur Wirkung.<br />
Die Weiterführung der lichtduchlässigen Dachkonstruktion auf die z. T. offenen<br />
Bahnsteige und deren halbkreisartige Zusammenführung wurde – wohl aus Kostengründen<br />
vom Bauherrn, ähnlich wie beim neuen Hauptbahnhof in Berlin,<br />
gestrichen. Ebenfalls gründlich saniert wird die imposante Eisenkonstruktion der<br />
3 großen Hallenbögen, zur Entstehungszeit um 1892 das Modernste an europäischer<br />
Ingenieurleistung im wilhelminischen Deutschland und die große Eingangshalle<br />
mit Kuppel. Eine der schwierigsten ingenieurtechnischen Herausforderungen<br />
bestand darin, die Lasten des 30.000 qm großen Membrandachs in<br />
das historische Tragwerk und die Fundamente abzuleiten.
Die neue Fosterkuppel lehnt sich stark an die ehemalige Gründerzeitform an, ohne<br />
sie komplett zu kopieren. Jene ehemals offene Glaskuppel ließ ab 1892 Tageslicht<br />
in die Halle scheinen. In der Nachkriegszeit war die beschädigte Kuppel<br />
vereinfacht repariert und mit einem spitz zulaufenden Schieferdach gedeckt<br />
worden, das die Kuppel völlig verschloss. Der Hauptteil der Eisen-Konstruktion<br />
der alten Belle Epoque Kronen-Form wurde dabei wieder verwendet. Aber man<br />
zog eine Zwischendecke ein, die die einstige prachtvolle Wirkung dieser Kathedrale<br />
des modernen Verkehrs stark beeinträchtigt hatte. Seit 2006 ist die Eingangshalle<br />
wieder hell durchlichtet und strahlt – auch ohne die alten Zwickelbemalungen<br />
– Opulenz aus. Allerdings wurde der Kuppelanlauf der inneren<br />
Kuppel verkürzt, was die Wirkung etwas schmälert und die Konzentration mehr<br />
auf das Konstruktive als auf das Dekorative lenkt.<br />
Licht durchflutet sind auch die hohen, gewölbten Hallen rechts und links der Kuppelhalle,<br />
desgleichen die beiden ehemaligen Speisesäle, welche jetzt ebenfalls<br />
direktes Tageslicht erhielten. Die beiden Ecktürme der Hauptfassade, in den<br />
1970er Jahren ihres gründerzeitlichen Turmaufsatzes, der Fenster und eines umlaufenden<br />
Balkons beraubt, werden denkmalpflegerisch erneut hinzugefügt. Der<br />
neue Bahnhof von Foster respektiert die klassische Stahlbogenkonstruktion der<br />
drei Hallen. Das ist innerhalb der Moderne keineswegs eine Selbstverständlichkeit.<br />
In Dresden hätte während eines radikalisierten Modernisierungschubes nach<br />
1969 der Hauptbahnhof kompromisslos seine Gestalt verloren. Am westlichen<br />
Ende war bereits damals ein neuer Busbahnhof konzipiert, der jedoch vollständig<br />
die eindrucksvollen Hallenbögen aus Stahl und Glas beseitigt hätte. Dank<br />
einer verantwortungsvollen starken Bürgerschaft, die in den 80er und 90er Jahren<br />
verstärkt auf die zu schützenden Errungenschaften der historischen Stadt aufmerksam<br />
machte, kann nun im neuen Jahrhundert ein aufgeklärtes und liberal<br />
gemäßigtes Bewusstsein in einer ausgeglichenen Balance zwischen Fortschritt<br />
und Tradition erwachsen. So ähnlich betonte es der Architekt Foster selbst, als er<br />
die größte Schwierigkeit bei der Konzeption für die Renovierung nannte, „das<br />
Beste aus der Vergangenheit in die Zukunft zu transponieren“.<br />
Systemgeometrie Stahlunterkonstruktion<br />
Computermodell der Mittelfelder<br />
Quelle:<br />
www.das-neue-dresden.de/hauptbahnhof.html<br />
Webseite des Architekturbüros zum Dresdner<br />
Hauptbahnhof: www.fosterandpartners.com
Dachtragwerk – Stahlkonstruktion<br />
Modell, Maßstab 1:50<br />
Dachtragwerk – Stahlkonstruktion<br />
Eine der schwierigsten ingenieurtechnischen Herausforderungen bestand darin,<br />
die Lasten des neuen Membrandaches in das historische Stahltragwerk ein- und<br />
in die Fundamente abzuleiten. Das eiserne Bestandstragwerk der Bahnsteighalle<br />
war in der statischen Grundkonzeption des Errichtungszeitraumes zur Ableitung<br />
der vorrangig vertikalen Dachlasten aus Eigengewicht des Eisentragwerkes, der<br />
Holz-, Glas- und Blechdacheinhausung sowie der Schneelast, als lineares Bogentragwerk<br />
konzipiert. Der Umbau von einer festen Dacheinhausung zu einem<br />
Membrandach führt einerseits zu einer Reduzierung des Tragwerkseigengewichtes,<br />
andererseits treten infolge der räumlichen Membranvorspannkräfte erhebliche<br />
Druckbeanspruchungen im Bogentragwerk auf. Die Umsetzung der raumgeometrischen<br />
und statischen Tragwerksanforderungen unter Beibehaltung der<br />
statisch-konstruktiven Gegebenheiten des linearen Bestandstragwerkes erforderte<br />
eine ergänzende sekundäre räumliche Stahlunterkonstruktion welche als Adapter<br />
die räumliche Membrangeometrie auf das orthogonale Bestandsbogentragwerk<br />
und die Lasteinleitung der Membrankräfte in das filigrane Stabtragwerk der Hallenbögen<br />
vermittelt. Oberhalb der Bogenbinderscheitel öffnet sich die Membranhaut<br />
linsenförmig bis zu den Systemachsen der einzelnen Bogenscheiben.<br />
Die entstehenden Öffnungen sind durch gläserne Oberlichter überdacht.
Systemisometrie der Oberlichter<br />
Darstellung Membranspannungen – Lastfall Wind<br />
Dachtragwerk – Membran<br />
Im Gegensatz zu der bisherigen Dacheindeckung leitet die Membrandachhaut<br />
die Lasten mit in der Membranebene orientierten Zugkräften in den Stahlbau<br />
ein. Das Membrandach besteht aus einzelnen ca. 10 m breiten Paneelen, die<br />
zwischen den Bogentragwerken installiert wurden und im Endzustand die komplette<br />
Dachfläche überspannen. Die Membrane wird in Bogenlängs- und Querrichtung<br />
mit Hilfe von Membranklemmen an Stahlrohre der Stahlunterkonstruktion<br />
angeschlossen, wobei eine doppelt geschwungene Form dem Membrandach<br />
die erforderliche Steifigkeit verleiht. Die besonders schmutzresistente transluzente,<br />
teflonbeschichtete PTFE-Glasfaserfolie lässt 13 % des Tageslichts durch<br />
und bringt so das denkmalgeschützte Stahltragwerk elegant zur Wirkung.<br />
Bauausführung<br />
Je Bahnsteighalle wurde eine ca. 40 m lange verschiebbare stählerne Arbeitsbühne<br />
oberhalb der Stützenfüße des vorhandenen Bestandstragwerkes erstellt,<br />
die zur Durchführung der Instandsetzungs-, Korrosionsschutz- und Montagearbeiten<br />
und gleichzeitig als Absturzsicherung und Abschottung der Baumaßnahmen<br />
gegenüber dem Bahnhofsbetrieb diente. Der gewählte Bauablauf sah eine abschnittsweise<br />
Durchführung der Arbeiten in sieben Bauabschnitten vor. Für die<br />
gesamte Instandsetzung und den Umbau des Tragwerks wurden authentische<br />
Elemente erhalten und zeitgemäße Lösungen, die den Charakter des Gebäudes<br />
gerecht werden, hinzugefügt.<br />
Computermodell Membranhaut<br />
Literatur:<br />
Vitzthum, M., Voland, P., Foster & Partners;<br />
Stahlbau 75 (2006), H. 3, S. 311–218<br />
Falk Jäger; Glas Nr. 4 (2007), S. 12–19<br />
Foster & Partners; industrieBAU 2 (2005),<br />
S. 32–35<br />
Fotos:<br />
Rudi Meisel, Foster & Partners<br />
Nigel Young, London<br />
Architektur und Tragkonstruktionen II,<br />
Tragwerksanalyse, Anne Mikoleit, 23.03.08
18Prager Straße<br />
Architekten/Stadtplaner: Peter Sniegon, Hans Konrad<br />
und Kurth Röthig, 1965–78<br />
Quellen:<br />
Broschüre zur Studentenexkursion 2007 der HS<br />
Karlsruhe nach Dresden und Prag mit Prof. Florian<br />
Burgstaller<br />
http://de.wikipedia.org/wiki/Prager_Stra<br />
Die Prager Straße wurde zwischen 1851 und 1853 als Verbindung zwischen<br />
der Dresdener Altstadt und dem Böhmischen Bahnhof, der nach seinem Abriss<br />
und Wiederaufbau in Hauptbahnhof umbenannt wurde, erbaut. Im Zuge der Industrialisierung<br />
wurden neue Wohnungen und Straßen benötigt, die auch die<br />
engen Gassen der Altstadt entlasten sollten. Anwohner beschwerten sich bereits<br />
um 1840 und als schließlich der Böhmische Bahnhof erbaut werden sollte, wurde<br />
eine Verbindung zwischen Innenstadt und Bahnhof nötig. Aufgrund der<br />
Knappheit an Bauland wurde beschlossen, die Prager Straße geschlossen zu<br />
bebauen. Sie entwickelte sich zu einer der prächtigsten Straßen in Dresden mit<br />
zahlreichen Einkaufs- und Vergnügungsmöglichkeiten. Einige architektonisch besonders<br />
bemerkenswerte Bauten waren das Viktoriahaus, das Residenzkaufhaus<br />
und das Gebäude der Feuerversicherungsgesellschaft.<br />
1945 wurde das Areal bei den Luftangriffen auf Dresden fast vollständig zerstört.<br />
Mit einem Architekturwettbewerb wurde der Wiederaufbau 1962 eingeläutet.<br />
Es gab verschiedene Meinungen über die Umsetzung. Während einige<br />
Architekten für den teilweise originalgetreuen Aufbau plädierten, lehnten andere<br />
diese Vorstellung ab und befürworteten eine völlige Neubebauung. Keiner der<br />
Architekten war jedoch für die Wiederherstellung der Platz sparenden geschlossenen<br />
Bauweise. Ein Grund hierfür war, dass die Menschen im Feuersturm nur<br />
sehr schwer aus den engen Häusern fliehen konnten. Zwischen 1965 und<br />
1978 entstand die neue Prager Straße. Im Westen wurden zwischen 1967<br />
und 1970 drei Interhotelbauten errichtet. Auf der breiten Straße entstanden verschiedene<br />
Wasserspiele und Grünanlagen. Die Prager Straße entwickelte sich<br />
in den 1970er und 1980er Jahren durch die zahlreichen Einkaufsmöglichkeiten,<br />
die Hotels und das Rundkino zum wichtigsten Fußgänger-Boulevard in Dresden.<br />
In den Jahren 1976 bis 1978 wurde das bekannte Centrum Warenhaus<br />
erbaut. Dieses Gebäude war durch seine markante Aluminiumfassade gekennzeichnet.<br />
Nach 1990 zog dort Karstadt ein, inzwischen wurde es abgerissen.<br />
Am 8. Oktober 1989 wurde auf der Prager Straße während der Demonstrationen<br />
gegen die SED-Herrschaft die Gruppe der 20 gegründet. Daran erinnert<br />
heute eine Gedenkplatte. Beim Elbehochwasser 2002 wurde der südliche Teil<br />
der Prager Straße von der über die Ufer getretenen Weißeritz überflutet.
Im Zuge der Neugestaltung der Prager Straße wurde dieser Entwurf für einen Kinoneubau<br />
ausgewählt. Gewünscht war eine geschwungene Form, als Kontrast<br />
zu der kubischen Nachbarbebauung. Die Rotunde mit einem Durchmesser von<br />
50 m entsprach dieser Forderung am konsequentesten. Das ursprünglich freistehende<br />
zylindrische Gebäude hat eine Höhe von 20 m und wird äußerlich in<br />
drei Ebenen gegliedert. Das Erdgeschoss umläuft eine Glasfront, die zur Prager<br />
Straße zugunsten einer Arkade zurückgesetzt wird. Die Fassade des 1. OG besitzt<br />
ein vorgehängtes Stabwerksornament des Dresdner Grafikers Gerhard<br />
Papstein. Das 2. OG ist mit weiß emaillierten Metallbändern verkleidet, zwischen<br />
denen der mit schieferfarbenem Granulat beschichtete Saalkörper zu se -<br />
hen ist. Die so entstehenden vertikalen „Zebrastreifen“ verleihen optisch mehr<br />
Höhe und lockern den kompakten Baukörper auf.<br />
Im Inneren des Gebäudes befindet sich der 1018 Zuschauer umfassende große<br />
Saal sowie in der Tiefebene der kleine Saal für 132 Zuschauer, welcher zu<br />
DDR-Zeiten als Filmkunstkino genutzt wurde. Ein großzügiges Foyer mit Garderoben<br />
im Erdgeschoss empfängt den Besucher. Über die breite Freitreppe gelangt<br />
man in das Obergeschoss mit dem umlaufenden Flaniergang und Imbiss-Raum.<br />
Der große Saal wurde bis zu seiner Schließung auch zu anderen Veranstaltungen<br />
genutzt, wie Jugendweihen, Versammlungen, Kongresse, Pop- und Schlagerkonzerte<br />
oder anderem.<br />
Für das Rundkino unvorteilhaft wirkte sich in den 90er Jahren die Umbauung des<br />
als Solitär geplanten Lichtspieltheaters aus. Die einschnürende Bebauung von<br />
Günter und Holger Just (Wöhrl-Plaza von 1995–96) drängte den charismatischen<br />
Rundbau in den Hinterhof ab und nahm ihm dadurch die auf Weitwirkung<br />
berechnete Ausstrahlung. Damalige städtebauliche Planungen des gleich -<br />
zeitig als Stadtplanungsdirektor fungierenden Günter Just sahen (und sehen) eine<br />
Verengung der Prager Straße auf die ursprüngliche Breite von 19 Metern vor,<br />
um mehr Dichte, Urbanität oder weniger luftige Zugigkeit zu erzeugen. Allerdings<br />
schnitt diese veränderte Nachwendeplanung vorhandene Entwürfe für ein<br />
städtebauliches Umfeld des Rundkinos aus den 80er Jahren ab. Bereits als Kellergeschosse<br />
errichtete Fundamente von neuen postmodernen Wohngebäuden<br />
(ähnlich denen an der Ferdinandstraße) wurden Anfang der 90er Jahren wieder<br />
abgerissen. Sie hätten jedoch den freien Blick auf das Rundkino von der Prager<br />
Straße aus gewährleistet.<br />
19<br />
Rundkino<br />
Prager Straße 6<br />
Architekten: Gerhard Landgraf,<br />
Waltraud Heischkel, 1970/72<br />
Ausstattung: Deutsche Werkstätten Hellerau
20UFA-Kristallpalast<br />
St. Petersburger Straße 24a<br />
Architekten: Coop Himmelb(l)au (Wolf D. Prix und<br />
Helmut Swiczinsky), 1997/98<br />
„In klarer, geometrischer Ordnung bilden die schlanken Scheibenhochhäuser an<br />
der Prager Straße in Dresden ein städtebauliches Ensemble, das mit dem Hauptbahnhof<br />
im Süden und dem Übergang zum Altmarkt im Norden ein typisches<br />
Ergebnis der Stadtplanung der 60er Jahre ist. Diesem Ensemble wurde mit dem<br />
Kinozentrum ein weiteres Element hinzugefügt, das einen neuen öffentlichen<br />
Raum östlich der Prager Straße definiert und damit zugleich die Querbezüge zur<br />
großen Achse verstärkt. Zur Belebung dieses neu gewonnenen urbanen Raumes<br />
werden sämtliche Zugänge zum komprimierten „Kinoblock“ als öffentliches Ereignis<br />
inszeniert. Das weite Foyer, die skulptural ausgeformten Treppenanlangen,<br />
die in einen Drahtkegel eingehängte Bar und zusätzliche Servicefunktionen<br />
werden weithin sichtbar in den öffentlichen Raum eingestellt und von einer kristallinen<br />
Stahl-Glaskonstruktion umfasst, die diesem neuen Treffpunkt inmitten der<br />
Stadt ein einprägsames Zeichen mit weiter Ausstrahlung gibt.<br />
In bewegtem Kontrast zu den sonst zumeist monofunktional konzipierten und im<br />
Gefüge der Stadt hermetisch abgeschlossenen Baukörpern solcher Unterhaltungsmaschinen<br />
wird hier dem Publikum eine vielfältig bespielbare Bühne gegeben,<br />
auf der sich vor allem die jüngere Generation spielerisch darstellen kann.<br />
Durch die Sichtbarkeit der Bewegungen und Interaktionen im – zumal abends<br />
hell erleuchteten – „Kristall“ wird der transparente Baukörper selbst gleichsam zu<br />
einem Medium der Öffentlichkeit, das für die Wiedergewinnung von Urbanität<br />
in unseren Städten einen beispielhaften Beitrag leisten kann. In der expressiven<br />
Formensprache kommt gegenüber der strikten Geometrie der Umgebung eine<br />
fast anarchisch anmutende Vitalität zum Ausdruck, die gerade in dieser Gelenksituation<br />
zwischen Altstadt und Nachkriegsmoderne einen bemerkenswerten, zukunftsweisenden<br />
Akzent von hoher gestalterischer Qualität setzt.“<br />
Text aus der Laudatio zur Verleihung des Deutschen Architekturpreises 1999
Das Kino in der Prager Straße in Dresden ist eines der ersten größeren realisierten<br />
Bauten des Büros Coop Himmelb(l)au der Wiener Architekten Helmut<br />
Swiczinsky und Wolf D. Prix. Deren konzeptionelle und provokante Architekturvorstellungen<br />
wurden Ende der neunziger Jahre erstmals mit hohem digitalem<br />
und bautechnischem Aufwand für umgerechnet rund 25 Millionen Euro realisiert.<br />
Das Kino wurde in Form eines verzogenen, spitzwinkligen, zerfließenden<br />
Glaskristalls errichtet. Als Standort wählte der Bauherr eine Baulücke zwischen<br />
der Verkehrsschneise der St. Petersburger Straße und der Prager Straße. Der<br />
neue UFA-Palast liegt in unmittelbarer Nähe zum bestehenden, denkmalgeschützten<br />
„Rundkino“. Zur St. Petersburger Straße hin zeigt sich die rohe Betonstruktur<br />
des Neubaus mit einem Gitterrost verkleidet. Eingangsbereich und die<br />
gefaltete Glas front sind zur Prager Straße hin orientiert. Im durch Sichtbeton und<br />
Stahl geprägten Innenraum herrscht überwiegend dekonstruierte Ruppigkeit;<br />
eine „Skybar“ schwebt als Attraktion unter dem Glashimmel.<br />
Das Raumerlebnis lebt gleichermaßen von den ungewohnten Geometrien und<br />
der unorthodoxen Verwendung und Fügung der Materialen Stahl, Glas und Beton.<br />
Besonders eindrucksvoll sind dabei die haushohen Betonwände im Foyer.<br />
Der hellgraue Beton weist eine sehr glatte Oberfläche auf. Konstruktiv lässt sich<br />
das Kino in zwei unterschiedliche Bereiche aufteilen: den Saalkomplex und das<br />
Foyer. Der Saalkomplex ist als monolithisches Bauwerk mit großen Raumhöhen,<br />
Deckensprüngen und teilweise geneigten Wänden konstruiert. Das Foyer wird<br />
von einer Glas-Stahl-Konstruktion abgeschlossen und beinhaltet eine raumbildende<br />
Kaskade stählerner Treppenläufe sowie zwei eigenwillig geknickte Türme für<br />
die Aufzüge. Das Fugenbild der Betonoberflächen wurde von den Architekten<br />
vorgegeben. Die letztlich realisierte Architektur sei eher eine Spar-Variante gegenüber<br />
den ursprünglichen Entwürfen gewesen, erläuterte Objektleiterin Silke<br />
Dikomey. Eigentlich sei geplant gewesen, in einen dreieckigen kristallinen Baukörper<br />
zwei Quader als Kinosäle zu hängen, die über eine lange gewundene<br />
Spiraltreppe zugänglich gewesen wären. Auch seien beleuchtete Fußböden vorgesehen<br />
gewesen. Diese Ideen seien aber zu teuer und zu unpraktisch gewesen.<br />
Quellen:<br />
www.baunetz.de (Januar 07)<br />
www.coophimmelblau.at<br />
http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Dresden_<br />
Ufa_Cinema_Center.jpg
22Neumarkt<br />
Prof. Dipl.-Ing. Horst Thomas<br />
Die Neubebauung um den Dresdner Neumarkt und die Frauenkirche<br />
Nach Beendigung der Diskussionen um die Frage, ob die Frauenkirche rekonstruiert<br />
werden solle oder nicht, setzte – nach der Entscheidung dafür und bei<br />
fortschreitender Bautätigkeit – die Diskussion um die Gestaltung der Umgebung<br />
ein. Dieses ehemals dicht bebaute Quartier um den Neumarkt, das bis ins 16.<br />
Jahrhundert teilweise außerhalb der befestigten Stadt lag und im Rahmen des<br />
Ausbaus der kurfürstlichen Residenz um 1530 einbezogen wurde, war 1945<br />
völlig zerstört worden.<br />
1. Zur Nachkriegsgeschichte und zu ersten Vorstellungen der Wiederbebauung<br />
Im Gegensatz zur Frauenkirche, deren Ruine und Trümmerberg als Mahnmal gegen<br />
den Krieg stehen gelassen wurde, sind die Ruinen der Quartiere um den<br />
Neumarkt abgeräumt worden und blieben unbebaut. Die großenteils erhaltenen<br />
historischen Keller wurden verfüllt, blieben aber erhalten. Die völlig ungegliederte<br />
Freifläche südwestlich der Kirchenruine reichte bis zum Altmarkt und wurde<br />
von diesem erst 1969 durch den Bau des Kulturpalasts getrennt. Zwischen der<br />
nördlich der Frauenkirche gelegenen Töpferstraße und dem reparierten bzw. rekonstruierten<br />
Gürtel von Monumentalbauten entlang der Elbe, entstand seit den<br />
späten 1980er Jahren ein Hotelkomplex (heute Hilton) sowie Wohnungen in angepassten,<br />
d.h. anspruchsvolleren Plattenbauten der späten DDR-Zeit.<br />
Für eine Wiederbebauung des Gebiets wurde schon früh die Konzeption entwickelt,<br />
dass besonders wichtige und gut dokumentierte Bauten der Vorkriegszeit<br />
als Leitbauten rekonstruiert werden sollten. Für die daneben und dazwischen<br />
gelegenen Bauten wurden jedoch zeitgemäße Lösungen angestrebt, die<br />
sich am Maßstab der Umgebung orientieren und mit Putzfassaden einfügen sollten.<br />
Eine Gestaltungssatzung von 2002 sieht in den 8 Quartieren auf über 100<br />
zu bebauenden Parzellen 60 Leitbauten vor. Neben der Orientierung am Maßstab<br />
der Leitbauten war die zentrale Frauenkirche Orientierung für die Neubauten,<br />
für deren Traufhöhe die Höhe der senkrechten Mauern der Kirche verbindlich<br />
vorgegeben wurde. Die zu bebauenden Quartiere entsprechen denen der<br />
Vorkriegssituation, wodurch nicht nur die Platzanlage des Neumarktes und die<br />
anschließende Platzfläche des Jüdenhofs, sondern auch die teilweise nicht mehr<br />
erkennbaren Straßen und Gassen wiedererstehen sollten.
2. Einschätzungen und Warnungen eines Denkmalpflegers<br />
Bereits im Jahr 2000 erklärte Thomas Will, Professor für Denkmalpflege und Entwerfen<br />
an der TU Dresden, in einem Vortrag, dass es sich beim Wiederaufbau<br />
des Gebiets nicht um eine denkmalpflegerische Aufgabe handele, weder nach<br />
seinem Verständnis als Denkmalpflegelehrer noch nach dem öffentlichen Willen<br />
– wie er sich im Denkmalschutzgesetz niedergeschlagen hat. Allenfalls Umgebungsschutz<br />
könne reklamiert werden, wobei dieser – da ja keine Umgebung<br />
mehr da war – über wichtige und gut dokumentierte ehemalige Einzelgebäude,<br />
die im Rahmen der Neubebauung wieder erstehen sollten, eher indirekt hergeleitet<br />
werden könne.<br />
Er warnte vor der positivistischen Auffassung, Kulturgüter seien mit Hilfe heutiger<br />
Technik reproduzierbar, kopierbar, aus denkmalpflegerischer Sicht sei eine solche<br />
Haltung sogar gefährlich, da sie die leichtfertige Beseitigung verbliebener<br />
Reste – im Bewusstsein ihrer Wiederherstellbarkeit – eher fördere. Wichtig waren<br />
ihm allerdings die historischen Keller, deren Erhaltung und Einbeziehung er<br />
als Chance sah. Er sah in ihnen Zeugen der Stadtgeschichte, die als städtebauliches<br />
Potenzial begriffen werden sollten und durch deren Einbeziehung eine<br />
wahrhafte Architektur des Ortes und der Erinnerung entstehen könnte. Im Übrigen<br />
sollte die Frage der Wiederbebauung weniger gereizt und mit Gelassenheit<br />
und Toleranz geführt werden, schließlich ginge es ja nicht um ein einzelnes<br />
Kunstwerk, das mit unbeirrbarer Konsequenz vollendet werden müsste, sondern<br />
um ein Stück Stadt, für die man zwar auch ein Leitbild brauche, jedoch keine<br />
fertige Ideallösung.<br />
Will sah – die bereits getroffene Entscheidung für eine Rekonstruktion voraussetzend<br />
– zwei alternative Szenarien, wobei er keinen Hehl aus der Bevorzugung<br />
der zweiten macht (sinngem. und gekürzt):<br />
- die statische, vermeintlich „historische“ Lösung: Rekonstruktion mit selektiven<br />
historischen Formen, bei der das nicht minder selektive Bild einer vergangenen<br />
Epoche beschworen wird; Reduzierung der Altstadt auf den musealen<br />
Nachbau, mit der Gefahr einer kunstgewerblichen Stadtattrappe und vermutlich<br />
Preisgabe der alltäglichen städtischen Funktionen; oder<br />
- Rekonstruktion als Reurbanisierung, als unmissverständliche Reparatur;<br />
Möglichkeit der Mischung unterschiedlicher Ansätze auf der Basis überlieferter<br />
städtebaulicher Regeln und materieller Strukturen; Zugeständnisse an städtisches<br />
Leben unter Verzicht auf Planungsziel des großen, fertigen Kunstwerks;<br />
Bereitschaft zum Risiko der architektonischen Einfühlung, aber auch zur Banalität,<br />
anstelle des verordneten Idealbilds.<br />
Blick vom Rathaus in Richtung Prager Straße direkt<br />
nach dem Krieg und zu Beginn des Wiederaufbaus
3. Das Vergabeverfahren der Stadt<br />
Wills Empfehlung für eine kleinteilige Bebauung mit unterschiedlichen architektonischen<br />
Ansätzen auf einer gemeinsamen Plattform könnte mit seinen Empfehlungen,<br />
die historischen Keller zu nutzen, wohl nur auf der Grundlage eines individuellen<br />
Wiederaufbaus der einzelnen Grundstücke realisiert werden. Eine solche<br />
Lösung wäre jedenfalls am besten geeignet, die Normalität städtischen Lebens<br />
und urbaner Vielfalt sowie städtische Wandelbarkeit zu erreichen. Auf<br />
solch mühselige, die Fertigstellung des Wiederaufbaus hinauszögernde Verfahrensweise<br />
scheint sich die Stadt nicht einlassen zu wollen. Die Vergabe erfolgt<br />
wohl in größeren Einheiten, was zu Großlösungen mit Hotelkomplexen, Einkaufspassagen<br />
usw. führt, die sich – dem vagen Muster der Vorkriegsbebauung<br />
folgend – hinter kleinteiligen und unterschiedlichen Fassaden tarnen. Beispielhaft<br />
wird in einem Kolloquium von einem potentiellen Investor berichtet, der vorhatte,<br />
nur ein einzelnes, im Übrigen wichtiges Haus wiederaufzubauen, das aber originalgetreu.<br />
Angeblich soll die Stadt abgelehnt haben.<br />
4. Die ersten Ergebnisse stoßen auf Kritik<br />
Einige Blöcke sind bereits fertig gestellt, andere im Bau bzw. in Vorbereitung.<br />
An den Ergebnissen gibt es viel Kritik. Bei einem Kolloquium der Sächsischen<br />
Akademie der Künste waren sich fast alle Experten einig in der Bewertung, dass<br />
die Stadtentwicklung viele Fehler machen würde, die nur schwer zu beheben<br />
seien. Zudem wird beklagt, dass die Investoren sich nicht an die vorgegebenen<br />
Regeln halten. Statt traditionelle <strong>Ziegel</strong>bauweise zu verwenden, werden Fassaden<br />
aus Beton gegossen, statt Putzfassaden werden bisweilen Plattenverkleidungen<br />
verwendet. Die durch die großteilige Vergabepraxis entstehenden Großnutzungen<br />
und ihre kleinteiligen Fassadengestaltungen werden als Mogelpackungen<br />
bezeichnet. Im Übrigen gibt es viel Kritik an der architektonischen Qualität<br />
der Bauten. Ein früherer Baubürgermeister (und Architekt) hält die im an die Töpferstraße<br />
angrenzenden Quartier I entstandene Glaspassage für die schlechteste<br />
Einkaufspassage der Stadt mit grob verarbeitetem Glasdach und einem Ausblick<br />
auf trist gestaltete Rückfassaden und spricht von einem Skandal.
5. Fazit<br />
Der Wiederaufbau der Quartiere um den Dresdner Neumarkt ist noch lange<br />
nicht abgeschlossen. Die bisher erkennbaren Ergebnisse stoßen auf breite Kritik<br />
und es bleibt abzuwarten, ob sich dadurch Änderungen in der Verfahrenspolitik<br />
ergeben. Dies könnte schon durch eine andere – kleinteiligere, sicher dadurch<br />
auch mühevollere und längere Realisierungszeit bedürfende – Vergabe der<br />
Grundstücke geschehen, sei es durch die stärkere Kontrolle der Einhaltung örtlicher<br />
Bauvorschriften, sei es durch stärkeren Einsatz oder Einfluss der Bauberatungsgremien.<br />
Das Gebiet um die mit großer Authentizität rekonstruierten Frauenkirche<br />
stellt sich dar als städtebaulich maßstäbliches aber letztlich historisierendes<br />
Bauen, bei dessen Bewertung es darauf ankommt, inwieweit man mit einer<br />
passenden Rahmung und auch touristisch verwertbarer Stimmigkeit zufrieden ist<br />
oder ob man architektonische Ansprüche an Neubauten in einer derart prominenten<br />
Umgebung stellt und diese sogar als Herausforderung zur Ausbildung<br />
einer besonderen Qualität versteht.<br />
Dazu noch einmal der Denkmalpfleger und Architekt Prof. Thomas Will: Wenn<br />
in einer Stadt einige Hüter des guten Geschmacks glauben, das Image damit<br />
pflegen zu müssen, dass sie am Neumarkt eine „gute Stube“ einrichten wollen,<br />
bei der es für zeitgenössische Architekten heißt: „Wir müssen draußen bleiben“,<br />
dann zeigt das, dass es ihnen nicht um Baukultur geht oder um Ästhetik im<br />
Sinne eines Erlebens schöner, interessanter Stadträume. Worum geht es dann?<br />
Um Ausgrenzung der Gegenwart unter dem Vorwand einer zurückholbaren Vergangenheit<br />
oder um plumpen Touristenfang. Zur Schaffung eines angenehmen<br />
Heimat- und Aufenthaltsorts müsse stattdessen beides vorhanden sein: das richtige<br />
Maß an Vertrautheit wie an Neuem. Nach Wills Überzeugung kann das<br />
Neue nicht vom Neumarkt fern gehalten werden, wenn nicht etwas Enttäuschendes<br />
entstehen soll.<br />
zusammengefasst aus veröffentlichten Berichten<br />
und Meinungen und eigener Besichtigung der<br />
ersten Rohbauten<br />
von Horst Thomas<br />
insbesondere verwendet:<br />
- Thomas Will: „Rekonstruktion der europäischen<br />
Stadt? – Zur Diskussion um den Dresdner Neumarkt“;<br />
db 3/2001<br />
- wikipedia.org/wiki/Neumarkt_Dresden
26Zum Wiederaufbau der Frauenkirche<br />
Neumarkt<br />
Architekt: George Bähr, 1726–43<br />
Prof . Dipl.-Ing. Horst Thomas<br />
Prof. Dipl.-Ing. Horst Thomas, Architekt, Stadtplaner,<br />
Denkmalpfleger, Georg-Simon-Ohm Hochschule,<br />
Nürnberg<br />
Planergruppe HTWW, Wiesbaden, Aschaffenburg,<br />
Erfurt<br />
Deutsche Akademie für Städtebau und Landesplanung<br />
Arbeitskreis Theorie und Lehre der Denkmalpflege<br />
e.V.<br />
1. Die städtebauliche und baugeschichtliche Bedeutung der Frauenkirche<br />
Kaum ein im 2. Weltkrieg zerstörtes Bauwerk hat solche Diskussionen, Emotionen<br />
und Aufwendungen initiiert wie die Frauenkirche. Ein wesentlicher Grund<br />
dafür kann darin gesehen werden, dass dieser in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts<br />
errichtete Bau architektonisch, baukonstruktiv wie städtebaulich von<br />
höchster Bedeutung war. Um die singuläre architektonische Qualität – die keine<br />
Nachfolge gefunden hat – im vorgegebenen hochwertigen Standard wiedererstehen<br />
zu lassen, mussten enorme baukonstruktive Probleme gelöst werden, über<br />
die zusammenfassend zu berichten ist.<br />
Entscheidender Auslöser für das gewaltige Unterfangen war sicher in erster Linie<br />
die städtebauliche Wirkung, die als steinerne Glocke die städtebauliche Neuordnung<br />
zur Zeit August des Starken vollendete und die der Stadt den Namen<br />
Elbflorenz eingebracht hat.<br />
Friedrich August, später gen. der Starke, gelang es, zum Ausbau seiner Residenz<br />
eine Reihe hervorragender Künstler und Baumeister nach Dresden zu holen<br />
und die höfische Baukunst stand in voller Blüte. Der Zimmermeister George Bähr<br />
hatte sich durch Kirchenbauten im Erzgebirge für höhere Aufgaben qualifiziert<br />
und erhielt 1722 den Auftrag für die protestantische Hauptkirche der Stadt.<br />
Sein erster Entwurf sah bereits einen Zentralbau mit hoher Kuppel vor und folgte<br />
damit einer grundsätzlichen Konzeption dieser Zeit über den protestantischen<br />
Kirchenbau. Die Realisierung war umstritten, es gab Gegenentwürfe anderer<br />
Baumeister, schließlich setzte sich Bähr mit einem neuen Entwurf (und reduzierten<br />
Kosten) durch.<br />
2. George Bähr als avantgardistischer Baumeister<br />
Der Bau wuchs bis unter die Kuppel, dann legte der Baumeister eine Planänderung<br />
zur Genehmigung vor: er wollte die Kuppel aus Stein und steinsichtig ausführen.<br />
Vermutlich hat er die Fundamente bereits zu Beginn für die entsprechen -<br />
den Lasten ausgelegt. Es kam zum Streit, Kollegen warnten ihn, schließlich setz -<br />
te er sich durch. Als er dann auch noch die Laterne aus Stein errichten will,<br />
kommt es zu neuem Streit. Die Kuppel hat zu dieser Zeit massive Risse. Nach<br />
einer Besichtigung der Schäden stirbt Bähr entkräftet und sein Schüler führt den<br />
Bau zu Ende – mit hölzerner Laterne.
George Bähr hat in einer Zeit, in der es noch keine statischen Berechnungen<br />
gab, Vorstellungen über die Lastabtragung des riesigen Bauwerks mit seiner hohen<br />
und schweren Steinkuppel und der flacheren und daher gefährlicheren Innenkuppel<br />
entwickelt, die ihn als avantgardistischen Konstrukteur ausweisen. In<br />
die Steinkuppel legte er ringförmig mehrere Eisenanker ein, die er allerdings nur<br />
unzureichend anspannen konnte (mit Wärme und Keilen). Die Kuppel ruht auf 8<br />
dünnen Pfeilern, die in tiefe, v-förmige Wandscheiben übergehen, die er Spieramen<br />
nannte. Den Lastabtrag der Kuppel stellte er sich pyramidal vor, d.h. dass<br />
die Spieramen in ihrer Tiefe nicht nur den verbliebenen (über die Aufnahmefähigkeit<br />
der Ringanker hinaus gehenden) Teil der horizontalen Kräfte aufnehmen<br />
sollten, sondern auch einen Teil der vertikalen. Zu diesem Zwecke ordnete er zusätzliche<br />
Anker in den oberen Spieramen an, die er jedoch nicht ausreichend<br />
anspannen konnte. Daher waren die inneren Pfeiler tatsächlich erheblich überlastet.<br />
Der Bau riss auch im Bereich der Spieramen massiv (im Bereich der Emporendurchgänge)<br />
aber stand bis 1945.<br />
Zu den der Zeit weit vorauseilenden Besonderheiten Bährs gehörte auch die<br />
Steinsichtigkeit der Kuppel. Die – älteren – Kuppeln von Florenz und Rom besitzen<br />
eine Dachdeckung aus <strong>Ziegel</strong> bzw. Metall. Bähr wollte eine Kirche bauen<br />
„aus einem Stein“. In einer Zeit, in der es üblich war, Holzaltäre mit Stuckmarmor<br />
zu überziehen, um ihnen das Aussehen eines anderen Materials zu verleihen,<br />
verfolgte er bereits Materialgerechtigkeit. Möglicherweise reicherte er den<br />
Mörtel der Kuppel mit Milch und Eiern an, die in so großen Mengen geliefert<br />
worden waren, dass sie nicht durch die Versorgung der Bauleute erklärt werden<br />
können.<br />
In den 20er Jahren kam es zu umfassenden Konstruktionsverstärkungen. Ein<br />
Ring anker wurde von innen in die untere Kuppel eingebaut, jedoch war auch<br />
deren Vorspannung noch nicht möglich (Ing. Prof. Rüth). Außerdem wurden zusätzliche<br />
Fundamente angeordnet. Die gerissenen Pfeilerquader wurden mit<br />
Flacheisen bandagiert.<br />
1945 überstand die Frauenkirche den Luftangriff und die Zerstörung der Stadt.<br />
Ein Brand im Inneren führte zu Steinabplatzungen an den überlasteten Pfeilern<br />
und das brachte die Kuppel zum Einsturz und zerstörte den Bau bis auf wenige<br />
Ruinenteile, zu denen auch die Unterkirche gehörte.
