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ZZ_broschuere2008_fuerdruck:Layout 1 - Ziegel Zentrum

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<strong>Ziegel</strong> <strong>Zentrum</strong> Süd e.V.<br />

PROFESSOREN-EXKURSION<br />

DRESDEN–LEIPZIG<br />

25. bis 28. September 2008


PROFESSOREN-EXKURSION<br />

DRESDEN–LEIPZIG<br />

25. bis 28. September 2008


Die Baugeschichte von Leipzig und Dresden über viele Jahrhunderte bis zur<br />

massiven Zerstörung beider Universitätsstädte im 2. Weltkrieg, ihre politische<br />

und planerische Entwicklung während der fast 45 Jahre DDR-Zeit und die umfassenden<br />

Eingriffe und Veränderungen nach der Wiedervereinigung ziehen Besucher<br />

in ihren Bann. Das urbane Gepräge der anspruchsvoll erneuerten Gründerzeitquartiere,<br />

die trotz der Kriegsschäden mit ihren erhaltenen Altbauten das<br />

Stadtbild bestimmen, war nach der Wende kein ausreichendes Gegengewicht<br />

im Kampf gegen die Abwanderung der Bevölkerung ins Umland. Der Neubauboom<br />

auf den grünen Wiesen vor den Toren der Städte wurde glücklicherweise<br />

durch einen Sanierungsboom in den gewachsenen Stadtvierteln abgelöst, der<br />

fast bis 2000 anhielt. Die Architektur der letzten 20 Jahre zeigt exemplarisch,<br />

wie der erste Run auf die vermeintlich schnellen Gewinne, die in den neuen<br />

Bundesländern zu machen waren, ungeheuere planerische Schnellschüsse nach<br />

sich zog. Inzwischen ist ein Diskurs unter Fachleuten gewachsen, der auf die<br />

schwierigen Entwicklungen nach der Wende neue Konzepte anwendet. Leerstand<br />

von schnell hochgezogenen „Einheitsbürogebäuden“ und notwendige<br />

Schrumpfung beim Wohnungsbestand sind brisante Themen dieses „Stadtumbaus“<br />

in den großen Städten der neuen Bundesländer.<br />

Dresden und Leipzig sind Paradebeispiele für die aktuellsten Tendenzen der<br />

Denkmalpflege heute in einem heterogenen Umfeld, das noch immer deutlich<br />

ablesbare Lücken mitten in den pulsierenden Städten zeigt. Beide Städte müssen<br />

sorgfältig wieder aufgebaute Baudenkmäler neben Plattenbauten und groß angelegten<br />

städtebaulichen Neugestaltungen der 60er Jahre im Zeichen der klassischen<br />

Moderne zu einem Stadtbild zusammenführen. Die Universitätsbauten<br />

am City-Hochhaus und vor allem der Bau der Kirche und Aula am Leipziger<br />

Augustusplatz haben sehr lebhafte, kontroverse Diskussionen bewirkt. Nichts<br />

Neues für Erick van Egeraat, der häufig durch seine „exaltierten“ Bauwerke aneckt!<br />

Das bereits vorhandene Stil-Sammelsurium von City-Hochhaus und Gewandhaus<br />

über die Oper bis zu sozialistisch geprägten Großbauten auf der<br />

Ostseite des Georgi-Rings erschweren jede Baumaßnahme am Augustusplatz.<br />

Die Bewältigung dieser vielschichtigen – auch baulichen – Vergangenheit ist<br />

eine überaus anspruchsvolle Aufgabe für Stadtplaner und Architekten.<br />

Leipzig, eine lebendige Stadt mit ausgeprägten Stadtvierteln, die verschiedenen<br />

Themen zugeordnet sind, hat viel zu bieten. Auf den Spuren der Industriearchitektur<br />

der Gründerzeit, jenen ambitionierten Großprojekten mit ihren prachtvollen<br />

Backsteinfassaden, den „Kathedralen der Arbeit“ vor allem in Plagwitz, finden<br />

sich neue, beneidenswert idyllische Wohn- und Arbeitssituationen. Büros,<br />

Ateliers und Lofts in den Buntgarnwerken und der Baumwollspinnerei, die Erinnerungen<br />

an die Docklands in London wachrufen, als sie noch ursprünglicher und<br />

03<br />

Leipzig und Dresden<br />

Vorwort<br />

Dipl.-Ing. Arch. Waltraud Vogler


weniger kommerzialisiert waren. Firmenneugründungen sprießen in derart attraktivem<br />

und anregendem Umfeld. Stadtvillen beginnen sich im Musikerviertel, einem<br />

Ende des 19. Jahrhunderts entstandenen, ehemals repräsentativen, großbürgerlichen<br />

Viertel, auf Kriegsbrachen zu entwickeln. Auch wenn der Verkauf<br />

zögerlicher vorangeht, als man es den potentiellen Käufern und den zeitweilig<br />

auch als Bauträger agierenden Architekten wünschen möchte.<br />

Das Eintauchen in die klassischen Touristenbereiche Dresdens zwischen Frauenkirche<br />

und Semperoper konfrontiert auch mit den umstrittenen Planungskonzepten<br />

am Neumarkt oder dem Stadtbild prägenden Neubau der Synagoge. Erzeugt<br />

das Reproduzieren von Baudenkmälern „kunstgewerbliche Stadtattrappen<br />

unter Preisgabe der alltäglichen städtischen Funktionen“? – ein Thema, das Prof.<br />

Thomas Will im Rahmen der Debatte zum Denkmalschutz anspricht. Nach der<br />

aufwändigen Rekonstruktion der Frauenkirche sicher eine interessante Frage. In<br />

unmittelbarer Nachbarschaft konfrontiert die Prager Straße jeden Besucher, der<br />

sich der Altstadt vom Hauptbahnhof aus nähert, mit den allgegenwärtigen<br />

Kriegswunden, auch wenn die städtebauliche Leistung des Planungskollektivs in<br />

diesem wesentlichen innerstädtischen Gebiet zwischen 1965 und 1978 heute<br />

anerkannter ist, als sie bei der Eroberung eben dieses Areals durch das „freie<br />

Spiel der marktwirtschaftlichen Kräfte“ kurz nach der Wende war. Und all dies<br />

in einer Stadt, die dabei ist, sich den Titel „Weltkultur-Erbe“ durch den anscheinend<br />

verkehrstechnisch dringend notwendigen Bau der Waldschlösschenbrücke<br />

zu „verbauen“ und die klassizistische Fassade des Militärhistorischen Museums<br />

von Daniel Libeskind mit einem gigantischen Keil – als Zeichen für Pazifismus –<br />

aufbrechen zu lassen!<br />

Da taucht man gerne in die inzwischen wieder sehr heil anmutende Welt der<br />

Gartenstadt Hellerau ein. Ländliche Wohnidylle – zu Beginn des 20. Jahrhunderts<br />

vornehmlich geschaffen von den Architekten Riemerschmid, Tessenow und<br />

Muthesius – gemischt mit neuen Nutzungskonzepten, die in den Gebäuden der<br />

ehemaligen Werkstätten für viele kreative Menschen Raum bieten. Ähnlich kreativ<br />

wie die Mitarbeiter von Prof. Schulten, die an der TU Dresden eine freitragende<br />