3. Die Frage der Rekonstruktion als denkmalpflegerischer Streit<br />
Nach der Zerstörung gab es umfangreiche Untersuchungen (u.a. Henn und<br />
Siegel), und während die Monumentalbauten zur DDR-Zeit wiederhergestellt<br />
oder rekonstruiert wurden, wagte man sich nicht an die Frauenkirche, sondern<br />
erklärte den Trümmerberg als Mahnmal.<br />
Nach der Wiedervereinigung führte die Forderung nach dem Wiederaufbau zu<br />
einem erbitterten Streit, auch innerhalb der Denkmalpflege. Das politische Argument,<br />
der Wiederaufbau der Kirchen von Köln, Nürnberg usw. müsse wegen<br />
der politischen Verhältnisse eben jetzt nachgeholt werden, wollte man letztlich<br />
doch gelten lassen – trotz der Vorbehalte, dass ein Denkmal nicht beliebig reproduziert<br />
werden könne.<br />
4. Die konstruktiven Fragen des Wiederaufbaus<br />
Die erste bindende Festlegung war die eines archäologischen Wiederaufbaus,<br />
also nicht mit anderem Material für Kuppel und Innenpfeiler, sondern so wie<br />
Bähr den Bau errichten ließ. Nach zahlreichen Untersuchungen wurden die Ingenieure<br />
Wenzel und Jäger beauftragt. Mit Ihnen waren zahlreiche weitere Büros<br />
tätig, die ich hier nicht alle nennen kann. Auch muss ich mich auf die Darstellung<br />
weniger grundsätzlicher Problemlösungen konzentrieren.<br />
Zwei Fragenkomplexe beinhalteten grundsätzliche Zielkonflikte:<br />
4.1<br />
Kann die Forderung nach archäologischer Rekonstruktion mit den Erfordernissen<br />
nach Sicherheit und Bauschadensfreiheit verbunden werden oder nicht?<br />
4.2<br />
Führen konstruktive Hinzufügungen (z.B. von wirksamen d.h. vorgespannten<br />
Ringankern) Bährs innovative Erfindungen (wie z.B. die Spieramen) ad absurdum?<br />
Zur Erläuterung: Bähr ließ geschmiedete und nicht ausreichend wirksame Zuganker<br />
in die Kuppel einbauen. Den restlichen Schub sollten die Spieramen übernehmen.<br />
Baute man jetzt voll wirksame, vorgespannten Ringanker in die Kuppel<br />
ein und diese würden den Kuppelschub tatsächlich vollständig aufnehmen, so<br />
wären die Spieramen funktionslos und von einem archäologischen Wiederaufbau<br />
könne nicht mehr gesprochen werden.
5. Lösungen<br />
Es sollen einzelne Problemlösungen heraus gegriffen werden.<br />
5.1 Enttrümmerung und Wiederverwendung von Originalsubstanz<br />
Die Enttrümmerung sollte wieder verwendbare Teile bergen, identifizieren und<br />
ihre technische Qualität prüfen. Es sollten so viele Teile der Originalsubstanz<br />
wie möglich wieder an der ursprünglichen Stelle eingebaut werden. 22 Td.<br />
cbm Trümmervolumen wurde Stück für Stück beräumt, 25 % der ehemaligen<br />
Oberfläche wurde identifiziert, davon wurde 25 % wieder eingebaut. Darunter<br />
waren auch zusammenhängende Großteile.<br />
5.2 Lastabtrag des Kuppelgewichts und -schubs<br />
Die schweren Sandsteinkuppeln (außen und innen) lasteten sich überwiegend<br />
auf den 8 dünnen Sandsteinpfeilern ab und überlasteten diese bis zur Steinspaltung.<br />
Der Kuppelschub spaltete die Spieramen, insbes. im Bereich der Perforierung<br />
durch die Emporendurchgänge. Alle alternativen Vorschläge mit Bauteilen<br />
aus Stahlbeton (Kuppel und/oder Pfeiler), aussteifende Stahlbetonscheibe am<br />
Kuppelansatz usw. schieden aus. Die Lösung bestand aus einer Kombination<br />
aus zwei Maßnahmen:<br />
- Der Herstellung der Pfeiler aus ausgesuchter Sandsteinqualität mit doppelt so<br />
hohen Steinformaten, exakt gesägten Lagerflächen, einem speziell bestimmten<br />
hochwertigen Mauermörtel mit lückenlos – immer wieder überprüftem – Mörtelauftrag<br />
in einer Stärke von nur 6 mm. In einer eigens erstellten Mauerwerkrichtlinie<br />
wurden 4 Beanspruchungsklassen definiert, deren anspruchsvollste (oben)<br />
zu einer Verdoppelung der Tragfähigkeit führte.<br />
- Eine weitere Halbierung der Belastung wurde durch die bereits von Bähr beabsichtigte<br />
Lastumlenkung im Sinne seines pyramidalen Lastabtrags erreicht. In<br />
Höhe des Ansatzes der Innenkuppel wurde ein frei schwebender Ringanker<br />
aus Stahl eingebaut. Die Verwendung von Stahl anstelle von Schmiedeeisen<br />
wurde als dem archäologischen Wiederaufbau nicht widersprechend zugelassen.<br />
Ge gen diesen Ring sind strahlenförmig Anker innerhalb der Spieramen<br />
verspannt, in etwa dort wo auch George Bähr seine schmiedeeisernen Anker<br />
eingebaut hat. An deren anderem Ende wurden Betonplomben ins Mauerwerk<br />
eingebaut, die die Spannkräfte im Mauerwerk breiter verteilen sollen. Durch<br />
diese Spannanker werden äußere Kräfte in die Konstruktion eingebracht, die<br />
die Stützlinie verändern und so eine Umlenkung der Lastabtragung bewirken.<br />
Die Last wird so stärker nach außen und in die Spieramen gelenkt und die pyramidale<br />
Lastabtragung erreicht, die Bähr angestrebt hat, jedoch nicht erreichen<br />
konnte.<br />
Durch die – bereits angesprochene – weitere Halbierung der Last auf den Pfeilern<br />
wurde jetzt eine zumindest 4-fache Sicherheit gegenüber dem Vorkriegszustand<br />
erreicht, der ja zumindest standfest war (4 N/qmm statt 12 bis 13<br />
N/qmm; Angaben des Büros Wenzel/Freese).<br />
29
5.3 Baugrund, Fundamente, Ruinenteile<br />
Die Untersuchung der unteren Konstruktionsbereiche befasste sich mit dem Baugrund,<br />
den Fundamenten und der Belastbarkeit der Ruinenteile. Der Baugrund<br />
war gut: fest gelagerter Kies, darunter massiver Fels. Die Fundamentsteine waren<br />
in gutem Zustand und auch die Rüth’schen Betonfundamente der 1920er<br />
Jahre waren in gutem Zustand. Sie wurden rechnerisch jedoch nicht berücksichtigt<br />
und stellen eine zusätzliche Sicherheit dar. Durch zusätzlich angeordnete<br />
Funktionsräume unter der Straße, außerhalb des alten Bauwerks, ist eine zusätzliche<br />
Aussteifung gegeben und Grundbuch ausgeschlossen.<br />
Die Ruinenteile wurden auf ihre Brandschädigung hin untersucht. Diese sind nur<br />
bis in eine Tiefe von 10 cm durch die Hitze verändert, darunter voll tragfähig.<br />
Das belastete Ruinenmauerwerk wird zudem nur nach der geringsten Beanspruchungsklasse<br />
der speziellen Mauerwerksrichtlinie belastet.<br />
5.4 Die Steinsichtigkeit der Kuppel<br />
Die Steinsichtigkeit machte die Kuppel der alten Frauenkirche zu einem ständigen<br />
Befassungsgegenstand der Bauunterhaltung. Er gibt eine (mit Hilfe der Camera<br />
obscura entstandenes) Stadtansicht von Dresden von Bellotto, gen. Cana -<br />
letto (d.J.), bei dem er die Arbeiter auf dem Kuppelanlauf der Frauenkirche mit<br />
gemalt hat, die wohl mit Reparaturen beschäftigt waren.<br />
Um mehr Sicherheit gegen Feuchteschäden zu erreichen, wurden auf die Auflagerrippen<br />
der Decksteine Dübelsteine aus Sandstein in Vertiefungen eingesetzt<br />
und die Decksteine aufgelegt. Unter diesen sorgt eine zusätzliche Entwässerungsebene<br />
für eine sichere Ableitung des Wassers.<br />
6. Alt und neu<br />
Die wiederaufgebaute Frauenkirche besteht aus in situ erhalten gebliebener und<br />
wieder verwendeter originaler Bausubstanz sowie hinzugefügter neuer Substanz<br />
aus gleichem Material. Dabei lässt das Baumaterial am Kirchenäußeren sofort<br />
erkennen, was alt ist und was neu. Diese Unterschiedlichkeit hat für uns heute erklärenden<br />
Wert, zeigt sie uns, was erhalten geblieben ist und was nicht. Wir<br />
werden also nicht getäuscht und es wird uns nicht die Information übermittelt,<br />
der 2. Weltkrieg sei anders verlaufen und habe hier möglicherwei se nicht stattgefunden.<br />
Diese Information ist für diejenige Generation besonders wichtig, die<br />
sich über den Wiederaufbau uneinig war.<br />
Mit fortschreitender Zeit wird diese Information langsam weniger wichtig, weil<br />
andere Themen in den Vordergrund treten. Heute weiß fast niemand mehr, dass<br />
der Campanile von San Marco in Venedig bei einem Erdbeben um die vorletz -<br />
te Jahrhundertwende eingestürzt und kurz danach wieder aufgebaut worden ist.<br />
Mit der Zeit gleicht sich aber auch die Farbe des Sandsteins immer stärker an<br />
und irgendwann wird sie vielleicht gleich sein. Dann gibt es immer noch die unterschiedliche<br />
Bearbeitung der Oberfläche, an der man – aus der Nähe – erkennen<br />
kann, was alt ist und was neu. Diese Information wird sehr lange er halten<br />
bleiben und demjenigen Auskunft geben, der sich dafür interessiert. Der<br />
Wie deraufbau verlässt auch dann noch nicht den Pfad der Ehrlichkeit.
7. Fazit<br />
Als abschließendes Fazit lässt sich sagen, dass der Wiederaufbau der Frauenkirche<br />
in einer Weise erfolgt ist, der den Forderungen nach archäologischer Authentizität<br />
weitest gehend gerecht wird. Die Konstruktion folgt der George<br />
Bährs, statt schlaffem Schmiedeeisen wird vorgespannter Stahl für Anker eingesetzt.<br />
Was Sandsteinmauerwerk war, ist es auch wieder. Das ist – zusammenfassend<br />
gesagt – schon das einzige, was verändert wurde.<br />
Eine abschließende Bemerkung führt zum Anfang der Darstellung zurück. Dem<br />
Gewinn durch den Wiederaufbau der Frauenkirche steht der Verlust der Ruine<br />
gegenüber, die als Mahnmal an Krieg und Zerstörung erinnerte, nicht alleine an<br />
die Zerstörung einer einzigartigen Kirche, sondern an die Zerstörung einer bedeutenden<br />
Stadtanlage und an den Tod unzähliger Menschen.<br />
8. Die Umgebung<br />
Die vor ihrer Zerstörung von der Bebauung am Neumarkt umgebene Frauenkirche<br />
wurde durch die Zerstörung der Stadt auch aus ihrem baulichen Zusammenhang<br />
gerissen. Die Blöcke der Umgebung werden seit einiger Zeit wiederaufgebaut,<br />
angeblich nach historischem Vorbild. Diese Neubebauung folgt jedoch<br />
einer anderen Vorgehensweise als der oben geschilderten. Sie soll in einem<br />
eigenen Beitrag vorgestellt werden.<br />
Horst Thomas<br />
Verwendete Literatur:<br />
„Berichte zum Wiederaufbau der Frauenkirche<br />
zu Dresden – Konstruktion des Steinbaus und Integration<br />
der Ruine“<br />
Herausgeber: Fritz Wenzel<br />
Universitätsverlag Karlsruhe
32Alte Synagoge<br />
Hasenberg 1<br />
Architekt: Gottfried Semper, 1838–40<br />
Chronik<br />
01.11.1837 Unterzeichnung des Kaufvertrages<br />
21.06.1838 Grundsteinlegung der Semper<br />
Synagoge<br />
08.05.1840 Einweihung der Synagoge<br />
1900 Israelische Religionsgemeinschaft Dresden<br />
wächst auf 5400 Mitglieder<br />
1932 ca. 5000 Dresdner Juden<br />
1933 Erste antijüdische Maßnahmen in Dresden,<br />
Verhaftungen, Beginn der Emigration<br />
09.11.1938 Zerstörung der Synagoge in der<br />
sog. Reichsprognomnacht<br />
1942 Beginn der Deportation Dresdner Juden in<br />
Konzentrationslager<br />
1945 Wiederaufnahme der Arbeit der Jüdischen<br />
Gemeinde in Dresden, weniger als 100 Gemeindemitglieder<br />
1949/1950 Aufbau der zerstörten Beerdigungshalle<br />
des Friedhofs Fiedlerstraße zur Interims-Synagoge<br />
18.06.1950 Weihe der Synagoge auf der<br />
Fiedlerstraße<br />
1996 Gründung des Förderkreises für den Neubau<br />
der Dresdner Synagoge<br />
1997 Entscheidung für Entwurf „Neubau Synagoge“<br />
der Architekten Wandel, Höfer, Lorch<br />
09.11.1998 Erster Spatenstich für eine neue<br />
Synagoge in Dresden<br />
21.06.2000 Grundsteinlegung in Anwesenheit<br />
der Schirmherren<br />
16. März 2001 Richtfest<br />
09.11. 2001 Einweihung der Neuen Synagoge<br />
Dresden<br />
www.freundeskreis-synagoge-dresden.de/chronik.htm<br />
18.07.2008<br />
Quelle:<br />
Informationsmappe Förderverein Bau der<br />
Synagoge Dresden e.V.<br />
Der Bau der Synagoge in Dresden (1838–40)<br />
Nachdem die Gemeinde einen Bauplatz am früheren Gondelhafen unterhalb<br />
der Brühl´schen Terrasse käuflich erworben hatte, wandte sich das „Comité zur<br />
Begründung einer allgemeinen Synagoge“ an Gottfried Semper. In Anlehnung<br />
an den Typus der byzantinischen Kreuzkuppelkirche wählte Semper eine Bauform,<br />
die innen und außen in eindrucksvoller Weise den Charakter einer Predigt-<br />
und Versammlungsstätte erkennen ließ. Die überhöhte Mitte wurde innen<br />
mit einem achtteiligen Klostergewölbe überdeckt, von dessen Scheitel ein Strahlenbündel<br />
auf blauem Grund ausging. Außen gab sie dem Bau als kräftiges<br />
Oktogon mit einem pyramidalen Dachabschluss ein markantes Aussehen.<br />
Im Inneren des quadratischen Hauptbaues fand an der Ostwand der um sieben<br />
Stufen erhöhte Thoraschrein, vor ihm das Lesepult und die in die Balustrade ingeordnete<br />
christliche Kanzel Platz. An den übrigen drei Seiten erhoben sich die<br />
doppeletagigen Frauenemporen. Semper entwarf die gesamte Innenausstattung<br />
und erzielte damit eine äußerst geschlossene Raumwirkung. Die der maurischen<br />
Kultur (Alhambra in Granada) entlehnten Motive wie Zackenbogen und Kapitellformen<br />
deuten sinnbildhaft auf das Judentum, auf die Verschmelzung der orientalischen<br />
mit der europäischen Kultur. Außen zeigte sich der Bau in kraftvoller,<br />
aber stilistisch weitgehend neutraler Gestalt. Nur sparsam waren romanische<br />
Schmuckelemente (Rundbogenfries, Zwerggalerie) eingesetzt. Mit der barbarischen<br />
Zerstörung der Dresdner Synagoge in der Reichsprogromnacht, am 9.<br />
November 1938, ist ein Gebäude dem Erdboden gleichgemacht worden, das<br />
vorbildhaft für spätere derartige Bauten wirkte und zudem der einzige Sakralbau<br />
gewesen ist, den Gottfried Semper jemals in seinem reichen Arbeitsleben<br />
hat errichten können.
Am Jahrestag der Zerstörung der alten Synagoge Dresdens, dem 9. November,<br />
wurde 2001 – nach mehr als 60 Jahren – die neue Synagoge eingeweiht. Die<br />
dritten Preisträger des 1997 international ausgelobten Architektenwettbewerbs,<br />
das Architekturbüro Wandel, Hoefer, Lorch und Hirsch aus Saarbrücken, wurden<br />
mit der Realisierung beauftragt. Sie knüpften an demselben Ort an, an dem<br />
1833 Gottfried Semper die erste Synagoge errichtet hatte: am Ende der Brühlschen<br />
Terrassen.<br />
Ein Sakralbau mit in sich nach Osten gedrehtem Kubus – die Gebetsrichtung<br />
nach Jerusalem. Die gewählte Würfelform orientiert sich an den ersten Tempeln<br />
der Israeliten, knüpft so an ursprüngliche Rituale und traditionelle Symbole an.<br />
Auf Fenster wurde verzichtet, da sie die monumentale Wirkung der Wandflä-<br />
33<br />
Neue Synagoge<br />
Am Hasenberg/Rathenauplatz<br />
Architekten: Wandel, Lorch und Hirsch, 1998–2001<br />
Führungen unter:<br />
Jüdische Gemeinde zu Dresden<br />
Synagoge<br />
Hasenberg 1<br />
01067 Dresden<br />
Telefon 0351/65 60 70
Auszeichnung:<br />
Beste Europäische Architektur 2002<br />
Neben der Mediathek in Lyon von Perrault<br />
wurde die Synagoge von Wandel Hoefer<br />
Lorch+Hirsch als beste europäische Architektur<br />
2002 ausgezeichnet.<br />
Lohnende Lektüre:<br />
www.zeit.de/2001/46/200146_synagoge.xml<br />
www.das-neue-dresden.de/synagoge.html<br />
Synagoge Dresden – Architektur des 20. Jahrhunderts<br />
von Wandel, Lorch und Hirsch 2001<br />
chen zerstören würden, vielleicht auch um nicht ein zweites Mal Glasscheiben<br />
klirren zu hören. Die 34 Schichten aus Formsteinmauerwerk des 24 m hohen<br />
Gotteshauses drehen sich schraubenförmig nach oben bis sie die exakte Ausrichtung<br />
nach Osten erreicht haben. Deren Reiz liegt gerade in jener eleganten<br />
Drehung und der feinen Stufung der Quaderblöcke. Nichts Verspieltes, Dekorierendes<br />
findet man an diesem ernsten, konzentrierten Bau, der ganz der inneren<br />
Sammlung dient. Wie ein Bollwerk steht der blockhafte Bau an den vorbeirauschenden<br />
Verkehrsströmen und setzt auf Entschleunigung, Besinnung und introvertierte,<br />
in sich gekehrte Meditation. Architektur gegen die Hast.<br />
Die provokante äußere Glätte der monochromen profillosen Fassade entspricht<br />
ganz dem heutigen architektonischen Zeitgeist und besteht aus massivem Formstein<br />
mit Sandsteincharakter, analog der Klagemauer Jerusalem. Das Eingangstor<br />
ist eine zweiflüglige Holztür von 2,2 Meter Breite und 5,5 Meter Höhe. Der<br />
vergoldete Davidstern, das einzige gerettete Originalstück der Sempersynagoge,<br />
wurde direkt über den Türflügeln angebracht. Der Dresdner Feuerwehrmann<br />
Alfred Neugebauer rettete ihn nach der Progromnacht. Über dem Tor steht<br />
außerdem in goldenen hebräischen Lettern die Inschrift der alten Sempersyn-<br />
agoge: „Mein Haus sei ein Haus der Andacht allen Völkern“.<br />
Alle erforderlichen Elemente eines jüdischen Gottesdienstes finden sich in der<br />
neuen Synagoge wieder. Der Thoraschrein, das Lesepult, das ewige Licht, so -<br />
wie natürlich Sitzreihen und Empore, alles umschlossen von einem symbolischen<br />
Stiftszelt aus Metallgeflecht. Gerade dieser festliche, golden flirrende Vorhang,<br />
der die betende Gemeinde wie ein schützendes Tuch umschließt, birgt eine<br />
wunderschön lyrische Poesie. Er symbolisiert zudem das Flexible, Aufbrechende<br />
des Judentums, während der steinerne Tempel an sich das ewig Währende, Unauslöschliche<br />
des jüdischen Glaubens zum Ausdruck bringt.<br />
Verlässt man das Gotteshaus gelangt man über den Baum bestandenen Innenhof<br />
zum Gemeindehaus. Dieser 1400 qm große 3-geschossige Funktionalbau<br />
mit Foyer dient als Mehrzweckgebäude für die Jüdische Gemeinde Dresden und<br />
als Haus der Begegnung mit dem Judentum. Im Gemeindesaal finden Veranstaltungen<br />
und Konzerte für ca. 300 Gäste statt. 39 Fenster schaffen eine helle,<br />
freundliche Atmosphäre. Eine Bibliothek, Verwaltungsräume, ein Sitzungszimmer<br />
und Schulungsräume sowie das Arbeitszimmer des Rabbiners sind in den zwei<br />
Obergeschossen untergebracht. Die Gemeinderäume sind durch die zum Hof<br />
geöffnete Glasfront von Nordlicht durchflutet. Die edel zurückhaltende, aber äußerst<br />
solid handwerkliche Ausstattung wurde in den traditionsreichen Deutschen<br />
Werkstätten Hellerau angefertigt.
Ausschlaggebend für die Namensfindung „Bellevue“ war die Lage mit dem<br />
„Canaletto-Blick“ und die Tradition eines zerstörten Hotels am gegenüberliegenden<br />
Ufer. Der Entwurf wurde unter der Maßgabe realisiert, die auf dem Grundstück<br />
vorhandene barocke Bausubstanz zu erhalten: das ehemalige Wohn-,<br />
Brau- und Malzhaus ist das letzte Zeugnis einer geschlossenen, zumeist in das<br />
18. Jahrhundert zurückreichende Bürgerhausbebauung, die sich bis zu ihrem<br />
Ab riss 1950 an dieser Straße entlang zog. Nach NW und SO schließt sich<br />
der Neubautrakt des Hotelkomplexes an. Offenkundig hat man sich an der Proportionierung<br />
des Bürgerhauses orientiert, ihm entsprechende Traufhöhe und<br />
Neigung des Kupfer gedeckten Mansarddaches, ebenso die Gliederung der<br />
Achsen und Geschosse. Indem das Projekt von einer japanischen Firma verwirklicht<br />
wurde, versuchte man, einen internationalen Standard in der Tourismusbranche<br />
zu bedienen.<br />
35<br />
Hotel Westin Bellevue Dresden<br />
Große Meißner Straße 15<br />
Architekten: George Bähr, 1724,<br />
Takeshi Inoue (Kajima Corp. Tokyo), 1985<br />
Hotelinformation:<br />
Direkt im <strong>Zentrum</strong>, inmitten malerischer Gärten<br />
am Elbufer gelegen, bietet das Westin Bellevue<br />
Dresden seinen Gästen höchsten Komfort. Durch<br />
seine exponierte Lage präsentiert es den berühmten<br />
„Canaletto-Blick“ auf Dresdens Silhouette,<br />
den einst der Maler Bernardo Bellotto auf seinen<br />
Bildern verewigte. Die Bellevuegärten und die<br />
Terrassen mit herrlicher Aussicht auf Frauenkirche<br />
und Semperoper laden zum Verweilen ein. Das<br />
„Canaletto“ ist eines der ersten Adressen für<br />
Gourmets in Dresden.<br />
Bernardo Bellotto, genannt Canaletto, 1722–<br />
80, ein venezianischer Maler, der für seine realistischen<br />
Veduten europäischer Städte (insbesondere<br />
Dresden, Wien, Turin und Warschau) bekannt<br />
ist: „Die Elbe bei Dresden“
36Waldschlösschenbrücke<br />
Quelle:<br />
SPIEGEL ONLINE 2008<br />
Dresden baut und baut und baut<br />
Der Welterbe-Titel ist futsch – darin sind sich die Dresdner Stadtoberen einig.<br />
Und in noch einem Punkt stimmen sie überein: Die Waldschlösschenbrücke wird<br />
gebaut – selbst wenn die sächsische Hauptstadt dasselbe Schicksal ereilen<br />
sollte wie das Sultanat Oman.<br />
Dresden/Hamburg – „Ich bin erschüttert“ – so kommentierte die künftige Dres -<br />
dner Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) den Beschluss der UNESCO zur<br />
Waldschlösschenbrücke. Die Entscheidung sei „vollkommen unverständlich und<br />
ungerechtfertigt“. Faktisch bedeute sie eine Aberkennung des Welterbe-Titels.<br />
Die UNESCO hatte zuvor im kanadischen Québec entschieden, dass Dresden<br />
den Weltkulturerbe-Titel für das Elbtal behalten darf – aber nur vorerst für ein<br />
Jahr. Denn die Stadt bleibt auf der Roten Liste der gefährdeten Kulturlandschaften.<br />
Nach dem Willen der UNESCO können nur ein Baustopp und der Rückbau<br />
der Waldschlösschenbrücke den Erhalt des Titels bewirken.<br />
Die geplante vierspurige Brücke über die Elbe, deren Bau im vergangenem November<br />
begonnen hat, verschandelt nach Ansicht der UNESCO den einzigartigen<br />
Blick auf die barocke Altstadt mit der Frauenkirche, der Semperoper und
der prachtvollen Uferpromenade. Die Stadt steht deswegen schon seit 2006<br />
auf der Roten Liste. Gegen den Bau eines Tunnels hat das Gremium dagegen<br />
keine Bedenken.<br />
So ein Tunnel hat allerdings nach derzeitigem Stand wenig Chancen. Denn<br />
trotz ihrer Bestürzung machte die künftige Dresdner Oberbürgermeisterin klar,<br />
dass die Brücke weitergebaut wird: „Es gibt keine andere Alternative, niemand<br />
wird glauben, dass wir eine halbfertige Brücke zurückbauen“, sagte Orosz.<br />
Auch der noch amtierende Oberbürgermeister Lutz Vogel (parteilos) sieht kaum<br />
Chancen für den Erhalt des Welterbetitels. Zwar respektiere er die Entscheidung<br />
der UNESCO, doch müsse diese sich „auch die Frage gefallen lassen, warum<br />
sie keinen realistischen Weg für Dresden aufgezeigt hat“, sagte Vogel. Was<br />
blei be, sei eine „weitere Hängepartie für ein Jahr“.<br />
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht in eben dieser Galgenfrist jedoch<br />
eine Chance. „Damit ist Zeit gewonnen“, sagte der stellvertretende Regierungssprecher<br />
Thomas Steg. Nun könne man ein Jahr lang noch einmal sehr intensiv<br />
die unterschiedlichen Belange prüfen. Es handele sich nicht um eine Denkpau -<br />
se, sondern um eine „Pause zum Denken“. Falls gewünscht, werde sich die Bundesregierung<br />
einer Lösung bei der Konsenssuche nicht verweigern, betonte<br />
Steg.<br />
Auch der Deutsche Kulturrat begrüßte die Entscheidung. Der Spitzenverband der<br />
Bundeskulturverbände sprach von einer allerletzten Chance. Zugleich rief er die<br />
Verantwortlichen dazu auf, das Warnsignal ernst zu nehmen und endlich mit<br />
der UNESCO über tragfähige Alternativen zu sprechen.<br />
„Die Streichung des Welterbetitels wäre nicht nur für die Stadt, sondern auch für<br />
das ganze Land eine große, schwer hinnehmbare Blamage“, erklärte Geschäfts<br />
führer Olaf Zimmermann.<br />
Unrecht hat er damit nicht: Dresden wäre erst die zweite Stätte weltweit, die<br />
aus der Liste gestrichen würde. Erstmals hatte die UNESCO im Jahr 2007 einem<br />
Naturschutzgebiet den Titel wieder aberkannt – im arabischen Oman.<br />
Die „Kleine Hufeisennase“: Die Fledermaus hatte<br />
im Sommer 2007 – vier Tage vor dem geplanten<br />
Baubeginn – die ersten Arbeiten zur umstrittenen<br />
Waldschlösschenbrücke durch das UNES -<br />
CO-Welterbe Dresdner Elbtal vorerst gestoppt<br />
Ausführliche Informationen zur Umplanung der<br />
Waldschlösschenbrücke finden Sie unter:<br />
www.dresden.de/waldschloesschenbruecke
38Schoss Eckberg (Villa Souchay)<br />
Bautzner Straße 134<br />
Architekt: Christian Friedrich Arnold, 1859–61<br />
Die Villa Souchay, wegen ihrer Lage auf dem Bergvorsprung zwischen Mordgrund<br />
und Elbe Schloß Eckberg genannt, wurde vom Semper-Schüler C.F.<br />
Arnold für den englischen Kaufmann Johann D. Souchay im neugotischen Stil errichtet,<br />
wobei der felsige Baugrund am Steilhang des Waldberges für diese aufstrebenden<br />
Bauformen wunderbar geeignet war. Arnoldt war nach ausgedehnten<br />
Studienreisen durch viele Länder Europas nach seiner Rückkehr nach Dresden<br />
bis 1885 als Professor der Baukunst an der Dresdner Kunst-Akademie tätig.<br />
Er war an zahlreichen Kirchenbauten in Sachsen beteiligt. Seine bekanntesten<br />
Dresdner Werke sind die ehemalige Kreuzschule und der nach seinen Plänen<br />
ausgeführte Umbau der Sophienkirche.<br />
Mit malerischen Durchblicken und einer einzigartigen Gartengestaltung war die<br />
Villa beispielhaft für die Spätromantik. In der Art eines englischen Herrschaftssitzes<br />
gebaut, ist sie das bedeutendste Zeugnis dieser Art im Dresdner Raum und<br />
ein Höhepunkt der von Arnold geprägten Neugotik. Das aus sächsischem Sand-
stein über asymmetrischem Grundriss errichtete Schloss wird durch einen Hauptturm<br />
und zwei Nebentürme akzentuiert. Die einzelnen Baukörper wirken additiv<br />
aneinandergefügt, werden aber durch Balustradenbekrönung, gleiche Untergeschoßhöhe<br />
und einheitliche Formensprache, die sich auch in der Innengestaltung<br />
spiegelt, verbunden. Die gesamte innere Ausstattung entspricht völlig dem<br />
für das Haus gewählten Baustil. Fußböden, Wandverkleidungen und Türen sind<br />
aus Holz hergestellt, einige Decken wurden in Stuck gearbeitet. Auch die damaligen<br />
Möbel sind nach Entwürfen Arnoldts nach mittelalterlichen Stilmotiven gearbeitet<br />
worden. Die Parkanlagen wurden von dem Gartenbauarchitekten H.S.<br />
Neumann entworfen. Der Großteil des 15 ha großen Geländes trägt natürlichen<br />
Laubwaldcharakter, während die Anlage um den Hauptbau bewusst dem<br />
Tudorstil angepasst ist.<br />
1925 übernahm der Dresdner Großindustrielle Dr. Ottomar Heinsius von<br />
Mayenburg, Besitzer der Leo-Werke, Schloss und Park. Die Innenräume des<br />
Obergeschosses wurden nach den Plänen seines Bruders, des Architekten von<br />
Mayen burg, zeitgemäß erneuert, wobei der Stilcharakter des unteren Bereiches<br />
vollständig bewahrt blieb. 1932 starb von Mayenburg, seine Witwe bewohnte<br />
das Haus noch bis 1947. Während der DDR-Zeit wurde das Schloss vorwiegend<br />
für Aktivitäten der Gewerkschaft, als Jugendbegegnungsstätte und ähnlichem<br />
genutzt. Nach der Wende ging es zurück in den Besitz der Familie von<br />
Mayenburg, die es aber verkaufte, so dass es heute im Besitz der ARGENTA-<br />
Unternehmensgruppe München ist, die es nach umfassender Restaurierung und<br />
Sanierung seit 1997 als Luxushotel nutzt.<br />
Quellen:<br />
Architekturführer Dresden, Dietrich Reimer Verlag,<br />
Berlin<br />
www.schloss-eckberg.de
40Tag 2
Zeitplan Freitag, 26.09.08<br />
08.00 Uhr Frühstück<br />
09.00 Uhr Abfahrt zur TU Dresden<br />
09.15 Uhr Vortrag an der TU Dresden mit Besichtigung der frei geformten<br />
<strong>Ziegel</strong>schale<br />
Vortrag + Führung: Dipl.-Ing. D. Wendland, W. Kurtz + F. Schneider<br />
Mommsenstraße 6<br />
10.30 Uhr Besichtigung TU Gebäude<br />
Architekten: Karl Weißbach, Oskar Kramer, Martin Dulfers<br />
Führung: Dipl.-Ing. D. Wendland, W. Kurtz + F. Schneider<br />
George-Bähr-Straße1 + 3c, Münchner Platz 1–3, Mommsenstraße 6<br />
11.00 Uhr Weiterfahrt zur TU-Bibliothek mit Bus<br />
11.15 Uhr Besichtigung der SLUB<br />
Architekten: Ortner + Ortner<br />
Führung: Dipl.-Ing. D. Wendland, W. Kurtz + F. Schneider<br />
Zellescher Weg 18<br />
11.45 Uhr Weiterfahrt nach Dresden-Albertstadt<br />
12.00 Uhr Besichtigung der Baustelle des Militärhistorischen Museums<br />
Architekt: Daniel Libeskind<br />
Führung: Dipl.-Ing. Arch. Jörg Scholich, SIB<br />
Olbrichtplatz<br />
13.00 Uhr Weiterfahrt nach Dresden-Hellerau<br />
13.15 Uhr Mittagessen im Restaurant Schmidt´s in Hellerau<br />
Architekt: Richard Riemerschmid<br />
Moritzburger Weg 67<br />
15.00 Uhr Besichtigung Hellerau<br />
Architekten: R. Riemerschmid, H. Tessenow, H. Muthesius<br />
Führung: Dipl.-Ing. Arch. Clemens Galonska<br />
Gartenstadt und Festspielhaus etc.<br />
Moritzburger Weg 67<br />
17.00 Uhr Weiterfahrt zum Sächsischen Landtag<br />
17.30 Uhr Spaziergang<br />
Sächsischer Landtag, Architekten: Barthold + Tiede, 1928–31,<br />
Peter Kulka, 1991–94<br />
Zwinger, Architekt: Matthäus Daniel Pöppelmann<br />
Semperoper, Architekt: Gottfried Semper<br />
Lipsiusbau, Ausstellungsgebäude an der Brühl´schen Terrasse,<br />
Kunstakademie, Architekten: Constantin Lipsius,<br />
Führung: Prof. Horst Thomas, Georg-Simon-Ohm Hochschule<br />
Nürnberg<br />
Bernhard-von-Lindenau-Platz/Ostra-Allee/Terrassenufer/Theaterplatz/Brühl´sche Terrasse<br />
18.45 Uhr Rückkehr zum Hotel zu Fuß<br />
19.00 Uhr Pause im Hotel Westin Bellevue Dresden<br />
Große Meißner Straße 15, 01097 Dresden<br />
19.30 Uhr Fahrt zum Restaurant Villa Marie beim Blauen Wunder<br />
20.00 Uhr Stehempfang und Abendessen im Restaurant Villa Marie<br />
Fährgässchen 1, 01309 Dresden, Telefon 0351/31 54 40<br />
23.30 Uhr Busfahrt zum Hotel mit Bus<br />
mit Bus<br />
mit Bus<br />
mit Bus<br />
mit Bus<br />
mit Bus<br />
mit Bus<br />
mit Bus
42Frei geformte Mauerschale<br />
Forschungsprojekt der Fakultät Architektur der TU Dresden<br />
Lehrstuhl Hochbaukonstruktion und Gebäudeerhaltung:<br />
Prof. Dipl.-Ing. Arch. C. Schulten<br />
Lehrstuhl Tragwerksplanung: Prof. Dr.-Ing. W. Jäger<br />
Betreuer: W. Kurtz, F. Schneider und D. Wendland, 2003–06<br />
Eine frei geformte Schalenkonstruktion demonstriert<br />
die Möglichkeiten des Mauerwerks jenseits<br />
von senkrechten ebenen Bauelementen. Die<br />
Form wurde in skulpturalen Arbeitstechniken entwickelt<br />
und auf Basis einer numerischen Modellierung<br />
so optimiert, dass sie standfest ist. Durch<br />
die Umsetzung in studentischen Seminaren wurde<br />
das Ob und Wie der praktischen Realisierbarkeit<br />
ausgelotet und bestätigt.<br />
Das Projekt zeigt die Formbarkeit von Mauerwerk<br />
auch im Rahmen der allgemeinen technischen<br />
Anforderungen an Mauerwerksbau, und<br />
die Wege, wie sich dies erreichen lässt. Dabei<br />
erweist sich auch die Machbarkeit geometrisch<br />
komplexer Schalenkonstruktionen aus Mauerwerk.<br />
Eine weitere Besonderheit liegt in dem Ansatz,<br />
mithilfe moderner Informationstechnik wie in<br />
einem industriellen Prozess einen direkten Informationsfluss<br />
von der Planung zur Fertigung zu<br />
etablieren.<br />
Ein großer Vorteil des Mauerwerks beim Bau von Schalenkonstruktionen ist die<br />
Möglichkeit, doppelt gekrümmte Flächen zu realisieren, und dabei sogar auf<br />
eine vollflächige Schalung zu verzichten. Ein Blick in die Architekturgeschichte<br />
zeigt zahlreiche Beispiele geschwungener, einfach oder doppelt gekrümmter<br />
Mauerwerksflächen, insbesondere Gewölbe mit geometrisch komplexen Formen,<br />
die mitunter sogar in Sichtmauerwerk ausgeführt sind. Überdies ist bekannt,<br />
dass gemauerte Gewölbe in vielen Fällen freihändig errichtet werden<br />
konnten.<br />
Im Mauerwerksbau geht derzeit die Tendenz jedoch hin zu großformatigen Elementen<br />
und dünnen Fugen, mit denen sich ohne weiteres nur ebene Wandflächen<br />
herstellen lassen. Die Möglichkeit, gekrümmte Flächen zu erzeugen, tritt in<br />
den Hintergrund, und damit ein Charakteristikum des Mauerwerks.<br />
Die experimentelle Schalenkonstruktion an der TU Dresden demonstriert nun ein<br />
weiteres Mal das Potenzial dieser faszinierenden „anderen Seite“ des Mauerwerksbaus.<br />
Sie zeigt die Machbarkeit einer geometrisch komplexen Form, die<br />
sich obendrein als Schale selbst trägt, unter Verwendung gängiger Materialien,<br />
entsprechend der Regeln für einen korrekten Mauerverband und im Rahmen geltender<br />
Normen.
Bei dem kleinen Gebäude auf dem Campus der Universität handelt es sich um<br />
eine Schale aus unbewehrtem Mauerwerk mit einem Randträger aus bewehrtem<br />
Mauerwerk. Die Abmessungen sind ca. 5,50 auf 4,50 m (Letzteres ist die größte<br />
freie Spannweite); die Schalendicke beträgt 11,5 cm, also einen Halbstein.<br />
Als Mauerziegel wurden Klinker im Dünnformat verwendet, als Mörtel diente<br />
Trasskalkmörtel. Für die Randträger der Schale wurde ein Konstruktionsdetail zur<br />
Bewehrung des Mauerwerks quer zur Lagerfuge entwickelt; ihre Bewehrung besteht<br />
aus Fiberglas-Stäben. Statt auf einer vollflächigen Schalung wurde die<br />
Schale über einem Lehrgerüst errichtet, das in einem Raster von 60 cm gitterförmig<br />
das Mauerwerk unterstützte und die Form vorgab; dieses wurde aus Sperrholzplatten<br />
hergestellt. Das Fundament ist eine einfache Betonplatte.<br />
Reverse Geometric Engineering<br />
Die Form der Mauerschale entstand im Wechsel von physischen und digitalen<br />
Modellen, wodurch die Vorteile beider Werkzeuge miteinander verbunden werden<br />
konnten. Der Formenreichtum, der sich bei der skulpturalen Arbeitsweise am<br />
physischen Modell erschließt, ist unvergleichlich; zudem ist das physische Modell<br />
besonders gut geeignet für die genaue und sichere intuitive Kontrolle der<br />
Form, weil es sich als Objekt im Raum unmittelbar der Wahrnehmung erschließt.<br />
Andererseits kann nur ein CAD-Modell eine exakte Formbeschreibung für den<br />
Entwurfs- und Herstellungsprozess liefern; es ermöglicht den durchgehenden Informationsfluss<br />
über alle Phasen der Planung bis zur Ausführung, und die numerische<br />
Modellierung des Tragverhaltens kann nur an diesem vorgenommen werden.<br />
Eine wesentliche Aufgabe lag somit in der Integration dieser verschiedenen Ebenen<br />
in einen durchgehenden Entwurfsprozess – dies wurde durch den Einsatz<br />
moderner Informationstechnik ermöglicht. Insbesondere ergab sich immer wieder<br />
die kritische Aufgabe, die Form des physischen Modells in ein CAD-Modell<br />
zu übertragen, indem diese basierend auf der Vermessung der Modelle am<br />
Rechner nachmodelliert wurde – ein Vorgang, der als „reverse geometric engineering“<br />
bezeichnet wird. Dieses Verfahren ist durchaus anspruchsvoll, denn<br />
wie erwähnt ist die Form weitaus komplexer, als dies bei einer von vornherein<br />
innerhalb der CAD-Umgebung entwickelten Form der Fall wäre; insbesondere<br />
stellt die Software für die numerische Modellierung besondere Anforderungen<br />
an das CAD-Modell.