Schalenkonstruktion aus <strong>Ziegel</strong>mauerwerk entwickelt und selbst gebaut<br />

haben, um die Machbarkeit einer komplexen Form zu erforschen und das Potential<br />

dieses gängigen Baumaterials zu demonstrieren. Auf einem Uni-Campus,<br />

der von mächtigen, sehr gut erhaltenen, historischen Sichtziegelgebäuden geprägt<br />

ist, fügt sich das kleine, gekurvte experimentelle Bauwerk ganz bescheiden<br />

ein. Es erregte dennoch Aufsehen bis nach München, um im Rahmen der<br />

Hochschularbeit des <strong>Ziegel</strong> <strong>Zentrum</strong> Süd einen weiteren Grund für die Reise<br />

nach Sachsen zu bieten. Der Anfang des „roten Fadens“, der die Professoren-<br />

Exkursionen begleitet, war gefunden.<br />

Vier Tage lang reist eine Gruppe von 27 Professorinnen und Professoren der Architektur<br />

und des Bauingenieurwesens anlässlich der Professoren-Exkursion gemeinsam<br />

nach Leipzig und Dresden. Sie besuchen im interdisziplinären Diskurs<br />

die TU Dresden, mit der Chance, sich über Hochschulgrenzen hinweg mit den<br />

Lehrenden vor Ort über aktuelle Themen auszutauschen. Diese Unternehmung ist<br />

eng verwoben mit der Lehre an den Hochschulen von fünf Bundesländern, mit<br />

denen das <strong>Ziegel</strong> <strong>Zentrum</strong> Süd im Rahmen von Studentenseminaren und -exkursionen<br />

in Süddeutschland zusammenarbeitet. Die jährlich im September durchgeführten<br />

Professoren-Exkursionen bieten allen Beteiligten die rare Gelegenheit,<br />

bestehende Beziehungen zu vertiefen, neue Anknüpfungspunkte zu finden und<br />

interessante Konzepte für die Zukunft in einer inspirierenden und entspannten<br />

Umgebung gemeinsam anzudenken und die aufgeworfenen Themen in der eigenen<br />

Lehre zum Einsatz zu bringen.


06Inhaltsverzeichnis<br />

Leipzig und Dresden, Vorwort<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Programm Tag 1<br />

City-Hochhaus, Leipzig (Hermann Henselmann; Peter Kulka)<br />

Universitäts-Campus (Behet Bondzio Lin)<br />

Paulinerkirche, Aula der Universität (Erick van Egeraat)<br />

Hauptbahnhof, Dresden (Giese, Weidner, Rosbach; Foster & Partners)<br />

Prager Straße (Peter Sniegon, Hans Konrad, Kurt Röthig)<br />

Rundkino (Gerhard Landgraf, Waltraud Heischkel)<br />

UFA-Kristallpalast (Coop Himmelblau)<br />

Neumarkt<br />

Frauenkirche (George Bähr)<br />

Alte Synagoge (Gottfried Semper)<br />

Neue Synagoge (Wandel, Lorch, Hirsch)<br />

Hotel Westin Bellevue (George Bähr; Takeshi Inoue)<br />

Waldschlösschenbrücke<br />

Schloss Eckberg/Villa Souchay (Christian Friedrich Arnold)<br />

Programm Tag 2<br />

Frei geformte Mauerschale, TU Dresden<br />

Zeuner-Bau der TU Dresden (Karl Weißbach)<br />

Goerg-Schumann-Bau der TU Dresden (O. Kramer; O. Schubert, G. Münter)<br />

Beyer-Bau der TU Dresden (Martin Dülfer)<br />

Fritz-Foerster-Bau der TU Dresden (Martin Dülfer)<br />

SLUB, Sächsische Landes- + Unibibliothek (Ortner + Ortner)<br />

Militärhistorisches Museum (Daniel Libeskind + H. G. Merz)<br />

Gartenstadt Hellerau<br />

Festspielhaus Hellerau (Heinrich Tessenow)<br />

Deutsche Werkstätten Hellerau (Richard Riemerschmid)<br />

Richard Riemerschmid<br />

Heinrich Tessenow<br />

Hermann Muthesius<br />

Sächsischer Landtag (Barthold + Tiede; Peter Kulka)<br />

Zwinger (Matthäus Daniel Pöppelmann)<br />

Semperoper (Gottfried Semper)<br />

Lipsiusbau (Constantin Lipsius; Auer + Weber + Partner)<br />

Blaues Wunder<br />

Villa Marie<br />

Standseilbahn<br />

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Programm Tag 3<br />

Galerie für Zeitgenössische Kunst, Leipzig (Eelbo, Kulka, as-if Arch.)<br />

KPMG<br />

Stadtvillen im Musikerviertel (König Wanderer, Fuchshuber + P., u.a.)<br />

Café Grundmann<br />

Industriearchitektur in Leipzig-Plagwitz<br />

Buntgarnwerke (O. Jummel; Händel + Franke)<br />

Lofts am Elsterufer (Gregor Fuchshuber + Partner)<br />

Sweetwater (Weis + Volkmann)<br />

Baumwollspinnerei<br />

Konsumzentrale (Fritz Höger)<br />

Stelzenhaus (Herrmann Böttcher; Weis + Volkmann)<br />

Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft, Stadtumbau im Bestand<br />