44<br />
Freie Form und stabile Schalenform<br />
Ein weiterer Aspekt des Projekts ist die Frage eines Entwurfsprozesses für Schalenkonstruktionen,<br />
der trotz des engen Zusammenhangs zwischen Form und<br />
Tragverhalten den Architekten in die Lage versetzen kann, die Form solcher Konstruktionen<br />
zu bestimmen, und zugleich die aktuelle Architekturdiskussion reflektiert.<br />
Insbesondere wurde die Möglichkeit untersucht, eine Form zu finden, die in<br />
Bezug auf das Tragverhalten angemessen ist, ohne dabei von vornherein an eine<br />
optimale Schalenform gebunden zu sein.<br />
Die in diesem Projekt formulierte Position ist insofern auch als Beitrag dazu intendiert,<br />
die Rolle von Schalenkonstruktionen im architektonischen Repertoire zu revidieren.<br />
Offenbar lassen sich durch die Verwendung moderner Informations -<br />
technik die Möglichkeiten des Schalenbaus aus architektonischer Sicht wesentlich<br />
erweitern.<br />
Zwischen dem Ansatz einer formoptimierte Konstruktion einerseits, bei der die<br />
Schalenform entsprechend dem Gleichgewichtszustand innerhalb der Konstruktion<br />
entwickelt wird, und andererseits der traditionellen biegesteifen Konstruktion,<br />
bei der die Form für das Tragverhalten eine untergeordnete Rolle spielt,<br />
wurde bei diesem Projekt ein „dritter Weg“ versucht. Dazu wurde die Form<br />
zwar grundsätzlich ausgehend von den ästhetischen Qualitäten entwickelt, dabei<br />
aber immer wieder mit der Stabilitätsfigur unter ähnlichen Randbedingungen<br />
verglichen, was mithilfe einfacher Hängemodelle erfolgte.<br />
Das Ziel, die Form dahingehend zu entwickeln, daß ein Standsicherheitsnachweis<br />
möglich war, wurde allerdings erst mithilfe der numerischen Modellierung<br />
erreicht. Dabei wurde das Tragverhalten der am Modell entwickelten Form untersucht<br />
und schrittweise durch geringfügige Änderungen der Form verbessert.<br />
Das Ergebnis dieses Prozesses wurde erneut in ein physisches Modell übertragen,<br />
an dem auch die letzten Modifikationen vorgenommen wurden. Das letzte<br />
Wort zur Form des Bauwerks wurde somit am physischen Modell gesprochen.<br />
Dadurch konnte gesichert werden, daß die Qualitäten, die im Formfindungsprozess<br />
am Modell entstanden waren, auch im ausgeführten Bau erhalten bleiben<br />
würden. Unbeabsichtigte Veränderungen an der Form im Verlauf der weiteren<br />
Planung konnten sicher ausgeschlossen werden, und insbesondere die Modifikationen,<br />
die vor allem zur Verbesserung des Tragverhaltens sinnvoll waren, immer<br />
endgültig auf ihre plastisch-räumliche Qualität und die Übereinstimmung mit<br />
den ursprünglichen Intentionen überprüft werden.
Realisierung der freien Form in Mauerwerk<br />
Das Lehrgerüst wurde aus hölzernen Schalungsplatten hergestellt, die mithilfe<br />
der aus dem CAD-Modell generierten Schnittkurven zugeschnitten wurden; dazwischen<br />
konnten die Mauerschichten in den meisten Fällen freihändig gesetzt<br />
werden. Hierfür, sowie für die Anlage eines regelmäßigen Mauerverbandes,<br />
konnte auf die traditionelle Technik des Gewölbebau zurückgegriffen werden.<br />
Bei Anfertigung des Lehrgerüsts, Formkontrolle und Definition der Geometrie der<br />
Mauerschichten konnte eine durchgehende Prozesskette vom CAD-Modell bis<br />
zur Fertigung etabliert, und damit auch rationell gearbeitet werden. Diese Kette<br />
endete jedoch beim Versetzen der <strong>Ziegel</strong>, einschließlich des erforderlichen Zuschnitts<br />
an den Enden der Mauerschichten. Nur zur Formkontrolle wäre hier ein<br />
weiterer Einsatz moderner Informationstechnologie noch hilfreich gewesen.<br />
Das Mauern musste von Hand erfolgen; besonders mühsam war dabei die Herstellung<br />
der steil ansteigenden Mauerschichten, bei denen die frischen Stoßfugen<br />
stark gepresst wurden und daher mit Keilen gestützt werden mussten. Aufgrund<br />
der Schwierigkeiten bei der Formkontrolle mussten an einigen Stellen<br />
auch bereits gesetzte Schichten wieder abgetragen und erneut gemauert werden.<br />
Überhaupt stellt das Mauern einer gekrümmten Fläche in Sichtmauerwerk<br />
allerhöchste Anforderungen an das räumliche Vorstellungsvermögen und die<br />
handwerkliche Geschicklichkeit der Ausführenden, und das freihändige Mauern
Sponsoren/Materialspenden<br />
Wienerberger <strong>Ziegel</strong>industrie -– <strong>Ziegel</strong><br />
quick-mix Leipzig GmbH & Co.KG – Mörtel<br />
PERI GmbH – Holz- und Spanplatten<br />
Schöck Bauteile GmbH – Bewehrung<br />
Thyssen-Krupp – Arbeitsgerüst<br />
Kontakt: mauerschale@gmx.de<br />
Literatur:<br />
Nejati, M., J. Hoffmann und D. Wendland: Report<br />
on the structural modelling of the masonry<br />
shell „Space of Tranquillity“ (Arbeitsbericht).<br />
TU Dresden, Lehrstuhl Tragwerksplanung 2005<br />
Schneider, F.: Die Mauerschale (Seminararbeit).<br />
TU Dresden, Lehrstuhl Baukonstruktion und Gebäudeerhaltung<br />
2006<br />
Wendland, D.: Model-based formfinding processes:<br />
'Free forms' in structural and architectural<br />
design<br />
http://elib.uni-stuttgart.de/opus/volltexte/<br />
2001/761/<br />
Wendland, D., W. Jäger, und C. Schulten:<br />
Experimenteller Bau einer frei geformten Mauerwerksschale.<br />
Mauerwerk 2007, H. 4,<br />
S. 178–185<br />
Wendland, D.: Experimental Construction of a<br />
Free-Form Shell Structure in Masonry. In Proceedings<br />
IASS Symposium "Shell and Spatial Structures:<br />
Structural Architecture – Towards the future<br />
looking to the past", Venezia 2007<br />
Wendland, D.: Lassaulx und der Gewölbebau<br />
mit selbsttragenden Mauerschichten. Neumittelalterliche<br />
Architektur um 1825–48. Petersberg:<br />
M. Imhof, 2008 (im Druck)<br />
der stark geneigten Schichten im Scheitelbereich erfordert besonderes Können.<br />
Diese Fähigkeiten ließen sich entwickeln: die angehenden Architekten haben<br />
sehr gut gemauert, aber der Aufwand an Arbeitszeit war hoch.<br />
Unter dem Gesichtspunkt der aufgewendeten Arbeitszeit wären Überlegungen<br />
zur Möglichkeit der Fortsetzung der Prozesskette bis zur Fertigung des Mauerwerks<br />
durchaus von Interesse, etwa im Sinne einer automatisierten Fertigung. Allerdings<br />
hätte eine Vorfertigung im Werk keine Vorteile gebracht, sofern diese<br />
ebenfalls manuell erfolgt wäre. Aber vielleicht ist die Rationalisierung der Arbeitszeit<br />
auch nicht unbedingt ohne Alternative: es hat durchaus seinen Charme,<br />
die Möglichkeiten der Technik dort anzuwenden, wo sie von außerordentlichem<br />
Nutzen sind, wie bei den beschriebenen wesentlichen Stadien des Planungsund<br />
Verifizierungsprozesses und bei der Formkontrolle, insbesondere dem kontinuierlichen<br />
Informationsfluss zwischen den verschiedenen Stadien – und dann<br />
virtuos auf „alte“ Werte zu setzen: menschliche Kreativität, Sensibilität, Geschick<br />
lichkeit und solides Handwerk.<br />
Learning by doing<br />
Das Projekt wurde in einer Reihe von Lehrveranstaltungen gemeinsam entwickelt<br />
und realisiert: Architekturstudenten haben die Schale entworfen, die Form und<br />
konstruktive Ausbildung entwickelt, und sie auch schließlich selbst gemauert.<br />
Initiiert wurde das Projekt während des „International Short Course on Architectural<br />
and Structural Design of Masonry“, der 2003 an der Architekturfakultät der<br />
TU Dresden als Teil des vom Deutschen Akademischen Auslandsdienst geförderten<br />
Projekts „Traditional and Innovative Structures in Architecture“ (IQN) am Lehrstuhl<br />
Tragwerksplanung durchgeführt wurde.
Beteiligte<br />
Teilnehmer<br />
Beatriz Aybar Romero, Eugen Böhmer, Neus García, Gundula Frauer, Ina<br />
Haase, René Heda, Marcus Kistner, Hartmut Kutschale, Georg Lindenkreuz,<br />
Jörg Möser, Florian Schneider, Ulrike Schinkel, Jan Schrader, Christian Schulz,<br />
Benjamin Sonntag, Tanja Stock, Eva Trebin<br />
Baupraktikum<br />
Ronald Dienel, Daniel Eckert, Daniel Fritz, Carina Fürstenau, Susanne Häbold,<br />
Maximilian Hansen, Lissy Hegewald, Mandy Hermann, Max Kreisch, Albrecht<br />
Linke, Conrad Lohmann, Marie Löwenherz, Nico Mieth, Alexander Peinelt,<br />
Jenny Poldrack, Sven Seidel, Tilmann Steger, Kristin Tröger, Stefanie Uhlig,<br />
Doreen Ulbricht, Thomas Werner, Thomas Weise, Michael Wicke<br />
Statik und numerische Modellierung am Lehrstuhl Tragwerksplanung TU Dresden:<br />
Prof. Wolfram Jäger, Mahmoud Nejati, Torsten Pflücke, Jens Hofmann, Lukasz<br />
Drobiec.<br />
Die Modellvermessung wurde teilweise am Institut für Produktionstechik, TU<br />
Dresden, durchgeführt.<br />
Ein besonderer Dank gebührt Maurermeister Hans-Albrecht Gasch für die von<br />
ihm gegebene Einweisung in die Kunst des Mauerns.<br />
47
Karl Robert Weißbach wurde am 8. April 1841<br />
in Dresden geboren und starb ebenda am 8. Juli<br />
1905. Nach dem Besuch der Realschule absolvierte<br />
er eine Lehre im Bauhandwerk und besuchte<br />
parallel dazu die Baugewerkschule. Danach<br />
arbeitete er zunächst im Atelier des Dresdener<br />
Hofbaumeisters Krüger. Daran schloss sich ein<br />
Studium an der Kunstakademie in Dresden bei<br />
Prof. Hermann Nicolai an. 1863 erhielt er dort<br />
als Auszeichnung ein akademisches Reisestipendium,<br />
das er für eine Italienreise nutzte, auf der<br />
vor allem die Bauwerke der italienischen Renaissance<br />
studierte. Durch seine Mitarbeit an der<br />
von Adolf Gnauth und Heinrich von Förster herausgegebenen<br />
Publikation „Die Bauwerke der<br />
Renaissance in Toskana“ war es ihm möglich,<br />
den Italienaufenthalt zu verlängern.<br />
Erst 1866 kehrte er nach Dresden zurück und arbeitete<br />
als Bauführer (Bauleiter) für seinen Lehrer<br />
Hermann Nicolai, so z.B. beim Bau der viel beachteten<br />
„Villa Meyer“ in Dresden (1867/68).<br />
Schließlich wurde Weißbach 1869 selbst Professor<br />
an der Kunstakademie; diese Stellung und<br />
das mit ihr verbundene Prestige gab er jedoch<br />
auf, als das sächsische Kultusministerium nach einigen<br />
Jahren der Akademie einen Lehrplan vorschrieb,<br />
mit dem er nicht einverstanden war.<br />
1875 wurde er dann als Lehrer an der Hochbauabteilung<br />
des Königlichen Polytechnikums in<br />
Dresden tätig, aus dem später die Technische<br />
Hochschule Dresden hervorging. Neben seiner<br />
vielfältigen Lehrtätigkeit und einigen offiziellen<br />
Bauaufgaben arbeitete er nebenbei auch in<br />
selbstständiger Berufsausübung, so zwischen<br />
1884 und 1891 in Gemeinschaft mit dem Architekten<br />
Barth, einem ehemaligen Schüler. In<br />
Weißbachs „privatem“ Atelier arbeiteten zeitweise<br />
auch einige später bekannt gewordene<br />
Architekten, z.B. Georg Weidenbach (*1853),<br />
Rudolf Schilling (*1859) und Kurt Diestel<br />
(*1862). Einer seiner Schüler war Oswin<br />
Hempel.<br />
Das vierflügelige Gebäude gehört zum Komplex der ehem. Mechanischen Abteilung,<br />
welche zur Erweiterung der Technischen Hochschule am Beginn des<br />
Jahrhunderts von Weißbach, Professor für Architektur, errichtet wurde. Im heutigen<br />
Zeuner-Bau war das Hauptgebäude, im Berndt-Bau (Helmholtzstraße 7) die<br />
Mechanisch-Technische Versuchsanstalt und im Görges-Bau (Helmholtzstraße 9)<br />
das Elektrotechnische Institut untergebracht. Außerdem gehörten zwei Maschinenlaboratorien<br />
und ein Elektrizitätswerk zu dem Ensemble. Der Zeuner-Bau ist<br />
wie die anderen Gebäude mit <strong>Ziegel</strong> verkleidet. Sandsteinerne Sockel, Fensterund<br />
Türgewände – die im Krieg zerstörten wurden nicht ersetzt – gliedern die<br />
Fassade. Die Formen des monumentalen Gebäudes sind leicht historisierend.<br />
1930 wurde ein großer Hörsaal eingebaut und nach 1945 stockte man die<br />
Trakte zwischen den vorspringenden Eckrisaliten um ein Geschoss auf.
Das ehemalige Landgericht mit Untersuchungshaftanstalt besaß mit seinem<br />
Hauptgebäude und vier Flügeln einen kreuzförmigen Grundriss. Nachdem es<br />
1945 z.T. zerstört worden war, wurde es für die TH umgebaut. Das neuromanische<br />
Hauptgebäude am Münchner Platz wirkt burgartig, doch einzelne Elemente<br />
erinnern an den Jugendstil. Der Südflügel, heute Hülsse-Bau, wurde vollkommen<br />
umgestaltet. Dabei gab man die Zellenstruktur auf, um Hör- und Zeichensäle<br />
einzurichten. Das Kernstück der inneren Erschließung bildet die im Kreuzungspunkt<br />
der vier Flügel errichtete Haupttreppenanlage, welche durch einen<br />
gläsernen Dachaufbau belichtet wird. Die Treppenspindel, eine Stahlbetonkonstruktion,<br />
wird von acht Säulen getragen. Im inneren Kreis sind zwei gegeneinander<br />
versetzte, aber parallele Wendeltreppen wirkungsvoll von Geschoss zu<br />
Geschoss geführt.<br />
49<br />
Georg-Schumann-Bau der TU Dresden<br />
Münchner Platz 1–3<br />
Architekten: Oskar Kramer, 1902–07,<br />
O. Schubert, G. Münter, 1957–61
50Beyer-Bau der TU Dresden<br />
George-Bähr-Straße 1<br />
Architekt: Martin Dülfer, 1910–13<br />
Der Beyer-Bau ist neben den chemischen Instituten das einzige Gebäude, welches<br />
von Dülfers „Hochschulstadt“ zur Ausführung kam. Mit ihrer Klinkerfassade<br />
orientierte sich die ehem. Bauingenieur-Abteilung an den älteren Instituten Karl<br />
Weißbachs. Ornamentartig vorkragende <strong>Ziegel</strong> und farbig gefasste Sandsteinund<br />
Sichtbetonflächen beleben das Äußere. Die abgewalmten Dächer und<br />
leicht gewölbten Flacherker sind dem norddeutschen Landhausbau entnommen.<br />
Der östliche Hauptblock umschließt zwei Innenhöfe, während der Flügelbau<br />
schmaler ausgebildet ist. Den Observatoriumsturm gliederte Dülfer mit Lisenen<br />
und verzichtete auf eine Verblendung. Karl-Wilhelm Ochs, der ihn wiederaufbaute,<br />
hob diesen Gegensatz zum <strong>Ziegel</strong>bau durch Putz und Glas noch stärker<br />
hervor. Besonderer Wert wurde auf die Gestaltung der Innenräume gelegt.<br />
Sichtbeton und dunkles Holz sowie die von Dülfer entworfenen Lampen schufen<br />
eine sachliche Atmosphäre.<br />
Martin Dülfer wurde 1859 in Breslau geboren. Er studierte von 1877–79 an<br />
der TH Hannover und von 1879–80 an der TH Stuttgart. Nach dem Militärdienst<br />
1880/81 arbeitete Dülfer in dem Berliner Architekturbüro von Heinrich<br />
Kayser und Karl von Großheim, später in Breslau im Büro „Brost und Grosser“.<br />
1885/86 vollendete er sein Studium an der TH München bei Friedrich von<br />
Thiersch. Seine selbstständige Tätigkeit begann Dülfer 1887 in München, er<br />
baute zunächst in der zeit- und regionaltypischen neobarocken Spielart des Historismus.<br />
Um 1900 wandte er sich dann dem Jugendstil zu, dessen florales,<br />
geometrisches und texturales Repertoire er mit barocken und klassizistischen Stilelementen<br />
zu einem individuell geprägten, barockisierenden Jugendstil verband.<br />
Es entstanden Fassadenentwürfe, Geschosswohnungsbauten, Geschäftshäuser<br />
und Villen für das gehobene Bürgertum.
1902 erhielt Dülfer den Ehrentitel „Königlich Bayerischer Professor“. 1906 wurde<br />
er als Nachfolger von Karl Weißbach zum „ordentlichen Professor für das<br />
Entwerfen von Hochbauten“ an die TH Dresden berufen. Ab 1912 war Dülfer<br />
dort „Vorsteher“ der Hochbauabteilung, 1920–21 Rektor und unmittelbar danach<br />
zwei Jahre lang Prorektor der Hochschule. Er amtierte von 1908–12 als<br />
Vorsitzender des Bundes Deutscher Architekten (BDA). 1913 verlieh ihm die TH<br />
Dresden die Ehrendoktorwürde, eine zweite Ehrendoktorwürde erhielt er 1928<br />
von der TH Berlin-Charlottenburg. 1929 wurde Dülfer an der Dresdener Hochschule<br />
emeritiert. Danach nahm die Öffentlichkeit erst wieder bei seinem 80.<br />
Geburtstag (1939) von ihm Notiz; obwohl er einer Freimaurerloge angehört<br />
hatte und dadurch eigentlich im Sinne der nationalsozialistischen Kulturpolitik als<br />
„unzuverlässig“ galt, wurde ihm zu diesem Anlass die „Goethemedaille“ verliehen.<br />
Martin Dülfer starb Ende 1942, beim Luftangriff auf Dresden 1945 kam<br />
seine Witwe Käte Dülfer ums Leben und auch der Nachlass Dülfers wurde dabei<br />
vernichtet.<br />
51<br />
Fritz-Foerster-Bau der TU Dresden<br />
Mommsenstraße 6<br />
Architekt: Martin Dülfer, 1917–26<br />
Umbau des Fritz-Foerster Baus zum Hauptgebäude<br />
der Architektonischen Fakultät (bis 2007)<br />
Thomas Will (Hg.): Der Fritz-Foerster-Bau als zukünftiges<br />
Domizil der Architekturfakultät der TU<br />
Dresden, Dresden 2004, (Auszug)<br />
„Errichtet als ein wichtiges Glied in der Kette der<br />
von Dresdner Professoren geplanten Hochschulbauten,<br />
belegt der Fritz-Foerster-Bau beispielhaft<br />
die städtebauliche und architektonische Entwicklung<br />
der TH in den 20er Jahren. Die Campus-<br />
Planung Dülfers von 1906 –10 erfuhr nach dem<br />
1. Weltkrieg mit dem Gebäude der Chemischen<br />
Institute eine sehr reduzierte, sparsame Umsetzung,<br />
die insbesondere an der heute noch ablesbaren<br />
städtebaulichen Achse von der George-<br />
Bähr-Straße zum Haupteingang des Gebäudes<br />
erkennbar ist. Stilistisch und bautypologisch ist<br />
der Foersterbau ein Dokument der Auseinandersetzungen<br />
in der Hochschularchitektur der Weimarer<br />
Republik. Der Foersterbau steht hier als ein<br />
Beispiel einer zwischen Reform und Bautradition,<br />
zwischen Sachlichkeit und monumentalem künstlerischem<br />
Ausdruck vermittelnden Backsteinarchitektur,<br />
wie wir sie im niederländischen und<br />
deutschen Expressionismus, etwa bei Fritz Höger,<br />
finden, und wie Dülfer selbst sie bereits bei seinem<br />
Stadttheater in Lübeck (1906– 08) erprobt<br />
hatte. Bei den Chemischen Instituten ist aber vor<br />
allem – in finanziell bedingter einfacher Form –<br />
die Bauweise der auf dem neuen Universitätsgelände<br />
bereits von Weißbach errichteten Hochschulgebäude,<br />
die sämtlich in Klinkern verkleidet<br />
waren.“<br />
Quellen:<br />
www.das-neue-dresden.de/fritz-foerster-bau_tudresden.html
52SLUB<br />
Sächsische Landes- und Universitätsbibliothek Dresden<br />
Zellescher Weg 18<br />
Architekt: Ortner&Ortner, 1999–2003<br />
Mit der Zusammenführung der Sächsischen Landes-, Staats- und Universitätsbibliothek<br />
entsteht eine Bibliothek von europäischer Bedeutung. Um die große<br />
Baumasse in die parkähnliche Anlage des ehemaligen Sportplatzes möglichst<br />
ohne Beeinträchtigung der weiteren Freiräume zu integrieren, sind die wesentlichen<br />
Funktionen zwischen zwei Riegeln auf die Untergeschosse verteilt. Nur die<br />
zwei Natursteinquader mit Cafeteria, Magazin und Verwaltung ragen als klare<br />
Kuben aus den Rasenflächen heraus, die von horizontalen Oberlichtern der unterirdischen<br />
Erschließungs- und Lesesaalbereiche wie Wasserbecken historischer<br />
Schlossanlagen gegliedert wird. Der Eingang liegt unter einer Kolonnade der<br />
Stirnseite des westlichen Baukörpers und nutzt den Halbkreis der ehemaligen<br />
Laufbahn als vertieften Eingangshof. Das Foyer taucht den Besucher über eine<br />
Treppe unter einem Oberlichtsaal in die unterirdische gediegene Welt von Säulenreihen,<br />
Galerien und Stegen bis hin in den zentral gelegenen Lesesaal. Dieser<br />
dreigeschossige, von oben belichtete Lesesaal ist das Herzstück des Ent -<br />
wurfs, um den herum sich sämtliche Funktionen anordnen.<br />
Die Fassaden der zwei oberirdischen Gebäude sind mit Thüringer Travertin verkleidet.<br />
Unregelmäßige vertikale Nuten in den Natursteinplatten erinnern an<br />
Buchrücken in den Regalen traditioneller Bibliotheken oder Strichcodes als mediale<br />
Form der Informationsspeicherung. Gemeinsam mit den schmalen durch<br />
Silikon geschlossenen Fugen entsteht ein monolithisches Erscheinungsbild, das<br />
für eine konventionell konstruierte vorgehängte Fassade ungewöhnlich ist.<br />
Dieser strenge Bau ist eine Huldigung an die Rationalität, die die Architekten<br />
aus der vorrangig intellektuellen Beschäftigung mit dem geschriebenen Wort ableiten.<br />
Emotionalität und Sinnlichkeit werden dagegen unterdrückt, um die angestrebte<br />
Konzentration auf eine dichte Arbeitsatmosphäre zu intensivieren. Sehr<br />
schmale Fensterschlitze verhindern zudem eine mögliche Ablenkung durch zuviel<br />
Wahrnehmung von Außenwelt, worunter u.a. die Mitarbeiter des hinteren Verwaltungsflügels<br />
zu leiden haben. Das Bunkerhafte der Architektur manifestiert<br />
sich in den exorbitant hohen Energiekosten, die die künstliche Beleuchtung der<br />
weitgehend unterirdischen Leseräume verursachen.<br />
Eine gewisse Poesie stellt sich durch das Licht- und Schattenspiel der fein gefrästen<br />
Nuten zwischen den „Buchdeckeln“ ein. Doch die inhaltsleere „neutrale“<br />
Textur erreicht durch die endlose Wiederholung des Themas keine wirkliche<br />
Lebendigkeit. Der Blick kann nicht verweilen und gleitet an der monolithischen<br />
Fassade ab. Die Abstraktion der äußerst strengen Form vermittelt lediglich den<br />
Gedanken von Reduktion. Manch einer findet jedoch gerade das ansprechend<br />
wie z.B. der Architekturkritiker Wolfgang Kil, der neben den funktionalen Vorzü-
gen besonders die „statuarische Ernsthaftigkeit“ preist. Im Vergleich zur neuen<br />
Universitäts-Bibliothek in Magdeburg von Auer&Weber vermisst man jedoch,<br />
gerade was die Funktionalität angeht, ein geräumiges, einladendes Foyer, welches<br />
zur Kommunikation ermuntert. Selbiges ist in Dresden zu niedrig und unkommunikativ<br />
geraten. Desgleichen die enge Cafeteria.<br />
Diese im Äußeren betont sachlich-funktionale Architektur entbehrt eines wirklich<br />
künstlerischen Gegengewichtes, welches der Auseinandersetzung mit dem Wort<br />
ein Ziel, eine Richtung, eine ethische Richtschnur mitgeben würde. Jene bloße<br />
Anbetung eines wissenschaftlich-technisches Zeitalters ohne eine humanistische<br />
Verankerung birgt erneute Gefahr von sich verselbständigendem Forscherdrang.<br />
Doch die Leere des Vorplatzes am Eingang ist symptomatisch für einen reinen<br />
Zweckbau und letztlich für eine wenig visionsreiche bundesrepublikanische<br />
Gegenwart.<br />
Vielleicht wäre eine aussagefähige Botschaft gewesen, wie Aufklärung angesichts<br />
der Flut von weltweiten Publikationen und medial produzierten bzw. gespeicherten<br />
Wissens(müll) im neuen 21. Jahrhundert sinnvoll fortgeführt werden<br />
könnte. Ein sich Verstecken hinter der Beliebigkeit positionsloser Stein- (und<br />
Glas)kulissen kann aber keine Antwort auf drängende Herausforderungen der<br />
gemeinsamen globalen Zukunft sein. Der strenge Bau strahlt einen sehr kühlen<br />
Vernunftsrationalismus und die Herrschaft der abstrakten Moderne aus. Kalte<br />
Geometrie im Äußeren, im Inneren dagegen erreichen die Architekten mit schönen<br />
Materialien, wozu sogar der unverputzte Beton zählt, durchaus eine gewisse<br />
Wärme und wohlige sächsische Behaglichkeit.<br />
www.detail.de/Archiv/De/HoleArtikel/5275/<br />
Artikel<br />
www.slub-dresden.de
54Militärhistorisches Museum<br />
Olbrichtplatz 2<br />
Arsenal: 1874–75<br />
Architekt: Daniel Libeskind (und Hans-Günter Merz), 2003–10<br />
Autor: Andreas Platthaus, FAZ 14. August 2003<br />
(gekürzter Text)<br />
Durch die klassizistische Fassade wird schräg ein Keil getrieben, dessen Spitze<br />
sich wie ein Schiffsbug links neben dem Eingang auftürmt: 30 m hoch und damit<br />
8 m mehr als die säulenverzierte Triumphbogenfront des Mittelflügels. Aus<br />
Stahlbeton wird dieser Keil geformt sein, doch rundum verglast und nachts erleuchtet,<br />
so daß die Spitze glühen wird über Dresden. Nach hinten durchschneiden<br />
zwei abfallende Flanken des Keils das Gebäude; die rechte durchdringt<br />
das Foyer und quert einen der beiden Höfe bis zum rechten Seitenflügel, die<br />
andere endet, nachdem sie den Mittelflügel touchiert hat, im linken Hof, und<br />
selbst hier noch übertrifft die Höhe des Keils den First des Altbaus.<br />
Die Entscheidung für Libeskind erfolgte ohne öffentliche Debatte, die das andere<br />
Dresdner Projekt des Architekten, einen Glasquader inmitten der Neustadt, noch<br />
verhindert hatte. Libeskind hat daraus gelernt; sein aktueller Entwurf erfüllt genau<br />
die Erwartungen des Auftraggebers.<br />
Aber Libeskind ist noch mehr gelungen: die Geschichte des Bauwerks selbst<br />
durch seine Architektur zum Sprechen zu bringen. Es ist die Geschichte von<br />
sächsischen und deutschen Kriegstragödien. Nördlich der Stadtgrenze entstand<br />
von 1873 bis 1879 die damals größte Kasernensiedlung Europas, die 1877<br />
nach dem nun regierenden König „Albertstadt“ benannt wurde. Kern des 360<br />
Hektar großen Areals ist das Arsenal, ein gewaltiger dreiflügliger Bau, eingerahmt<br />
und dadurch wie ein Solitär ausgestellt von eleganten Magazin- und Verwaltungsgebäuden.<br />
Der Bau wurde auf einem Plateau errichtet, das in der di -<br />
rekten Verlängerung der historischen Achse Schloß-Augustusbrücke–Bautzner<br />
Platz (heute Albertplatz) liegt. Wie eine Akropolis thront das 1876 vollendete<br />
Arsenal hoch über Dresden auf der Neustädter Elbseite, und weil der Bau im<br />
neoklassizistischen Tempelstil errichtet wurde, taufte der Volksmund die Anlage<br />
„Casernopolis“.
Noch heute besticht die monumentale Inszenierung mit der breiten Freitreppe,<br />
die vom Olbrichtplatz zum Arsenalgebäude führt. Hat man den grässlichen<br />
Flachbau, der 1972 dem Haupteingang vorgebaut wurde, durchschritten, betritt<br />
man die ehemalige Geschützhalle im Erdgeschoß, wo 152 mächtige Sandsteinpfeiler<br />
kleine Kreuzgewölbe tragen. Der von außen leicht verspielt gestaltete<br />
Bau erweist sich im Inneren als klar gegliederte Zweckarchitektur zur Lagerung<br />
von Waffen. Kein Wunder, daß man die Bauplanung 1873 der Militärbaudirektion<br />
überlassen und namhafte Dresdner Architekten wie Hermann<br />
Nicolai und Gustav Rumpel lediglich für Detailarbeiten, vor allem an den Fassaden,<br />
verpflichtet hatte.<br />
In dem erstaunlichen Säulen- und Kuppelwald des Erdgeschosses haben im 20.<br />
Jahrhundert fünf verschiedene politische Systeme ihre jeweilige Sicht auf Militärgeschichte<br />
ausgestellt. Denn das Arsenal hatte schon kurz nach Fertigstellung<br />
seine militärische Funktion verloren. 1897 eröffnete im jetzt leeren Bau die „Historische<br />
Waffen- und Modellsammlung“, die während der Weimarer Republik<br />
zum „Sächsischen Armeemuseum“ umgestaltet wurde. Dessen Waffensammlungen<br />
erfreuten das Herz der Nazis, die das Gebäude 1940 zum „Heeresmuseum“<br />
aufwerteten. Die sowjetischen Sieger ließen 1945 unmittelbar neben der<br />
Zufahrt zum Arsenal ein erstaunlich zurückhaltendes Denkmal für ihre Gefallenen<br />
setzen und gemeindeten den bis dahin autonomen Gutsbezirk Albertstadt nach<br />
Dresden ein. Die militärische Tradition des Ortes aber blieb gewahrt: erst durch<br />
die erneute Nutzung als Kaserne und dann von 1972 an durch die Wiedereröffnung<br />
des seit 1943 geschlossenen Heeresmuseums unter dem Namen „Armeemuseum<br />
der DDR“.
Quellen:<br />
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.08.2003<br />
www.daniel-libeskind.com<br />
Photo Credits:<br />
©SDL: Images 1–9<br />
©Lubic & Woehrlin Architekten<br />
Mit seinem Neubau des Imperial War Museum in Manchester hat der polnische<br />
Architekt bewiesen, daß er dem heiklen Thema Kriegsgeschichte gewachsen ist.<br />
Seitdem weiß man, daß die Aufschreie wegen der angeblichen Zerstörung des<br />
denkmalgeschützten Arsenals durch den Umbau voreilig waren. Denn der gigantische<br />
Keil, den sich die Bundeswehr 35 Millionen Euro kosten lässt, kommt<br />
ohne tragende Teile im Inneren des alten Gebäudes aus, obwohl er sich durch<br />
das gesamte Museum zieht. Er ist in bester Tradition des Hauses Fassadenarchitektur,<br />
denn hinter seinen Glaswänden bleibt nicht nur die Front des Arsenals erhalten,<br />
sondern der Libeskind-Umbau orientiert sich auch an den alten Etagenhöhen,<br />
so daß bis auf wenige Ausnahmen auch die Geschoßdecken vollständig<br />
bewahrt werden können – und damit auch der faszinierende Pfeilersaal des<br />
Parterres. Der Glaskeil im Museum symbolisiert keinen Triumph, sondern die Öffnung<br />
der demokratischen Armee nach außen und deren Transparenz nach<br />
innen – wenn auch auf den Computersimulationen von Hans-Günther Merz, der<br />
als Partner Libeskinds für die museale Konzeption des Entwurfs zuständig ist, die<br />
Wände des Keils im Inneren blutrot gestaltet sind. Besonders spektakulär sollen<br />
die „Vertikalen Ausstellungen“ wirken: Durchbrüche von bis zu vier Stockwerken<br />
im Keil, in denen Raketen und ähnliches präsentiert werden. Im neuen Teil des<br />
Museums wird ein so genannter Themenparcours gestaltet, der in acht bis zehn<br />
kleineren Abteilungen Militär als Kulturgeschichte darstellen soll.