Rundling (Hubert Ritter)<br />

Völkerschlachtdenkmal (Bruno Schmitz, Clemens Thieme)<br />

Nikolaischule (Storch, Ehlers + Partner)<br />

Programm Tag 4<br />

Grassi-Museum (C.- W. Zweck, H. Voigt, H. Ritter; Ilg Friebe Nauber)<br />

Gutenbergschule (Otto Droge)<br />

Haus des Buches (Hentrich-Petschnigg + P., Angela Wandelt)<br />

Schumann-Haus<br />

Reklam-Karree (Max Bösenberg; Bunk-Hartung + Partner)<br />

Grafischer Hof, Restaurant Castellum 1776<br />

Quellenverzeichnis<br />

Leipzig Stadtplan<br />

Dresden Stadtplan<br />

TeilnehmerInnen<br />

Impressum<br />

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08Tag 1


Zeitplan Donnerstag, 25.09.08<br />

12.30 Uhr Treffpunkt in Leipzig, Restaurant Panorama Tower (Nähe Hbf),<br />

zum Mittagessen im 29. OG<br />

Augustusplatz 9, 04109 Leipzig, Telefon 0341/710 05 90<br />

14.00 Uhr Blick über Leipzig mit Einführung<br />

Von der Dachterrasse im 31. OG aus<br />

Stadtentwicklung und Campusneubauten Leipzig<br />

Architekt Kirche: Erick van Egeraat<br />

Institutsgebäude + Läden: behet bondzio lin architekten<br />

Führung: Dipl.-Ing. Arch. Roland Bondzio<br />

Augustusplatz/Grimmaische Straße 30<br />

14.45 Uhr Weiterfahrt nach Dresden<br />

Vortrag im Bus zur Geschichte der Frauenkirche<br />

Prof. Horst Thomas, Georg-Simon-Ohm Hochschule Nürnberg<br />

16.00 Uhr Stadtführung in Dresden vom Hauptbahnhof zum Hotel<br />

Besichtigungen:<br />

Hauptbahnhof, Sanierung: Forster & Partners<br />

Prager Straße mit Rundkino, UFA-Kristallpalast<br />

Frauenkirche<br />

Führung: Prof. Dr. Thomas Bulenda, FH Regensburg (Hbf),<br />

Prof. Horst Thomas, Georg-Simon-Ohm Hochschule Nürnberg<br />

Prager Straße/Neumarkt/Am Hasenberg<br />

17.15 Uhr Kaffeepause in der Cafeteria der Neuen Synagoge<br />

17.30 Uhr Besichtigung der Neuen Synagoge<br />

Architekten: Wandel Lorch Hirsch<br />

Führung: Herr Just, Vertreter der Jüdischen Gemeinde<br />

Am Hasenberg/Rathenauplatz<br />

18.30 Uhr Spaziergang zum Hotel über die Brühl’schen Terrassen und die<br />

Augustusbrücke<br />

19.00 Uhr Einchecken Hotel Westin Bellevue Dresden<br />

Architekten: George Bär, 1724, Takeshi Inoue, 1985<br />

Große Meißner Straße 15, 01097 Dresden, Telefon 0351/805 17 22<br />

20.00 Uhr Fahrt zum Restaurant Schloss Eckberg<br />

Mit kurzem Zwischenstopp bei der Baustelle<br />

zur Waldschlösschenbrücke<br />

Erläuterungen im Bus: Prof. Dr. Thomas Bulenda, FH Regensburg<br />

20.30 Uhr Abendessen im Restaurant Schloß Eckberg<br />

Architekt: Christian Friedrich Arnold, 1859–61<br />

Bautzner Straße 134, 01099 Dresden, Tel 0351/80 99-0<br />

23.30 Uhr Busfahrt zum Hotel<br />

mit Bus<br />

Bus fährt zum Hotel<br />

mit Bus<br />

mit Bus


10City-Hochhaus<br />

Augustusplatz 9<br />

Architekten: Hermann Henselmann, 1968–73<br />

Umbau: Peter Kulka, 2001<br />

Das 34-geschossige Universitätshochhaus wurde 1973 übergeben. Es ist<br />

142,5 m hoch (Gesamthöhe mit Antennenträger 155,40 m) und weist eine<br />

Stärke der Außenwände von 400 mm bis zum 13. Obergeschoß und von 300<br />

mm bis zum letzten Normalgeschoß auf. Die 20 m hohe Spitze ist in Stahlfachwerkkonstruktion<br />

ausgeführt. In 110 m Höhe befand sich ein Café und vier weitere<br />

Panoramalokale. Das Gebäude wurde durch Peter Kulka umgebaut. Es<br />

beherbergt jetzt den Klangkörper des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR). Neben<br />

einer neuen Fassadenverkleidung aus Steinplatten erhielt das Hochhaus einen<br />

quaderförmigen Anbau. Die Form des „Uniriesen“, „Weisheitszahnes“ oder<br />

auch „(Steilen) Zahnes“ (wie das Gebäude im Volksmund häufig genannt wird)<br />

kann nachträglich als ein aufgeschlagenes Buch interpretiert werden. In Wirklichkeit<br />

ist der Querschnitt symmetrisch und stellt eine optimale Form einer Maschinenwelle<br />

dar.<br />

In den Jahren 1999 bis 2002 wurde das City-Hochhaus komplett saniert, sowohl<br />

alle 29 Etagen als auch die Fassade. Auf dem Dach ist eine Aussichtsplattform<br />

eingerichtet. Sie befindet sich in einer Höhe von ca. 130 m, bietet<br />

einen guten Überblick über die Innenstadt und ist daher ein beliebtes Touristenziel.<br />

Die Universität Leipzig ist heute nicht mehr im Inneren zu finden: das Gebäude<br />

wurde von der Landesregierung verkauft und gehört mittlerweile der<br />

US-Investmentbank Merrill Lynch. Mieter sind unter anderem der MDR und das<br />

Panorama-Restaurant in 110 Metern Höhe. Im März 2008 verlegte die Europäische<br />

Strom- und Energiebörse EEX ihren Hauptsitz in das Hochhaus.


Annette Menting<br />

Kleine Stadt in der Stadt<br />

Ein Zwischenbericht zum neuen Campus der Universität (gekürzter Text)<br />

Mit dem Universitätsquartier wird der wohl prägnanteste Bereich – die Stadt erhielt<br />

hier in den sechziger Jahren durch den Universitätsturm eine skylineprägen -<br />

de Akzentuierung – umgestaltet.<br />

Für die Universität bedeutet die Neugestaltung eine weitere Etappe im kontinuierlichen<br />

Wandel: Geutebrück ließ das Areal 1830 umgestalten und ergänzte<br />

es um das Augusteum, und Rossbach verlieh in den neunziger Jahren des 19.<br />

Jahrhunderts den Bauten üppige Fassaden in zeittypischer Neogotik- bis Neobarock-Gestaltung,<br />

die wiederum einige Jahrzehnte später revidiert wurde. Ein radikaler<br />

Einschnitt war die Vernichtung des historischen Bestands in den sechzi -<br />

ger Jahren und die ideologisch motivierte Neugestaltung im Sinne der sozialistischen<br />

Stadt. Nun erfolgt erneut ein erheblicher Eingriff, wobei von den Bauten<br />

der ehemaligen Karl-Marx-Universität wenig übrig bleiben wird.<br />

Als der Entwurf der Architekten Behet, Bondzio und Lin 2002 nach dem Wettbewerbsverfahren<br />

vorgestellt wurde, richtete das öffentliche Interesse sich im wesentlichen<br />

auf den Augustusplatz und insbesondere auf den ehemaligen Stand -<br />

ort der Paulinerkirche. Die Wettbewerbsjury hatte seinerzeit dem Campus-Entwurf<br />

hohe Qualität attestiert. Die sich hier anschließende Kontroverse bewegte<br />

sich zwischen den gegensätzlichen Forderungen von originalgetreuer Rekonstruktion<br />

und interpretierender Neugestaltung. Aufgrund der Debatte folgte<br />

2004 ein zusätzliches Qualifizierungsverfahren, aus dem der Entwurf von Erick<br />

van Egeraat zur Realisierung bestimmt wurde. In den aktuellen Mediendarstellungen<br />

wird oftmals verdrängt, dass das neue Universitätsquartier von zwei Architektenteams<br />

gestaltet wird: Neben den Gebäuden am Augustusplatz vom Rotter -<br />

damer Büro Egeraat entstehen an den anderen Seiten die Neu- und Umbauten,<br />

von der Mensa bis zum Seminargebäude, nach dem Entwurf des Münsteraner<br />

Architektenteams Behet, Bondzio und Lin. Angesichts dieser Konstellation stellt<br />

sich die Frage, wie die unterschiedlichen Entwürfe aufeinander abgestimmt<br />

sind. Eine Antwort scheint bereits gegeben, denn die neue Paulineraula ist derart<br />

exponiert, dass sie Diskussion und Image bestimmt. Bei der Frage nach einer<br />

neuen Identität der Leipziger Universität stehen sich die Außenwirkung einer repräsentativen<br />

Platzfront und die Atmosphäre eines vitalen Universitätslebens gegenüber.<br />

Behet, Bondzio und Lin hatten im Wettbewerb für den neuen Campus<br />

das Motiv einer „kleinen Stadt in der Stadt“ entwickelt, um die verschiedenen<br />