„Beyond the Arsenal“ hat Libeskind sein Konzept getauft, und damit ist nicht nur<br />
die den Altbau in jeder Hinsicht überragende neue Architektur gemeint, sondern<br />
auch die Fortführung des Konzepts vom Arsenal als Lagerstätte von Heeresgut.<br />
Eine Million Stücke wird die Sammlung umfassen, statt bisher 5.000 m 2 Ausstellungsfläche<br />
werden nach Abschluss des Umbaus im Jahr 2008 12.000 bereitstehen.<br />
Und es wird eine neue Touristenattraktion geben, die im „Café Dresdenblick“<br />
in der Spitze des Keils ihren buchstäblichen Höhepunkt finden soll.<br />
Man möge, so Libeskind, seinen Entwurf als Verweis auf den Einschnitt verstehen,<br />
den die deutsche Militärgeschichte für Europa bedeutet habe, und auf die<br />
Zerstörung Dresdens. Tatsächlich zielt der Keil wie ein Pfeil auf die zerbombte<br />
Innenstadt, doch die direkte Linie zur Frauenkirche hat Libeskind pietätvoll vermieden.<br />
Den Blitze schleudernden Zeus will er nicht geben; nur Blicke sollen<br />
von seinem Keil aus über die Elbe in die Altstadt geworfen werden. Eine solch<br />
virtuose Kombination von alter und neuer Architektur kommt nicht zweimal. Die<br />
Stadt bekommt damit rechtzeitig zum Abschluss des Frauenkirchenwiederaufbaus<br />
ein neues Prestigeprojekt.<br />
Credits:<br />
Design Team Leader :<br />
Jochen Klein<br />
Design Team:<br />
Peter Haubert, Guillaume Chapallaz,<br />
Marcel Nette, Ka Wing Lo, Helko Rettschlag,<br />
Ina Hesselmann<br />
Joint Venture Partner:<br />
Architekt Daniel Libeskind AG<br />
Cost and Site Supervision:<br />
Lubic & Woehrlin Architekten, Berlin<br />
Structural Engineer:<br />
GSE Ingenieur-Gesellschaft mbh<br />
Mechanical/Electrical:<br />
Ipro Industrieprojektierung<br />
Civil Engineer:<br />
Arnold Consult<br />
Auditing Statics:<br />
Ing. Consult Cornelius-Schwarz-Zeitler GmbH<br />
Landscape Architect:<br />
Dipl.-Ing. Volker von Gagern<br />
Fire Protection Consultant:<br />
Ingenieurbuero Heilmann, Pirna<br />
Lighting Designer:<br />
Delux AG<br />
Exhibition Design:<br />
Prof. HG Merz, Stuttgart with<br />
Holzer Kobler Architekturen (Switzerland)<br />
Demolition:<br />
Bertram für Bau und Gewerbe<br />
Foundation, Steel Beams:<br />
Firma Bauer Spezialtiefbau<br />
Raw Construction:<br />
Hentschke Bau<br />
Steel Construction, Wedge:<br />
Gerhard Schilling Stahlbau und Montage<br />
Steel Construction, Floor Plates:<br />
Stahlbau Verbundtrager<br />
Facade:<br />
Josef Gartner GmbH, Gundelfingen
58HELLERAU Gartenstadt<br />
Von Marion Nagel, Dresden (gekürzter Text)<br />
Fünf, sechs Kilometer vom <strong>Zentrum</strong> Dresdens entfernt<br />
liegt Hellerau. Ein großes Stück Wald, die<br />
Dresdner Heide, trennt die Neustadt mit ih ren<br />
Grunderzeithäusern von Hellerau, rund 6000<br />
Leute leben hier. Der Rundgang durch die Gartenstadt<br />
Helleraus beginnt dort, wo auch schon<br />
vor 100 Jahren das „Herz“ der Siedlung schlug,<br />
bei den Deutschen Werkstätten. Das ehemalige<br />
Fabrikgebäude erinnert mit seiner Form an eine<br />
Schraubzwinge und entstand ab 1909 innerhalb<br />
nur eines Jahres nach Entwürfen des Industriellen<br />
Karl Camillo Schmidt und des Archi tekten<br />
Richard Riemerschmid. Hier wurden anfangs<br />
Möbel, Wandverkleidungen und Hauseinrichtungen<br />
und später eine frühe Art der „Fertigteil-Holzhäuser“<br />
in Serie gebaut. „Die Arbeits be dingungen<br />
zu dieser Zeit waren hier gerade zu revolutionär“,<br />
erzählt Clemens Galonska. Er ist selbst<br />
Architekt, lebt in Hellerau und führt interessierte<br />
Besucher regelmäßig durch die Siedlung.<br />
Das ehemalige dreigeschossige Fabrikgebäude<br />
ist eher schmal und erinnert an ein ländliches<br />
Gut. Innen verbreiten die großen Fenster eine<br />
wunderbare Tageslichtatmosphäre – ideal für die<br />
damalige Zeit. Jeder Arbeiter hatte eine eigene<br />
Werkbank, die Späne und Abfälle wurden gesammelt<br />
und unter dem Hof durch Kanäle zum<br />
„Spänebunker“ abtransportiert und später verbrannt.<br />
Mit der gewonnenen Energie wurde<br />
Wasser erhitzt und teilweise der Strom für Hellerau<br />
gewonnen. Das Maschinenhaus in dem vormals<br />
die großen Turbinen für die Stromerzeugung<br />
standen, ist heute ein zentraler Punkt für Veranstaltungen<br />
der Bewohner von Hellerau. Karl Camillo<br />
Schmidt war gelernter Tischler und grundete<br />
1899 seine „Dresdner Werkstätten für Handwerkskunst“.<br />
Der im erzgebirgischen Zschopau<br />
Geborene hatte schon früh erkannt, daß die miserablen<br />
Lebensbedingungen der Arbeiter im<br />
ausgehenden 19. Jahrhundert in Mietskasernen<br />
und dunklen Hinterhöfen einen direkten Einfluss<br />
auf die Produktivität haben. In ihm reifte die<br />
Idee, die Wohn- und Lebensbedingungen seiner<br />
Arbeiter nach dem Vorbild der sogenannten „Lebensreformer“<br />
zu verbessern und eine Siedlung<br />
ganz nach dem Modell der englischen „Garten-<br />
Fußend auf dem Gartenstadtgedanken von Ebenizer Howard, gründete der Unternehmer<br />
Karl Camillo Schmidt 1909 unweit von Dresden die Gartenstadtsiedlung<br />
Hellerau zusammen mit seinem Neubau seiner „Dresdner Werkstätten für<br />
Handwerkskunst“. Die Einheit von Wohnen und Arbeit, Kultur und Bildung, in ei -<br />
nem von der Lebensreform geprägten Organismus, ist der gebaute Anspruch<br />
der Gartenstadt Hellerau. Als schon bedeutender Vertreter der Reformbewegung<br />
im Möbel-, Innenausbau und in der Handwerkskunst, sah Karl Camillo Schmidt
in der Realisierung Helleraus eine Gelegenheit, Boden-, Wohnungs- und Sozialreformbestrebungen<br />
in einem Gesamtwerk umsetzen zu können. Der von Karl<br />
Camillo Schmidt beauftragte Architekt Richard Riemerschmid plante den Bau der<br />
Werkstätten und dazu eine Wohnsiedlung, mit Kleinstwohnhäusern für die Arbei<br />
ter, geräumigen Landhäusern, Markt, Geschäften, Wasch- und Badehaus,<br />
Praxen, Ledigenwohnheim, Schule und Schülerwohnheim. Heinrich Tessenow,<br />
Hermann Muthesius und Curt Frick gehören mit zu den renommierten Architekten,<br />
die in Hellerau ganze Straßenzüge beplanten. Reformbegeisterte aus ganz<br />
Europa kamen, um Zeuge der real praktizierten Lebensreform zu werden. Der<br />
Tod Wolf Dohrns und der Ausbruch des 1. Weltkrieges beendete die Sturm- und<br />
Drangzeit Helleraus. Mit einzelnen reformpädagogischen Konzepten und kulturellen<br />
Projekten konnte Hellerau in den Folgejahren kurzfristig noch an die anfänglichen<br />
Glanzzeiten anknüpfen. Ende der dreißiger Jahre wurde die Bildungsanstalt<br />
für Rhythmische Gymnastik von den Nationalsozialisten in einen<br />
Kasernenhof umgebaut, und nach 1945 von den russischen Besatzungsmächten<br />
weiter militärisch genutzt. Mit zeitgenössischen Darbietungen und jungen<br />
kulturschaffenden Institutionen vor Ort entwickelt sich das Festspielhaus heute zu -<br />
neh mend zu einem der wichtigen Veranstaltungsorte in Dresden. Die Deutschen<br />
Werkstätten knüpften in benachbarten neuen Werkhallen längst an ihre alte<br />
handwerkliche Traditionen an und sind international erfolgreich im hochwertigen<br />
Innenausbau tätig. Die historischen Räumlichkeiten der Werkstätten sind ein Pool<br />
für Ingenieur- und Dienstleistungsunternehmen geworden, die sich der Nachhaltigkeit<br />
und Umweltverträglichkeit verschrieben haben. Ganz Hellerau ist heute<br />
ein Flächendenkmal, nicht ausschließend, daß auch Modernes entsteht; ist es<br />
doch gerade die Tradition von Hellerau, Neues und Zukunftsweisendes hervorzubringen.<br />
www.dresden-hellerau.de/src/hellerau.html<br />
www.hellerau.de/helleraubilder.htm<br />
stadt“ zu bauen. Der Grundgedanke dieses Modells<br />
ist es, die Vorteile des städtischen Wohnens<br />
mit den Vorzugen des Lebens auf dem Land zu<br />
verbinden. Schmidt beauftrage den Maler, Kunsthandwerker<br />
und Architekten Richard Riemerschmid,<br />
eine Siedlung, Werkstätten, sowie Gär -<br />
ten und Straßen zu entwerfen. 1909 erfolgte der<br />
erste Spatenstich für die Deutschen Werkstätten<br />
Hellerau, kurz danach standen die ersten<br />
Häuser.<br />
In der Straße „Am Grünen Zipfel“ erkennt man<br />
das Gartenstadtprinzip auf den ersten Blick. „Für<br />
mich ist das die schönste Straße in Hellerau“,<br />
meint Clemens Galonska. Sechs bis acht Häuschen<br />
stehen in einer Reihe auf jeder Seite der<br />
Straße, jede Familie hat einen eigenen Eingang<br />
und eine kleinen Vorgarten. „Gemessen an unseren<br />
heutigen Verhältnissen sind die Häusern, in<br />
denen die Arbeiter der Werkstätten mit bis zu<br />
zehn Personen wohnten eher klein“, so Galons -<br />
ka. Doch sie waren hell und trocken, der Weg<br />
zur Arbeit kurz und der kleine Gemüsegarten hinter<br />
dem Haus diente der Versorgung. Die Häuser<br />
waren einfach und funktional gebaut. Fertigteile,<br />
wie zum Beispiel die Fensterbänke, wurden in<br />
Se rie produziert und sind bei allen Häusern der<br />
Straße gleich. So waren sie finanzierbar und die<br />
Miete für die Arbeiter erschwinglich. Schmidt,<br />
der Gründer von Hellerau, lebte wie seine Arbeiter<br />
in einem Haus in der Siedlung. Auch wenn es<br />
etwas größer ausfiel – das Grundmodell war<br />
das gleiche. Die kurzen Wege sind erhalten geblieben,<br />
hinter jedem Haus führt ein Netz von<br />
autofreien, grünen Gartenwegen durch die Siedlung.<br />
Nachbarschaftliche Kommunikation funktioniert<br />
bis heute über die niedrigen Gartenzäune<br />
hinweg.<br />
„Für die Studenten des Masterstudiengang Denkmalpflege<br />
und Stadtentwicklung der TU Dresden,<br />
ist Hellerau die beste Möglichkeit praxisnah viele<br />
Aspekte zu üben“, sagt Susanne Jaeger. Sie vertritt<br />
die Professur „Denkmalpflege und Bauforschung“<br />
an der Universität. Bei Gesprächen mit<br />
den Bewohnern haben die Studenten herausgefunden,<br />
was die Qualitäten der Gartenstadt sind<br />
und wie sehr sich die Hellerauer mit ihrer Siedlung<br />
identifizieren. Die Ergebnisse wurden auf<br />
dem Kongress vorgestellt. Die aus Australien,<br />
Großbritannien, Deutschland und den Niederlanden<br />
angereisten Kongressteilnehmer rücken Themen<br />
wie Gemeinschaft, Identität, Über schaubar -<br />
keit und Nähe zum Arbeitsplatz kurz – eine<br />
großstadtkritische Haltung – in den Mittelpunkt.<br />
Die Stadtplaner von heute lernen aus den Erfahrungen,<br />
die man mit großstadtkritischen Formen<br />
– und nichts anderes ist Hellerau – gemacht hat.<br />
Quelle:<br />
www.stern.de/wissenschaft/mensch/:Dresden-<br />
Hellerau-Lebendige-Kritik-Großstadt
60HELLERAU Festspielhaus<br />
Karl-Liebknecht-Straße 65<br />
In neuem Glanz<br />
Sanierung Festspielhaus Hellerau in Dresden<br />
Architekt: Heinrich Tessenow, 1910–1912<br />
Sanierung: Meier-Scupin & Petzet, 2002–2010<br />
Hellerau – kaum ein Name ist so eng mit der<br />
deutschen Lebensreformbewegung am Beginn<br />
des 20. Jahrhunderts verbunden wie dieser. Hier<br />
entstand 1910 die Möbelfabrik „Deutsche<br />
Werk stätten“, hier wurde ab 1909 eine wegweisende<br />
Gartenstadt errichtet, und hier konnte<br />
1912 das von Heinrich Tessenow entworfene<br />
Festspielhaus eingeweiht werden, in dem der<br />
Tanzpädagoge Emil-Jaques Dalcroze die „Schule<br />
für Rhythmus, Musik und Körperbildung Hellerau“<br />
betrieb. Erfreulicherweise ist die Vitalität<br />
Helleraus auch heute noch ungebrochen. Die<br />
„Deutschen Werkstätten“ haben gerade ein<br />
neues Pro duktionsgebäude eingeweiht, die Gartenstadt<br />
präsentiert sich in frisch saniertem<br />
Glanz, und Anfang September (2006) ist auch<br />
das Festspielhaus seiner Wiederbelebung ein<br />
großes Stück nä her gekommen. Denn an diesem<br />
Tag wurde hier das „Europäische <strong>Zentrum</strong> der<br />
Künste“ eingeweiht, das ein umfangreiches Programm<br />
von Ballettaufführungen, Konzerten und<br />
Theaterveranstaltungen anbieten will. Vorausgegangen<br />
war der Wiederbelebung eine wechselhafte<br />
Geschichte. Die zivile Nutzung des<br />
Fest spielhauses währte nur bis 1935. Anschließend<br />
ergriffen nacheinander die Polizei, die<br />
SA, die SS, die Wehrmacht und schließlich die<br />
sowjetische Ar mee von dem Gebäude Besitz.<br />
Nach dem Ab zug der Militärs 1992 war das<br />
Festspielhaus ei ne Ruine mit Putzschäden, löchrigen<br />
Dächern, maroden Decken, verrotteten<br />
Wasser- und Elektroleitungen. Umso mutiger war<br />
Das Festspielhaus Hellerau und die Anfänge des experimentellen Theaters<br />
von Cynthia Schwab (gekürzter Text)<br />
Wer das Festspielgelände in Hellerau betritt, und sei es zum ersten Mal, gerät<br />
unwillkürlich in den Sog dieser großartigen Anlage, deren spannungsreiche Mischung<br />
aus Verfall, Überformung und ungebrochener Repräsentanz den Atem<br />
der Geschichte spüren lässt. Ein ungewöhnlicher, versteckt gelegener Ort,<br />
scheinbar ohne Anbindung, in dessen einsamer Monumentalität jene kulturellen<br />
Visionen aufscheinen, die hier zu Beginn des 20. Jahrhunderts ihre bauliche und<br />
praktische Umsetzung erfuhren. Das Festspielhaus und seine vorgelagerten Pensionshäuser,<br />
die nicht mehr komplett in ihrer ursprünglichen Formation erhalten<br />
sind, haben am Vorabend des 1. Weltkrieges wie ein Magnet Menschen aus<br />
ganz Europa angezogen. Dies geschah jedoch keineswegs in klösterlicher Abgeschiedenheit.<br />
Die damals weithin bekannte Erprobungsstätte einer künstlerischen<br />
und intellektuellen Avantgarde sowie sozialer Reformversuche ist un trennbar<br />
verbunden mit der Entstehung der ersten Gartenstadt Deutschlands, der Gartenstadt<br />
Hellerau, in deren Folge Architektur, Kunsthandwerk und Kunstgewerbe,<br />
Rhythmik, Musik und Bühnenästhetik zu einer höchst eigenwilligen Symbiose fanden.<br />
Etwa zur gleichen Zeit führte in Genf das Unbehagen an der Musik-Kultur<br />
Adolphe Appia und Emile Jaques-Dalcroze zusammen. In seinen Bühnenbildskizzen<br />
zu Richard Wagners Musikdramen entwickelte Appia die stilisierte, begehbare<br />
dreidimensionale Raumbühne mit moderner Lichtregie: eine Absage an die<br />
zweidimensionale Kulissenbühne, starre Raumstrukturen, überladene Prospekte<br />
und Naturalismen, die Tiefenwirkung und Stimmungen nur vorzutäuschen vermochten.<br />
Unter dem Einfluss von Jaques-Dalcroze entstanden 1909/1910 sei -<br />
ne berühmten „Espaces rhythmiques“. Vor allem Wolf Dohrn war davon so be -<br />
eindruckt, daß er Jaques-Dalcroze in Dresden im Oktober 1909 spontan anbot,<br />
seine Visionen in Hellerau zu verwirklichen. Von Anfang an war ja in Ergänzung<br />
des handwerklich-künstlerisch weit gespannten Programms der Werkstätten<br />
sowie der städtebaulichen Gesamtanlage ein Musik-Projekt vorgesehen,<br />
um dem Gemeinschaftsleben Identität stiftende, festliche Glanzpunkte zu geben.<br />
Jaques-Dalcroze entschied sich für Hellerau, denn dort bot sich ihm die einzigartige<br />
Chance, in einem eigenen Institutsgebäude den so sehnlich gewünschten<br />
Saal nach den Gestaltungsprinzipien der „Espaces rhythmiques“ zu realisieren.<br />
Das Festspielhaus sollte ein weiterer Baustein im Gesamtgefüge der Gartenstadt<br />
werden. Doch schließlich gelangte Tessenows 3. Entwurf nach langen Auseinandersetzungen<br />
zwischen Dohrn, Schmidt und Riemerschmid als Solitär, räumlich<br />
abgegrenzt von der ländlich-dörflich geprägten Architektur zur Ausführung.<br />
Der ornamentlose, streng durchkomponierte Bau samt den vorgelagerten Pensionshäusern,<br />
der bald internationale Beachtung fand, übersetzte Dalcrozes und<br />
Appias Vorstellungen in die Sprache der Architektur. Schul- und Übungsräume,<br />
nach Geschlechtern getrennte Bäder und lichtdurchflutete Wandelhallen, Foyer,<br />
Direktion und Bibliothek umschlossen von drei Seiten den großen Saal. Der lang
gestreckte Raum mit versenkbarem Orchestergraben enthielt keine festen Installationen,<br />
weder Bühne noch Vorhang; frei bewegliche Bühnenelemente und Zuschauersitzreihen<br />
konnten je nach Erfordernis gruppiert werden. Decke und<br />
Wände waren mit weißen gewachsten Tuchbahnen ausgekleidet. Dahinter erzeugten<br />
Tausende von Glühbirnen ein diffuses, immaterielles Licht und gaben<br />
dem von jeglichem Naturalismus befreiten Raum Transparenz und Transzendenz.<br />
Das Beleuchtungssystem des georgischen Theatermalers Alexander von<br />
Salzmann, der auch das Emblem des Yin und Yang an den beiden Giebelseiten<br />
entwarf, ließ von völliger Dunkelheit bis strahlender Helligkeit stufenlos und abschnittsweise<br />
regulierbare Lichtstimmungen zu.<br />
1912 gaben die Festspiele zum Abschluss des Studienjahres Gelegenheit zur<br />
ersten szenischen Erprobung. Innerhalb dieser 14 Tage konnten die Festivalbesucher<br />
nicht nur öffentliche Vorführungen der rhythmischen Gymnastik erleben,<br />
sondern auch den 2. Akt von Glucks Oper „Orpheus und Eurydike“. Im Festspielhaus<br />
waren kunstgewerbliche Arbeiten der Hellerauer Werkstätten zu sehen,<br />
Sommerkurse für Rhythmik-Absolventen schlossen sich an. Die Festspiele<br />
1913 brachten schließlich den großen internationalen Erfolg. Schon in den Jahren<br />
zuvor waren auf der Suche nach neuen Impulsen zahlreiche Besucher nach<br />
Hellerau gekommen, so z.B. die Architekten Le Corbusier, Walter Gropius und<br />
Mies van der Rohe. In ihrem und im Gefolge der internationalen Schülerschaft<br />
entstand in der Gartenstadt eine Künstlerkolonie, aus der man zu ganz neuen<br />
Ufern aufbrechen konnte. 1913 wurden die Festspiele zum Treffpunkt der kulturellen<br />
Elite Europas: Hier begegneten sich Upton Sinclair und G.B. Shaw,<br />
Stefan Zweig und Martin Buber, Franz Werfel und Rainer Maria Rilke, es kamen<br />
u.a. Serge Rachmaninoff, Konstantin Stanislawski, Max Reinhardt, Gerhart<br />
Hauptmann und Oskar Kokoschka, Henry van de Velde, Else Lasker-Schüler,<br />
Ernst Rowohlt, die Pavlova und Rudolf von Laban.<br />
Wolf Dohrn starb 1914 bei einem Skiunfall in den Alpen. Jaques-Dalcroze kehrte<br />
nach Ausbruch des 1. Weltkrieges von Genf nicht mehr zurück. Das Festspielhaus<br />
mit seiner internationalen Ausstrahlung wurde zum ersten Mal Opfer der<br />
geschichtlichen Ereignisse. Bis die Nationalsozialisten Mitte der 30er Jahre das<br />
Antlitz der Gesamtanlage durch Ein- und Umbauten, Teilabriss und Neubau der<br />
Pensionshäuser zerstörten und das Gelände als Polizeischule missbrauchten,<br />
gab es zwar zahlreiche Versuche, die musikalisch-rhythmische Ausbildung fortzuführen<br />
und den experimentellen Charakter fortzuschreiben, aber Nimbus und<br />
Anziehungskraft einer aufregend neuen Bühnenkunst im Verein mit ihren künstlerischen<br />
und sozialen Implikationen waren verloren. Als nach dem 2. Weltkrieg<br />
die russische Armee in das Festspielhaus einzog und das Emblem des Yin und<br />
Yang durch den roten Stern ersetzte, war der „Mythos Hellerau“ fast nur noch<br />
im Gedächtnis all jener aufgehoben, die dorthin einstmals aufgebrochen<br />
waren, um am Entstehen einer neuen, besseren Gemeinschaft mitzuwirken.<br />
Trotz – oder wegen – seiner immensen Beschädigung hatte der Ort doch so viel<br />
Magie bewahrt, daß Ende der 80er Jahre Theaterleute, Choreografen und<br />
Kunstwissenschaftler aus Dresden und Ostberlin seine Wiederbelebung ins Auge<br />
fassten. Neben das Bild von der „verkeimten Russenkaserne“ stellten sie ihre<br />
Vision eines vitalen „Kunstlabors“, verbunden mit der vagen Hoffnung auf einen<br />
schrittweisen Abzug sowjetischer Truppen aus der DDR. Unterstützung erhielten<br />
sie nach der Wende von Gleichgesinnten aus der Schweiz, Frankreich, Italien<br />
und den alten Bundesländern. Schließlich wurde 1990 der „Förderverein für die<br />
Europäische Werkstatt für Kunst und Kultur“ aus der Taufe gehoben. 1992 konnte<br />
nach dem Abzug der GUS-Truppen die feierliche Aneignung des Geländes<br />
mit einem Fest und einer vom Bundesvermögensamt ausgestellten, befristeten Betretungsgenehmigung<br />
beginnen. Der Faden, den Dohrn, Jaques-Dalcroze, Appia<br />
und Tessenow am Anfang des Jahrhunderts gesponnen hatten, wurde an dessen<br />
Ende wieder aufgenommen.<br />
die Arbeit des 1990 gegründeten „Fördervereins<br />
für die Europäische Werkstatt für Kunst und Kultur<br />
Hellerau“, der sich umgehend um die Revitalisierung<br />
des Gebäudes kümmerte. Bereits 1992<br />
fanden hier Kulturveranstaltungen statt, und<br />
1994 konnte mit ersten Sanierungsarbeiten begonnen<br />
werden. Zu nächst wurde das marode<br />
Dach durch ein Notdach gesichert, später erfolgten<br />
Schwammsanierungen, der Bau eines neuen<br />
Dachs, die Erneuerung der Heizungsanlage und<br />
der Innen räume. Für die weiteren Bauarbeiten<br />
wurde 2000 ein Realisierungswettbewerb veranstaltet,<br />
den das Münchner Büro Meier-Scupin&<br />
Petzet für sich entscheiden konnte. Nun, nach<br />
zwölfjährigen und 17 Millionen Euro teuren Sanierungsarbeiten,<br />
kann ein positives Fazit gezogen<br />
wer den. Das Festspielhaus ist keine glatt<br />
sanierte Ikone, sondern ein Geschichtsdokument,<br />
das auch die Brüche seiner Nutzungsgeschichte<br />
offenbart. Der Besucher findet hier originale<br />
Wand bilder der sowjetischen Armee, Nebenräume,<br />
in denen noch immer die bröckelnde Atmosphäre<br />
der Verfallsphase regiert, und den gro -<br />
ßen Saal, der vor allem durch seine minimalistische<br />
Ästhetik besticht. Hier sorgen helle Holzfußböden,<br />
weiß getünchte Wände und hohe Fens -<br />
ter für einen neutralen Rahmen, der die unterschiedlichsten<br />
Veranstaltungen möglich macht.<br />
Bis zum endgültigen Abschluss der Bauarbeiten<br />
ist allerdings noch etwas Geduld gefragt. Denn<br />
die noch ausstehende Außensanierung wird erst<br />
2010 beendet sein.<br />
Quelle:<br />
Matthias Grunzig, Baumeister 10/2006<br />
Quelle:<br />
www.kunstforumhellerau.de/1/kurztext.php?lan<br />
g=2&area=1
Schmidt´s<br />
62HELLERAU<br />
Deutsche Werkstätten<br />
Schmidt´s<br />
Das Schmidt's liegt im Gebäude-Ensemble Deutsche<br />
Werkstätten Hellerau, welches in Form einer<br />
großen Schraubzwinge erbaut wurde. Der<br />
wunderschöne Innenhof mit seinen drei riesigen<br />
Kastanienbäumen bietet einen perfekten Blick<br />
aus den großen Fenstern des Restaurants. Hier ist<br />
das Schmidt’s heimisch geworden. Neben den<br />
gleichnamigen weltberühmten Werkstätten für<br />
hochwertigen Innenausbau haben sich die Deutschen<br />
Dependancen internationaler Firmen niedergelassen.<br />
Neben Partnern von AMD und<br />
Infineon findet man auf dem Gelände insbesondere<br />
Unternehmen der Biotechnologie, innovativen<br />
Energiegewinnung, sowie Designer und<br />
Künstler. Außerdem verfügt das Gelände über<br />
mehrere Tagungsräume mit einer Kapazität bis<br />
zu ca. 100 Personen. Die Räume tragen die<br />
Namen berühmter Hellerauer, wie beispielsweise<br />
Riemerschmid oder Dalcroze. Im vergangenen<br />
Jahr kamen zudem eine Reihe interessanter neuer<br />
Gebäude in Holzbauweise hinzu.<br />
Deutsche Werkstätten<br />
Was war Hellerau? Zunächst ein Stück unberührter Heidelandschaft. Doch der<br />
Dresdner Möbelfabrikant Karl Schmidt erkannte in dem 6–7 km nördlich der<br />
Stadt Dresden gelegenen, weitläufigen Gelände auf Anhieb den geeigneten<br />
Ort zur Ansiedlung seiner expandierenden „Dresdner Werkstätten für Handwerkskunst“.<br />
Grund und Boden waren billig und boten Platz für ein groß angelegtes<br />
Projekt: die Gründung einer Gartenstadt nach englischem Vorbild.<br />
Schmidt, ein Mann mit äußerst moderner Unternehmensphilosophie, war ganz<br />
den zeitgenössischen lebensreformerischen Ideen verbunden. Sein erfolgreiches<br />
Möbelprogramm verband funktionale und ästhetische Ansprüche mit zeitgerechter<br />
maschineller Produktion. Entwürfe internationaler Künstler und der sensible,<br />
fach- und materialgerechte Umgang mit dem Werkstoff Holz sicherten den seriell<br />
gefertigten Werkstücken ihre hohe Qualität; das praktisch konzipierte Mobiliar<br />
war zerleg- und transportierbar sowie im Preis erschwinglich. Entsprach<br />
schon all dies einer kleinen Revolution, was den Geschmack gängiger Wohnungseinrichtungen<br />
betraf, so war die Gründung der Gartenstadt als städtebaulich,<br />
sozio-kulturell und ökonomisch durchkomponierter Gegenentwurf zu den<br />
menschenunwürdigen Lebens- und Arbeitsbedingungen in der Stadt gedacht.<br />
Wohnen, Leben und Arbeiten in der Natur, in unmittelbarer Nähe seiner Produktionsstätten,<br />
Ausschluss jeglicher Bodenspekulation – das war Schmidts Devise.<br />
Die sozial durchmischte, infrastrukturell komplett ausgestattete Siedlung sollte vor<br />
allem seinen Arbeitern und Angestellten eine neue Heimat bieten und sich eng<br />
an deren Bedürfnissen orientieren. Die Ausarbeitung lag seit 1906 in den bewährten<br />
Händen des Architekten Richard Riemerschmid, als Entwerfer der Maschinenmöbel<br />
Marke „Dresdner Hausgerät“ den Werkstätten schon lange<br />
verbunden. Und mit dem universal gebildeten, weltgewandten, hochbegabten<br />
und kulturell ambitionierten Energiebündel Wolf Dohrn, einem „Menschenfischer<br />
neuer Ideen“, stand dem liebevoll „Holz-Goethe“ genannten Karl Schmidt ein<br />
weiterer Mann zur Seite, der sich dem Projekt ebenfalls mit Leib und Seele verschrieb.<br />
Der promovierte Philosoph und Volkswirtschaftler, Schmidts rechte Hand<br />
in dessen Unternehmen, sollte schon bald als dritter Mann im Bunde auch die<br />
Gründung des Deutschen Werkbundes vorantreiben und neben Riemerschmid<br />
als Mitgesellschafter der gemeinnützigen „Gartenstadtgesellschaft Hellerau<br />
GmbH“ das Projekt entscheidend prägen, indem er ihm eine weitere Dimension<br />
hinzufügte: die eines alternativen Lebensentwurfes schlechthin. Überlegungen zu<br />
Bildung, Erziehung und kultureller Betätigung existierten bereits, kamen jedoch<br />
erst später zur Sprache.
Richard Riemerschmid (1868–1957)<br />
20. Juni 1868 in München geboren<br />
1886–87 Militärdienst<br />
1887–90 Studium an der Akademie der bildenden Künste<br />
ab 1890 freier Kunstmaler in München<br />
1898 Mitbegründer der Vereinigten Werkstätten für Kunst im Handwerk in<br />
München<br />
1902 Mitbegründer der Deutschen Gartenstadtgesellschaft<br />
1907 Mitbegründer des Deutschen Werkbundes<br />
1907–13 Leitung der Gesamtplanung der Gartenstadt in Hellerau<br />
Ab 1913 Direktor der Kunstgewerbeschule in München<br />
1926–31 Leiter der Kölner Werkschulen<br />
13. April 1957 in München gestorben<br />
Gilt Riemerschmids Interesse als Maler dem Spätimpressionismus und dem Pointilismus,<br />
so ist er als Innenausstatter, Möbelentwerfer und Architekt einer der<br />
wichtigsten Vertreter des deutschen Jugendstils. Zu den bekanntesten Werken<br />
aus dieser Zeit gehören der Musiksalon auf der deutschen Kunstausstellung in<br />
Dresden 1899, das Schauspielhaus in München 1900/01 und die Räume auf<br />
der Ausstellung der Dresdener Werkstätten 1903. Als sozial eingestellter Reformer<br />
interessiert er sich zunehmend für Fragen der maschinellen Produktion<br />
und der Herstellung von preisgünstigen Produkten, was ihn nach der Kunstgewerbe-Ausstellung<br />
in Dresden von 1906 auch dazu bewegt, den Deutschen<br />
Werkbund mitzubegründen, dessen Vorsitzender er von 1921–26 sein wird.<br />
Ebenfalls 1907 übernimmt er die Gesamtplanung der ersten deutschen Gartenstadt<br />
Hellerau bei Dresden, bei der auch Hermann Muthesius und Heinrich<br />
Tessenow mitwirken und die Vorbild für zahlreiche ähnliche Projekte in Deutschland<br />
wird. Ab 1909 ist er zudem am Bau der Gartenstadt Nürnberg beteiligt.<br />
Weitere Bauten wie die Luftfahrthalle in München (1925), das Funkhaus Deutsche<br />
Stunde in Bayern (1927) und der Pavillon für den Verlag Reckendorf auf<br />
der Pressa-Ausstellung (1928) entstehen.<br />
Mit seinen Möbeln und Inneneinrichtungen aus der Jugendstilzeit ebenso wie mit<br />
seinen Gartenstadtprojekten hat Riemerschmid die Gestaltung der deutschen<br />
Wohn- und Lebenswelt in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts entscheidend<br />
mitgeprägt und auf einer Erneuerung in den Bereichen Architektur, Design<br />
und Innenausstattung hingewirkt. Richard Riemerschmid, Gestalter des floralen<br />
Jugendstils, versuchte diese Grundgedanken Schmidts mit seinen eigenen Idealen<br />
zu kombinieren. Ein Organismus aus Ästhetik und Zweckmäßigkeit basierend<br />
auf Qualitätsanspruch und Stilbewusstsein.<br />
63<br />
HELLERAU<br />
Richard Riemerschmid<br />
http://riemerschmid.5eins.de/riemerschmid_im<br />
_werkbund/gartenstadt-hellerau<br />
Foto:<br />
www.richard-riemerschmid.com/d/ index.shtml
64HELLERAU<br />
Heinrich Tessenow<br />
Heinrich Tessenow (1876–1950)<br />
7. April 1876 als Sohn eines Zimmermanns geboren<br />
1909 Assistentenstelle an der TH Dresden<br />
Lehrer in der Baugewerkschule in Lüchow<br />
Lehrer an der Kunstgewerbeschule Trier<br />
Assistent von Martin Dülfer an der TH Dresden<br />
1913 Professor an die Kunstgewerbeschule in Wien<br />
1920 Leitung der Architekturabteilung der Akademie der Künste in Dresden<br />
1926 Professor an der Technischen Hochschule Berlin<br />
1925 –27 Entwurf eines neuen Schulgebäudes in Klotzsche<br />
1941 Verordnete Emeritierung, Rückzug nach Mecklenburg bis Kriegsende<br />
1947 Professor an der Technischen Hochschule Berlin<br />
30. November 1950 in Berlin gestorben<br />
Heinrich Tessenow gehörte in den lebhaften geistigen Auseinandersetzungen<br />
der ersten Jahrzehnte unseres Jahrhunderts zu den führenden und interessantesten<br />
Architekten in Deutschland. Sein Wirken ist in die von England ausgehende, als<br />
geistige Besinnung und Erneuerung empfundene europäische Bewegung einzuordnen.<br />
Es war ein Besinnen auf Werte, die in der Verwirrung des Historismus<br />
und in der hektischen Suche nach „Stilen“ verloren gegangen waren.<br />
Mit seiner Vorstellung von neuen menschlichen Lebensformen wandte er sich in<br />
seinen Schrif ten, in seinen Planungen und mit seinen Bauten dem Wohnungsbau,<br />
insbesondere dem Kleinwohnungsbau, zu. Durch seine Schriften „Wohnungsbau“<br />
(1909), „Hausbau und dergleichen“ (1916) und „Handwerk und<br />
Kleinstadt“ (1919) wurde er bekannt und erhielt Zugang zu bedeutenden Projekten.<br />
In Hellerau übertrug man ihm auch den Bau der Bildungsanstalt für rhythmische<br />
Gymnastik (Dalcroze-Institut), in dem neue pädagogische Ideen und revolutionäre<br />
Formen der Darstellenden Kunst ihren eigenen baulichen Ausdruck fanden.<br />
Das heutige Festspielhaus wird als ein Zeugnis einer neuen Architektur angesehen.<br />
Seine Wohnhäuser sind gekennzeichnet durch eine provozierende Einfachheit.
Hermann Muthesius (1861–1927)<br />
1861 in Großneuhausen/Thüringen als Sohn eines Maurermeisters/Bauunternehmers<br />
geboren<br />
bis 1875 Besuch der Volksschule und Sprachunterricht vom örtlichen Pfarrer<br />
Mau rerlehre beim Vater, dann nach Realgymnasium in Leipzig Militärdienst<br />
1 Jahr Studium Kunstgeschichte und Philosophie an der Friedrich-Wilhelm-Universität<br />
in Berlin<br />
bis 1887 Architekturstudium an der Technischen Hochschule Berlin, nebenher<br />
Arbeit bei Paul Wallot, dem Erbauer des Reichstages<br />
1887–90 Angestellter einer Baufirma in Tokio, dann 4-monatige Asienreise<br />
1891 2. Hauptprüfung für den Staatsdienst im Hochbau, Regierungsbaumeister<br />
1896 –1903 Technischer Attaché für Architektur der dt. Botschaft in London<br />
Oktober 1927 bei Baustellenbesichtigung durch Straßenbahnunfall gestorben<br />
In London verfasste er im amtlichen Auftrag zahllose Berichte über englische Architektur,<br />
Kunstgewerbeerziehung, Ausstellungen und auch ingenieurtechnische<br />
Neuerungen, die überwiegend im Zentralblatt der Bauverwaltung veröffentlicht<br />
wurden. Zugleich entwickelte er eine umfangreiche publizistische Tätigkeit, zu<br />
der neben zahlreichen Artikeln in einschlägigen Kunstzeitschriften die berühmte<br />
Streitschrift Stilarchitektur und Baukunst gehört. Das Hauptwerk dieser Zeit sind<br />
jedoch drei umfangreiche Werke über englische Baukunst, von denen das bekannteste<br />
„Das englische Haus“ wurde. Nach seiner Rückkehr erhielt Muthesius<br />
einen Ruf an die Technische Hochschule in Darmstadt als Professor für Kunstgeschichte,<br />
den er jedoch ablehnte, um als Geheimrat in das Preußische Handelsministerium<br />
zu wechseln, wo ihm bis zu seiner Pensionierung 1926 die Reform<br />
der Kunstgewerbeschulen oblag.<br />
Nebenher hat er als Architekt eine umfangreiche Tätigkeit entfaltet, wobei er<br />
überwiegend durch seine Landhäuser bekannt wurde. Aus einem 1907 gehaltenen<br />
Vortrag an der Berliner Handelshochschule entwickelte sich ein Skandal,<br />
der als „Fall Muthesius“ berühmt wurde und nach Protesten des wirtschaftlichen<br />
Interessenverbandes des Kunstgewerbes in einer mit Muthesius solidarischen<br />
Gegenbewegung die Gründung des Deutsche Werkbundes auslöste. 1908<br />
wurde er als Mitglied in den Vorstand gewählt und hatte von 1910 –16 dort<br />
das Amt des zweiten Vorsitzenden inne. Mit seiner Einflußnahme auf die Kölner<br />
Werkbundausstellung von 1914 als auch sei nem dortigen Vortrag „Die Werkbundarbeit“<br />
der Zukunft entfachte er einen Proteststurm der Künstler, der als „Typenstreit“<br />
berühmt wurde und den Werkbund an den Rand einer Spaltung<br />
brachte. Nach dem Krieg hat Muthesius zwar noch eine große Zahl vorwiegend<br />
klassizistischer Häuser gebaut und einige Bücher veröffentlicht, war aber<br />
in Anbetracht der neueren Entwicklungen der Architektur zum außenstehenden<br />
Beobachter geworden. Muthesius starb im Oktober1927.<br />
65<br />
HELLERAU<br />
Hermann Muthesius
66Sächsischer Landtag<br />
Bernhard-von-Lindenau-Platz 1<br />
Peter Kulka Biographie<br />
Architekt: Peter Kulka, 1991–94<br />
Altbau: Barthold und Tiede, 1928–31<br />
Platzgestaltung: Peter Kulka<br />
1937 geboren in Dresden<br />
1958 Abschluß des Ingenieurstudiums,<br />
Fachrichtung Architektur<br />
1964 Abschluß des Studiums der Architektur an<br />
der Hochschule für bildende und angewandte<br />
Kunst in Berlin-Weissensee<br />
1964 Mitarbeiter von Hermann Henselmann am<br />
Institut für Typenprojektierung, Berlin<br />
1965–68 Mitarbeiter im Büro von Hans<br />
Scharoun, Berlin<br />
seit 1969 Freier Architekt<br />
1970–79 Partner in der Architektengemeinschaft<br />
Herzog, Köpke, Kulka, Siepmann, Töpper<br />
seit 1979 Eigenes Büro in Köln<br />
1986–92 Universitätsprofessor für Konstruktives<br />
Entwerfen an der RWTH Aachen<br />
seit 1991 Eigenes Büro in Dresden<br />
seit 1996 Gründungsmitglied der Sächsischen<br />
Akademie der Künste<br />
seit 1996 Mitglied der Berliner Akademie der<br />
Künste<br />
1997–98 Gastprofessor an der RWTH in<br />
Aachen<br />
1998–00 Vorsitzender des Gestaltungsbeirats<br />
der Stadt Regensburg<br />
2004 Mitglied des Gestaltungsbeirates der<br />
Stadt Trier<br />
Gastvorlesungen und Vorträge an zahlreichen<br />
Universitäten und Einrichtungen im In- und Ausland<br />
Mit der Wiedervereinigung Deutschlands musste die Unterbringung des sächsischen<br />
Landtages gelöst werden: Zunächst wurde das alte Ständehaus von<br />
Wallot in Betracht gezogen, doch fiel die Entscheidung, das 1928–31 von<br />
Barthold und Tiede im Stil der Neuen Sachlichkeit erbaute Landesfinanzamt zu<br />
rekonstruieren, das 1953–89 die Bezirksleitung der SED beherbergt hatte. Dieses<br />
Ensemble wurde zur Elbe hin u.a. mit einem Plenarsaal ergänzt – auch um<br />
diesen zentralen Bereich besser zu nutzen. Dazu gab es einen beschränkten<br />
Wettbewerb von 12 sächsischen Architekten, den der 1990 aus Köln nach<br />
Dresden zurückgekehrte Kulka gewann. Der Neubau strahlt Zurückhaltung und<br />
Bescheidenheit aus. Eine kräftige Geste des Schutzes unserer Demokratie symbolisiert<br />
jedoch das weit hervorstehende Flugdach am Eingang zum Neubau.<br />
Dieser soll im spannungsvollen Gegensatz zum schweren, steinernen Altbau<br />
leicht und transparent wirken. Funktion und Konstruktion werden nach den Prinzipien<br />
der Moderne offen gelegt. Zum Beispiel in den neuen Flügelbauten ist die<br />
offen liegende Stahlskelettkonstruktion mit roh belassenen Stahlbetondecken ein<br />
Gestaltungselement. Viel Glas soll viel nachvollziehbare Transparenz assoziieren.<br />
In den Sommermonaten allerdings kann man das Parlamentsgebäude von<br />
der Neustädter Elbseite kaum erkennen, so versteckt es sich hinter den Lindenbäumen.<br />
Eine kräftig akzentuierte Vertikale hätte den großen Stolz auf die 1989<br />
besonnen erkämpfte Demokratie gut zum Ausdruck bringen können. Doch der<br />
Architekt Peter Kulka hat den Neubau horizontal gelagert. Eine vertikale Betonung<br />
des Neubaus wurde zugunsten des rückwärtig gelagerten, turmartigen<br />
Eckbaus aus dem Jahr 1931 verzichtet. Damit sollte die Gliederung des Terrassenufers<br />
mit niedrigen Baukörpern an der Elbe und höheren Bauteilen dahinter<br />
fortgesetzt werden. Im Inneren wird der mit Holz verkleidete Plenarsaal als runder<br />
amphitheaterartiger Bau konstruktiv sichtbar. Von außen wölbt sich das Rund<br />
gläsern um die Ecke. Vier massive Kreuzstützen halten ein monumentales Stahldach<br />
– ein Motiv entlehnt von der Berliner Neuen Nationalgalerie von Mies<br />
van der Rohe (1965–68).<br />
Für die Öffentlichkeit zugänglich sind das Restaurant und die Sonnenterrasse.<br />
Selbstverständlich ist die Besuchertribüne des Plenarsaals für Interessierte – mit<br />
Voranmeldung – bei den Landtagssitzungen zugänglich. Auch das Foyer wird<br />
oft mit verschiedenen Ausstellungen über die Geschichte und Gegenwart des<br />
sächsischen Parlamentarismus vielfältig genutzt. Ein offenes Haus in vielerlei Hinsicht.<br />
Der offene freie Vorplatz, benannt nach Bernhard Lindenau, wird als Demonstrationsplatz<br />
für verschiedene politische Äußerungen des Volkes genutzt.