Universitätsbauten thematisch zu vereinen. Dieses Konzept wurde zwei Jahre<br />

später verändert, denn mit der Setzung einer baulichen Dominante am Augustusplatz<br />

wurde die einheitliche Fassung des Campushofs aufgelöst.<br />

11<br />

Universitätscampus<br />

Augustusplatz, Grimmaische Straße,<br />

Universitätsstraße, Moritzbastei<br />

Architekten: Behet Bondzio Lin, 2004–10


Der hermetisch abgeschlossene Hörsaalbau wurde von einer neuen baulichen<br />

Schicht umgeben, die dem historischen Grundstücksverlauf folgt. Das frühere Erscheinungsbild<br />

wurde quasi umgekehrt, und anstelle eines geschlossenen Hörsaal-Solitärs<br />

bestimmt nunmehr die Mensa als offener, kontext-bezogener Stadtbaukörper<br />

den Ort. Die Universitätsstraße wird in ihren ursprünglichen Zustand<br />

versetzt, doch wichtiger erscheint die äußerst gelungene Bezugnahme zur Moritzbastei<br />

mit ihren terrassierten Plateaus. Bisher war sie als Fremdkörper vom<br />

Campus räumlich abgehängt, doch inzwischen entwickelt sich ein gelungenes<br />

Zusammenspiel mit der neuen Mensa durch die differenzierte Proportionierung<br />

und Staffelung. Möglicherweise wird aus der einstigen Randzone nun der einladendste<br />

Bereich des neuen Campus. Als einzige Bestandteile des früheren Universitätsareals<br />

bleiben das Hörsaal- und das Seminargebäude erhalten. Neben<br />

der vorgelagerten Raumschicht erfährt das Hörsaalgebäude eine zusätzliche<br />

Aufwertung, indem Lichthöfe eingestanzt werden, die auch der Bibliothek in den<br />

Untergeschossen eine Tageslichtstimmung verleihen.<br />

Behet, Bondzio und Lin entwarfen mit dem Institutsgebäude an der Grimmaischen<br />

Straße einen zweiten Campus-Neubau. In diesem Übergangsbereich von<br />

Innenstadt und Ring wird die Aufnahme früherer Baufluchten und Traufkanten<br />

räumlich besonders markante Änderungen bewirken. Anstatt der Möglichkeit,<br />

an den Brunnenanlagen zu verweilen oder auf den Freiflächen zu skaten, wird<br />

der Passant zukünftig durch eine passagenhafte Enge bis zum Augustusplatz geleitet.<br />

In den unteren Etagen des Neubaus werden Ladengeschäfte eingerichtet,<br />

die oberen Etagen werden von der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät genutzt.<br />

Die Doppelfunktion des Universitätsbaus spiegelt sich in der Fassadengestaltung<br />

mit ihren großzügigen Schaufenstern und den darüber liegenden Lochfassaden<br />

wider.<br />

Im Konzept von Egeraat soll sich die Paulineraula als neues Zeichen der Universität<br />

auch gegen das Hochhaus behaupten. Zwar gehört der Turm funktional<br />

nicht mehr zur Universität, doch ist er nach wie vor raumbestimmend. Zur wirkungsvollen<br />

Steigerung der expressiv-kristallinen Paulineraula wurden das Rektoratsgebäude<br />

und der Felsche-Bau in ihrem gestalterischen Duktus angepasst. Im<br />

Kontext des Gesamtcampus erscheinen die Egeraat-Bauten sehr auf sich bezogen<br />

und unabhängig von den übrigen Universitätsbauten gestaltet. Für das gesamte<br />

Universitätsquartier wäre es wichtig, dass vor allem der Campushof sich<br />

als interner „Marktplatz“ entfalten kann, um das universitäre Alltagsleben räumlich-atmosphärisch<br />

zu unterstützten und den Hauptnutzern des Quartiers eine<br />

neue identitätsstiftende Mitte zu bieten.


Die Jury des Architektenwettbewerbs für das Bauvorhaben „Aula/Kirche“ der<br />

Universität Leipzig am Augustusplatz hat den Entwurf des Rotterdamer Büros van<br />

Egeraat mit klarer Mehrheit (10:3 Stimmen) auf den 1. Platz gesetzt. Erste Stellungnahmen<br />

von Rektor Häuser, Finanzstaatssekretär Voß und Oberbürgermeister<br />

Tiefensee reichten von Erleichterung, Zufriedenheit bis Begeisterung. „Die<br />

expressive Architektur stellt etwas Besonderes dar, und um etwas Besonderes ist<br />

es uns auch gegangen. Damit nimmt die Universität auch architektonisch wieder<br />

eine herausgehobene Rolle am Augustusplatz ein, die auch in die Innenstadt hinein<br />

wirkt", sagte Prof. Dr. Franz Häuser. „Wichtig war und ist uns, dass der Entwurf<br />

den hohen Anforderungen, die wir an die Verbesserung der Bedingungen<br />

für Forschung und Lehre stellen, entspricht und gleichzeitig eine angemessene Erinnerung<br />

an die Universitätskirche und ihre Sprengung verkörpert.“<br />

Erick van Egeraat unterstrich, dass sein Entwurf die ehemalige Architektur nicht<br />

kopiere, sie aber in moderner Form zurückzubringen versuche. Seine Philosophie<br />

sei es ohnehin, etwas wärmer, voller, reicher zu bauen, als das gemeinhin<br />

in den letzten 50 Jahren geschehen sei. Die weitere Qualifizierung des Entwurfs,<br />

versprach er, werde im ständigen Dialog mit allen Beteiligten geschehen.<br />

Der wird sich vorrangig mit einem ins Leben gerufenen Planungsbeirat vollziehen,<br />

in dem Universität, Stadt und Freistaat vertreten sind. Eine Aufgabe wird es<br />

beispielsweise sein, wie das auch schon in ersten Empfehlungen der Jury ausgesprochen<br />

wurde, den Charakter der Aula deutlicher nachzuweisen, also der<br />

Funktionalität des Innenraums, der den Eindruck einer dreischiffigen Hallenkirche<br />

vermittelt, besondere Beachtung zu schenken.<br />

Jury-Vorsitzender Prof. Zlonicky gab der Hoffnung Ausdruck, dass der beispielgebende<br />

Dialog zwischen den Architekten und den Jury-Mitgliedern in der letzten<br />

Phase des Wettbewerbs zum Nutzen der Realisierung weitergeführt werde.<br />

Er sei überzeugt, der Siegerentwurf, indem er Brücken baue in dem Spannungsfeld<br />

unterschiedlicher Erwartungen zwischen Rekonstruktion und Neuinterpretation,<br />

werde eine „friedenstiftende“ Wirkung entfalten. Der Sieger selbst erklärte<br />

– mit dem Blick auf die Aufgabe, an die willkürliche Vernichtung der Universitätskirche<br />

zu erinnern –, er habe in den 24 Jahren seiner Tätigkeit als Architekt<br />

noch nie zurückgebaut, aber er sei immer bereit gewesen, von früherer Qualität<br />

und Intensität des Bauens zu lernen. Also kein Nachbau des Gotteshauses, aber<br />

angesichts der Bedeutung seines Schicksals habe er die Silhouette der Kirche<br />

zum Leitmotiv der gesamten Planung des Neubaus gemacht. Er verstehe diesen<br />

Neubau als ein Projekt, das an Vergangenes erinnert, aber zugleich auch in die<br />

Zukunft verführt.<br />

13<br />

Paulinerkirche/Aula der Universität<br />

Augustusplatz<br />

Architekt: Erick van Egeraat, 2004–10<br />

http://db.uni-leipzig.de/aktuell<br />

Augusteum und Paulinerkirche um1890


14Hauptbahnhof Dresden<br />

Am Hauptbahnhof<br />

Architekten Altbau: Ernst Giese, Paul Weidner und<br />

Arwed Rosbach, 1892–97<br />

Architekten Umbau: Foster & Partners, Schmidt Stumpf<br />

Frühauf und Partner, 2001–07<br />

Der alte Hauptbahnhof wurde anstelle des Böhmischen Bahnhofs 1892–97 von<br />

Ernst Giese, Paul Weidner und Arwed Rosbach erbaut. Die dreischiffige Stahlbogenhalle<br />

besitzt 18 Bahnsteige, im Mittelschiff (Spannweite 50 m) ebenerdig<br />

als Kopfbahnhof, in den Seitenschiffen (Spannweiten 30 m) als Hochbahnsteige<br />

für den Durchgangsverkehr.<br />

Der Dresdner Hauptbahnhof wurde als einer der letzten großen Deutschen<br />

Bahnhöfe von der „Deutschen Bahn AG“ saniert. Er bekam anstatt eines Glasdaches<br />

ein neues Membrandach, einem Material aus äußerst reissfestem Gewebe<br />

(Teflon-Dach aus Glasfaser). Die Farbe des transluzenten Materials ist<br />

weiß. Es lässt je nach Sonnenintensität verschiedene Farbtöne des Tageslichtes<br />

durchscheinen oder reflektiert es auf der Außenseite. Direkt über den eisernen<br />

Hallenbögen spaltet sich das zeltartige Dach zu schmalen Schlitzen, die den<br />

direkten Blick zum Himmel freigeben. Die selbstreinigende Teflon-Membran<br />

stammt von der Firma „Sky-span“ in Rirnsting am Chiemsee. Sie ist nicht einmal<br />

einen Millimeter dick, jedoch aufgrund ihrer Eigenschaften extrem wetterfest.<br />

Die Belastung hält bis zu 90 Tonnen pro laufendem Meter aus. Über die originalen<br />

Eisenstahlbögen musste ein sekundäres Tragwerk eingebaut werden, um<br />

die ungeheuren Zugkräfte, die durch die starke Spannung der Membran entstehen,<br />

in die Fundamente zu leiten. Zum ersten Mal konnte ein historisches Bauwerk<br />

mit diesem neuen Material in Verbindung gebracht werden. Das neue<br />

Dach ist schmutzresistent, lässt wieder Licht durch das Gebäude fließen und<br />

bringt das historische Tragwerk zur Wirkung.<br />

Die Weiterführung der lichtduchlässigen Dachkonstruktion auf die z. T. offenen<br />

Bahnsteige und deren halbkreisartige Zusammenführung wurde – wohl aus Kostengründen<br />

vom Bauherrn, ähnlich wie beim neuen Hauptbahnhof in Berlin,<br />

gestrichen. Ebenfalls gründlich saniert wird die imposante Eisenkonstruktion der<br />

3 großen Hallenbögen, zur Entstehungszeit um 1892 das Modernste an europäischer<br />

Ingenieurleistung im wilhelminischen Deutschland und die große Eingangshalle<br />

mit Kuppel. Eine der schwierigsten ingenieurtechnischen Herausforderungen<br />

bestand darin, die Lasten des 30.000 qm großen Membrandachs in<br />

das historische Tragwerk und die Fundamente abzuleiten.


Die neue Fosterkuppel lehnt sich stark an die ehemalige Gründerzeitform an, ohne<br />

sie komplett zu kopieren. Jene ehemals offene Glaskuppel ließ ab 1892 Tageslicht<br />

in die Halle scheinen. In der Nachkriegszeit war die beschädigte Kuppel<br />

vereinfacht repariert und mit einem spitz zulaufenden Schieferdach gedeckt<br />

worden, das die Kuppel völlig verschloss. Der Hauptteil der Eisen-Konstruktion<br />

der alten Belle Epoque Kronen-Form wurde dabei wieder verwendet. Aber man<br />

zog eine Zwischendecke ein, die die einstige prachtvolle Wirkung dieser Kathedrale<br />

des modernen Verkehrs stark beeinträchtigt hatte. Seit 2006 ist die Eingangshalle<br />

wieder hell durchlichtet und strahlt – auch ohne die alten Zwickelbemalungen<br />

– Opulenz aus. Allerdings wurde der Kuppelanlauf der inneren<br />

Kuppel verkürzt, was die Wirkung etwas schmälert und die Konzentration mehr<br />

auf das Konstruktive als auf das Dekorative lenkt.<br />

Licht durchflutet sind auch die hohen, gewölbten Hallen rechts und links der Kuppelhalle,<br />

desgleichen die beiden ehemaligen Speisesäle, welche jetzt ebenfalls<br />

direktes Tageslicht erhielten. Die beiden Ecktürme der Hauptfassade, in den<br />

1970er Jahren ihres gründerzeitlichen Turmaufsatzes, der Fenster und eines umlaufenden<br />

Balkons beraubt, werden denkmalpflegerisch erneut hinzugefügt. Der<br />

neue Bahnhof von Foster respektiert die klassische Stahlbogenkonstruktion der<br />

drei Hallen. Das ist innerhalb der Moderne keineswegs eine Selbstverständlichkeit.<br />

In Dresden hätte während eines radikalisierten Modernisierungschubes nach<br />

1969 der Hauptbahnhof kompromisslos seine Gestalt verloren. Am westlichen<br />

Ende war bereits damals ein neuer Busbahnhof konzipiert, der jedoch vollständig<br />

die eindrucksvollen Hallenbögen aus Stahl und Glas beseitigt hätte. Dank<br />

einer verantwortungsvollen starken Bürgerschaft, die in den 80er und 90er Jahren<br />

verstärkt auf die zu schützenden Errungenschaften der historischen Stadt aufmerksam<br />

machte, kann nun im neuen Jahrhundert ein aufgeklärtes und liberal<br />

gemäßigtes Bewusstsein in einer ausgeglichenen Balance zwischen Fortschritt<br />

und Tradition erwachsen. So ähnlich betonte es der Architekt Foster selbst, als er<br />

die größte Schwierigkeit bei der Konzeption für die Renovierung nannte, „das<br />

Beste aus der Vergangenheit in die Zukunft zu transponieren“.<br />

Systemgeometrie Stahlunterkonstruktion<br />

Computermodell der Mittelfelder<br />

Quelle:<br />

www.das-neue-dresden.de/hauptbahnhof.html<br />

Webseite des Architekturbüros zum Dresdner<br />

Hauptbahnhof: www.fosterandpartners.com


Dachtragwerk – Stahlkonstruktion<br />

Modell, Maßstab 1:50<br />

Dachtragwerk – Stahlkonstruktion<br />

Eine der schwierigsten ingenieurtechnischen Herausforderungen bestand darin,<br />

die Lasten des neuen Membrandaches in das historische Stahltragwerk ein- und<br />

in die Fundamente abzuleiten. Das eiserne Bestandstragwerk der Bahnsteighalle<br />

war in der statischen Grundkonzeption des Errichtungszeitraumes zur Ableitung<br />

der vorrangig vertikalen Dachlasten aus Eigengewicht des Eisentragwerkes, der<br />