Der Altbau von 1931 für das Sächsische Finanz- und Zollamt stammt von Barthold<br />
und Tiede, die sonst in Dresden kein weiteres Bauwerk errichteten. Nach<br />
langen Hochhausdebatten in Dresden in den 20er Jahren konnte immerhin ein<br />
7-stöckiger Turm mit 36 Meter Höhe errichtet werden, der kubisch aus der südöstlichen<br />
Ecke herausragt.<br />
Jan von Havranek („Das Neue Dresden 1919–49“) fand heraus, daß „laut<br />
einem Vermerk im Schriftarchiv des Landesamtes für Denkmalpflege Dresden die<br />
Fußbodenplatten aus dem Pavillon des Deutschen Reiches von Mies-van-der-<br />
Rohe für die Weltausstellung in Barcelona 1929 stammen“. Einen Gestaltungsakzent<br />
bietet zudem die Fensterreihung mit vorgezogenen Gewänden. Gegenüber<br />
dem historistisch-eklektizistischen Elektrizitätswerk mit seinem ornamentierten<br />
Turm stellte dieses Bürogebäude zur Entstehungszeit wohl einen starken Kontrast<br />
von demonstrativer Sachlichkeit dar.<br />
Wegen des ungünstigen Baugrundes und des hohen Grundwasserstandes an<br />
diesem elbnahen Standort erhielt das Gebäude einen Unterbau aus Stahlbetonpfählen<br />
(ca. 1.000 unter dem Altbau und 176 unter dem Neubau) mit einem<br />
Durchmesser von bis zu 1,20 Meter. Das komplett SED-dominierte sächsische<br />
Parlament tagte nach dem Krieg bis zu einer Auflösung 1952 im Gebäude des<br />
ehemaligen Luftgaukommandos in Dresden Strehlen, was nur zu etwa ¼ zerstört<br />
worden war. Danach wurde das Land Sachsen in drei „Bezirke“ aufgeteilt:<br />
Dresden, Leipzig und Karl-Marx-Stadt (Chemnitz).<br />
Der 1937 in Dresden geborene Architekt Peter Kulka baut z.Z. auch das Deutsche<br />
Hygiene Museum in Dresden um. Seit einiger Zeit ist er auch mit der Planung<br />
zum Wiederaufbau des Ostflügels vom Residenzschloss beschäftigt. 1964<br />
arbeitete er bei Herrmann Henselmann im Institut für Typenprojektierung in Ostberlin<br />
und zwischen 1965 und 1968 bei Hans Scharoun in Westberlin. Seit<br />
1979 betreibt Prof. Kulka ein eigenes Büro.<br />
www.das-neue-dresden.de/landtagsachsen.html
68Zwinger<br />
Ostra-Allee, Sophienstraße<br />
Architekt: Matthäus Daniel Pöppelmann, 1709–28<br />
Als „Zwinger“ wird im Festungsbau das von Gräben durchzogene Gelände<br />
zwischen den Stadtmauern bezeichnet, der für Feste und Spiele genutzt wurde.<br />
1709 wurde in der Nachbarschaft des Zwingers zum Besuch des dänischen<br />
Königs eine hölzerne Festarchitektur errichtet. 1710 entwarf Matthäus Daniel<br />
Pöppelmann, seit 1680 in Dresden und seit 1705 Landbaumeister, als ersten<br />
dauerhaften Bau eine Orangerie. Die Gebäude, die in der Folgezeit für August<br />
den Starken entstanden, gehen in ihrer aufwändigen, prachtvollen Gestaltung<br />
weit über die ursprüngliche Funktion als Festplatz, Orangerie und schließlich<br />
Museum hinaus. Der Zwinger ist das berühmteste Bauwerk Dresdens und gehört<br />
zu den bekanntesten Kunstdenkmälern. Der verantwortliche Architekt Matthäus<br />
Daniel Pöppelmann sowie der Bildhauer Balthasar Permoser haben hier die architektonische<br />
Formensprache ihrer Zeit in einem Gesamtkunstwerk zusammengefasst.<br />
Ursprünglich sollte der Zwinger der Vorhof für eine nie ausgeführte<br />
Schlossanlage sein. Aus Platzgründen konnte die Zwingeranlage nicht von einem<br />
Garten umgeben werden, deshalb entstand dieser im Zwingerhof selbst.<br />
Bis 1847 war die Elbseite des Bauwerks durch eine hohe Mauer abgeschlossen,<br />
danach entstand nach den Plänen Gottfried Sempers die heutige Gemäldegalerie<br />
an dieser Stelle.<br />
Der annähernd quadratische Innenhof des Zwingers besitzt eine Breite von 107<br />
und eine Länge von 116 m. Aus seinen Langseiten treten kleinere Seitenhöfe mit<br />
Segmentbogenschluss hervor, woraus ein kreuzförmiger Grundriss resultiert. An<br />
den Ecken der Langseiten befinden sich vier Pavillons (Mathematischer, Französischer,<br />
Naturwissenschaftlicher, Deutscher Pavillon), saalartige, eingeschossige<br />
Aufbauten über Bogenhallen, deren Rampen mit geschwungener Treppe vorgelagert<br />
sind. Über dem Gesims und vor den Schweifdächern zieren Figuren und<br />
Wappen aus der Werkstatt Balthasar Permosers die Bauten.
Den Abschluss der apsidial geschlossenen Höfe bilden zwei Torpavillons. Der<br />
Wallpavillon, bei dem eine geschwungene Treppe zum ovalen Festsaal führt,<br />
entstand 1716 als bedeutendstes Werk Pöppelmanns. Hier löst sich das Bauwerk<br />
auf in eine lebendige Plastik. Als Bekrönung trägt Permosers sechs Meter<br />
hoher Herkules Saxonicus die Weltkugel.<br />
Das der Ostra-Allee zugewandte Kronentor ist der eigentliche Zugang zum<br />
Zwingerhof. Es ragt mit seiner zwiebelförmig geschwungenen Dachhaube aus<br />
der Langgalerie am Zwingergraben heraus. Die Langgalerie verbindet das Kronentor<br />
mit den Eckpavillons und Bogengalerien. Kronentor und Langgalerie erheben<br />
sich auf der ehemaligen Festungsmauer des Zwingergrabens, welcher im<br />
19. Jahrhundert komplett zugeschüttet wurde. Erst bei der Restaurierung des<br />
Zwingers 1929 erfolgte eine Freilegung.<br />
Das Nymphenbad ist eines der Hauptwerke des Dresdner Hofbildhauers Balthasars<br />
Permosers. Seine Mitte bildet ein gegliedertes rechteckiges Wasserbecken,<br />
in das von der Höhe des Zwingerwalls von Becken zu Becken und über Kaskaden<br />
das Wasser herabstürzt.<br />
Am ganzen Zwingerbau von großer Bedeutung für den Gesamteindruck befinden<br />
sich meisterhaft gestaltete Treppenanlagen. Der später errichtete Glockenspielpavillon<br />
gegenüber ließ keine Steigerung mehr zu. 1924–36 wurde ihm<br />
ein Glockenspiel aus Meißner Porzellan, das schon Pöppelmann vorgesehen<br />
hatte, eingebaut.<br />
1924–36 wurde der Zwinger unter Leitung des Architekten Hubert Ermisch und<br />
des Bildhauers Georg Wrba grundlegend restauriert, die Plastiken z.T. neu geschaffen.<br />
In der Bombennacht des Februar 1945 wurde der Zwinger so getroffen,<br />
daß er unwiederbringlich zerstört schien. Aber noch im gleichen Jahr<br />
begannen die Wiederaufbauarbeiten, die bis 1963 andauerten, geleitet von<br />
Ermisch. Das wesentliche Aussehen des Zwingers wurde jedoch beibehalten.
70Semperoper<br />
eigentlich Hofoper<br />
Architekt: Gottfried Semper, 1871–78<br />
Der erste Bau<br />
Gottfried Semper (1803–79) wurde 1834 – im Alter von 31 Jahren auf Empfehlung<br />
Karl Friedrich Schinkels – als Professor der Baukunst und Direktor der<br />
Bauschule nach Dresden berufen. 1838–41 entstand an der Stelle der heutigen<br />
Oper sein erstes Theater (Altes Hoftheater), das am 21. September 1869<br />
einem Brand zum Opfer fiel.<br />
Der zweite Bau<br />
1871–78 entstand die „Semperoper“, sein erstes Hauptwerk, das unter Leitung<br />
seines ältesten Sohnes Manfred Semper (1838–1913) von 1871–78 am<br />
Theaterplatz erbaut wurde – kurz vor Errichtung des Wiener Burgtheaters<br />
(1874–88).<br />
Zwei Dinge waren ihm wichtig, die Richtung weisend werden sollten für den<br />
Theaterbau des späten 19. Jahrhundert und teilweise danach: Die äußere Erscheinung<br />
sollte die funktionale Gliederung des Inneren zeigen. So wird die
Rundform des vorgelagerten, 2-geschossigen Eingangs- und Foyerbereichs überragt<br />
vom ebenso vorgewölbten Zuschauerraum. Dieser wird seinerseits überragt<br />
vom Bühnenturm. Dazu kam die an römischen Theaterbauten orientierte Formensprache<br />
– die Architektur-Plastik wie die Säulenstellungen –, während die hohe<br />
Exedra über dem mittleren Eingangsportal die italienische Hochrenaissance zitiert.<br />
Der Theaterbau verfügt über eine prachtvolle Innenausstattung. Die Haupttreppenhäuser<br />
sind seitlich an den Hauptbaukörper angesetzt und von den Seiten<br />
aus zugänglich und portikusartig betont. Über dem Portal erhebt sich eine<br />
bronzene Pantherquadriga mit Dionysos und Ariadne von Johannes Schilling.<br />
Den mittigen Haupteingang flankieren Skulpturen von Ernst Rietschel. Sie stellen<br />
Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller dar. In der Nacht des 13.<br />
Februar 1945 ist der Bau nach dem Bombardement der Stadt ausgebrannt.<br />
Der dritte Bau<br />
Nach dem Zweiten Weltkrieg bereiteten 1946–55 Sicherungsarbeiten so wie<br />
konzeptionelle Studien 1968–76 den Wiederaufbau vor. Am 24. Juni 1977<br />
erfolgte die Grundsteinlegung und der Wiederaufbau unter der Leitung von<br />
Chefarchitekt Wolfgang Hänsch. Anlässlich des 40. Jahrestages der Zerstörung<br />
konnte am 13. Februar 1985 die Semperoper mit Carl Maria von Webers<br />
Oper „Der Freischütz“ symbolisch wiedereröffnet werden – es war diese Oper,<br />
mit der das Opernhaus am 31. August 1944 geschlossen worden war. Obwohl<br />
sie schon Staatsoper war, erhielt die Oper zusätzlich nach der Wende<br />
den offiziellen Titel „Sächsische Staatsoper“.<br />
An die Rückseite wurde ein funktionales Gebäude angebaut. Es enthält Probebühnen,<br />
Werkstätten und Büros und Garderoben sowie einen Gastronomiebereich.<br />
Das extreme Hochwasser der Elbe im August 2002 fügte dem Opernhaus<br />
einen Schaden von 27 Millionen Euro zu. Schon drei Monate nach der<br />
Hochwasserkatastrophe eröffneten am 9. November 2002 statt wie geplant<br />
am 13. August Tänzer und die Sächsische Staatskapelle mit dem Ballett „Illusionen<br />
– wie Schwanensee“ die Spielzeit. Im Rahmen der 800-Jahr-Feierlichkeiten<br />
der Stadt Dresden fand am 13. Januar 2006 der erste Dresdner Opernball seit<br />
1939 statt. Die Bestuhlung war durch Tische und Stühle ersetzt worden. Im<br />
Saal, auf den Rängen und in den Logen feierten ca. 2300 Gäste sowie auf<br />
dem Theaterplatz etwa 4000 Dresdner.<br />
Vom Theaterplatz aus bietet sich die Gelegenheit, zwei Bauten Gottfried Sempers<br />
vergleichend zu betrachten, die Gemäldegalerie am Zwinger als ein Frühwerk<br />
und die ein Viertel Jahrhundert später entstandene Oper als ein reifes<br />
Werk mit weit reichender Wirkung auf den zukünftigen Theaterbau.<br />
Quellen:<br />
- Prof. Horst Thomas<br />
- Broschüre zur Studentenexkursion 2007 der<br />
HS Karlsruhe nach Dresden und Prag mit Prof.<br />
Florian Burgstaller
72Lipsiusbau<br />
Brühl´sche Terrasse<br />
Architekten: Constantin Lipsius, 1894,<br />
Auer+Weber+Partner und Rolf Zimmermann, 2005<br />
1991 begannen die ersten Sicherungsmaßnahmen.<br />
Stahlsprieße und -klammern flankierten die<br />
maroden Sandsteinsäulen, die im Vestibül später<br />
durch glatte Betonstutzen ersetzt wurden. Statt einer<br />
bruchlosen Wiederherstellung blieben nach<br />
einer konzeptionellen Neubesinnung die Spuren<br />
der Zerstörung erhalten.<br />
Ausstellungsgebäude an der Brühl´schen Terrasse in Dresden<br />
Von Wolfgang Bachmann<br />
Pauschaltouristen (früher: Einreisende), die über die Altstadt-Fan-Meile der Brühlschen<br />
Terrasse flanieren, werden das riesige, unübersichtliche Ensemble, das<br />
lange Jahre marode und dem Publikum verschlossen auf bessere Zeiten wartete,<br />
irgendwie zu den barocken Desideraten der Dresdner Baugeschichte zählen.<br />
Aber nicht alles, was alt wirkt, ist unbedingt wertvoll. Schon zu ihrer Entstehungszeit<br />
waren die Kunstakademie und das Ausstellungsgebäude umstritten, und<br />
auch die Kriterien der Denkmalpflege haben sich bei der Sanierung gewandelt.<br />
Es erinnert an die Pariser Oper, aber auch an Reichstag und Berliner Dom. Ein<br />
Gebäude, das geradezu alle zur Zeit seiner Fertigstellung 1894 erreichbaren<br />
herrschaftlichen Stile vermengte. Der Begriff „Kolossalordnung“ bekam hier nach<br />
dem deutsch-französischen Krieg eine neue, übertragene Bedeutung. Seinem Architekten,<br />
Constantin Lipsius, der sich der fortgesetzten Kritik ausgeliefert sah<br />
und mehrere Überarbeitungen abliefern musste, wurde neben der Stilmelange<br />
für dieses „hässlichste Monumentalgebäude Dresdens“ vor allem die Konkurrenz<br />
zur Frauenkirche vorgeworfen. Die Baugeschichte erinnert an aktuelle Episoden<br />
aus der Branche. Lipsius starb völlig erschöpft noch vor der Fertigstellung des<br />
Gebäudes.<br />
Heute begegnen wir diesem imperialen Kauderwelsch eher leidenschaftslos,<br />
die prahlerischen Motive dieser Architektur sind uns fremd, aber eine lediglich<br />
ästhetische Bewertung würde dem Historismus auch nicht gerecht. Also kritische<br />
Masse für die Baugeschichte, um sich mit Karl Böttichers Grammatik „Die Tektonik<br />
der Hellenen“ (1852) auseinanderzusetzen. Für Studenten bietet das Gebäude<br />
eine Buchstabiertafel in Stilkunde. Nach der Zerstörung am 13. Februar<br />
1945 wurde schon bald nach Kriegsende der weniger getroffene Akademietrakt<br />
provisorisch in Betrieb genommen. Das Ausstellungsgebäude, damals noch<br />
ungeteilt, bekam erst Ende der sechziger Jahre wieder eine Verglasung für seine<br />
legendäre „Zitronenpresse“ sonst blieb der ruinöse Zustand durch Stahlaussteifungen<br />
vor dem Zusammenbruch bewahrt.
Zurück in den Historismus?<br />
1991 begannen Notsicherung und Restaurierungsarbeiten mit dem Ziel, den ursprünglichen<br />
Zustand vor der völkischen Überarbeitung durch die Nazis wiederherzustellen.<br />
Beauftragt wurde das Dresdner Groß-Büro IPRO, das den Rohbau<br />
durch Tragwerksergänzungen stützte, außerdem Dächer bzw. Glasdächer und<br />
vor allem die Fassaden instand setzte. Innen ging die „neutrale“ Sanierung (die<br />
später nach einem VOF-Verfahren weiter vergeben werden sollte) doch weiter;<br />
bedauerlicherweise wurde brüchiger Wandschmuck abgeschlagen, um ihn<br />
„wie neu“ zu ergänzen. Drei Jahre später kam die Hochschule zu einer besseren<br />
Einsicht, man fühlte sich offenbar unwohl bei der Vorstellung, künftig in puttenüberladenen<br />
Räumen einer schwülstigen Neorenaissance zu arbeiten. Der<br />
Bauherr sah das angesichts der immensen Wiederherstellungskosten auch so.<br />
Das neue Ziel war nun, dem Haus eine moderne Ausstattung zu geben, die<br />
zwar die vorhandene Substanz respektierte, aber zerstörte Elemente nicht zeitlos<br />
herbeisimulierte. Das sogenannte Oktogon unter der Kuppel, jetzt abgetrennt<br />
und unter Verantwortung der Hochschule, wurde bereits im Jahr 2000 von Pfau<br />
Architekten nach dieser Maßgabe vollendet. Hier lassen sich – zuletzt mit den<br />
Arbeiten von Klaus-Michael Stephan „Krieg und Frieden“ – hervorragend Ausstellungen<br />
einrichten. Die polygonalen Grundrissgeometrien mit den geflickten<br />
<strong>Ziegel</strong>wänden, die leisen farbigen Spuren der Bemalung und sparsamen<br />
schwarz glimmernden Stahleinbauten, mit denen die Gegenwart wie helfend<br />
das geschundene Gebäude stützt und ergänzt, sind eine überzeugende Aussage.<br />
Im letzten Jahr wurde schließlich oberhalb, auf der Terrasse (dem Sockel<br />
der ehemaligen Festung) der jetzt von den Staatlichen Kunstsammlungen bespielte<br />
Bauteil eröffnet. Rolf Zimmermann, mit Sanierungen in der Stadt bereits<br />
vertraut, traf auf Carlo Weber, der damals in Dresden eine Professur bekleidete,<br />
so kam die Allianz zwischen dem Stuttgarter und Dresdner Büro zuwege.<br />
Heute zeigt die Wiederherstellung des Ausstellungsgebäudes<br />
zwei Handschriften. Im Untergeschoss<br />
des Vestibuls nehmen grobschlächtige<br />
Säulen die Lasten auf. Die späteren Zutaten sind<br />
unauffällig und zurückhaltend, aber ohne scarpaeske<br />
Spielfreude.
Epochenwende. Ehemals diente das Akademiegebäude<br />
anschaulich zur Vermittlung einer Stilund<br />
Architekturlehre, die bald nach Fertigstellung<br />
des Hauses überholt war. Die jetzigen Eingriffe<br />
üben sich in neutraler, fast roher Zeitlosigkeit.<br />
Statt romantisches High-tech zu zeigen, ist die<br />
Haustechnik im Boden und über der Staubdecke<br />
verborgen, nur unauffällige Düsen und Lichtschienen<br />
sind im großen Ausstellungssaal zu erkennen.<br />
Unten rechts der stählerne Kassentresen.<br />
Bauherr Freistaat Sachsen<br />
Sächsisches Staatsministerium der Finanzen<br />
Auer+Weber+Architekten, Stuttgart und<br />
Rolf Zimmermann, Dresden<br />
www.auer-weber.de<br />
www.architekt-dresden.de<br />
Tragwerksplaner:<br />
Ingenieurbüro Kless Müller GmbH, Dresden<br />
HLS-Planung:<br />
AHS Ingenieurgesellschaft mbH, Falkenberg<br />
Elektroplanung:<br />
Bauplanung Sachsen GmbH,<br />
Ingenieurbüro Rathenow, Dresden<br />
Bauphysik: Müller-BBM, Langebrück<br />
Rohbauarbeiten: www.palm-gmbh.com<br />
Natursteinarbeiten: www.natursteine-schubert.de<br />
Beleuchtung: www.zumtobel.com<br />
Gefahrenmeldeanlage: www. Siemens.com<br />
Aufzüge: www.fbaufzuege.de<br />
Bruttogeschossfläche: 3350 m 2<br />
Gesamtkosten: 8,4 Mio Euro<br />
Fotos: Roland Halbe, Stuttgart<br />
Quelle: Baumeister, B10, 2006<br />
Ein Skelett der Baugeschichte<br />
Im <strong>Zentrum</strong> liegt der große Ausstellungssaal. Er verbirgt unsichtbar die anspruchsvolle<br />
Technik über der Staubdecke und unter dem neuen Betonfußboden.<br />
Nur Lüftungsgitter vor den Wänden und Dralldrüsen in den fragmentarischen<br />
Ge simsvoluten lassen ahnen, daß hier keine anspruchslose romantische Hülle,<br />
sondern ein Museum mit akkuraten Anforderungen an Temperatur, Luftfeuchtigkeit,<br />
Beleuchtung und Sicherheit mit minimalen Toleranzen eingerichtet wurde.<br />
Als neues Bauteil kam zwischen den beiden Scherwänden an der Ostseite eine<br />
Galerieebene dazu. Sie ist vorsichtig von den Umfassungswänden abgesetzt,<br />
ihre auskragenden Platten verjüngen sich zur Brüstung hin, was den Eindruck<br />
des später Hinzugekommenen ablesbar macht. Bis zur Höhe des Gesimses sind<br />
hier die Wände weiß verputzt, darüber zeigt unter dem horizontalen Glasdachanschluss<br />
ein dunkler Spritzputz die Höhe der früheren Schmuckprofile, deren<br />
fragmentarische Voluten sich wie eine alte schmutzige Lederhaut um ihre Armierung<br />
rollen.<br />
Auf die Galerie führt eine gerade Treppe, deren gegenläufig ge schwungene<br />
Handläufe dem Weg etwas Musikalisches geben; zur anderen Sei te, nach Westen,<br />
wo drei Kabinette die Ausstellungsfläche fortsetzen, führt eine schwarzstählerne<br />
Spindeltreppe nach oben zur Museumspädagogik. Wer sich noch<br />
erinnern kann, wie spannend der Martin-Gropius-Bau in Berlin vor seiner endgültigen<br />
Verschönerung ausgesehen hat, findet hier im Ausstellungsgebäude der<br />
Staatlichen Kunstsammlungen ein Pendant. In der gegenwärtigen Rodin-Ausstellung<br />
heißt es, die Werke des Bildhauers zeigten „Ober flä chen, die mit Licht und<br />
Schatten spielen“. Die Architektur dieser Räume setzt das Spiel fort.
Lageplan<br />
Erdgeschoss<br />
Längsschnitt<br />
Obergeschoss<br />
Besondere Aufmerksamkeit wurde den verschiedenen<br />
Treppen gewidmet. Neben der vorhandenen<br />
ins Untergeschoss (wo sich Garderoben spin -<br />
de und Toiletten befinden), die mit einem „Teppich“<br />
aus MDF-Platten belegt wurde (links) gibt<br />
es zum Beispiel Wendeltreppen, die zur Museumspädagogik<br />
auf der Galerie oder als Fluchtweg<br />
weiterführen.
76Das Blaue Wunder<br />
die Blasewitz–Loschwitzer Brücke<br />
Die heutigen Dresdner Stadtteile Loschwitz und Blasewitz waren bis 1921 selbständige,<br />
lediglich durch die Elbe getrennte Gemeinden. Zwischen ihnen verkehrte<br />
eine stark frequentierte Fähre. Nach einer abgelehnten Petition der beiden<br />
Gemeinden für einen Brückenbau sah sich die sächsische Staatsregierung<br />
1874 durch einige reiche Bürger aus Blasewitz, die auf eigene Kosten einen Ingenieur<br />
mit der Ausarbeitung von Plänen für eine Brücke beauftragten und sie<br />
dem Landtag vorlegten, wohl so stark unter Druck gesetzt, daß sie schließlich<br />
den Beschluss fasste, die Brücke endlich zu bauen. Die für den Bau zuständige<br />
Behörde war das sächsische Finanzministerium, mit der Ausarbeitung der Pläne<br />
wurde der Geheime Finanzrat Claus Köpcke betraut, der auch Professor für Ingenieurwissenschaften<br />
am Polytechnikum in Dresden war. Köpcke projektierte eine<br />
Brücke, die für die damalige Zeit wegen ihrer ungewöhnlichen Konstruktion<br />
und ihrer großen Spannweite als sensationell empfunden wurde.<br />
Das Blaue Wunder ist ein recht eigenartiges Bauwerk, das vom Konstruktionstyp<br />
her aber den Hängebrücken zugeordnet wird. Genauer gesagt ist es eine so<br />
genannte Bandeisenbrücke, weil die Fahrbahn nicht wie sonst bei Hängebrükken<br />
an Ketten oder Stahlseilen aufgehängt ist, sondern an einem Zugband aus<br />
vernieteten Flacheisen. Köpcke führte beim Entwurf des Blauen Wunders zahlreiche<br />
Neuerungen ein, die sich jedoch letztendlich nicht durchsetzen konnten. Insofern<br />
ist die Brücke ein Unikat geblieben und ist heute ein technisch wie historisch<br />
interessantes Anschauungsobjekt. Die Fahrbahn ist nicht wie sonst bei<br />
Hängebrücken an senkrechten „Hängern“ befestigt, sondern über ein zweifaches<br />
Strebenfachwerk an dem Eisenband aufgehängt. Am theoretischen Schnittpunkt<br />
von Ober- und Untergurt sowie an den Pylonspitzen befinden sich Gelenke<br />
mit Stahlfedern. Diese sind mit einer Art Bremse ausgestattet, die Bewegungen<br />
erst ab einer bestimmten Spannung im System zulässt. Ohne diese Bremse<br />
wäre die Brücke beweglicher und würde insbesondere bei stoßweisen Belastungen<br />
mehr schwingen. Da bei anderen Brücken mehrere Unglücksfälle dieser Art<br />
vorgekommen waren, hatte man zur damaligen Zeit ein besonderes Augenmerk<br />
auf gleichzeitig marschierende Personengruppen, wie z.B. Soldaten im Gleichschritt.<br />
Die Pylone des Blauen Wunders stehen auf Rollenkipplagern, so dass sie<br />
sich bei steigender Temperatur zur Brückenmitte hin neigen.<br />
Köpckes Entwurf wurde 1885 in einem Ausschreibungswettbewerb veröffentlicht,<br />
der von der Sächsischen Eisenbahnkompanie AG gewonnen wurde. Es<br />
verstrichen aber noch sechs weitere Jahre, bis schließlich 1891 unter der Leitung<br />
des Ingenieurs Hans Manfred Krüger (1852–1926) mit den Bauarbeiten<br />
begonnen wurde. Krüger und Köpcke waren ein eingespieltes Team, die gemeinsam<br />
mehrere große Brücken bauten. Zunächst mussten auf beiden Seiten<br />
der Elbe einige Häuser abgerissen werden um ausreichend Platz für die Baustelle<br />
zu schaffen. Die Bauteile für die ca. 3500 Tonnen schwere Stahlkonstruktion<br />
wurden in der Königin-Marien-Hütte in Cainsdorf vorgefertigt und an Ort
und Stelle zusammengenietet. Bereits zwei Jahre nach dem Beginn der Bauarbeiten<br />
war die Brücke fertig und konnte einem zeitgenössischen Belastungstest<br />
unterzogen werden. Da es zur damaligen Zeit noch keine zuverlässigen Berechnungsverfahren<br />
gab, mit denen sich das statische Verhalten einer Brücke abbilden<br />
lies, kam jeder Belastungsprobe eine sehr große Bedeutung zu. Außerdem<br />
ging es auch darum, die Bevölkerung von der Tragfähigkeit der Brücke zu überzeugen.<br />
Man wollte ganz sicher sein, daß die Brücke im täglichen Betrieb niemals eine<br />
größere Last würde tragen müssen als bei der Belastungsprobe am 11. Juli<br />
1893: 3 Dampfwalzen, 3 weitere Straßenwalzen samt Pferden, 3 Straßenbahnwagen,<br />
die mit Schiffsankern und Steinen beladen waren, 3 Sprengwagen<br />
samt Wasser und Zugtieren, einen voll besetzten Pferdebahnwagen und<br />
mehrere Kutschen, insgesamt ein Gewicht von 157 Tonnen. Außerdem marschierten<br />
noch Straßenpassanten und eine Kompanie des Dresdner Jägerbataillons<br />
über die Brücke. Die Brücke erwies sich mit einer maximalen Durchbiegung<br />
von 9 mm in der Mitte des Trägers als außerordentlich solide. Am 15. Juli<br />
1893, wurde die Brücke unter großer Anteilnahme der Bevölkerung feierlich<br />
eingeweiht. Das Bauwerk wurde zu Ehren des damaligen sächsischen Königs<br />
auf den Namen „König-Albert-Brücke“ getauft. Ab 1918 hieß sie dann offiziell<br />
„Loschwitzer Brücke“ aber im Volksmund war sie immer das „Blaue Wunder“.<br />
Hartnäckig hält sich die Legende, der Name der Brücke sei erst dadurch entstanden,<br />
daß sich der ursprünglich grüne Anstrich über Nacht in die blaue Farbe<br />
verwandelt hätte. Da aber schon ab April 1893 in diversen Zeitungsartikeln<br />
Belege für die Farbe Blau vorhanden sind, kann man dieses Gerücht wohl eindeutig<br />
in den Bereich der Fantasie einordnen.<br />
Mit einer Spannweite von 141,5 m war sie eine der größten Brücken Europas<br />
und die Verwendung von Stahl sowie die besondere Konstruktion waren noch<br />
sehr ungewohnt. Die Bauarbeiten verschlangen die für damalige Verhältnisse<br />
gewaltige Summe von 2,25 Mill. Goldmark, die von den beiden Gemeinden<br />
und der sächsischen Staatsregierung getragen wurden. Um die Investition wieder<br />
hereinzuholen, wurde für jede Person, die die Brücke benutzen wollte, ein<br />
Brückenzoll erhoben. Dieser betrug Anfangs pro Person 2 Pfennige, für Gänse<br />
und Hühner ebenfalls 2 Pfennige und für Zugtiere 10 Pfennige. Durch den Zoll<br />
wurden reichlich Einnahmen erzielt, bis er im Jahre 1921 im Zuge der Eingemeindung<br />
der beiden Ortsteile zu Dresden wieder abgeschafft wurde.<br />
Ab 1895 wurde die Brücke auch von der elektrischen Straßenbahn und bald<br />
schon von immer mehr Kraftfahrzeugen benützt. Bis zum Jahre 1935 hatte der<br />
Verkehr so zugenommen, daß sich Fußgänger und Autos immer mehr in die<br />
Quere kamen. Eine Zeit lang wurde ernsthaft darüber nachgedacht, die Brücke<br />
abzureißen und durch eine Betonbrücke zu ersetzen. Schließlich entschied man<br />
sich jedoch dafür, lediglich auf beiden Seiten Gehwege anzubauen. In den<br />
fünfziger Jahren musste die Fahrbahn, die bis dahin aus Holzbohlen bestanden<br />
hatte, gegen Eisenbleche ausgetauscht werden und 1982 wurde das gesamte<br />
Mauerwerk gründlich saniert. Trotz aller Anstrengungen mehrten sich jedoch<br />
bald die Anzeichen für eine deutliche Überlastung der Brücke, die im April<br />
1986 zunächst zur Einstellung des Straßenbahnverkehrs führte. Inzwischen ist<br />
die Nutzung der Brücke aber auch für alle Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht<br />
über 15 Tonnen generell verboten. Eine Ausnahme gibt es nur für<br />
Busse. Wie so viele Brücken die im 2. Weltkrieg von der einen oder der anderen<br />
Seite zerstört wurden, sollte auch das Blaue Wunder beim Rückmarsch der<br />
deutschen Truppen von der SS gesprengt werden. Durch ihr mutiges Eingreifen<br />
verhinderten die 2 Dresdner die Zerstörung des heute unter Denkmalschutz stehenden<br />
Bauwerks.<br />
Die Belastungsprobe am 11. Juli 1893
78Villa Marie<br />
Fährgässchen1<br />
Die toskanische Villa liegt am Fuße des „Blauen Wunders“. Der Garten rund um<br />
die bekannte Villa befindet sich oberhalb der weiten Wiesen, die vom „Blauen<br />
Wunder“ bis in die Innenstadt eine einzigartige Flusslandschaft bilden. Ein paar<br />
Meter von der Villa Marie entfernt halten die Dampfer der weißen Elbflotte. Als<br />
eines der bekanntesten Häuser in Dresden-Blasewitz entstand es vermutlich um<br />
1860. Es wechselten mehrere Male die Besitzer. Die Villa ist ein solides, geräumiges<br />
Haus, mit einem Fachwerkdachgeschoß, einem Holztürmchen und zwei<br />
Balkonen. Die Bezeichnung „Villa Marie“ selbst taucht erst in den 30er Jahren<br />
des 20. Jahrhunderts auf. Der letzte Eigentümer wurde zu Zeiten der DDR enteignet<br />
und das Haus an die Kommunale Wohnungsverwaltung (KWV) übertragen.<br />
Als das Haus zunehmend verfiel und seine Bewohner das Weite suchten,<br />
schaltete sich zu Beginn der 80er Jahre die staatliche Bauaufsicht ein und erklärte<br />
die Villa für unbewohnbar. Ab 1982 begann die wahrscheinlich lebendigste<br />
Zeit für die Villa Marie. Einheimische Künstler um „Wanda“ (Claudia Reichardt)<br />
besetzten die Villa am Blasewitzer Elbufer; trotz mehrfacher Räumungsbefehle<br />
beherbergte die Villa fast zehn Jahre lang eine inoffizielle Galerie, bis diese im<br />
September 1987 verboten wurde. 1988 bis 1990 war des zweistöckige Haus<br />
Heimstatt der Galerie „fotogen“ („autogen“). Dabei plante die Stadt Dresden<br />
1988 schon den Abriss der Villa. Dank einiger beherzter Denkmalpfleger und<br />
der illegalen Besetzer konnte dieses verhindert werden. Die seit dem Ende der<br />
siebziger Jahre vom Verfall bedrohte Villa avancierte in den Folgejahren zur Ruine.<br />
Seit dem Auszug der alternativen Dresdner Kunstszene stand die Villa leer.<br />
Die WOBA Südost – Nachfolger der KWV – erwog unter sehr fragwürdigen<br />
Umständen die Übereignung der Villa an das Kombinat Obst, Gemüse und<br />
Speisekartoffeln (OGS). Dieses wiederum plante die Villa als Gästehaus zu nutzen.<br />
Die Auflösung des Kombinates verhinderte das. Schließlich wurde die Villa<br />
Ma rie 1990 baupolizeilich gesperrt.<br />
1991 wurde dem Alteigentümer auf seinen Restitutionsantrag (Rückübertragung)<br />
stattgegeben. Anfang 1992 erwarben der Münchner Immobilienmakler Otto<br />
Bantele und der Münchner Rechtsanwalt Peter Jäger die „Villa Marie“ und begannen<br />
1993 mit der Restaurierung der Ruine. Ursprünglich als Wohnhausnutzung<br />
geplant, wurde die Idee, die Villa als „Galerie-Restaurant“ der Öffent lichkeit<br />
wieder zugänglich zu machen, umgesetzt. Die Restaurierung belief sich auf<br />
ein Investitionsvolumen von 1,8 Millionen Mark. Anfang Juni 1994 war die<br />
komplette Restaurierung des Gebäudes abgeschlossen. Klaus Karsten Heidsiek,<br />
der u.a. zehn Jahre Koch in einem 3-Sterne-Hotel in Mailand war, pachtete die<br />
Villa für sein Restaurant und seine Bar. Er wurde extra für diese reizvolle Aufgabe<br />
von den Eigentümern gewonnen.