Holz-, Glas- und Blechdacheinhausung sowie der Schneelast, als lineares Bogentragwerk<br />

konzipiert. Der Umbau von einer festen Dacheinhausung zu einem<br />

Membrandach führt einerseits zu einer Reduzierung des Tragwerkseigengewichtes,<br />

andererseits treten infolge der räumlichen Membranvorspannkräfte erhebliche<br />

Druckbeanspruchungen im Bogentragwerk auf. Die Umsetzung der raumgeometrischen<br />

und statischen Tragwerksanforderungen unter Beibehaltung der<br />

statisch-konstruktiven Gegebenheiten des linearen Bestandstragwerkes erforderte<br />

eine ergänzende sekundäre räumliche Stahlunterkonstruktion welche als Adapter<br />

die räumliche Membrangeometrie auf das orthogonale Bestandsbogentragwerk<br />

und die Lasteinleitung der Membrankräfte in das filigrane Stabtragwerk der Hallenbögen<br />

vermittelt. Oberhalb der Bogenbinderscheitel öffnet sich die Membranhaut<br />

linsenförmig bis zu den Systemachsen der einzelnen Bogenscheiben.<br />

Die entstehenden Öffnungen sind durch gläserne Oberlichter überdacht.


Systemisometrie der Oberlichter<br />

Darstellung Membranspannungen – Lastfall Wind<br />

Dachtragwerk – Membran<br />

Im Gegensatz zu der bisherigen Dacheindeckung leitet die Membrandachhaut<br />

die Lasten mit in der Membranebene orientierten Zugkräften in den Stahlbau<br />

ein. Das Membrandach besteht aus einzelnen ca. 10 m breiten Paneelen, die<br />

zwischen den Bogentragwerken installiert wurden und im Endzustand die komplette<br />

Dachfläche überspannen. Die Membrane wird in Bogenlängs- und Querrichtung<br />

mit Hilfe von Membranklemmen an Stahlrohre der Stahlunterkonstruktion<br />

angeschlossen, wobei eine doppelt geschwungene Form dem Membrandach<br />

die erforderliche Steifigkeit verleiht. Die besonders schmutzresistente transluzente,<br />

teflonbeschichtete PTFE-Glasfaserfolie lässt 13 % des Tageslichts durch<br />

und bringt so das denkmalgeschützte Stahltragwerk elegant zur Wirkung.<br />

Bauausführung<br />

Je Bahnsteighalle wurde eine ca. 40 m lange verschiebbare stählerne Arbeitsbühne<br />

oberhalb der Stützenfüße des vorhandenen Bestandstragwerkes erstellt,<br />

die zur Durchführung der Instandsetzungs-, Korrosionsschutz- und Montagearbeiten<br />

und gleichzeitig als Absturzsicherung und Abschottung der Baumaßnahmen<br />

gegenüber dem Bahnhofsbetrieb diente. Der gewählte Bauablauf sah eine abschnittsweise<br />

Durchführung der Arbeiten in sieben Bauabschnitten vor. Für die<br />

gesamte Instandsetzung und den Umbau des Tragwerks wurden authentische<br />

Elemente erhalten und zeitgemäße Lösungen, die den Charakter des Gebäudes<br />

gerecht werden, hinzugefügt.<br />

Computermodell Membranhaut<br />

Literatur:<br />

Vitzthum, M., Voland, P., Foster & Partners;<br />

Stahlbau 75 (2006), H. 3, S. 311–218<br />

Falk Jäger; Glas Nr. 4 (2007), S. 12–19<br />

Foster & Partners; industrieBAU 2 (2005),<br />

S. 32–35<br />

Fotos:<br />

Rudi Meisel, Foster & Partners<br />

Nigel Young, London<br />

Architektur und Tragkonstruktionen II,<br />

Tragwerksanalyse, Anne Mikoleit, 23.03.08


18Prager Straße<br />

Architekten/Stadtplaner: Peter Sniegon, Hans Konrad<br />

und Kurth Röthig, 1965–78<br />

Quellen:<br />

Broschüre zur Studentenexkursion 2007 der HS<br />

Karlsruhe nach Dresden und Prag mit Prof. Florian<br />

Burgstaller<br />

http://de.wikipedia.org/wiki/Prager_Stra<br />

Die Prager Straße wurde zwischen 1851 und 1853 als Verbindung zwischen<br />

der Dresdener Altstadt und dem Böhmischen Bahnhof, der nach seinem Abriss<br />

und Wiederaufbau in Hauptbahnhof umbenannt wurde, erbaut. Im Zuge der Industrialisierung<br />

wurden neue Wohnungen und Straßen benötigt, die auch die<br />

engen Gassen der Altstadt entlasten sollten. Anwohner beschwerten sich bereits<br />

um 1840 und als schließlich der Böhmische Bahnhof erbaut werden sollte, wurde<br />

eine Verbindung zwischen Innenstadt und Bahnhof nötig. Aufgrund der<br />

Knappheit an Bauland wurde beschlossen, die Prager Straße geschlossen zu<br />

bebauen. Sie entwickelte sich zu einer der prächtigsten Straßen in Dresden mit<br />

zahlreichen Einkaufs- und Vergnügungsmöglichkeiten. Einige architektonisch besonders<br />

bemerkenswerte Bauten waren das Viktoriahaus, das Residenzkaufhaus<br />

und das Gebäude der Feuerversicherungsgesellschaft.<br />

1945 wurde das Areal bei den Luftangriffen auf Dresden fast vollständig zerstört.<br />

Mit einem Architekturwettbewerb wurde der Wiederaufbau 1962 eingeläutet.<br />

Es gab verschiedene Meinungen über die Umsetzung. Während einige<br />

Architekten für den teilweise originalgetreuen Aufbau plädierten, lehnten andere<br />

diese Vorstellung ab und befürworteten eine völlige Neubebauung. Keiner der<br />

Architekten war jedoch für die Wiederherstellung der Platz sparenden geschlossenen<br />

Bauweise. Ein Grund hierfür war, dass die Menschen im Feuersturm nur<br />

sehr schwer aus den engen Häusern fliehen konnten. Zwischen 1965 und<br />

1978 entstand die neue Prager Straße. Im Westen wurden zwischen 1967<br />

und 1970 drei Interhotelbauten errichtet. Auf der breiten Straße entstanden verschiedene<br />

Wasserspiele und Grünanlagen. Die Prager Straße entwickelte sich<br />

in den 1970er und 1980er Jahren durch die zahlreichen Einkaufsmöglichkeiten,<br />

die Hotels und das Rundkino zum wichtigsten Fußgänger-Boulevard in Dresden.<br />

In den Jahren 1976 bis 1978 wurde das bekannte Centrum Warenhaus<br />

erbaut. Dieses Gebäude war durch seine markante Aluminiumfassade gekennzeichnet.<br />

Nach 1990 zog dort Karstadt ein, inzwischen wurde es abgerissen.<br />

Am 8. Oktober 1989 wurde auf der Prager Straße während der Demonstrationen<br />

gegen die SED-Herrschaft die Gruppe der 20 gegründet. Daran erinnert<br />

heute eine Gedenkplatte. Beim Elbehochwasser 2002 wurde der südliche Teil<br />

der Prager Straße von der über die Ufer getretenen Weißeritz überflutet.