Die Standseilbahn in Dresden wurde Ende des 19. Jahrhunderts in Betrieb genommen.<br />
Damals wie heute verbindet sie das hoch über der Elbe thronende<br />
Dresdner Villenviertel Weißer Hirsch mit der Stadt entlang des Flusses. 547 m<br />
Fahrt mit der Standseilbahn bergauf werden belohnt mit einem traumhaften Blick<br />
auf die sächsische Landeshauptstadt. Hier, auf dem „Balkon Dresdens“, liegt Ihnen<br />
die Stadt zu Füßen. Wer verweilen möchte, um diesen Blick bei vorzüglichen<br />
Speisen und Getränken ausgiebig zu genießen, findet im Restaurant „Luisen<br />
hof“ an der Bergstation der Standseilbahn eine erste Adresse. Direkt unter Ihnen<br />
überspannt das berühmte „Blaue Wunder“ als eine der 6 Dresdner Elbbrükken<br />
die Elbe. Es verbindet den Körner- mit dem Schillerplatz. Von deren al ten<br />
Backsteinfassaden geht ein außergewöhnlicher Reiz des alten Dresden aus.<br />
Bereits die Fahrt mit der Standseilbahn ist ein ganz besonderes Erlebnis. Denn<br />
vom Fuße der Elbhänge aus ist das Tal zwischen den Stadtteilen Weißer Hirsch<br />
und Oberloschwitz gar nicht wahrnehmbar. Erst wenn man in der Bahn Platz<br />
genommen hat und aus dem Tunnel der Talstation taucht, fällt es auf. Dann fährt<br />
man vorbei an der Rothen Amsel, einer Mühle im altdeutschen Stil, 1880 erbaut<br />
und tief im Taleinschnitt liegend. Und schon wird der Wagen weiter nach<br />
oben gezogen und begegnet dem talwärts fahrenden. An einer Ausweichstelle<br />
in der Mitte der Strecke treffen sich die beiden Wagen auf der sonst eingleisigen<br />
Strecke. Die Bergstation ist gleichfalls der Ausgangspunkt für einen Spaziergang<br />
durch das schöne Villenviertel und die hier beginnende Dresdner Heide.<br />
Hier oben liegen auch die Dresdner Elbschlösser, Musterbeispiele des Historismus:<br />
Schloss Albrechtsberg, die Villa Stockhausen – auch Lingner-Schloss genannt<br />
– und schließlich das Schloss Eckberg.<br />
79<br />
Standseilbahn<br />
Körnerplatz, Loschwitz<br />
Im Jahr 1895 eingeweiht, wurde die Bahn ursprünglich<br />
mit vier Personen- und zwei Güterwagen<br />
betrieben. Seit 1945 sind nur noch zwei<br />
Personenwagen im Einsatz. Im Unterschied zur<br />
Bergschwebebahn wird die Standseilbahn ausschließlich<br />
von der Bergstation aus gesteuert. Auf<br />
ihrer Fahrt passiert sie zwei Tunnel (96 m und 54<br />
m) und überquert ein Brückenviadukt (102 m).<br />
Um die eingleisige Strecke gleichzeitig in beide<br />
Richtungen – bergauf und bergab – betreiben zu<br />
können, wurde eine so genannte Abt'sche Ausweiche<br />
eingerichtet. Ab 1960 wurde die erste<br />
deutsche Standseilbahn nach und nach modernisiert,<br />
1993/94 fand eine umfassende Rekonstruktion<br />
statt.<br />
Höhenunterschied: 95 Meter<br />
Max. Neigung: 29 %<br />
Spurweite: 1000 mm<br />
Maximale Geschwindigkeit: 5 m/s<br />
Seillänge: 578 Meter
80Tag 3
Zeitplan Samstag, 27.09.08<br />
08.00 Uhr Frühstück und Auschecken<br />
09.00 Uhr Fahrt nach Leipzig<br />
10.15 Uhr Galerie für zeitgenössische Kunst – GfZK 1 + 2<br />
Architekten: Bruno Eelbo, 1893, Peter Kulka, 1998, as-if Arch.,<br />
2004<br />
Karl-Tauchnitz-Straße 9–11<br />
11.00 Uhr Zu Fuß zum Musikerviertel<br />
11.15 Uhr Besichtigung Stadtvillen im Musikerviertel<br />
Architekten: König Wanderer, Fuchshuber + Partner u.a.<br />
Haydnstraße, Robert-Schumann-Straße u.a<br />
11.45 Uhr Weiterfahrt zum Café Grundmann<br />
12.00 Uhr Mittagessen im Café Grundmann<br />
August-Bebel-Straße 2/Mahlmannstraße 16<br />
13.15 Uhr Weiterfahrt zu den Buntgarnwerken<br />
13.30 Uhr Besichtigung der Buntgarnwerke<br />
Nonnenstraße<br />
Atrium, Lofts am Elsterufer<br />
Architekten: Fuchshuber + Partner<br />
Holbeinstraße<br />
Wohnprojekt Sweetwater<br />
Architekten: Weiß + Volkmann<br />
Holbeinstraße<br />
14.15 Uhr Weiterfahrt nach Plagwitz<br />
14.30 Uhr Besichtigung der Baumwollspinnereigebäude<br />
Architekten: Ottomar Jummel, Händel + Franke<br />
Spinnereistraße 7<br />
15.00 Uhr Weiterfahrt zur Konsumzentrale<br />
15.15 Uhr Besichtigung Konsumzentrale<br />
Architekt: Fritz Höger<br />
Industriestraße 85–95<br />
15.45 Uhr Besichtigung Stelzenhaus<br />
Architekten/Umplanung: Weiß + Volkmann<br />
Weißenfelserstraße 65<br />
16.15 Uhr Weiterfahrt nach Lößnig<br />
16.45 Uhr Besichtigung Rundling in Lößnig<br />
Architekt: Hubert Ritter, 1929/30<br />
Führung: Dipl.-Ing. Ines Gillner, Leipziger Wohnungs- + Bauges. mbH<br />
Siegfriedplatz<br />
17.15 Uhr Weiterfahrt zur LWB vorbei am Völkerschlachtdenkmal<br />
17.45 Uhr Vortrag „Stadtumbau Ost“<br />
Dipl.-Ing. Ines Gillner, Leipziger Wohnungs- + Baugesellschaft<br />
mbH/LWB<br />
Pragerstraße 21<br />
18.00 Uhr Fahrt zum Renaissance Hotel Leipzig<br />
18.30 Uhr Einchecken Renaissance Hotel Leipzig<br />
Großer Brockhaus 3, 04103 Leipzig<br />
19.30 Uhr Spaziergang zum Restaurant Alte Nikolaischule<br />
20.00 Uhr Abendessen im Restaurant in der Alten Nikolaischule<br />
Architekten: Storch, Ehlers + Partner<br />
Nikolaikirchhof 2, 04109 Leipzig, Telefon 0341/211 85 11<br />
Zu Fuß zuruck zum Hotel<br />
mit Bus<br />
mit Bus<br />
mit Bus<br />
mit Bus<br />
mit Bus<br />
zu Fuß weiter<br />
mit Bus<br />
mit Bus<br />
mit Bus
82Galerie für Zeitgenössische Kunst<br />
Karl-Tauchnitz-Straße 9–11<br />
Architekt: Bruno Eelbo, 1893, Peter Kulka, 1998,<br />
as-if Architekten, 2004<br />
GfZK 1<br />
Der bekannte Geologe Hermann Credner, Professor in Leip zig, ließ sich 1893<br />
durch den Architekten Bruno Eelbo die stattliche Villa am Johannapark im Stile<br />
der italienischen Renaissance errichten. Nach seinem Tode übernahm sie im<br />
Jah re 1914 der Verleger der Leipziger Neuesten Nachrich ten, Edgar Herfurth.<br />
Bis heute ist der Name Herfurthsche Villa in Gebrauch.<br />
1994, dreieinhalb Jahre nach Gründung des Fördervereins, ge wann der 1937<br />
in Dresden geborene Architekt Peter Kul ka den Wettbewerb für den Neu bau<br />
der Galerie, die an der Wäch ter straße vorgesehen war. Finanzielle Schwierigkei<br />
ten zwangen den Verein schließlich, die eigentlich für diesen Zweck völlig<br />
ungeeignete Gründerzeitvilla zur Gale rie um zu bauen. Die so ge nannte GfZK 1<br />
befindet sich in der von Peter Kulka umgebauten und 1998 eröffneten Gründer<br />
zeit villa, die 1999 mit dem Architekturpreis der Stadt Leip zig ausgezeichnet<br />
wurde.<br />
Peter Kulka nahm bei seinem Umbau weitgehend auf die re prä sentative, architektonische<br />
Struktur der Villa Rücksicht, straffte diese, behielt die Raumfolgen bei<br />
und erweiterte diese um Durchblicke und Sichtachsen im Inneren. Die Räu me<br />
selbst sind klar gestaltet, die architektonischen Details reduziert, bis auf drei<br />
Räume (Salon Credner, Salon Her furth, Café) wurde die Villa entkernt. Innen<br />
folgte Kulkas Gebäude dem Konzept des White Cubes. Er schuf Räume, die<br />
die volle Konzentration auf Kunst und deren ästhetische Qualitäten ermöglichen<br />
sollen. Der Anbau von Kulka setzt sich kontrastreich vom Jahr hun dertwendebau<br />
ab.
GfZK 2<br />
Kleines Gebäude, große Themen: Nichts weniger als die Zu kunft des Kunst museums,<br />
die Kritik am System der Archi tek ten wettbewerbe und die Frage, was eigentlich<br />
„Flexibilität“ in der Architektur bedeuten kann – das sind die drei<br />
großen The men felder, auf denen die junge Architektengruppe as-if mit ih rem Erstlingswerk<br />
erfrischend radikale Positionen einnimmt. Dazu gehört Mut, ein solides<br />
intellektuelles Rüstzeug, vor all em aber ein Bauherr, der Experimente nicht<br />
nur duldet, sondern dazu anstiftet. Barbara Steiner, die Direktorin der Galerie für<br />
zeitgenössische Kunst in Leipzig (GfZK), hat die Bauherren rol le sogar in ei ner<br />
Weise ausgedehnt, dass einem im Bauge wer be kein so recht passender Begriff<br />
einfallen will. Im Film ge schäft würde sie im Abspann als Produzentin auf tauchen<br />
(die Architekten wären die Regisseure), womit ihre Tätigkeit weitaus besser beschrieben<br />
wäre.<br />
Zu den ungewöhnlichen Konstellationen dieses Projekts gehört seine Vorgeschich<br />
te. Im Jahr 1990 geht aus dem „Kulturkreis der deutschen Wirtschaft im<br />
Bundesverband der Deutschen In dustrie“ die Initiative hervor, in Leipzig ein <strong>Zentrum</strong><br />
für Ge gen wartskunst zu etablieren. Treibende Kraft ist der Indu stri elle und<br />
Kunstmäzen Arend Oetker. Im Jahr 1994 findet ein Architekturwettbewerb zur<br />
Errichtung permanenter Ausstel lungs räume statt, den der Kölner Architekt Peter<br />
Kulka ge winnt. Vier Jahre später ist der Umbau der ehemaligen Villa des Zeitungsverlegers<br />
Paul Herfurth abgeschlossen. Als im Jahr 2001 die österreichische<br />
Kunsthistorikerin Barbara Steiner die Leitung übernimmt, hat die GfZK<br />
bereits einen überregionalen Ruf als Ausstellungsort für Gegenwartskunst erworben.<br />
Kurz darauf stellte ein sächsischer Minister ihr unverhofft 2,5 Mio. Euro für<br />
die Erweiterung der Villa in Aussicht. Normalerweise hieße das: Es findet wieder<br />
ein Architekturwettbewerb statt. Doch durch die Umwandlung der GfZK in<br />
eine autonome Stif tung wurde das Verfahren der öffentlichen Hand entzogen<br />
und die Direktorin konnte die Architektengruppe as-if mit ei nem Direktauftrag<br />
ausstatten. Im Gespräch erklärt sie, dass Wettbewerbe nicht grundsätzlich ab zulehnen<br />
seien. In diesem Fall aber waren ihre Vorstellungen eines zeitgenössischen<br />
Kunst raums bereits so weit ausformuliert, dass es ihr sinnvoller erschien,<br />
ohne Jury und großes Verfahren ein Büro auszuwählen und den Bau gemeinsam<br />
zu entwickeln. Den Einwand, das Instrument des Architekturwettbewerbs wer de<br />
von Architekten als demokratische Errungenschaft hochgehalten, will die Direk torin<br />
nicht gelten lassen: Die Geschichte der GfZK habe ge zeigt, dass der Erfolg<br />
des Ausstellungshauses von starken Ein zelpersonen abhängig sei. Ein Wettbewerb<br />
wäre nicht demokratischer, sondern berge die Gefahr, dass eine formal<br />
exzentrische Lösung sich eher durchsetze als ein vielleicht unscheinbar erscheinendes<br />
Konzept, das aber weitaus intensiver die Anfor derungen an ei nen Ausstellungsraum<br />
reflektiere. Da sie zuvor als Leiterin des Wolfsburger Kunstvereines<br />
bereits mit dem as-if-Teammitglied Christoph Teckert zusammengearbeitet hatte,<br />
einem Architekten, Künstler und Theoretiker, der dort eine er ste Raumskizze realisieren<br />
konnte, waren ihre Präferenzen klar gesetzt.<br />
Architekt: as-if Architekten, Paul Grundei, Stephanie<br />
Kaindl, Christian Teckert, Berlin<br />
Autor: Oliver Elser<br />
erschienen in: Werner Durth: Architektur in<br />
Deutschland 2005, Deutscher Archi tek turpreis<br />
2005, Stuttgart 2006<br />
Bauwelt Preis 2007, aaa austrian architecture<br />
award, bau 2006, Aus zeichnung zum Deutschen<br />
Archi tek turpreis, 2005 Architekturpreis der<br />
Stadt Leipzig zur Förderung der Bau kultur, 2005<br />
Quelle:<br />
www.architekturtexte.ch/www/home/overview<br />
Quelle Fotos:<br />
www.gfzk-online.de/de/ index. -<br />
hp?menue=101
Mit der GfZK 2, dem Neubau der Galerie für<br />
Zeitgenössische Kunst, eröffnete 2004 ein neues<br />
Café. Das Konzept der wechselnden Gestaltung<br />
durch einen Künstler bzw. eine Künstlerin wurde<br />
auch in den neuen Räumen beibehalten. Nach<br />
Anita Leisz übernahm Jun Yang diese Aufgabe.<br />
Sein Café trägt den Na men „Paris Syndrom“.<br />
Dies charakterisiert ein Krankheitsbild japanischer<br />
Tou risten, deren Sehnsucht nach Erfüllung<br />
ih rer Vorstellungen von Paris vor Ort enttäuscht<br />
wurde. Sie erleiden eine Art negativen Kulturschock,<br />
der nahe einer Traumati sie rung ist. Der<br />
von Jun Yang gewählte Café-Name ist programmatisch<br />
für die gesamte Konzeption, steht diese<br />
doch für Wunsch und Sehnsucht bei einer gleichzeitigen<br />
Ernüchterung angesichts der Be gegnung<br />
mit der jeweiligen Realität. Der Wunsch nach<br />
Unerreichbarem drückt ein Begeh ren aus, das<br />
sich nicht real einlösen lässt: Nachahmung und<br />
Nachbildung erzeugen ein Bild, eine Projektionsfläche<br />
für unerfüllte Sehn sucht. Die Sessel sind<br />
mit einem Louis-Vuitton-Imitat bezogen, pompös<br />
wirkende Lüster hängen an der Decke des<br />
Cafés, das mit Stuckelemen ten besetzt ist. Die<br />
Stühle erinnern an das De sign von Charles und<br />
Ray Eames, die Fotogra fien an den Wän den<br />
zeigen berühmte Bauten der Architekturgeschichte,<br />
die an verschiedenen Orten der Welt<br />
nachgebaut wurden. Zeitschrif ten wie die französische<br />
„Vogue“ oder „Wall paper“ liegen für die<br />
BesucherInnen aus und Coverversionen berühmter<br />
Songs rufen das Ori gi nal ins Gedächtnis.<br />
Jeden Monat gibt es im „Café Neubau/Paris<br />
Syndrom“ die verschiedensten Veranstaltungen.<br />
Neben festen Formaten erhalten junge Bands,<br />
die vorwiegend aus dem Kunstkontext kommen,<br />
die Möglichkeit, ihre Musik zu spielen. Es finden<br />
Filmvorführungen und Lesungen statt.<br />
Quelle:<br />
www.gfzk.de<br />
Um zu verstehen, was den Bau von as-if nun tatsächlich und jen seits aller Theorie<br />
auszeichnet, ist ein kleiner Umweg in Form eines zehnminütigen Spaziergangs<br />
zu empfehlen. Denn ganz in der Nähe der Galerie ist nahezu zeitgleich<br />
das städtische Kunstmuseum fertiggestellt worden, der größte seit 1989 in den<br />
Neuen Bundesländern errichtete Museumsbau. Galerie und Museum stehen zueinander<br />
wie These und Gegenthese, Bau und Gegenbau. Am Sachsenplatz<br />
entstand eine pompöse, von den Berliner Architekten Hufnagel Pütz Rafaelian<br />
geplante Ruhmeshalle für die bedeutende Kunstsammlung der Stadt Leip zig, die<br />
zuvor im ehemaligen Reichsgericht untergebracht war, wo mittlerweile der Bundesgerichtshof<br />
residiert. Ein glas umhüllter Sichtbetonquader, der mit Lufträumen<br />
so ver schwen derisch ausgehöhlt wurde, dass der Besucher sich fragt, wo denn<br />
eigentlich die Kunst abgeblieben ist. Die eigentlichen Ausstellungsräume sind<br />
zwar alles andere als bescheiden di men sioniert, doch sie fallen zunächst gar<br />
nicht auf, weil die Bau skulptur selbst alle Blicke aus sich zieht.<br />
Im Musikerviertel Leipzigs hingegen, in unmittelbarer Nähe zur Hoch schule für<br />
Grafik und Buchkunst, der Geburtsstätte der „Leip ziger Malerschule“, wurde für<br />
die GfZK ein Gebäude auf das parkähnliche Grundstück gesetzt, das von au -<br />
ßen betrachtet als Schulerweiterungsbau aus den 1960er Jahren durchgehen<br />
könnte. Vom Boden ist es mit einer Fuge getrennt, als wä re die Konstruktion nur<br />
vorübergehend hier abgestellt worden. Statt pathetischer Gesten, die den Betrach<br />
ter zu einem Win z ling schrumpfen lassen, orientierten sich Architekten und<br />
Direktorin eher an den wohnzimmerhohen Räumen des dänischen Louisiana-Museums.<br />
Das Haus soll nicht überwältigen, son dern die Kunst aus der Sphäre der<br />
Hochkultur auf Augen hö he herunterbringen. Der Feind heißt Erhabenheit, auch<br />
wenn er so scheinbar harmlos daherkommt wie im „white cube“, dem idealtypischen<br />
weißen Museumsraum der Moder ne.<br />
Die Lösung des paradoxen Problems, für eine Institution ein neues Gebäude erreichten<br />
zu wollen, die ihrerseits für sich in Anspruch nimmt, „institutionskritisch“<br />
zu sein, führt zu einem Innenraum, der den etwas ausgeleierten Begriffen der<br />
„Dis kur sivität“ und „Verhandelbarkeit“ überraschend neue Seiten ab gewinnt: Mit<br />
einem verblüffenden Schiebewandsystem lassen sich für jede Ausstellung andere<br />
Wege, Belichtungssitu a ti onen und Raumstimmungen schaffen. Bis zu acht Me ter<br />
lange Wand scheiben können verschoben werden, wodurch immer wie der neue<br />
Sequenzen und Zuordnungen entstehen. Es ist kaum fotografierbar, wie sehr<br />
sich der Innenraum dadurch än dert. Der Effekt ist so dramatisch, dass nur zu bedauern<br />
ist, dass die Wände nicht von den Besuchern bewegt werden dürfen.<br />
Nur wer zwischen zwei Ausstellungen die Möglichkeit hat, nach Her zenslust<br />
die Wände des leeren Gebäudes zu verschieben, der bekommt eine Ahnung<br />
davon, wie fundamental die Veränderungen sind, die das flexible Raumsystem<br />
hervorbringen kann.<br />
Wie alles an diesem Gebäude, ist auch seine Flexibilität in ei nen kleinen Theorieexkurs<br />
eingebettet: Denn hier wird nicht der neutrale, verwandelbare Raum<br />
auf Basis eines geometrischen Rasters angeboten, der beispielsweise im Pariser<br />
Centre Pompidou seinen Vorgänger hätte. Das Konzept erinnert eher an die<br />
Storefront Gallery von Vito Acconci und Steven Holl in New York (1993), wo<br />
der Ausstellungsraum zur Straße aufgeklappt und erweitert werden kann. In den<br />
unregelmäßigen Raum zuschnitten der GfZK steckt ein hohes Maß an künstlerischem<br />
Eigensinn. Zugleich aber erscheint die im Grundriss kaum nachzuvollziehende<br />
kristalline Raumstruktur in der Re alität als völlig plausible Versuchsan -<br />
ordnung. Jede Position der Schiebewände ergibt eine neue Interpretation des<br />
Ausstel lungs raums. Eine andere Referenz des Projekts sind die Pavil lons des<br />
Künst lers Dan Graham. Auch in der GfZK überlagern sich die Spiegelungen in<br />
den Glasflächen und lassen Ausstel lungsräume, Café und Kinosaal ineinander<br />
fließen. Statt den Blick durch Achsen zu bändigen, schweift er herum wie in ei -<br />
nem Kaleidoskop.
Das sechsgeschossige Gebäude für die KPMG in Leipzig befindet sich in ei nem<br />
gründerzeitlich geprägten Viertel südlich des Stadtringes. Zwischen Beet ho venstraße<br />
und der mittelalterlich geprägten Münzgasse entstand auf einem spitzwinkligen<br />
Eck grundstück ein Stahlbetonskelettbau mit Ganzglasfassaden, des sen<br />
geschwungener kristalliner Bug die erkerartigen Ausbil dungen der um ge benden<br />
Gebäude modern interpretiert. Die flächenbündige Glasfassade zur Münzgasse<br />
lässt den Mittelteil der Gebäudefront zur überdimensionalen Vitrine werden und<br />
verbindet so den Platzraum mit dem Atrium des Gebäudes. Zwi schen der doppelverglasten<br />
Außen- und der einfachverglasten Büroraumfassade öffnet sich die<br />
interne Halle, in welcher eine filigrane Erschließungsstruktur mit brückenähnli-<br />
chen Über gängen zu den Bürobereichen, eine spektakuläre Trep pe und zwei<br />
gläserne Aufzugsschächte angeordnet sind. Durch den Lichthof sind Büroetagen<br />
von außen erkennbar. Die An bindung an die Massivbauten der Münzgasse erfolgt<br />
durch eine Übergangszone aus halbtransparenten Pa neelen und verschließbaren<br />
Sonnenschutzelementen. Das <strong>Zentrum</strong> des Gebäu des bildet das durch<br />
alle Geschosse reichende Atrium, das sich in der Detail be handlung von Laufebenen,<br />
Treppen, Geländern usw. durch Transparenz und Geradlinigkeit, asketische<br />
Strenge und Klarheit auszeichnet.<br />
85<br />
KPMG Leipzig<br />
Beethovenstraße 1<br />
Schneider und Schumacher Architekten, 1996/97<br />
Galerie:<br />
Bildarchiv © Joerg Hempel Photodesign<br />
Quelle:<br />
http://joerg-hempel.com/gallery/A501
86Stadtvillen im Musikerviertel<br />
Auf dem Unkrautgelände hinter dem einstigen Gästehaus für DDR-Funktionäre,<br />
auf dem früher Hubschrauber landeten, entsteht wieder ein Wohnareal. Das ers -<br />
te realisierte Gebäude ist die Stadtvilla von König Wanderer Architekten. Das<br />
Objekt entstand als erstes im Rahmen des städtisch initiierten Selbst nutzer programms<br />
auf dem Gelände, auf dem vor dem Krieg Gründerzeithäuser standen.<br />
Gemäß Bebauungsplan der parzellierten Gästehauswiese aus den 90er Jahren<br />
müssen die Häuser an der Grenze zum Bürgersteig stehen, im Abstand von 6 m<br />
zum nächsten Gebäude. Das Verhältnis von Wand- und Fensterflä chen war festgelegt.<br />
Inzwischen sind einige dieser Stadtvillen mit unterschiedlicher Formensprache<br />
entstanden. Ambitionierte Entwürfe für weitere Stadtvillen werden auf<br />
großen Schildern auf verschiedenen Grundstücken am Rande der Wiese beworben.<br />
Investierwillige Bauherren, die sich für kühne, kubische, mo derne Architektur<br />
interessieren sind rar. Architekten, die selbst als Bauträger auftreten können,<br />
hätten es auch hier leichter, anspruchsvolle Entwürfe zu verwirklichen.
König Wanderer Architekten<br />
Der Wegweiser für die Zukunft der Gästehauswiese könnte die Haydnstraße<br />
11–15 sein. In Abstimmung mit dem Stadtplanungsamt entstand in 2003 das<br />
Konzept: ein Stadthaus für drei Familien. Der kompakte Baukörper mit der dunk -<br />
len Klinkerfassade, die in verschiedenen Schieferfarben schimmert, wirkt wie ein<br />
moderner Monolith – Kontrapunkt zu Gründerzeithäusern und Platten bauten in<br />
der Nachbarschaft. Die <strong>Ziegel</strong> bilden an allen vier Seiten die Haut des Monolithen,<br />
der sich zur Straße und zur Wiese öffnet und zu den Nach barhäusern hin<br />
weitestgehend geschlossen bleibt. Zur Wiese hin bestehen die Ausfachungen in<br />
den <strong>Ziegel</strong> verkleideten Rahmen aus großzügigen erdfarbenen Holz- und Glaselementen,<br />
zur Straße hin sind sie dunkel.<br />
Die Wohneinheiten sind 5 m breit und umfassen vier Etagen. Die Deckenfelder<br />
im oberen Bereich sind zum Teil herausnehmbar, um die Wohnungen nach<br />
oben erweitern zu können. Schmale Treppen, klare Grundrisse, bündige Fen sterund<br />
Türrahmen bestimmen das Bild. Schiebetüren und Einbauschränke sind<br />
ebenfalls von den Architekten entworfen. Das Haus ist mit Erdwärme sonden ausgestattet<br />
und für einen Aufzug vorgerüstet. Die notwendigen Stellplätze sind<br />
unter der 5 m tiefen Auskragung im Eingangsbereich platziert, die von vielen<br />
Bewohnern stattdessen als offener Fahrradabstellbereich genutzt wird. Die Ar chitekten<br />
hoffen, dass es eine Art Bauaustellung wird. Keine beliebige Archi tektur,<br />
sondern ein Ensemble moderner Bauten, die sich klar positionieren.<br />
www.koenigwanderer.de
www.fuchshuberpartner.de<br />
Fuchshuber + Partner<br />
Für die Bebauung des Eckgrundstückes Ferdinand-Rhode-Straße/Robert-Schumann-Straße<br />
im Musikerviertel von Leipzig haben sich zwei Bauherren gefunden<br />
gemeinsam die Bauaufgabe durchzuführen. Aus den Anforderungen des B-Planes<br />
heraus ist für dieses Grundstück ein Gebäude vorgesehen. Auf Grund der<br />
Größe wurde das Flurstück geteilt und es entstanden zwei Häuser in der Gesamterscheinung<br />
als eines.<br />
Die Nutzung der Gebäude erstreckt sich gemäß den Vorgaben an die Ge schossigkeit<br />
über vier Ebenen, wobei das Erdgeschoss den Nebenräumen und Technik/Garage<br />
vorbehalten ist und die Wohnräume sich in den Oberges chossen<br />
befinden. Die Wohn- und Schlafebenen der beiden Nutzungseinheiten sind im<br />
Wechsel im 1. bzw. 2. Obergeschoss untergebracht. Die Dachter ras sen mit angrenzendem<br />
Studio bilden jeweils den oberen Abschluss. Den Kom fort zur Verbindung<br />
der Etagen bietet jeweils ein Aufzug.<br />
Bei der individuell auf die speziellen Bedürfnisse abgestellten Planung der einzelnen<br />
Grundrissebenen wurde auch im Hofbereich mit der Privatsphäre der<br />
Nutzer sensibel umgegangen. Die Gebäude sind in massivem Mauerwerk mit<br />
Wärmedämmung als Niedrigenergie- bzw. Passivhaus errichtet worden. Das<br />
sich in Fertigstellung befindliche Gebäude fügt sich eigenständig in die umliegende,<br />
offene Bebauungsweise ein. Durch das gemeinsame Entwickeln eines<br />
Ge bäu detyps auf zwei in sich verschränkten Grundstücken ist der Spagat zwischen<br />
den planerischen Eckpunkten und einer großzügigen Bebauung gelungen.
EG<br />
1. OG<br />
2. OG<br />
3. OG
90Café Grundmann<br />
August-Bebel-Straße 2/Mahlmannstraße 16<br />
Quelle:<br />
www.cafe-grundmann.de<br />
Das 1880 errichtete Wohngebäude bildet den Auftakt der noblen Bauten in der<br />
August-Bebel-Straße, die zu den schönsten Ensembles des Historismus und des<br />
Jugendstils in Leipzig gehört. Hier befindet sich das interessanteste Café-In terieur<br />
der Stadt Leipzig. Die im Original erhaltene Art-déco-Ausstattung stammt aus<br />
dem Jahr 1930. Der damalige Besitzer des typischen Wiener Ca fés, der Konditormeister<br />
Lutze, ließ in diesem Jahr die edle hölzerne Wandverkleidung und die<br />
Stuckdecke einbauen sowie das heute noch im wesentlichen erhaltene Mobiliar<br />
aufstellen. Seit dem Jahr 1919 wird das Café ununterbrochen von Kon ditormeistern<br />
bewirtschaftet. Sowohl die immobile Ausstattung, d.h.: Decke, Wände<br />
etc., als auch die Möblierung wurden nach denkmalpflegerischen Ge sichtspunkten<br />
restauriert. Besonderen Reiz bezieht das Interieur aus der Verwen dung der<br />
Satin-Holz-Verkleidung der Wandflächen, die horizontalen Gliederun gen sind<br />
dagegen aus Mahagoni gearbeitet.<br />
Satin-Holz ist eine ältere Modebezeichnung für eine Gruppe tropischer Hölzer,<br />
die in den 1920er Jahren gern verwandt wurden. Das Café ist seit dem Jahr<br />
2000 nach seinem neuen Besitzer Eckehart Grundmann benannt. Bemerkenswert<br />
feinfühlig sind die neuen Radleuchter im Restaurantraum durch den Leip ziger<br />
Künstler Stefan Francik als gelungene Art-déco-Adaption gestaltet.
In Leipzigs Westen hat sich mit dem Stadtteil Plagwitz ein ca. 90 Hektar großes<br />
Flächendenkmal der Industriearchitektur erhalten, das seinesgleichen sucht. Es<br />
war das erste planmäßig entwickelte, großräumige Industriegebiet Deutschlands.<br />
Das deutsche Unternehmertum ist eng mit der Geschichte von Plagwitz verbunden<br />
und wurde erheblich vom Gutsbesitzersohn und Rechtsanwalt Dr. Carl Erdmann<br />
Heine (1819 –88) geprägt. Durch sein Engagement in den Jahren<br />
zwi schen 1840 und 1880 wurde Leipzig zum Vorreiter der deutschen Indu stri alisierung.<br />
Schon früh zeigte sich Heine von der damals noch revolutionären Eisenbahn<br />
sowie der wirtschaftlichen Nutzung von Wasserwegen begeistert. So<br />
handelt es sich bei dem 1873 eröffneten Bahnhof Plagwitz-Lindenau um den ersten<br />
Industriebahnhof Europas. Heines Visionen ermöglichten den Bau eines Kanals,<br />
der zur Schaffung einer Schifffahrtsstraße von Leipzig nach Ham burg<br />
führen sollte. Ziel war, die in Leipzig produzierten Industriewaren über den<br />
Ham burger Hafen weltweit abzusetzen. Der Visionär erwarb in Plagwitz große<br />
Wiesen und Ackerland und nutzte diese für Wohnungsbau und Indu strie ansiedlung.<br />
Er legte das sumpfige Gebiet trocken und regulierte Wasserläufe.<br />
Weiterhin engagierte sich Heine stark für die Ansiedlung von Industrieunter nehmen<br />
und kümmerte sich um deren Anbindung an die Wasserwege bzw. an das<br />
Schienennetz. Die Kombination von Wohnquartieren und Arbeitsstellen war einmalig<br />
und verhalf der Industrie – in Verbindung mit den idealen Transport we gen<br />
– zum stürmischen Aufbruch.<br />
Ab 1920 ließen Rüstungsindustrie, Aktienspekulation, Krieg und wirtschaftlicher<br />
Verfall der sozialistischen Planwirtschaft den Industriestandort immer mehr ins<br />
Hintertreffen geraten. Nach der Wende 1989 erfolgte endgültig der Niedergang<br />
von Plagwitz, das im Zweiten Weltkrieg nur geringfügig beschädigt wur -<br />
de. Nachdem fast eineinhalb Jahrhunderte die Schornsteine geraucht hatten,<br />
folgte die Deindustrialisierung im Zeitraffer. Die Betriebe wurden liquidiert, die<br />
Bevölkerung wanderte ab und es kam zu hohem Leerstand und Abrissen. Über<br />
90.000 Industriearbeitsplätze gingen in Leipzig verloren, davon ein großer Teil<br />
in Plagwitz. Der Stadtteil wurde totgesagt und schien endgültig dem Verfall<br />
preis gegeben. Gespenstische Häuser, leere Fabrikgebäude, vom Gras überwucherte<br />
Bahngleise und verschmutzte Gewässer prägten dessen Image.<br />
Nun waren abermals Visionen gefragt. Eine neue Gründerzeit begann. Die<br />
Bau denkmäler sowie die Gewässer und Gleisbogen, die in ihrer Gesamtheit<br />
den einzigartigen Charme von Plagwitz ausmachen, sollten renoviert und re konstruiert<br />
werden. Die Stadt und zahlreiche Investoren starteten ein umfangreiches<br />
Aufbauprogramm. Im Jahr 2000 erhielt Plagwitz als externer Standort der Hannoveraner<br />
EXPO unter dem Motto „Plagwitz auf dem Weg ins 21. Jahrhun dert –<br />
91<br />
Industriearchitektur in Plagwitz<br />
Quelle:<br />
www.leipzig.de
Was für Hamburg die Speicherstadt, das ist für<br />
Leipzig – industriearchitektonisch gesehen – der<br />
Stadtteil Plagwitz mit seinen Fabriken der Jahrhun<br />
dertwende. 1989, im Jahr der Wende, hatte<br />
Plagwitz 37.000 Bewohner. Von den etwa 800<br />
hier vorhandenen Betrieben waren rund 40<br />
Groß betriebe. Der Niedergang der Industrie,<br />
der Verfall der Stadt, eine extreme Umweltbe las -<br />
tung – dies alles waren Indizien für das Ende<br />
des Sozialismus. In Plagwitz wurden sie auf besonders<br />
deprimierende Art erlebbar. Mit dem<br />
fast völligen Wegbrechen der Industrie nach<br />
1990 entstand eine städtebauliche Situ a ti on, die<br />
kaum Zukunftschancen in sich zu bergen schien.<br />
Auch die heruntergekommene Wohnbe bauung<br />
schien in dieser unwirtlichen Umgebung wenig<br />
Sanierungsaussichten zu ha ben. Wer heu te Plagwitz<br />
durchstreift, wird verblüfft sein. Nicht nur<br />
viele Wohnhäuser, sondern auch eine große<br />
Zahl von Industriebauten ist heu te schon Instand<br />
gesetzt und neu genutzt. Die se Entwick lung ist<br />
geprägt von modernisierten Wohnungen der<br />
Wilhelminischen Epoche, von umgenutzten Industriearchitekturen<br />
und künftig auch von neu em<br />
Großgrün auf den von Karl Heine weitsichtig angelegten,<br />
künftig aber nicht mehr be nö tigten<br />
Gleisschneisen, deren Schie nen stränge das Gebiet<br />
kammartig erschließen. Insbe son de re die<br />
teils großartigen Industrie bau ten prägen das architektonische<br />
Milieu dieses Stadtteils.<br />
Quelle:<br />
Leipzig, Architektur von der Romanik bis zur Gegenwart,<br />
Wolfgang Hocquél, Passage Verlag,<br />
2. Auflage<br />
Ein Stadtteil im Wandel“ weltweite Aufmerksamkeit und damit einen deut lichen<br />
Entwicklungsschub.<br />
Glücklicherweise überdauerten die meisten Bauensembles der Gründerzeit und<br />
der frühen Moderne die schwierigen Jahre und entfalteten nach ihrer Restaurierung<br />
bald den Reiz einer untergegangenen Welt. Heute kann man ehrfurchtsvoll<br />
die prachtvollen Backsteinbauten sowie die beeindruckenden Brücken über den<br />
Karl-Heine-Kanal bewundern, die Leipzig zur Hafenstadt machen sollten. In ehemaligen<br />
Fabrikhallen sind exklusive Lofts entstanden, in deren Höfen dank Wurzelheizung<br />
exotische Palmen gedeihen.<br />
Architektonisch bedeutsam sind u.a. die im Jahr 1866 gegründete „Wollgarn -<br />
fabrik Titel & Krüger” (Nonnenstraße/Elsterstraße), das 1928 nach Entwürfen<br />
des Hamburger Architekten Fritz Höger erbaute Verwaltungsgebäude der Leip ziger<br />
„Konsum-Zentrale” (Industriestraße 85–95) – eine grandiose Symbiose von<br />
Backsteinexpressionismus und Neuer Sachlichkeit – die 1880 gegründete „Ma -<br />
schinenbaufabrik Unruh & Liebig” (Naumburger Straße 28) und die zwischen<br />
1879 und 1925 in der Nonnenstraße errichteten „Buntgarnwerke” – eines der<br />
größten Gründerzeitdenkmale Deutschlands. Wer eine Bootstour auf dem Karl-<br />
Heine-Kanal macht, dem wird mit Sicherheit ein widerspenstiges Gebilde ins<br />
Auge fallen: Das 2003 nach einem Umbau eröffnete „Stelzenhaus” (Weißen -<br />
felser Straße) – ein ehemaliges Wellblechwalzwerk der Firma „Grohmann &<br />
Frosch” – wurde aufgrund Platzmangels Ende des 19. Jahrhunderts an einer Kanalbiegung<br />
errichtet. Getragen wird das streng funktionalistische Gebäude von<br />
wuchtigen Betonstützen.<br />
Die Entwicklung Plagwitz von einem Dorf zum Industriestandort lässt sich vier<br />
Epochen zuordnen: Die Industrialisierung 1840–70, Welthandel und Grün derboom<br />
von 1870–1918, Weltwirtschaftskrise und Kriegsmaschinerie von<br />
1920–45, Aufstieg und Fall als Industriestandort nach dem Neubeginn von<br />
1945–89. Das brache Industrieviertel hat sich inzwischen zu einem modernen,<br />
grünen, sozial verträglichen und begehrten Quartier für Wohnen, Arbeit und<br />
Freizeit umgewandelt, das in Deutschland seinesgleichen sucht.
Die Buntgarnwerke Leipzig GmbH entstand 1990 aus der Umwandlung des<br />
Volkseigenen Betriebes Buntgarnwerke Leipzig, einem Textilkombinat mit 3<br />
Standorten in Sachsen. In den Folgejahren wurde die Produktion nach Tsche chi -<br />
en verlagert und die deutschen Standorte umgewidmet. Der Elster-Park in Leipzig<br />
ist mit seinen 100.000 m 2 Brutto-Geschossfläche Europas größtes In du striedenkmal<br />
aus der Gründerzeit. Wasser durchzogen und zentral gelegen zählt er<br />
zu den aus zahlreichen Fernsehfilmen und Presseveröffentlichungen be kannten<br />
Sehenswürdigkeiten der Stadt Leipzig.<br />
Die Front an der Elsterseite der Nonnenstraße ist etwa 250 m lang und wird<br />
von mehrgeschossigen Spinnereigebäuden gebildet. Bemerkenswert ist der markante,<br />
kuppelbekrönte Turm am Haupteingang. Die kräftige Gliederung der Klinkerarchitektur<br />
durch helle, horizontale Putzstreifen und Natursteinelemente lässt<br />
den Bau ungewöhnlich gewaltig erscheinen. Die Anlage wirkt trotz der zeitlich<br />
weit auseinander liegenden Bauabschnitte insgesamt dennoch sehr einheitlich.<br />
Auch das 1922/23 gebaute Kesselhaus passt sich dem vorgegebenen Gründerzeitstil<br />
an. Der linke, östliche Eingang der Nonnenstraße ist von ei nem Vordach<br />
auf hohen schlanken Pfeilern betont.<br />
Vielfach ausgezeichnet gehörte der Elster-Park nicht nur zum weltweiten The menpark<br />
der Expo 2000, sondern wurde auch in das Bewerbungskonzept zur<br />
Olympiade 2012 aufgenommen. In 2006 wurde das Ensemble dem internationalen<br />
DIFA Award (Platz 3) ausgezeichnet. Der Elster-Park liegt 1,5 Kilometer<br />
vom Rathaus und der Innenstadt entfernt am Nonnenpark. Vom Karl-Heine-Ka nal<br />
und der Weissen Elster durchzogen bildet er ein Quartier, das seinesgleichen<br />
sucht. Sie finden dort heute u. a. Restaurants, Szenebars und eine Tanz schu le,<br />
Loftbüros von 50 bis 5.000 m 2 , Wohnungen und ein Boardinghaus, Handel<br />
und Dienstleistungen, Ärtzehaus mit Apotheke.<br />
Buntgarnwerke<br />
Architekten: Ottomar Jummel<br />
und später Händel & Franke, 1879–8893<br />
1866 Gründung der Seiden-, Garn- und Ta pisseriewarenhandlung<br />
C.A. Tittel am Markt 19<br />
1869 Herr A. A. Krüger wird Teilhaber<br />
1875 Erwerb des Grundstücks in Plagwitz in der<br />
Nonnenstraße<br />
1878 Errichtung einer Fabrikation von Tapisseriewaren<br />
1887 Gründung der „Sächsischen Wollgarn fabrik<br />
Tittel & Krüger Aktiengesellschaft“ 542 Beschäftigte<br />
produzieren 600.000 kg Tapisseriegarne<br />
im Jahr<br />
1888–98 Bau weiterer Spinnereigebäude in<br />
Backsteinarchitektur mit dekorativer Natursteingliederung<br />
1901 Umsatz des Betriebes bereits über 12<br />
Mio. Reichsmark<br />
1906–08 Verlegung der Berliner Filiale nach<br />
Leipzig, Bau des 2.Abschnittes auf der Schleu ßiger<br />
Uferseite (Hochbau Süd)<br />
1911 etwa 2.000 Arbeiter und Angestellte<br />
1923 noch etwa 1.000 Beschäftigte<br />
um 1926 Übernahme der Gebäude der Firma<br />
Phil. Penin in der Nonnenstraße 42/44, ge gründet<br />
1878<br />
1938 Der Umsatz beträgt 25 Mio. RM, der<br />
Reingewinn 1,4 Mio. RM<br />
1951 Die Wollgarnfabrik wird Treuhandbetrieb<br />
des Rates der Stadt<br />
1950–52 Nach Einstellung der Produktion von<br />
Handstrickgarnen beginnende Vermietung umfang<br />
reicher Produktionsräume<br />
1952–90 VEB Leipziger Wollgarnfabrik, anschließend<br />
Verschmelzung zur Mitteldeutsche<br />
Kammgarn, ab den 70er Jahren VEB (volkseigener<br />
Betrieb) Buntgarnwerke Leipzig<br />
1990 Umwandlung des VEB Buntgarnwerke<br />
Leipzig in Buntgarnwerke Leipzig GmbH<br />
1991 Verlagerung der Produktion von Sachsen<br />
nach Tschechien<br />
1992 Privatisierung<br />
Quellen:<br />
Unterlagen des Sächsischen Staatsarchivs<br />
Leipzig,<br />
www.buntgarnwerke.de/html/historie.html
94Lofts am Elsterufer<br />
Holbeinstraße<br />
Gregor Fuchshuber & Partner<br />
Für die verschiedenen Baukörper der ehemaligen Buntgarnwerke existierten seit<br />
der Aufgabe des Betriebes im Jahr 1991 die unterschiedlichsten Nutzungskonzepte.<br />
Letztendlich wurde für den Hochbau Süd ab 1998 die nunmehr fertig<br />
gestellte Umnutzung in ein Wohngebäude realisiert. Gestalterisch und entwurfstechnisch<br />
wurden dabei in vielfältiger Hinsicht neue Wege beschritten: Ziel war,<br />
die Außenhülle mit ihrer Fenstergestaltung, die durch Kriegseinwirkung und<br />
Nachkriegsreparaturstau weitgehend vermauert waren, wiederherzustellen und<br />
gleichzeitig im Inneren für die Wohnnutzung angemessene Belichtung und Belüftung<br />
herzustellen. Darüber hinaus sollten, soweit vorhanden, die originalen<br />
Ausstattungsdetails (Tore, Treppenhäuser, Decken) weitestgehend erhalten bleiben.<br />
Auch der bauliche Charakter des Fabrikgebäudes und insbesondere die<br />
technisch extrem anspruchsvolle, gewölbte Stahlbetondeckenkonstruktion blieben<br />
im Neubau unverändert sichtbar. In die etwa 5 m hohen Fabriketagen wurden<br />
mehrgeschossige Wohneinheiten eingefügt, die funktional und gestalterisch<br />
überzeugen und am Markt gut angenommen werden.<br />
Der Gebäudeteil Hochbau Süd der Buntgarnwerke ist in einer Eisenbetonkonstruktion<br />
1906 in Straßburg durch die Firma Züblin geplant worden. Hinter einer<br />
konventionellen <strong>Ziegel</strong>fassade mit dekorativen Putzbändern verbirgt sich ein<br />
für die Bauzeit hochmodernes Stahlbetonskelett mit 2-schaligen Decken. In die<br />
ehemals ca. 40 m breiten und 100 m langen Industriehallen wurde zur Belichtung<br />
der errichteten Wohneinheiten ein Innenhof eingeschnitten. Die ca. 5 m<br />
hohen Räume wurden innenhofseitig durch eine Galerie unterteilt und verfügen<br />
im Gegensatz zur geräumigen Wohnhalle fassadenseits über eine gegliederte<br />
Zimmerstruktur nach Wunsch des Nutzers.<br />
Der Zugang erfolgt über die nach innen auskragenden Laubengänge. Der filigrane<br />
Aufzugsturm, der sowohl die Erschließungslaubengänge, als auch die<br />
metallenen Fluchtstege auf den Zwischenebenen anbindet, ist gestalterisch das<br />
bestimmende Element des Innenhofes. Die originalen Ausstattungsdetails Tor, Verblechungen<br />
und Schmuckelemente wurden originalgetreu wiederhergestellt. In<br />
den Treppenhäusern wurden ebenfalls die originalen Geländer modernen Sicherheitserfordernissen<br />
angepasst und mit Handläufen versehen. Insbesondere<br />
auf die Ausbildung der Putzschalen wurde großer Wert gelegt. Der Charakter<br />
des Industriebaus bleibt spürbar.<br />
Im Inneren der Wohnungen ist klar abzulesen, was originaler Bestand und was<br />
Neuzufügung ist. Die Decken sind unverputzt, die originale Schalungsstruktur ist<br />
sichtbar. Die Wohnungstrennwände wurden in sichtbar belassenem Kalksandstein-Fasenmauerwerk<br />
ausgeführt und farblich vom Altbestand abgesetzt. Darüber<br />
hinaus wurde bei der Materialauswahl und bei der Wahl der Formensprache<br />
Wert darauf gelegt, einen Einklang zwischen der funktionalen, vorgefundenen<br />
Architektursprache und einer möglichst klaren, stringenten Lösung der<br />
Neueinbauten zu finden.