Im Zuge der Neugestaltung der Prager Straße wurde dieser Entwurf für einen Kinoneubau<br />

ausgewählt. Gewünscht war eine geschwungene Form, als Kontrast<br />

zu der kubischen Nachbarbebauung. Die Rotunde mit einem Durchmesser von<br />

50 m entsprach dieser Forderung am konsequentesten. Das ursprünglich freistehende<br />

zylindrische Gebäude hat eine Höhe von 20 m und wird äußerlich in<br />

drei Ebenen gegliedert. Das Erdgeschoss umläuft eine Glasfront, die zur Prager<br />

Straße zugunsten einer Arkade zurückgesetzt wird. Die Fassade des 1. OG besitzt<br />

ein vorgehängtes Stabwerksornament des Dresdner Grafikers Gerhard<br />

Papstein. Das 2. OG ist mit weiß emaillierten Metallbändern verkleidet, zwischen<br />

denen der mit schieferfarbenem Granulat beschichtete Saalkörper zu se -<br />

hen ist. Die so entstehenden vertikalen „Zebrastreifen“ verleihen optisch mehr<br />

Höhe und lockern den kompakten Baukörper auf.<br />

Im Inneren des Gebäudes befindet sich der 1018 Zuschauer umfassende große<br />

Saal sowie in der Tiefebene der kleine Saal für 132 Zuschauer, welcher zu<br />

DDR-Zeiten als Filmkunstkino genutzt wurde. Ein großzügiges Foyer mit Garderoben<br />

im Erdgeschoss empfängt den Besucher. Über die breite Freitreppe gelangt<br />

man in das Obergeschoss mit dem umlaufenden Flaniergang und Imbiss-Raum.<br />

Der große Saal wurde bis zu seiner Schließung auch zu anderen Veranstaltungen<br />

genutzt, wie Jugendweihen, Versammlungen, Kongresse, Pop- und Schlagerkonzerte<br />

oder anderem.<br />

Für das Rundkino unvorteilhaft wirkte sich in den 90er Jahren die Umbauung des<br />

als Solitär geplanten Lichtspieltheaters aus. Die einschnürende Bebauung von<br />

Günter und Holger Just (Wöhrl-Plaza von 1995–96) drängte den charismatischen<br />

Rundbau in den Hinterhof ab und nahm ihm dadurch die auf Weitwirkung<br />

berechnete Ausstrahlung. Damalige städtebauliche Planungen des gleich -<br />

zeitig als Stadtplanungsdirektor fungierenden Günter Just sahen (und sehen) eine<br />

Verengung der Prager Straße auf die ursprüngliche Breite von 19 Metern vor,<br />

um mehr Dichte, Urbanität oder weniger luftige Zugigkeit zu erzeugen. Allerdings<br />

schnitt diese veränderte Nachwendeplanung vorhandene Entwürfe für ein<br />

städtebauliches Umfeld des Rundkinos aus den 80er Jahren ab. Bereits als Kellergeschosse<br />

errichtete Fundamente von neuen postmodernen Wohngebäuden<br />

(ähnlich denen an der Ferdinandstraße) wurden Anfang der 90er Jahren wieder<br />

abgerissen. Sie hätten jedoch den freien Blick auf das Rundkino von der Prager<br />

Straße aus gewährleistet.<br />

19<br />

Rundkino<br />

Prager Straße 6<br />

Architekten: Gerhard Landgraf,<br />

Waltraud Heischkel, 1970/72<br />

Ausstattung: Deutsche Werkstätten Hellerau


20UFA-Kristallpalast<br />

St. Petersburger Straße 24a<br />

Architekten: Coop Himmelb(l)au (Wolf D. Prix und<br />

Helmut Swiczinsky), 1997/98<br />

„In klarer, geometrischer Ordnung bilden die schlanken Scheibenhochhäuser an<br />

der Prager Straße in Dresden ein städtebauliches Ensemble, das mit dem Hauptbahnhof<br />

im Süden und dem Übergang zum Altmarkt im Norden ein typisches<br />

Ergebnis der Stadtplanung der 60er Jahre ist. Diesem Ensemble wurde mit dem<br />

Kinozentrum ein weiteres Element hinzugefügt, das einen neuen öffentlichen<br />

Raum östlich der Prager Straße definiert und damit zugleich die Querbezüge zur<br />

großen Achse verstärkt. Zur Belebung dieses neu gewonnenen urbanen Raumes<br />

werden sämtliche Zugänge zum komprimierten „Kinoblock“ als öffentliches Ereignis<br />

inszeniert. Das weite Foyer, die skulptural ausgeformten Treppenanlangen,<br />

die in einen Drahtkegel eingehängte Bar und zusätzliche Servicefunktionen<br />

werden weithin sichtbar in den öffentlichen Raum eingestellt und von einer kristallinen<br />

Stahl-Glaskonstruktion umfasst, die diesem neuen Treffpunkt inmitten der<br />

Stadt ein einprägsames Zeichen mit weiter Ausstrahlung gibt.<br />

In bewegtem Kontrast zu den sonst zumeist monofunktional konzipierten und im<br />

Gefüge der Stadt hermetisch abgeschlossenen Baukörpern solcher Unterhaltungsmaschinen<br />

wird hier dem Publikum eine vielfältig bespielbare Bühne gegeben,<br />

auf der sich vor allem die jüngere Generation spielerisch darstellen kann.<br />

Durch die Sichtbarkeit der Bewegungen und Interaktionen im – zumal abends<br />

hell erleuchteten – „Kristall“ wird der transparente Baukörper selbst gleichsam zu<br />

einem Medium der Öffentlichkeit, das für die Wiedergewinnung von Urbanität<br />

in unseren Städten einen beispielhaften Beitrag leisten kann. In der expressiven<br />

Formensprache kommt gegenüber der strikten Geometrie der Umgebung eine<br />

fast anarchisch anmutende Vitalität zum Ausdruck, die gerade in dieser Gelenksituation<br />

zwischen Altstadt und Nachkriegsmoderne einen bemerkenswerten, zukunftsweisenden<br />

Akzent von hoher gestalterischer Qualität setzt.“<br />

Text aus der Laudatio zur Verleihung des Deutschen Architekturpreises 1999


Das Kino in der Prager Straße in Dresden ist eines der ersten größeren realisierten<br />

Bauten des Büros Coop Himmelb(l)au der Wiener Architekten Helmut<br />

Swiczinsky und Wolf D. Prix. Deren konzeptionelle und provokante Architekturvorstellungen<br />

wurden Ende der neunziger Jahre erstmals mit hohem digitalem<br />

und bautechnischem Aufwand für umgerechnet rund 25 Millionen Euro realisiert.<br />

Das Kino wurde in Form eines verzogenen, spitzwinkligen, zerfließenden<br />

Glaskristalls errichtet. Als Standort wählte der Bauherr eine Baulücke zwischen<br />

der Verkehrsschneise der St. Petersburger Straße und der Prager Straße. Der<br />

neue UFA-Palast liegt in unmittelbarer Nähe zum bestehenden, denkmalgeschützten<br />

„Rundkino“. Zur St. Petersburger Straße hin zeigt sich die rohe Betonstruktur<br />

des Neubaus mit einem Gitterrost verkleidet. Eingangsbereich und die<br />

gefaltete Glas front sind zur Prager Straße hin orientiert. Im durch Sichtbeton und<br />