Im Kontext des Umbaus der Stadt Leipzig von der hochverdichteten Industriestadt<br />
zum urbanen Wohnort stellt das Projekt „Sweetwater“ ein bemerkenswertes<br />
Beispiel vor: Hier wurde ein Grundstück entwickelt, das groß genug ist, ein kleines<br />
Wohnquartier am Wasser ins Leben zu rufen. Obwohl die Grundstücks fläche<br />
mit an angelsächsischen Vorbildern orientierten Reihenhäusern gut ausgenutzt<br />
wird, bleibt dennoch auch ausreichend Raum für private und öffentliche<br />
Freiflächen. Dabei ist insbesondere hervorzuheben, dass durch die Anordnung<br />
und Proportionierung der Bauten auch bestehende Räume abgerundet und akzentuiert<br />
werden und ein neuer kleiner Stadtplatz als Quartierszentrum eingefügt<br />
wurde.<br />
Das „Sweetwater“ bildet mit seinen dreigeschossigen Zeilenbauten in der Nachbarschaft<br />
massiver Industriebauten aus dem 19. Jahrhundert natürlich eher einen<br />
Fremdkörper. Aber es gelingt, eine neue Stadtinsel zu bilden, die in sich schlüssig<br />
ist, ein attraktives, alternatives Wohnangebot macht und sich offen in das<br />
Gewebe der bestehenden Stadt integriert. Darüber hinaus bietet „Sweet water“<br />
wirtschaftlich erschwinglichen Wohnraum in einer sehr attraktiven zentralen<br />
Lage. Der Mut und Innovationswille der Architekten und vor allem auch der Entwickler<br />
ist vorbildhaft und soll mit einer Anerkennung gewürdigt werden.<br />
Lobende Erwähnung beim Architekturpreis 2007 der Stadt Leipzig.<br />
95<br />
Sweetwater<br />
Stadthäuser an der Weißen Elster, Fertigstellung 2006<br />
Architekten: Weis & Volkmann Architektur<br />
mit Ernst Scharf, Arch 42<br />
www.leipzig.de/de/buerger/stadtentw/projekte/wettbewerb/architektur
96Baumwollspinnerei<br />
Spinnereistraße 7<br />
Mit der Produktion wuchs auch die Zahl der<br />
Menschen in der Spinnerei. Arbeiten in der<br />
Baum wollspinnerei hieß letztlich auch dort le ben.<br />
So arbeiteten die Männer ca. 14, die Frauen<br />
ca. 11 Std. am Tag. Das nähere Umfeld der<br />
Spinnerei wurde Piependorf genannt. Die Frauen<br />
trugen alle Schürzen, lange Röcke und viele<br />
Kämme im Haar. Gegen Morgen, nach Austragung<br />
von etlichen Faustkämpfen, gab es dann<br />
„Kranke“ und „Verletzte“. Eine stichhaltige Begründung<br />
zum „Blaumachen“ war also gegeben.<br />
Wie gesagt, es war ja alles so billig. In den Mittagspausen,<br />
in welchen beim Pfeifer-Louis auch<br />
oft getanzt wurde, und zum Feier abend standen<br />
am Eingang zur Spinnerei die Straßenhändler<br />
und boten Apfelsinen, Bücklinge, oder auch<br />
Gipsfiguren und Textilien feil; es war alles da.<br />
Der Freitag war der große Tag. Mittags bekamen<br />
die Frauen ihren Lohn, zum Feierabend die<br />
Männer. Da wurde „gelebt“. Mittags lachten der<br />
Bäcker und der Obsthän dler, am Abend die<br />
Gastwirte. Sonnabends hatte die Kantine die<br />
Ehre. Für ein Mark bekam man die halbe Welt.<br />
Die Piependorfer Eingeborenen lebten wie eine<br />
große Familie, keiner war reicher, keiner war ärmer<br />
als der andere. Sie vermehrten sich, rauften<br />
auch manchmal und standen vom Freitag bis<br />
Die Spinnerei ist eine historische Fabrikanlage, die in den Jahren 1884 bis<br />
1907 zur größten kontinentaleuropäischen Baumwollspinnerei gewachsen war.<br />
Nach ihrer Gründung im Jahre 1884 wuchs im Westen von Leipzig eine regelrechte<br />
Fabrikstadt mit über 20 Produktionsgebäuden, Arbeiterwohnungen, Kindergärten<br />
und einer Erholungssiedlung heran. 1907 hatte die Fabrik ihre größte<br />
Ausdehnung erreicht. Auf rund 100.000 m² Bruttogeschossfläche wurde mit<br />
240.000 Spindeln Baumwolle verarbeitet. Bis zu 4.000 Menschen haben hier<br />
bis 1989 im Drei-Schichtbetrieb gearbeitet. Nach der Wiedervereinigung wurde<br />
die Produktion eingestellt.<br />
Das eigentliche Fabrikgelände der Spinnerei mutet regelrecht wie eine kleine<br />
Fabrikstadt an. Es handelt sich um eine geschlossene Quartierbebauung auf rd.<br />
6 ha Größe. Die Spinnerei ist eingegrenzt durch die Spinnereistrasse, die Thüringer<br />
Straße, die alte Salzstrasse und die Saalfelder Straße. Das Fabrikgelände<br />
zeigt sich nach Außen verschlossen und ist im Inneren bestanden mit 20 Einzelgebäuden.<br />
Neben den vier ehemaligen großen Spinnereien, heute die Hallen<br />
7, 14, 18 und 20, gibt es weitere 16 ehemalige Funktionsgebäude. Von<br />
ursprünglich 24 Gebäuden sind diese noch erhalten. Fast alle Gebäude wurden<br />
als sehr massive Backsteinbauten errichtet. Der komplexe Erhaltungsgrad<br />
der historischen Bausubstanz hat nach dem Niedergang der Baumwollgarnproduktion<br />
in den frühen 90er Jahren eine langsame aber kontinuierliche Wiederbelebung<br />
und schonende Sanierung der Fabrik ermöglicht. Oft geht es sogar<br />
mehr ums Konservieren als ums Sanieren. Ein wichtiges Anliegen des Sanierungszieles<br />
ist es möglichst viel zu bewahren und trotzdem gute Bedingungen<br />
für die neuen Mieter zu schaffen.
Künstler, die heute die neue Leipziger Schule prägen, fanden und finden bis<br />
heute die idealen Atelierräume und die nötige Ruhe für ihre Arbeit. Kreative wie<br />
Architekten, Drucker, Designer und Modemacher haben sich mit viel Eigen initiative<br />
ihren idealen Lebens- und Arbeitsbereich geschaffen. Kleine Hand werks betriebe<br />
sowie die verschiedensten Dienstleistungsbetriebe fanden in der Spinnerei<br />
das geeignete Umfeld. Gastronomie, Theater- und Tanzgruppen, Kunst- und Kulturinitiativen,<br />
kleine spezielle Läden und individuelle großflächige Wohnlofts bewirken<br />
neben der einzigartigen Architektur der komplexen Fabrikstadt den<br />
Charakter einer ausgesprochen charmanten Urbanität. Viele der heute weltbekannten<br />
Namen der Neuen Leipziger Schule waren die Pioniere der Revitalisierung.<br />
Inzwischen sind über die Hälfte aller Flächen wieder vermietet.<br />
Zu einem großen Schwerpunkt innerhalb der Spinnerei haben sich die Kunstproduktion,<br />
die Kunstpräsentation und der Kunsthandel entwickelt. Über 100<br />
professionelle Künstler allein aus dem Bereich der bildenden Künste arbeiten in<br />
dem Areal. 13 Galerien und Ausstellungsflächen, Galerie EIGEN + ART, Dogenhausgalerie,<br />
Galerie Matthias Kleindienst, die Galerie b2, die maerzgalerie,<br />
ASPN, FRED London/Leipzig, Filipp Rosbach Galerie, PIEROGI Leipzig,<br />
Kavi Gupta Galerie (Chicago), LADEN FUER NICHTS und das kostendeckend<br />
arbeitende SPINNEREI archiv massiv sowie die Non-profit Fläche der Stiftung<br />
Federkiel in der Halle 14 präsentieren Kunst aus Leipzig und aus aller Welt. Abgerundet<br />
wird das Bild durch die Ansiedelung des Künstlerbedarfshandels boesner,<br />
der inzwischen zum wichtigen Versorger für die vielen Künstler am Ort<br />
geworden ist.<br />
Sonntag unter dem Einfluß des Alkohols. Die Gegend<br />
war in Leipzig berüchtigt und deshalb gemieden.<br />
Nur die Friedhofsbesucher kamen und<br />
gingen. Wer Sonntags ausging nach der inneren<br />
Stadt, der musste sozusagen Spießruten laufen.<br />
In der Thüringer-Straße lugten tausend<br />
Augen, vom gewaltigen Betriebskrankenkassenmann<br />
Scheer bis zur letzten Hausfrau. Man<br />
mußte doch sehen, was die Vorübergehenden<br />
auf dem Leibe hatten. Ich sagte schon, es war<br />
eine ärmliche Welt. Die Romantik war geringer<br />
Natur, die Poesie kümmerlich. Und doch sah und<br />
hörte der Aufmerksame soviel, als er zu einem<br />
ganzen Roman brauchte. Es war ja doch der<br />
Abglanz der großen Welt von draußen. Bis<br />
1899 waren ein Kindergarten und weitere Arbeiterwohnhäuser<br />
entstanden. Eine 21 Mann<br />
starke Musikkapelle und der „Männerchor Frohsinn“<br />
wurden ins Leben gerufen und werden gerne<br />
zu betrieblichen Gelegenheiten herangezogen.<br />
1903 setzt ein Streik den 10 Stunden Arbeitstag<br />
durch.<br />
www.spinnerei.de<br />
http://de.wikipedia.org/wiki/Leipziger_Baumwollspinnerei
98Konsumzentrale<br />
Sonderheft Expo 2000 - Auswahltext 2<br />
Bernd Sikora<br />
Flaggschiff (gekürzter Text)<br />
Die Leipziger Konsumzentrale des Architekten Fritz Höger<br />
Eine interessante Verbindung zwischen dem Expo-Außenstandort Leipzig-Plag -<br />
witz und dem <strong>Zentrum</strong> der EXPO 2000, Hannover, bietet der Erweiterungs bau<br />
der Konsumzentrale in Leipzig-Plagwitz, der zwischen 1929 und 1933 vom Architekten<br />
Fritz Höger gebaut wurde. Den Auftrag für das Verlagshochhaus in<br />
Han nover erhielt Höger auch auf Grund des Ruhms, den er durch das Hamburger<br />
Chilehaus (1921–24) erlangt hatte: Hier hatte er gezeigt, dass er den<br />
„Geist des Ortes“ durch die dort spezifischen Gestaltungs formen und die gebietstypischen<br />
norddeutschen Klinker auf besondere Weise herausarbeiten konnte.<br />
Die an einen Schiffsbug erinnernde Ostseite des vielgeschossigen Chi le hauses<br />
brachte für Höger und Hamburg ein höchst wirkungsvolles Markenzei chen.<br />
Andere vermögende Auftraggeber wollten diesen Effekt ebenfalls für sich nutzen.<br />
Für den von der norddeutschen Landschaft, ihrer Bautradition und ihrem<br />
Handwerk geprägten und mit expressiven Elementen des Art déco arbeitenden<br />
Höger ergab sich so für mehrere Jahre eine äußerst günstige Auftrags lage. Es ist<br />
interessant, dass nach 1933 in Deutschland nicht nur die im Stil der internationalen<br />
Moderne tätigen Architekten, wie beispielsweise Walter Gropius und<br />
Erich Mendelsohn, sondern auch der sich auf die norddeutsche Klinkerarchitektur<br />
beziehende Höger (Goebbels fand seine Bauten „sowjetisch“) von der faschistischen<br />
Kulturpolitik abgelehnt wurden. Die Nazis bevorzugten an römischen<br />
und klassizistischen Architekturen orientierte Formen, wie sie bereits vor<br />
1914 geschaffen worden waren.<br />
Doch zunächst waren es Högers Bauten in Hamburg und Hannover, die Anlass<br />
zur Einladung für die Teilnahme am Wettbewerb für den Erweiterungsbau der<br />
Leipziger Konsumzentrale boten. Höger gewann den 1. Preis und konnte in drei<br />
Baustufen seine Planung realisieren. Sicher waren es auch die Perspek tivzeichnungen,<br />
die zum Wettbewerbserfolg Högers geführt haben, thematisierten sie<br />
doch das Motiv „Schiff“ gegenüber dem Chilehaus auf neue Weise als stromlinienförmig<br />
orientierte Schichtung der Decks eines Schiffs, das vorüberzieht. Der<br />
damals äußerlich relativ charakterlose Vorort Plagwitz befand sich im Aufbruch:<br />
Der Kanal sollte bis nach Hamburg geführt werden, und dafür wurde der Lindenauer<br />
Hafen ausgebaut. Tempo, zu erreichendes Ziel – diesen Ge danken griff<br />
Höger auf, ganz im Geiste des erfolgsorientierten Vorstands der Genossenschaft.<br />
Der italienische Höger-Monograph Piergiacomo Buccia relli sieht in der<br />
1992 erschienenen deutschen Übersetzung in der Konsumzen tra le einen deutlichen<br />
Bezug zu Erich Mendelsohn und auch zum Roxy-Palast (1929) Martin Puni<br />
tzers, „einem der repräsentativsten Beispiele der Berliner Neuen Sachlichkeit“.<br />
Der Besucher von Leipzig-Plagwitz findet mit der Konsum zentrale einen Bau,<br />
ohne dessen Re flexion der Blick auf die Architektur um 1930 und den Archi tekten<br />
Fritz Höger unvollständig wäre. Leipzig macht es dem Besucher heute auch<br />
leichter, Zu gang zum Architekten und zu seinem Bau zu finden. Noch vor einem<br />
Jahr zehnt verband das Konsumareal 2 von ma roden Gebäuden gesäumte Straßen<br />
schluch ten. Nur wenigen mag bis zu dieser Zeit das Besondere der Klinkerfront<br />
mit den „Schüsselglas-Scheiben“ aufgefallen sein. Inzwischen ist gegenüber<br />
ein Stadtteilpark entstanden. Er führt bis zum Karl-Heine-Kanal, der nun-
mehr wieder eine, wenn auch bescheidene, Perso nen schifffahrt ermöglicht und<br />
in unmittelbarer Nähe des Konsumbaus eine Anle gestelle erhalten wird. Nun<br />
stellt sich mit der gewonnenen Fernansicht der Sinn zusammenhang her, wird<br />
Högers inhaltlicher Entwurfsansatz erst verständlich: Das symbolträchtige Bild erinnert<br />
an Groß raumfähren oder Containertranspor ter mit ihren aufgesetzten Führungs<br />
brücken.<br />
Die Architektur ergibt sich aus der Funktion „Lagern und Verteilen“. Auch die Detailformen<br />
und Farbgebungen sind der Motivwelt von Reederei und Kontor, von<br />
Schiff und Meer entlehnt: Die Fußbodenkeramik der Eingangshalle weist den<br />
Farbton von den Wettern ausgesetzten Schiffsböden auf, die Wandfliesen zeigen<br />
das Blaugrün von Wasser und Eisbergschmelze. Das Treppengeländer ähnelt<br />
Stahltrossen mit einem Poller am festen Ufer. Handläufe und Poller sind mit<br />
Messing veredelt. Keine scharfen Kanten und Zacken gibt es mehr, alle Rahmungen<br />
sind gerundet. Wandvertäfelungen mit Wurzelfurnier befinden sich vor elegant<br />
geformten Funktionseinbauten. Das Portal besitzt blattgoldbelegte Bänder<br />
aus Klinker. Auf dem „Oberdeck“ befindet sich der Saalaufbau, ge run det und<br />
kühn gen Westen, zum Weltmeer gerichtet. An der Seitenflanke ist der Mast<br />
des Flaggschiffs angesetzt.<br />
Der Konsumverein hatte die 1933 und nach 1945 oktroyierten Strukturänderungen<br />
überlebt. Selbst wenn heute das rege Leben der einstigen Güterproduktion,<br />
der Verpackung und Verteilung nicht mehr nachvollziehbar ist, entsteht doch ei ne<br />
Dienstleistungsstruktur neuer Art für die heute etwa 150.000 Konsum-Mitglie der<br />
und die erhoffte große Zahl neuer Mieter im Haus. Mit Stolz kann der Vorstands<br />
vorsitzende Stephan Abend vom Konzept einer behutsamen, denkmalgerechten<br />
Sanierung, die sich auf die in einer Ölpapierrolle unter Schutt wieder<br />
aufgefundenen Originalpläne Högers stützen kann, und von modernen Nachnutzungsstrategien,<br />
die der beauftragte Projektentwickler MAKO verfolgt, be rich -<br />
ten.<br />
Das Areal hält auch – über den Innenhof – die Entdeckung der Konsumgeschich<br />
te parat. Durch die erhaltene Putzfassade des ersten Baubestands wird<br />
die Ge schichte bis ins Jahr 1884 nachvollziehbar. Damals war am 8. Mai der<br />
„Consum-Verein für Plagwitz und Umgegend“ gegründet worden. Durch eine<br />
um sich tige Finanzpolitik konnte der Verein sehr bald seine positive Bilanz erweitern,<br />
die Mitgliedschaft erhöhen und etliche Filialen einrichten. Nach der 1890<br />
erfolgten Eingemeindung von Plagwitz erhielt er den Namen „Konsumverein<br />
Leip zig-Plagwitz und Umgegend“. Aus dieser Zeit stammt der rote <strong>Ziegel</strong>bau am<br />
schmalen Ostende des Hofs. 1903, im Jahr eines großen Brands auf dem Gelände,<br />
schlossen sich die deutschen Konsumvereine zu einem Zentralver band<br />
zusammen. Der Leipziger Verein wurde eines der stärksten und erfolgreich sten<br />
Mitglieder. Er produzierte unter anderem Leipziger Konsumbrot und ließ für sich<br />
produzieren, verpackte und verteilte zum eigenen Gewinn und zum Nutzen seiner<br />
Mitglieder. Dem Erweiterungsbedarf konnte durch zusätzliche Flächenkäufe<br />
und die nach Högers Plänen errichteten Bauten entsprochen werden. Die La gerhausfassade<br />
greift mit waagerechten Lichtbändern und Bull augen fenstern ebenfalls<br />
das Schiffsmotiv auf. Der flachere Einschnitt in der Front macht deutlich,<br />
dass der Gesamtentwurf nach 1933 nicht restlos umgesetzt wer den konnte. Der<br />
Eckturm mit dem Verwaltungstrakt und einer großen Turm uhr vervollständigt das<br />
einer Hafensituation nicht unähnliche Bild. Aber zwischen Außen- und Innenfront<br />
zeigt sich an einer Stelle ein scheinbarer Wider spruch, denn der gründerzeitliche<br />
Putzbau ist an der Industriestraße nicht er kennbar. Geschickt hat Höger ihn<br />
mit einer massigen Klinkerfassade umbaut. Die Fassade steht auch bei allen Erweiterungsbauteilen<br />
vor dem Tragwerk. Eine gesonderte Fassadenhaut, vorgestellt<br />
oder vorgehängt, erweist sich auch bei heutiger Industriebauarchitektur als<br />
sinnvoll. Högers Planungskonzept für den Leipziger Bau ist deshalb nicht nur we -<br />
gen der Thematisierung der Motive Schiff, Wasser und Hafen, sondern auch<br />
wegen der dauerhaften und umnutzbaren Bauweise für den heutigen Besucher<br />
interessant.<br />
Quelle:<br />
www.leipzigerblaetter.de/volltext/textex_2.html
100Stelzenhaus<br />
Weißenfelserstraße 65<br />
Architekten: Hermann Böttcher, 1939,<br />
Weis + Volkmann, 2001–03<br />
Schwebende Halle der Moderne, Stelzenhaus in Leipzig<br />
Industriedenkmale haben bekanntlich ihren ganz eigenen Charme. In stillgelegten<br />
Hochöfen, Gasometern, Stollen oder Werkhallen spiegeln sich Jahrhunderte<br />
der Wirtschafts- und Sozialgeschichte wider. Die gerne als „Kathedralen der Arbeit“<br />
betitelten, manchmal riesigen Anlagen faszinieren uns umso mehr, wenn<br />
sie auch von architektonischer Qualität sind und ihre eigene Ästhetik entfalten.<br />
Dies gilt zum Beispiel für das „Stelzenhaus“ in Leipzig-Plagwitz. Es wurde 1939<br />
als Fabrik zur Zinkherstellung und Wellblechwerk erbaut und gilt als hervorragendes<br />
Beispiel für Industriearchitektur in der Nachfolge der klassischen<br />
Moder ne.<br />
Die Stahlbetonkonstruktion mit Sichtmauerwerk und Stahlfenstern besteht aus<br />
zwei Hallen, einem Verbindungsbau, einer Plattform und einem Bürogebäude.<br />
Aus Platzmangel erbaute Architekt Hermann Böttcher die Stahlbetonkonstruktion<br />
auf hohen Stelzen, die dem Komplex seinen Namen gaben: Die massive La gerhalle<br />
schwebt gewissermaßen über dem Wasser des Karl-Heine-Kanals – eine<br />
Seltenheit.
Die Gegend hatte sich seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einem<br />
ausgeprägten Industriestandort entwickelt. Das auf ein mittelalterliches Dorf zurückgehende<br />
Plagwitz war zuvor ein beliebtes Leipziger Ausflugsziel, wo viele<br />
Bürger ihre Landhäuser erbauten, Gärten anlegten und auf den Wasser straßen<br />
Gondelfahrten unternahmen. Das sumpfige Gebiet wurde schließlich auf Initiative<br />
des Rechtsanwaltes Karl Heine (1819–88) planmäßig erschlossen. Hei ne<br />
ließ den nach ihm benannten Kanal anlegen, 1871 kam die Ei senbahn, an der<br />
in Plagwitz der erste Industriebahnhof Europas eröffnet wurde.<br />
Das „Stelzenhaus“ wurde ursprünglich für die Firma Grohmann und Frosch erbaut,<br />
nach 1945 vom VEB Bodenbearbeitungsgeräte genutzt und stand schließlich<br />
leer.<br />
Sächsischer Staatspreis 2004<br />
Hieronymus-Lotter-Preis 2004<br />
Lobende Erwähnung Deutscher Umbaupreis 2004<br />
Lobende Erwähnung Leipziger Architekturpreis<br />
2003<br />
location Tatort, 2002<br />
location Soko Leipzig, 2003
102Stadtumbau im Gebäudebestand<br />
der LWB<br />
Dipl.-Ing. Ines Gillner, Prokuristin und Leiterin<br />
Baukoordinierung , Leipziger Wohnungs- und<br />
Baugesellschaft mbH, Prager Straße 21<br />
Die Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft mbH (LWB) wurde 1990 als<br />
100 % Tochtergesellschaft der Stadt Leipzig gegründet. Der Gesellschaftszweck<br />
ist damals wie heute die Versorgung breiter Schichten der Bevölkerung mit sozialverträglichem<br />
Wohnraum. Heute besitzt die LWB einen Anteil von 11 % der<br />
Wohnungsbestände, die am Leipziger Markt teilnehmen.<br />
Die Entwicklung des Wohnungsbestandes der LWB von 1990 bis 2008 ist geprägt<br />
von:<br />
- Sanierung von 23.000 WE<br />
- Verkauf von 54.000 WE (Zwischenerwerber, Investitionsvorrang, Bauträger,<br />
normalem Verkauf, Versteigerung)<br />
- durch Rückgabe/Vergleiche Abbau von 42.000 WE mit Restitutionsanspruch<br />
(4.159 Gebäude).<br />
Heute befinden sich rund 40.000 Wohnungen im Kernbestand der Gesellschaft.<br />
Der Vermietungsgrad hat sich bei 80,7 % eingepegelt. Die sanierten<br />
Wohnanlagen weisen einen Leerstand von rund 4,2 % auf. Die teilsanierten Gebäudebestände<br />
zeigen einen Leerstand von durchschnittlich 7 %. Dieser sehr<br />
gute Vermietungsgrad ist unter anderem ein Ergebnis der Stadtumbauaktivitäten<br />
der Gesellschaft.<br />
Wie wurde dem Leerstand entgegen gewirkt?<br />
- Einteilung des Gesamtbestandes in die Geschäftsfelder Kernbestand und<br />
Verwertung<br />
- Organisatorische Optimierung des Kern-/Verwertungsbestandes<br />
- Stadtumbau in enger Abstimmung mit der Stadt Leipzig: Dazu gehören: Ab-<br />
riss, Verkauf, Sanierung<br />
- zügige Vermögensklärung.
Seit dem Jahr 2000 wird in der Stadt Leipzig mit dem Stadtentwicklungsplan<br />
(STEP), der gebietsweise die Probleme und Defizite aufzeigt, aber ebenso die<br />
vorhandenen Qualitäten und Potenziale hervorhebt, gearbeitet. Dieser STEP<br />
wurde für den Teil Großsiedlungen gemeinsam mit den Eigentümern erarbeitet.<br />
Die Abbruchaktivitäten der LWB bewegen sich exakt entlang des STEP. Bis<br />
31.12.2007 wurden 9.384 WE abgerissen.<br />
Für die Abrisse stehen Fördermittel aus dem Stadtumbau Ost Programm und aus<br />
Städtebauförderung zur Verfügung. Zusätzlich ist entsprechend § 6a Altschuldenhilfegesetz<br />
mit dem Abriss der Gebäude eine Entlastung von Altschulden<br />
möglich.<br />
Zur Erreichung der Stadtumbauziele ist in den Verwaltungsvorschriften auch die<br />
Nachnutzung der Abrissgrundstücke geregelt. Mietwohnungsbau darf für die folgenden<br />
10 Jahre nicht errichtet werden und eine einfache bis qualitätvolle Begrünung<br />
ist aus den Fördermitteln zu finanzieren. Daraus ergeben sich folgende<br />
Wege zur Verwertung der Freiflächen:<br />
- Es gibt Grundstücke, die mit Gestattungsvereinbarungen für 5–15 Jahre von<br />
der Stadt Leipzig genutzt und betreut werden.<br />
- Auf einigen freigelegten Grundstücken entstehen Stadthäuser (selbst genutztes<br />
Eigentum).<br />
- Mietergärten und Parkplätze wurden geschaffen.<br />
- Es gibt aber auch Grundstücke, die lediglich eine Rasensaat erhalten haben.<br />
Die Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft erhielt im letzten Jahr eine Anerkennung<br />
im Rahmen des Bauherrenpreises für ein gelungenes Stadtumbauprojekt<br />
im Westen der Stadt. In dieser denkmalsgeschützten Siedlung aus den 50er<br />
Jahren wurde, wie an anderen Standorten auch, der Abriss von Gebäuden mit<br />
Sanierung der verbleibenden Substanz verknüpft. Entstanden ist eine Wohnanlage<br />
mit Qualität im Innen- und Außenbereich, die nach Fertigstellung zügig vermietet<br />
war.<br />
www.lwb.de
104Nibelungenring in Leipzig<br />
Architekt: Hubert Ritter 1929/30<br />
Visionär des Städtebaus<br />
Hubert Ritter<br />
Am 17.3.1886 in Nürnberg geboren, gilt Hubert<br />
Ritter als Visionär des Städtebaus. Er ge staltete<br />
als Stadtbaurat in den Jahren 1926/34 das<br />
Gesicht Leipzigs wesentlich mit und gehört zur<br />
Generation jener Architekten, die als Weg be reiter<br />
die moderne Architektur in Deutsch land prägten.Viele<br />
interessante Bauten sind Ritter zu<br />
verdanken, so z.B. das Neue Grassimuseum<br />
(1925/27), das Westbad in Lindenau (1925/<br />
26), die beiden Kuppeln der Großmarkthalle<br />
(1927/29), die Pädagogische Hochschule in<br />
der Karl-Heine-Straße (1928), das im Krieg zerstörte<br />
Planetarium im Zoo sowie mehrere Schulen<br />
und Krankenhäuser wie z.B. das St. Elisabeth<br />
in Connewitz. Als städtebauliche Meisterlei stung<br />
gilt jedoch der „Rundling“ in Lößnig, eine eindrucksvolle<br />
Anlage mit 624 Wohnungen. Sie<br />
gehört zu den herausragenden stadtplanerischen<br />
Leistungen der Moderne.<br />
Eine herausragende Siedlung der Moderne in Leipzig ist der „Rundling“.<br />
Hubert Ritter, seit 1924 Stadtbaurat und bekennender Anhänger der Moderne,<br />
die in Leipzig mit seinen großen Gründerzeitquartieren nur schwer Fuß fassen<br />
konnte, plante und erbaute sie 1929/30.<br />
„Seine Einzelbauten, seine Wohn- und Stadtquartiere wurden aus der städtebaulichen<br />
Situation; aus dem Ort; für den Ort entwickelt. Dadurch wurden sie<br />
ihrerseits zu einem Ort, einem Ort mit Charakter.“ Der Lößniger Rundling ist ein<br />
typisches Produkt der Versuche, für die Bewohner ein architektonisches Symbol<br />
als Ausdruck der Gemeinschaft zu schaffen.<br />
Die Bebauung folgt in konzentrischen Kreisen dem hügeligen Bodenprofil, wobei<br />
dies durch die Höhe der Gebäude im inneren Ring noch verstärkt wird.<br />
Die Häuser wurden in traditioneller Bauweise errichtet und die Grundrisse (elf<br />
Standardgrundrisse) folgen den mit der Kreisform wechselnden Ausrichtungen<br />
der Wohnungen, um optimale Besonnungsverhältnisse entstehen zu lassen. Die<br />
Aufteilung der Freiflächen erfolgte so, dass die Eigenart des „Rundlings“ unterstrichen<br />
wird. Der Innenring umschließt einen Rundplatz, der früher mit einem<br />
großen Planschbecken in der Mitte versehen war.
Die Siedlung befand sich durch Kriegsschäden und unterlassene Instandhaltung<br />
während der DDR Zeit in einem bedauernswerten Zustand. Im Jahr 1992 begann<br />
die Sanierung durch die Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft (LWB).<br />
122 Wohnungen und eine Tiefgarage wurden in Anlehnung an die vorhandene<br />
Architektur neu gebaut. In den folgenden Bauabschnitten wurden 969<br />
Wohnungen in den Bestandsgebäuden saniert.<br />
Im Jahr 1996 erhielt die LWB für das Projekt „Sanierung und städtebauliche Ergänzung<br />
des Rundlings“ den Bauherrenpreis für „Hohe Qualität und tragbare<br />
Kosten“ vom Bund der Ar chitekten, dem Gesamtverband der Wohnungswirtschaft<br />
und dem Deutschen Städtetag. Neubau und Sanierung wurden begleitet<br />
von Herrn Dr. Leonhardt, dem zuständigen Denkmalspfleger und dem Planungsbüro<br />
Schmitz Aachen als beauftragten Architekten.<br />
Nach seinem Studium an der Technischen Hochschule<br />
Mün chen war Ritter 1913 als Stadtbaumeister<br />
in Köln tätig. Nachdem jedoch seine<br />
Promotion am Widerstand des damaligen Kölner<br />
Oberbür ger meisters Konrad Adenauer 1924<br />
scheiterte, bewarb er sich im Oktober desselben<br />
Jahres in Leipzig und trat dort seinen Dienst an.<br />
Sein Ziel war die Neuordnung der scheinbar unkontrolliert<br />
wachsenden Stadt, indem er ihr einen<br />
Rahmen für die zukünftige Entwicklung vorgab.<br />
Der darauffolgende Generalbebauungsplan von<br />
1929, welcher von der Stadt verabschiedet und<br />
als „baupolitisches Programm auf lange Sicht“<br />
auszugsweise veröffentlicht wurde. Für eine Stadt<br />
mit 700.000 Einwohnern war das damals ein<br />
Novum. Ritters Anliegen war es, den historischen<br />
Stadtkern zu erhalten. Im Südosten der Stadt<br />
plante Ritter einen durchgehenden Grün zug von<br />
der Ringpromenade bis zum Gelände des Völkerschlachtdenkmals.<br />
Verwaltungs- und Geschäftshäuser<br />
sollten künftig am Promenadenring<br />
entstehen. Dieses Konzept des „City-Rings“ prägt<br />
Leipzig noch heute. Nachdem die Wiederwahl<br />
Ritters als Stadtbaurat im November 1930 scheiterte,<br />
promovierte er 1932 über den „Kran kenhausbau<br />
der Gegenwart“ und wurde dadurch<br />
weit über die Grenzen Deutschlands bekannt.<br />
1940 wurde er zum „Beauftragten für den Generalbebauungsplan<br />
der Stadt Krakau“ ernannt,<br />
von 1941–44 war er Stadtbaurat in<br />
Luxemburg. Nach dem Zweiten Weltkrieg und<br />
seiner Rückkehr nach Leipzig widmete sich Ritter<br />
den Planungen für den Wiederaufbau des Johannisplatzes<br />
und des Universitätsklinikviertels.<br />
1952 übersiedelte er nach München. Hier starb<br />
er am 25.5.1967.<br />
Quelle:<br />
www.LTM-Leipzig.de (Presseportal)(presse<br />
08/013/02.08)<br />
Roland Ostertag, Hubert Ritter, Leipzig, Unbefriedete<br />
Vergangenheit, Deutsches Architektenblatt<br />
1994
106Völkerschlachtdenkmal<br />
Prager Straße<br />
Architekten: Entwurf: Bruno Schmitz, 1897,<br />
Ausführung: Clemens Thieme, 1913<br />
Daten:<br />
Grundsteinlegung: 18. Oktober 1898<br />
Einweihung: 18. Oktober 1913<br />
Höhe: 91 m<br />
Höhe der Kuppelhalle (Innenhöhe): 68 m<br />
Fundamentplatte: 70 × 80 × 2 m<br />
Anzahl der Fundamentpfeiler: 65<br />
Gesamtzahl der Stufen bis zur Plattform: 500<br />
Fußbreite: 126 m<br />
Masse aller baulichen Anlagen: 300.000 t<br />
Anzahl der verbauten Natursteinblöcke: 26.500<br />
Menge des verbauten Betons: 120.000 m³<br />
Kosten: 6 Millionen Goldmark<br />
Das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig erinnert an die erste große Massenschlacht<br />
der Menschheitsgeschichte. Über eine halbe Million Soldaten aus fast<br />
ganz Europa standen sich im Oktober 1813 auf den Schlachtfeldern um Leipzig<br />
gegenüber. Mehr als 120.000 Menschen haben während der blutigen<br />
Kämpfe oder anschließend durch Hunger und Seuchen ihr Leben verloren. Im<br />
Herbst 1813 wird bei Leipzig Weltgeschichte geschrieben. Die verbündeten Armeen<br />
Russlands, Preußens, Österreichs und Schwedens stehen Napoleons Streitmacht<br />
gegenüber. Vom 16. bis zum 19. Oktober kämpfen eine halbe Million<br />
Soldaten um das künftige politische Schicksal Europas. Tagelang toben erbitterte<br />
Schlachten und Gefechte um die Dörfer vor den Mauern der Stadt.<br />
Schließlich muss Napoleon der Übermacht seiner Gegner weichen. Rund<br />
110.000 Menschen bezahlen die Schlacht mit ihrem Leben.
Seit dem frühen 19. Jahrhundert spielt das historische Ereignis Völkerschlacht im<br />
Bürgertum eine wichtige Rolle. Im Jahre 1913 wurde das Völkerschlachtdenkmal<br />
von Kaiser Wilhelm II. in Anwesenheit des sächsischen Königs und weiterer<br />
Fürsten deutscher Staaten sowie der Vertreter Österreichs, Rußlands und Schwedens<br />
eingeweiht. Das weithin sichtbare Wahrzeichen der Stadt steht an der<br />
Stelle, an der Napoleon am 18. Oktober 1813 seinen Gefechtsstand hat te.<br />
Auf den Betonpfeilern, auf die der Denkmalshügel aufgeschüttet ist, lastet ein<br />
Gewicht von ca. 300.000 t. Vor dem Mahnmal wurde ein Wasserbecken angelegt,<br />
das die Tränen der Völker, die um die Opfer der Schlacht trauerten, symbolisiert.<br />
Die Innenhalle mit ihren 68 m Höhe gliedert sich in drei Ebenen. Die<br />
erste Ebene ist eine Krypta, die an die Gefallenen erinnern soll. Auf der zweiten<br />
Ebene findet man eine Ruhmeshalle für das deutsche Volk und darüber befindet<br />
sich die Kuppelhalle.<br />
Der Monumentalbau wurde von Clemens Thieme ausgeführt. Die Entwürfe<br />
stammten vom Berliner Architekten Bruno Schmitz. Die Figuren, die jeweils eine<br />
Charaktereigenschaft darstellen, wurden zum Teil vom Breslauer Bildhauer<br />
Christian Behrens gefertigt. Das Völkerschlachtdenkmal, in dessen Kuppel (Fuß -<br />
durchmesser 28 m) auch Konzerte stattfinden, kann besichtigt werden (Mai bis<br />
Oktober: 10–17 Uhr, November bis April: 9–16 Uhr). Nach 500 Stufen Aufstieg<br />
kann man von der Plattform die herrliche Rundsicht über Leipzig und Umgebung<br />
genießen.
108Nikolaischule<br />
Gasthof Alte Nikolaischule<br />
Straßenfassade nach dem Umbau<br />
Längs- und Querschnitt<br />
Nikolaikirchhof<br />
Architekten: Umbau und Sanierung Storch Ehlers + Partner,<br />
1990–94<br />
Rückseite vor dem Umbau<br />
Die Nikolaischule wurde 1511/12 als erste Leipziger Stadtschule errichtet.<br />
Nach Umbau und Erweiterung des Gebäudes standen den Knaben vom 17.<br />
bis 19. Jahrhundert nur 4 Schulstuben zum Unterricht zur Verfügung. Sie waren<br />
im EG und im 2. OG eingerichtet, während der Rektor mit seiner Familie die<br />
gesamte erste Etage bewohnte. Eine Schulaula ebenso wie der, bis dahin noch<br />
gänzlich fehlende, Karzer standen erst seit 1827 mit der Anbindung des benachbarten<br />
Eckhauses zur Verfügung. Zu den berühmten Nikolairanern (Schüler<br />
der Nikolaischule) gehörten im 17. Jahrhundert Gottfried Wilhelm Leibniz und<br />
Christian Thomasius, im 18. Jahrhundert Johann Gottfried Seume und 1828 bis<br />
1830 der in Leipzig geborene Richard Wagner. Sie wurden von bedeutenden<br />
Zeitgeistern unterrichtet, die als Schola Nicolaitana nicht selten an der benachbarten<br />
Universität zusätzlich ein Lehramt begleiteten.<br />
Zu den heutigen Räumen des Gasthauses „Alte Nikolaischule“ zählt das ehemals<br />
geräumigste Klassenzimmer im Erdgeschoß links des Haupteinganges, das<br />
bis 1827 in Ermangelung eines Schulsaales auch als Auditorium für öffentliche<br />
Veranstaltungen, für Examen und als Rednersaal genutzt wurde. Bibelinschriften<br />
auf den Wandflächen und verzierten Natursteinkonsolen gehörten neben einer<br />
schlichten Holzdecke zur bescheidenen Ausstattung der Schulstube. Die Möblierung<br />
dieses so genannten Großen Auditoriums beschränkte sich Ende des 18.<br />
Jahrhunderts auf zwei Schränke, drei schwarze Schreibtafeln, fünf Tafeltische<br />
und entsprechend lange Bänke. Nach einer Beschreibung des Magisters Friedrich<br />
Gottlob Hoffmann wurde um 1840 hier die 6. Klasse unterrichtet, aber<br />
„auch die allgemeinen Gebet- und Redeübungen gehalten“. 1872 zog das<br />
Nikolaigymnasium in ein neues Gebäude.<br />
Die Erdgeschoßstube wurde in der Folgezeit als Amtsstube vermietet. Ab 1897<br />
war hier die Erste Leipziger Sanitätswache des Samaritervereins untergebracht.<br />
Die 5. Klasse wurde im so genannten kleinen Auditorium rechts des Einganges<br />
unterrichtet. Die Arkaden waren dem Raum erst 1906 mit Einrichtungen der<br />
Wachstube der Königlichen Garnisonswache vorgeblendet worden. Das alte<br />
Klassenzimmer erhielt dabei eine völlig neue Gestalt. Die Erdgeschoßgewölbe<br />
im westlichen Gebäudeteil wurden nicht für Schulzwecke genutzt. Der Städtische<br />
Rat vermietete sie im 18. Jahrhundert als Kaufgewölbe, seit 1816 auch als<br />
Messelokale. 1858 war zu diesem Zweck die Erdgeschoßzone des gesamten<br />
Eckhauses mit Schaufenster geöffnet worden. Im Zusammenhang mit der Umnutzung<br />
des gesamten Gebäudes nach Auszug der Nikolaischule mietete die Erste<br />
Leipziger Polizeiwache diese Räume. Als Ergebnis der Sanierung des alten<br />
Schulhauses von 1991 bis 1994 entstanden in der Leipziger Innenstadt ein<br />
neues kulturgeschichtliches Ausflugsziel und eines der bekanntesten Restaurants<br />
der Stadt.<br />
Im Jahre 1990 war die Alte Nikolaischule unbenutzt. Sie war wegen Baufäl ligkeit<br />
gesperrt. Vom Glanz der ältesten Bürgerschule Deutschlands war nichts geblieben.
Innenfassade<br />
Treppenhauswand (Brandwand)<br />
Die Aufgabe, den Bau mit Leben zu füllen, wurde von der Kulturstiftung Leipzig<br />
gestellt. Das Gebäude sollte zu einem kulturellen Anziehungspunkt werden: Kulturcafé<br />
im Erdgeschoß, Gerätesammlung der Universität im Keller, die Anti kensammlung<br />
im 1. Obergeschoß, dazu Vortrags- und Studienräume und schließ -<br />
lich im Dach die Sächsische Akademie der Wissenschaften. Das Kon zept bestand<br />
darin, Alt und Neu miteinander zu verschränken.<br />
Im Laufe der Arbeiten traten verschiedene historische Fundstücke zutage, die in<br />
die Konzeption integriert werden konnten: eine wundervoll bemalte Holzdecke<br />
aus der Renaissance, farbig gefaste Putzfelder in den Obergeschossen. Ursprüng<br />
lich sollte in Absprache mit den zukünftigen Nachbarn ein Lichthof dem<br />
rückwärtigen Treppenhaus Helligkeit spenden. Nach der Rückgabe des Nachbargrundstücks<br />
an Alteigentümer, musste umdisponiert werden. Eine geschlossene<br />
Brandwand wurde verlangt. Doch Widerstände können beflügeln: Es<br />
entstand trotzdem ein Lichthof: belichtet von oben. Ein steiler moderner Raum<br />
wurde gegen die gelagerten historischen gesetzt.<br />
Detail Wendeltreppe<br />
Treppenhaus<br />
1995 Architekturpreis AK Sachsen<br />
1995 Architekturpreis der Zementindustrie<br />
1995 Sächsischer Staatspreis<br />
1997 Deutscher Architekturpreis<br />
www.storch-ehlers-partner.de/projekte/<br />
alte-nikolaischule_leipzig_preise.php
110Tag 4
Zeitplan Sonntag, 28.09.08<br />
08.00 Uhr Frühstück und Auschecken<br />
Gepäck im Hotel abstellen<br />
09.00 Uhr Spaziergang durch das Graphische Viertel<br />
Führung: Dipl.-Ing. Arch. Volker Meyer zu Allendorf<br />
09.15 Uhr Besichtigung Grassi-Museum mit Innenhöfen<br />
Architekten: Zweck + Voigt, Sanierung: Ilg, Friebe, Nauber<br />
Dresdnerstraße 11–13<br />
Besichtigung Gutenbergschule<br />
Architekt: Otto Droge<br />
Gutenbergplatz 6/8<br />
Haus des Buches<br />
Architekten: HPP, Hentrich-Petschnigg & Partner KG<br />
und Angela Wandelt<br />
Gerichtsweg 28<br />
Besichtigung Schumann Haus<br />
Inselstraße 18<br />
Besichtigung Reclam-Karree<br />
Architekt: Max Bösenberg<br />
Inselstraße 22<br />
12.30 Uhr Mittagessen im Restaurant Castellum 1776<br />
Im Kellergewölbe einer ehem. Druckerei<br />
Hans-Poeche-Straße 2, Nähe Hotel und Hbf<br />
14.00 Uhr Gepäckabholen im Hotel und zu Fuß zum Hbf Leipzig<br />
14.30 Uhr Ankunft im Hbf Leipzig<br />
Ende der Exkursion
112Grassi-Museum<br />
Johannisplatz 5–11<br />
Architekten: Carl William Zweck + Hans Voigt,<br />
Oberleitung Stadtbaurat Hubert Ritter, 1929,<br />
Ilg Friebe Nauber, 2005–07<br />
Hubertus Adam<br />
Die Blütezeit des Grassi-Museums in Leipzig währte nur ein Jahrzehnt. 1929<br />
war der ausgedehnte Komplex östlich des Stadtzentrums eingeweiht worden,<br />
der die Museen für Kunsthandwerk, Völker- und Länderkunde und Musikinstrumente<br />
umfasste. Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs begann die Evakuierung<br />
der Kunstwerke; 1943–45 erhielt das Gebäude schwere Bombentreffer.<br />
Weil Fremdnutzer in das notdürftig wiederhergestellte Bauwerk einquartiert worden<br />
waren, konnte der Ausstellungsbetrieb in den fünfziger Jahren nur auf minimaler<br />
Fläche beginnen. Die Stadtverwaltung ignorierte die Bedeutung des Mu -<br />
se ums für Kunsthandwerk vollends: Nach einem Heizungsschaden 1982 wurde<br />
die Präsentation geschlossen. Nach 1989 verbesserte sich die Situation nur<br />
langsam: Das erste mit der Sanierung betraute Architekturbüro erwies sich als inkompetent.<br />
An dessen Stelle trat David Chipperfield, der ein sensibles Konzept<br />
für die Wiederherstellung und Ergänzung des Gebäudekomplexes entwickelte.<br />
Doch das Projekt des im Museumsbereich erfahrenen Londoners scheiterte an<br />
den Kosten: Stadt, Land und Bund konnten sich über die Finanzierung nicht<br />
einigen.<br />
Im Jahr 2000 zog das Museum für Kunsthandwerk, das seit 1994 fünf Räume<br />
im Grassi-Museum nutzte, in ein innerstädtisches Provisorium um. Endlich begann<br />
die Sanierung des Gebäudes – nunmehr nach Plänen des ortsansässigen<br />
Büros Ilg Friebe Nauber. Im Oktober 2005 war die Arbeit der Gebäudehülle<br />
abgeschlossen. Nach weiteren zwei Jahren, die für die Restaurierung und Installation<br />
der Exponate verwendet wurden, konnte die nun als Museum für angewandte<br />
Kunst firmierende Institution 2007 ihre Dauerausstellung eröffnen. Eine<br />
der wichtigsten europäischen Sammlungen für Kunsthandwerk und Design kehr -<br />
te damit nach mehr als sechs Jahrzehnten in die Öffentlichkeit zurück.<br />
Obwohl das Haus als 2. deutsches Kunstgewerbemuseum schon 1874 gegründet<br />
wurde, verdankt es seine Bedeutung vor allem Richard Graul, der zwischen<br />
1896 und 1929 als Direktor amtierte. Er war die treibende Kraft für den Museumsneubau,<br />
da der aus dem Erbe des Mäzens Johann Dominic Grassi finanzierte<br />
Neurenaissancebau am Königsplatz zu klein geworden war. Der neue,<br />
um mehrere Höfe gegliederte Komplex, den die Architekten Carl William<br />
Zweck und Hans Voigt unter Oberleitung des Stadtbaurats Hubert Ritter realisierten,<br />
oszilliert zwischen moderater Moderne und Art déco und gilt als einer der<br />
wenigen deutschen Museumsneubauten aus der Zeit der Weimarer Republik.<br />
Den Bezugspunkt des breit gelagerten Ensembles, dessen Flügel sich zwischen<br />
zwei Ausfallstraßen aufspreizen, bildete einst die 1963 gesprengte Johanniskirche.<br />
Nach Plänen von Ritter sollte das Grassi-Museum den Ausgangspunkt<br />
einer Stadterweiterung Richtung Osten bilden, die nie realisiert wurde.
Seit 2005 erstrahlt das Gebäude mit seiner rekonstruierten Dachbekrönung in<br />
neuem Glanz. Schade nur, dass die Architekten wegen des Kostendrucks Eingriffe<br />
in die Substanz akzeptierten. Weil wechselnder Lichteinfall konservatorische<br />
Probleme erzeugt, entschied man sich für ein leichter und kostengünstiger<br />
zu handhabendes Kunstlichtmuseum. Dass die einstigen Fenster indes in diesen<br />
Zonen aus der Fassade völlig getilgt wurden, ist skandalös und zeugt kaum von<br />
politischem Verantwortungssinn.<br />
Die Präsentation, wie schon zu Zeiten Grauls chronologisch arrangiert, folgt<br />
einer klassischen Abfolge, ohne eine neue Sichtweise anzubieten: Kleinkunst<br />
der Antike, gotische Schnitzplastik, Majoliken der italienischen Renaissance,<br />
Trinkgefässe des Barock, Porzellan des Rokoko, Möbel des Klassizismus, Kunsthandwerk<br />
des Historismus sind wichtige Themen. Die Leipziger Gestalter Heinz-<br />
Jürgen Böhme und Detlef Lieffertz haben mit Vitrinen und Podesten einen abwechslungsreichen<br />
Parcours inszeniert. Die meisten Wände sind hell gestrichen,<br />
doch mitunter werden in kojenartigen Formationen Akzente in Gelb, Rot oder<br />
Blau gesetzt. Zum Teil orientierte man sich bei der Präsentation an Grauls Konzept<br />
der Stilräume und fügte die Exponate zu stimmigen Ensembles – etwa im<br />
Saal der italienischen Renaissance, wo zu den in Vitrinen ausgestellten Majoliken<br />
eine venezianische Holzdecke sowie zwei in die Wände eingebaute Kamine<br />
treten.<br />
Zu Ausstellungsstücken, welche die internationale Entwicklung des Kunsthandwerks<br />
dokumentieren, treten Meisterwerke aus Sachsen. Dazu zählen die spätgotische<br />
Schnitzplastik von Peter Breuer ebenso wie der Leipziger Ratsschatz<br />
und der grandiose „Triumph des Kreuzes“ von Balthasar Permoser. Die Zeit des<br />
Klassizismus ist mit Denkmälern und Denkmalentwürfen des einflussreichen Leipziger<br />
Akademiedirektors Adam Friedrich Oeser und Möbeln von Friedrich Gottlob<br />
Hoffmann gut vertreten; einen besonderen Höhepunkt stellt der um 1795<br />
ausgestattete römische Saal aus Schloss Eythra dar. Bis zum Jahr 2010 soll sich<br />
die Ausstellungsfläche mit den Rundgängen zu den Themen Asien sowie Jugendstil<br />
bis Gegenwart nochmals verdoppeln. Ein Ausschnitt aus den Sammlungen<br />
des 20. Jahrhunderts ist schon jetzt im Pfeilersaal zu sehen. Die Rekonstruktion<br />
der für den Raumeindruck dieses expressionistischen Interieurs wichtigen Lichtdecke<br />
sowie die Wiederherstellung der von Josef Albers entworfenen, streng<br />
geometrischen Treppenhausverglasung stehen zu Recht ganz oben auf der<br />
Wunschliste der Museumsleitung.<br />
Quelle:<br />
www.nzz.ch/nachrichten/kultur/aktuell/<br />
aus_der_versenkung_ans_licht
114Gutenbergschule<br />
Berufliches Schulzentrum<br />
Gutenbergplatz 6/8<br />
Architekt: Otto Droge, 1929<br />
Quelle:<br />
Leipzig Architektur von der Romanik bis zur Gegenwart,<br />
Passage Verlag, 2. Auflage<br />
Im Osten an den Alten Johannisfriedhof angrenzend, wurde die Schule am 29.<br />
Juni 1929 „zur Herausbildung eines tüchtigen gewerblichen Nachwuchses“ eingeweiht,<br />
erläutert eine Erinnerungstafel in der Eingangshalle des Erdgeschosses.<br />
Auftraggeber war der Verein Leipziger Buchdruckereibesitzer. Die Entwürfe lieferte<br />
Otto Droge. Das viergeschossige Hauptgebäude und die flacheren, vorgezogenen<br />
Flügelbauten (der nördliche entstand erst nach 1945) umschließen ei -<br />
ne rechteckige, begrünte Hofanlage. Die hellen Putzfassaden sind unter Verwendung<br />
von rotem Rochlitzer Porphyrtuff gegliedert, die Fensterreihungen werden<br />
geschossweise horizontal betont. Seitlich ist die Hauptfassade in zeittypischer<br />
Weise turmartig überhöht und mit einer Normaluhr dekoriert. Auch die obligate,<br />
seitlich angeordnete Fahnenstange fehlt nicht. In der Gestaltung des Gebäudes<br />
vereinigen sich unterschiedliche stilistische Strömungen der 1920er Jahre, wie<br />
Neue Sachlichkeit und funktionelles Bauen sowie darüber hinaus im Inneren Art<br />
déco und Backsteinästhetik. Das Gebäude gehört heute zur Hochschule für<br />
Technik, Wirtschaft und Kultur, Fachrichtung Polygraphie.<br />
Hier im östlichen Vorstadtbereich konzentrierten sich bis zur Zerstörung im zweiten<br />
Weltkrieg die Bauten der polygraphischen Industrie und der Verlage. Heute<br />
ist dieses Gewerbe hier kaum noch vertreten. Nur die Fragmente des nach<br />
1945 vereinfacht wieder aufgebauten Buchgewerbehauses an der Prager<br />
Straße gegenüber der Ingenieurschule lassen noch etwas vom ursprünglichen<br />
Aussehen dieses 1900 von E. Hagberg im Stile der deutschen Neorenaissance<br />
errichteten Baus erkennen. Ganz verschwunden ist heute die stattliche Buchhändlerbörse,<br />
die sich, an die heutige Prager Straße grenzend, anschloss. Dieser<br />
malerische Neorenaissancebau, 1886 bis 1888 von den Berliner Archi -<br />
tekten H. Kayser und K. von Großheim errichtet, wurde ebenfalls am 4. Dezember<br />
1943 ein Opfer der Bomben. Hier entstand 1993 bis1996 das Haus des<br />
Buches. Erhalten hatte sich am Gutenbergplatz 3–7 das in den Jahren 1938<br />
bis1940 nach Entwurf von Curt Schiemichen errichtete lang gestreckte Bugra-<br />
Messehaus, das der Ausstellung polygraphischer Maschinen diente. Durch eine<br />
zu Beginn der 1990er Jahre begonnene und nicht beendete Baumaßnahme<br />
präsentiert es sich derzeit als Investruine.
Das Haus des Buches in Leipzig wurde im März 1996 eröffnet und den Bürgern<br />
der Stadt Leipzig übergeben. Es befindet sich im ehemaligen Graphischen<br />
Viertel auf historischem Grund: hier stand bis zur Bombennacht vom 4. Dezember<br />
1943 das 1888 im Renaissancestil errichtete Buchhändlerhaus, Sitz der<br />
Buchhändlerbörse, die 1825 als einer der ältesten deutschen Wirtschaftsverbände<br />
in Leipzig gegründet wurde. Mit der Zerstörung dieses Hauses verlor die<br />
Messestadt nicht nur eines ihrer prächtigsten Monumentalbauwerke – begraben<br />
wurde eine Epoche, in der Leipzig noch ganz selbstverständlich als „Mittelpunkt<br />
des deutschen Buchhandels“ galt.<br />
Die Wende kam mit dem politischen Umbruch: 1990 erinnerte man sich im Zuge<br />
der Fusionsverhandlungen der Börsenvereine in Leipzig und Frankfurt am<br />
Main alter Leipziger Traditionen. 1993 gab der symbolische erste Spatenstich<br />
das Signal für ein ehrgeiziges Projekt, mit dem der Börsenverein des Deutschen<br />
Buchhandels sich zum „Leipziger Platz“ bekannte und gemeinsam mit dem<br />
1990 gegründeten Kuratorium „Haus des Buches“ e.V. einen Ort schuf, an dem<br />
Bücherfreunde und Büchermacher einander begegnen können.<br />
Drei in Höhe und Grundriss unterschiedliche Baukörper werden im Erdgeschoß<br />
durch eine dreieckige flache Foyerzone zusammengefasst. Hinter dem Eingang<br />
am Gerichtsweg befinden sich ein großzügiger Empfangsbereich und ein etwas<br />
höher gelegtes Literaturcafé. Ein siebengeschossiger, turmartiger Baukörper betont<br />
den Zugang an der Prager Straße. Er ist bewusst etwas aus der Bauflucht<br />
gerückt. Westlich anschließend, parallel zur Prager Straße, öffnet sich der lang<br />
gestreckte, kammartige Baukörper mit zwei Innenhöfen zur Straße. Dies ist eine<br />
für Leipzig neuartige, ungewöhnliche Lösung. Die beiden begrünten Höfe sind<br />
an der offenen Straßenseite durch riesige Glaswände wieder geschlossen, so<br />
dass sich ein dynamischer Wechsel von Klinker- und Glasfassaden ergibt. Das<br />
Gebäude beherbergt das Kulturamt der Stadt und Büros der Buchbranche. Das<br />
rote Klinkerensemble gehört zu den bemerkenswerten Neubauten der letzten<br />
Jahre. Die Architekten wurden 1998 mit dem BDA-Preis Sachsen geehrt.<br />
115<br />
Haus des Buches<br />
Gerichtsweg 28<br />
Architekten: HPP - Hentrich-Petschnigg & Partner<br />
und Angela Wandelt,1995/96
116Schumann-Haus<br />
Inselstraße 18<br />
Das Schumann-Haus ist ein interessanter Sachzeuge für die in den 1830er Jahren<br />
im Osten Leipzigs einsetzende Stadterweiterung. Die lnselstraße könnte man<br />
als eine Hauptachse der neuen Friedrichstadt ansehen. Hier siedelte sich vor allem<br />
das mittlere Bürgertum an. Nach den Bauakten zu urteilen, wurde das Haus<br />
1838 „vor dem Grimmaischen Thore“ von dem Maurermeister Friedrich August<br />
Scheidel errichtet, der hier auch bis 1846 wohnte. Das fünfzehnachsige, dreigeschossige,<br />
freistehende Gebäude gehört zu den bedeutenden erhaltenen<br />
Bauschöpfungen des Klassizismus in Leipzig. Es ist das vielleicht schön ste Wohnhaus<br />
dieser Epoche. Den markant aus der Fassade heraustretenden fünfachsigen<br />
Mittelrisalit gliedern in den Obergeschossen sechs kannelierte Pilaster in Kolossalstellung<br />
mit korinthischen Kapitellen. Zwischen den Kapitellen sind Reliefplatten<br />
mit szenischen Darstellungen angeordnet. Darüber liegen ein kräftiger<br />
Architrav mit Girlandenschmuck und ein weit ausladendes Gesims. Über dem<br />
Mitteleingang ist die Beletage durch einen dreiachsigen Balkon auf Konsolen<br />
mit einem zeittypischen Rautengitter betont. Die besondere Würde der Architektur<br />
entsteht durch den überhöhten Mittelrisalit, dessen Architrav die Traufkante unterbricht<br />
und von einem belvedereartigen Aufsatz bekrönt wird. Der Leipziger<br />
Denkmalschützer Jens Müller hat vermutet, dass der damalige Stadtbaudirektor<br />
Albert Geutebrück Einfluss auf die Gestaltung genommen haben könnte, da dieser<br />
u. a. eine Bauinspektion durchgeführt hat.<br />
In diesem Hause wohnten Robert und Clara Schumann von 1840 bis 1844,<br />
vermutlich im 1. Obergeschoß rechts. Das junge Paar, das sich am 12. September<br />
1840 in der Kirche von Schönefeld (heute Stadtteil von Leipzig) trauen ließ,<br />
verbrachte hier die ersten glücklichen Jahre, bevor es Ende 1844 nach Dresden<br />
übersiedelte. Das Schaffen von Clara Wieck und Robert Schumann ist eng mit<br />
Leipzig verbunden. Im Jahre 1833 stellte Clara Wieck in einem eigenen Konzert<br />
im Gewandhaus erstmals ein Werk von Robert Schumann (1. Satz der 1.<br />
Sinfonie) der Öffentlichkeit vor. Im folgenden Jahr gründete Schumann die Neue<br />
Zeitschrift für Musik. Im Jahre 1843 berief ihn Felix Mendelssohn Bartholdy an<br />
das neu gegründete Konservatorium für Musik in Leipzig. In der Schumann-Wohnung<br />
waren u. a. Franz Liszt, Hector Berlioz, Richard Wagner und Felix Mendelssohn<br />
Bartholdy zu Gast. Eine kleine Gedenkstätte in den teilweise authentisch<br />
restaurierten Räumen der ersten Etage wird von einem Schumann-Verein<br />
betrieben.
Seit dem 19. Jahrhundert war das Graphische Viertel im Osten Standort von<br />
Verlagen und Druckereien. Die imposante Dreiflügelanlage ließ der Verleger Anton<br />
Philipp Reclam durch Max Bösenberg von 1887 bis 1905 errichten. Der<br />
Haupteingang an der lnselstraße ist durch einen repräsentativen Mittelrisalit aus<br />
Sandstein mit plastischem Schmuck betont. Über dem mittleren Tor befindet sich<br />
im Rundbogenfeld ein Relief, das die missionarische Funktion des Buches versinnbildlicht.<br />
Die Medaillons links und rechts über den Seiteneingängen stehen<br />
unter dem Thema Buchdruck und Buchhandel. Den oberen Abschluss der Mittelachse<br />
bildet eine von zwei Löwen flankierte Uhr. Der rechte Seitenrisalit ist mit<br />
einem Goethe-Schiller-Medaillon zwischen Lorbeerzweigen geschmückt. Im Segmentgiebel<br />
darüber steht das Monogramm „R“ für den Verlagsnamen. Es wird<br />
von Sphinxen gerahmt. Beim wieder aufgebauten Risalit an der linken Seite wurde<br />
auf den plastischen Schmuck verzichtet. Die Fassaden aus gelben Klinkern<br />
mit roten Gliederungen, den Sandsteinrisaliten der Hauptfront, Gesimsen und<br />
Treppenhäusern bilden ein äußerst beeindruckendes städtebauliches Ensemble.<br />
Nach einer Bombardierung im zweiten Weltkrieg, bei der ein Teil der Fassade<br />
sowie das Dachgeschoß zerstört wurden, zog der Verlag nach Stuttgart, produzierte<br />
aber auf dem alten Gelände in Leipzig die berühmten, preiswerten Reclam-Bücher<br />
weiter. In den 1960er Jahren wurde dieser Gebäudekomplex dann<br />
dem Graphischen Großbetrieb lnterdruck angegliedert. Nach der Wende im<br />
Herbst 1989 wurde das Haus verkauft und saniert. Außerdem wurde das weiträumige<br />
Areal durch eine stadtvillenartige Bebauung mit Wohn- und Geschäftshäusern<br />
ergänzt. Von 1993 bis 1995 waren die Architekten Bunk-Hartung-Partner<br />
aus Bad Homburg mit der Wiederherstellung des ursprünglichen Reclam-Ensembles<br />
betraut. Auch das alte Heizhaus im Hof wurde saniert. Die neu errichteten<br />
Gebäude greifen mit ihrem gelb geklinkerten Sockelbereich die traditionelle<br />
Farb- und Materialgebung auf und erzielen mit ihren weißen Putzfassaden ein<br />
ausgewogenes Erscheinungsbild. 1996 wurde das Reclam-Karree mit dem<br />
Hieronymus-Lotter-Preis für Denkmalpflege der Kulturstiftung Leipzig ausgezeichnet.<br />
Eine Gedenktafel in der Grünanlage zur Kreuzstraße erläutert: „In diesem<br />
Gebäude wirkte und arbeitete Anton Philipp Reclam/geboren 28.6.1807/gestorben<br />
5.1.1896/Begründer der weltberühmten Reclambibliothek“.<br />
117<br />
Reklam-Karree<br />
lnselstraße 22<br />
Architekt: Max Bösenberg, 1887–1905<br />
Sanierung: Bunk-Hartung-Partner, 1993–95
118Grafischer Hof<br />
Restaurant Castellum 1776<br />
Reudnitzer Straße/Hans-Poeche-Straße<br />
Der Grafische Hof vereint auf einem Gelände von ca. 5000 qm an der Reudnitzer<br />
Straße Ecke Hans-Poeche-Straße verschiedene Unternehmen aus den Bereichen<br />
Kunst, Kultur, Medien, Handel und Gastronomie. Zukünftig soll Arbeiten<br />
und Wohnen unter einem Dach stattfinden, so dass durch die gewerbliche wie<br />
auch private Nutzung die ehemaligen „Graphischen Werkstätten“ Leipzigs wiederbelebt<br />
werden.<br />
Im Grafischen Hof befinden sich Einrichtungsläden für stilvolles Wohnen und<br />
Gartenmöbel. Gemütliches Wohnen in den kälteren Monaten verspricht ein<br />
Fachhandelsgeschäft und Meisterbetrieb für Kamine, Kaminöfen, Kachelöfen<br />
und Schornsteine. Im Ambiente der alten Heizanlage, lädt die Galerie im Heizhaus<br />
regelmäßig zu Kunstausstellungen, Konzerten und Lesungen ein. Im Hof finden<br />
Kunst- und Designmärkte statt. Tonstudios, Musikverlage, Tanzstudios für<br />
Stepptanz und Flamenco, Werbeagenturen, Künstler, Architekten und Innenarchitekten,<br />
Designer, ein Keramikstudio, Druckereien und die Werkstätten der Buchkinder<br />
Leipzig e.V. bieten die Möglichkeit zur kreativen Zusammenarbeit. Das<br />
Gelände wird gerne für Filmarbeiten genutzt.<br />
Ebenso beherbergt der Grafische Hof das Restaurant „Castellum 1776“, das in<br />
den weitläufigen Kellerräumen italienische Speisen vor dem Hintergrund von<br />
historischen Backsteinwänden und -gewölben anbietet.
Architekturführer Dresden, Dietrich Reimer Verlag, Berlin<br />
Architekturführer Dresden, Lupfer et. Al. Hg./ Berlin 1997<br />
„Berichte zum Wiederaufbau der Frauenkirche zu Dresden – Konstruktion des Steinbaus und Integration<br />
der Ruine“, Herausgeber: Fritz Wenzel, Universitätsverlag Karlsruhe<br />
Broschüre zur Studentenexkursion 2007 der HS Karlsruhe nach Dresden und Prag mit<br />
Prof. Florian Burgstaller<br />
Falk Jäger; Glas Nr. 4 (2007)<br />
Foster & Partners; industrieBAU 2 (2005)<br />
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.08.2003<br />
Informationsmappe Förderverein Bau der Synagoge Dresden e.V.<br />
Leipzig, Architektur von der Romanik bis zur Ge genwart, Wolfgang Hocquél, Passage Verlag,<br />
2. Auflage<br />
Thomas Will: „Rekonstruktion der europäischen Stadt? – Zur Diskussion um den Dresdner Neumarkt“<br />
Unterlagen des Sächsischen Staatsarchivs Leipzig<br />
Vitzthum, M., Voland, P., Foster & Partners; Stahlbau 75 (2006)<br />
119<br />
Quellenverzeichnis<br />
www.architekturtexte.ch<br />
www.baunetz.de<br />
www.buntgarnwerke.de<br />
www.cafe-grundmann.de<br />
www.coophimmelblau.at<br />
www.daniel-libeskind.com<br />
www.das-neue-dresden.de<br />
http://db.uni-leipzig.de<br />
www.detail.de<br />
www.dresden-hellerau.de<br />
www.freundeskreis-synagoge-dresden.de<br />
www.gfzk.de<br />
www.hellerau.de<br />
http://joerg-hempel.com<br />
www.kunstforumhellerau.de<br />
www.leipzig.de<br />
www.leipzigerblaetter.de<br />
www.LTM-Leipzig.de<br />
www.lwb.de<br />
www.nzz.ch<br />
www.richard-riemerschmid.com<br />
http://riemerschmid.5eins.de<br />
www.rundkino-dresden.de<br />
www.schloss-eckberg.de<br />
www.slub-dresden.de<br />
www.spiegel.de<br />
www.spinnerei.de<br />
www.stern.de<br />
www.wikipedia.de
120Leipzig<br />
Stadtplanauszug<br />
1 City-Hochhaus, Restaurant „Panorama Tower“<br />
2 GfZK 1+2 (Galerie für zeitgenössische Kunst)<br />
3 Stadtvillen im Musikerviertel<br />
4 Café Grundmann<br />
5 Buntgarnwerke mit „Atrium“ und Wohnprojekt „Sweetwater“<br />
6 Baumwollspinnerei<br />
7 Konsumzentrale<br />
8 „Stelzenhaus“<br />
9 „Rundling“ in Lößnig<br />
10 Völkerschlachtdenkmal<br />
11 LWB, Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft mbH<br />
12 Renaissance Hotel Leipzig<br />
13 Restaurant in der Alten Nikolaischule<br />
14 Graphisches Viertel mit Grassi-Museum, Gutenbergschule,<br />
Haus des Buches, Schumann-Haus, Reclam-Karee
121<br />
Dresden<br />
Stadtplanauszug<br />
1 Hauptbahnhof Dresden<br />
2 Prager Straße mit Rundkino,<br />
UFA-Kristallpalast u.a<br />
3 Frauenkirche<br />
4 Neue Synagoge<br />
5 Brühl´sche Terrassen, Lipsiusbau,<br />
Ausstellungsgebäude, Kunstakademie<br />
6 Hotel Westin Bellevue Dresden<br />
7 Baustelle Waldschlösschenbrücke<br />
8 Restaurant Schloß Eckberg<br />
9 Campus TU Dresden<br />
10 SLUB Zentralbibliothek<br />
11 Militärhistorisches Museum<br />
12 Gartenstadt Dresden-Hellerau<br />
13 Sächsischer Landtag<br />
14 Semperoper und Zwinger<br />
15 Restaurant Villa Marie an der Loschwitzer<br />
Brücke „Blaues Wunder“
122Teilnehmer/-innen<br />
Professoren-Exkursion Dresden-Leipzig<br />
25.09. bis 28.09.2008<br />
Nr. Titel Nachname Vorname FB FH/TU<br />
01 Prof. Dr.-Ing. Bulenda Thomas BI Hochschule Regensburg<br />
02 Prof. Dipl.-Ing. Dittrich Horst A GSO Hochschule Nürnberg<br />
03 Prof. Dipl.-Ing. Dunkelau Wolfgang A FH Frankfurt<br />
04 Prof. Dipl.-Ing. Edelmann Albert BI FH Mainz<br />
05 Prof. Dr. Fierz Peter A Universität Karlsruhe<br />
06 Prof. Dipl.-Ing. Freischlad Volker A Hochschule Darmstadt<br />
07 Prof. Dipl.-Ing. Fuchs Hartmut A GSO Hochschule Nürnberg<br />
08 Prof. Dipl.-Ing. Günster Armin A Hochschule Karlsruhe<br />
09 Prof. Dipl.-Ing. Kawamura Kazuhisa A FH Mainz<br />
10 Prof. Dipl.-Ing. Kowalewsky Jobst A FH Mainz<br />
11 Prof. Dipl.-Ing. Leonhardt Matthias A FH Frankfurt<br />
12 Prof. Dipl.-Ing. Meier Richard A SRH Hochschule Heidelberg<br />
13 Prof. Dipl.-Ing. Meissner Andreas A Hochschule Karlsruhe<br />
14 Prof. Dr.-Ing. Mosler Friedo BI GSO Hochschule Nürnberg<br />
15 Prof. Dr.-Ing. Nelskamp Heinz BI Hochschule Biberach<br />
16 Prof. Dipl.-Ing. Neuleitner Nikolaus BI FH Regensburg<br />
17 Prof. Dipl.-Ing. Raff Hellmut A FH Wiesbaden<br />
18 Prof. Dr.-Ing. Riediger Hans-Georg BI Hochschule Biberach<br />
19 Prof. Dipl.-Ing. Romero Stephan A HTWG Konstanz<br />
20 Prof. Dr.-Ing. Schaub Hans-Joachim BI Hochschule Biberach<br />
21 Prof. Dipl.-Ing. Scheiblauer Anne Christin A FH Frankfurt<br />
22 Prof. Dipl.-Ing. Steinhilber Ursula A HFT Stuttgart<br />
23 Prof. Dr.-Ing. Techen Holger A FH Frankfurt<br />
24 Prof. Dipl.-Ing. Thomas Horst A GSO Hochschule Nürnberg<br />
25 Prof. Dipl.-Ing. Weber Günter A FH Wiesbaden<br />
26 Prof. Dipl.-Ing. Zenner Norbert A FH Kaiserslautern<br />
27 Prof. Dipl.-Ing. Zoller Friedrich A FH Regensburg<br />
28 Dipl.-Ing. Pröll Michael BI <strong>Ziegel</strong> <strong>Zentrum</strong> Süd<br />
29 Dipl.-Ing. Arch. Vogler Waltraud A <strong>Ziegel</strong> <strong>Zentrum</strong> Süd
Herausgeber © <strong>Ziegel</strong> <strong>Zentrum</strong> Süd e.V.<br />
Konzeption Dipl.-Ing. Architektin Waltraud Vogler<br />
Recherche und Exkursionsvorbereitung Dipl.-Ing. Architektin Waltraud Vogler<br />
Dipl.-Ing. Michael Pröll<br />
Margret Kaiser<br />
<strong>Layout</strong> und grafische Beratung D.SIGNstudio Edigna Aubele, München<br />
Druck Druckerei Fritz Kriechbaumer, Taufkirchen<br />
AnsprechpartnerInnen:<br />
FB Architektur Waltraud Vogler, Dipl.-Ing. Architektin, Geschäftsführerin<br />
FB Bauingenieurwesen Michael Pröll, Diplom-Ingenieur<br />
Sekretariat Margret Kaiser<br />
<strong>Ziegel</strong> <strong>Zentrum</strong> Süd e. V.<br />
Beethovenstraße 8<br />
80336 München<br />
Fon 089/74 66 16 - 11<br />
Fax 089/74 66 16 - 60<br />
info@ziegel.com<br />
www.ziegel.com<br />
123<br />
Impressum<br />
Wir bedanken uns herzlich bei allen Personen, die uns bei der Recherche, der Vorbereitung der Exkursion<br />
und durch Vorträge und Führungen unterstützt haben. Besonderer Dank gilt: Frau Prof. Anthusa Löffler, Herrn<br />
Prof. Horst Thomas, Herrn Prof. Dr. Thomas Bulenda und Herrn Dipl.-Ing. Arch. Volker Meyer zu Allendorf.<br />
Die Herstellung und das Papier der Broschüre „Professoren-Exkursion 2008“ des <strong>Ziegel</strong><br />
<strong>Zentrum</strong> Süd e.V. sind zertifiziert nach den Kriterien des Forest Stewardship Councils<br />
(FSC). Der FSC schreibt strenge Kriterien bei der Waldbewirtschaftung vor und vermeidet<br />
damit unkontrollierte Abholzung, Verletzung der Menschenrechte und Belastung der Umwelt.<br />
Da die Produkte mit FSC-Siegel verschiedene Stufen des Handels und der Verarbeitung<br />
durchlaufen, werden auch Verarbeitungsbetriebe von Papier, z.B. Druckereien, nach<br />
den Regeln des FSC zertifiziert.
www.ziegel.com