Stahl geprägten Innenraum herrscht überwiegend dekonstruierte Ruppigkeit;<br />

eine „Skybar“ schwebt als Attraktion unter dem Glashimmel.<br />

Das Raumerlebnis lebt gleichermaßen von den ungewohnten Geometrien und<br />

der unorthodoxen Verwendung und Fügung der Materialen Stahl, Glas und Beton.<br />

Besonders eindrucksvoll sind dabei die haushohen Betonwände im Foyer.<br />

Der hellgraue Beton weist eine sehr glatte Oberfläche auf. Konstruktiv lässt sich<br />

das Kino in zwei unterschiedliche Bereiche aufteilen: den Saalkomplex und das<br />

Foyer. Der Saalkomplex ist als monolithisches Bauwerk mit großen Raumhöhen,<br />

Deckensprüngen und teilweise geneigten Wänden konstruiert. Das Foyer wird<br />

von einer Glas-Stahl-Konstruktion abgeschlossen und beinhaltet eine raumbildende<br />

Kaskade stählerner Treppenläufe sowie zwei eigenwillig geknickte Türme für<br />

die Aufzüge. Das Fugenbild der Betonoberflächen wurde von den Architekten<br />

vorgegeben. Die letztlich realisierte Architektur sei eher eine Spar-Variante gegenüber<br />

den ursprünglichen Entwürfen gewesen, erläuterte Objektleiterin Silke<br />

Dikomey. Eigentlich sei geplant gewesen, in einen dreieckigen kristallinen Baukörper<br />

zwei Quader als Kinosäle zu hängen, die über eine lange gewundene<br />

Spiraltreppe zugänglich gewesen wären. Auch seien beleuchtete Fußböden vorgesehen<br />

gewesen. Diese Ideen seien aber zu teuer und zu unpraktisch gewesen.<br />

Quellen:<br />

www.baunetz.de (Januar 07)<br />

www.coophimmelblau.at<br />

http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Dresden_<br />

Ufa_Cinema_Center.jpg


22Neumarkt<br />

Prof. Dipl.-Ing. Horst Thomas<br />

Die Neubebauung um den Dresdner Neumarkt und die Frauenkirche<br />

Nach Beendigung der Diskussionen um die Frage, ob die Frauenkirche rekonstruiert<br />

werden solle oder nicht, setzte – nach der Entscheidung dafür und bei<br />

fortschreitender Bautätigkeit – die Diskussion um die Gestaltung der Umgebung<br />

ein. Dieses ehemals dicht bebaute Quartier um den Neumarkt, das bis ins 16.<br />

Jahrhundert teilweise außerhalb der befestigten Stadt lag und im Rahmen des<br />

Ausbaus der kurfürstlichen Residenz um 1530 einbezogen wurde, war 1945<br />

völlig zerstört worden.<br />

1. Zur Nachkriegsgeschichte und zu ersten Vorstellungen der Wiederbebauung<br />

Im Gegensatz zur Frauenkirche, deren Ruine und Trümmerberg als Mahnmal gegen<br />

den Krieg stehen gelassen wurde, sind die Ruinen der Quartiere um den<br />

Neumarkt abgeräumt worden und blieben unbebaut. Die großenteils erhaltenen<br />

historischen Keller wurden verfüllt, blieben aber erhalten. Die völlig ungegliederte<br />

Freifläche südwestlich der Kirchenruine reichte bis zum Altmarkt und wurde<br />

von diesem erst 1969 durch den Bau des Kulturpalasts getrennt. Zwischen der<br />

nördlich der Frauenkirche gelegenen Töpferstraße und dem reparierten bzw. rekonstruierten<br />

Gürtel von Monumentalbauten entlang der Elbe, entstand seit den<br />

späten 1980er Jahren ein Hotelkomplex (heute Hilton) sowie Wohnungen in angepassten,<br />

d.h. anspruchsvolleren Plattenbauten der späten DDR-Zeit.<br />

Für eine Wiederbebauung des Gebiets wurde schon früh die Konzeption entwickelt,<br />

dass besonders wichtige und gut dokumentierte Bauten der Vorkriegszeit<br />

als Leitbauten rekonstruiert werden sollten. Für die daneben und dazwischen<br />

gelegenen Bauten wurden jedoch zeitgemäße Lösungen angestrebt, die<br />

sich am Maßstab der Umgebung orientieren und mit Putzfassaden einfügen sollten.<br />

Eine Gestaltungssatzung von 2002 sieht in den 8 Quartieren auf über 100<br />

zu bebauenden Parzellen 60 Leitbauten vor. Neben der Orientierung am Maßstab<br />

der Leitbauten war die zentrale Frauenkirche Orientierung für die Neubauten,<br />

für deren Traufhöhe die Höhe der senkrechten Mauern der Kirche verbindlich<br />

vorgegeben wurde. Die zu bebauenden Quartiere entsprechen denen der<br />

Vorkriegssituation, wodurch nicht nur die Platzanlage des Neumarktes und die<br />

anschließende Platzfläche des Jüdenhofs, sondern auch die teilweise nicht mehr<br />

erkennbaren Straßen und Gassen wiedererstehen sollten.


2. Einschätzungen und Warnungen eines Denkmalpflegers<br />

Bereits im Jahr 2000 erklärte Thomas Will, Professor für Denkmalpflege und Entwerfen<br />

an der TU Dresden, in einem Vortrag, dass es sich beim Wiederaufbau<br />

des Gebiets nicht um eine denkmalpflegerische Aufgabe handele, weder nach<br />

seinem Verständnis als Denkmalpflegelehrer noch nach dem öffentlichen Willen<br />

– wie er sich im Denkmalschutzgesetz niedergeschlagen hat. Allenfalls Umgebungsschutz<br />

könne reklamiert werden, wobei dieser – da ja keine Umgebung<br />

mehr da war – über wichtige und gut dokumentierte ehemalige Einzelgebäude,<br />

die im Rahmen der Neubebauung wieder erstehen sollten, eher indirekt hergeleitet<br />

werden könne.<br />

Er warnte vor der positivistischen Auffassung, Kulturgüter seien mit Hilfe heutiger<br />

Technik reproduzierbar, kopierbar, aus denkmalpflegerischer Sicht sei eine solche<br />

Haltung sogar gefährlich, da sie die leichtfertige Beseitigung verbliebener<br />

Reste – im Bewusstsein ihrer Wiederherstellbarkeit – eher fördere. Wichtig waren<br />

ihm allerdings die historischen Keller, deren Erhaltung und Einbeziehung er<br />

als Chance sah. Er sah in ihnen Zeugen der Stadtgeschichte, die als städtebauliches<br />

Potenzial begriffen werden sollten und durch deren Einbeziehung eine<br />

wahrhafte Architektur des Ortes und der Erinnerung entstehen könnte. Im Übrigen<br />

sollte die Frage der Wiederbebauung weniger gereizt und mit Gelassenheit<br />

und Toleranz geführt werden, schließlich ginge es ja nicht um ein einzelnes<br />

Kunstwerk, das mit unbeirrbarer Konsequenz vollendet werden müsste, sondern<br />

um ein Stück Stadt, für die man zwar auch ein Leitbild brauche, jedoch keine<br />

fertige Ideallösung.<br />

Will sah – die bereits getroffene Entscheidung für eine Rekonstruktion voraussetzend<br />

– zwei alternative Szenarien, wobei er keinen Hehl aus der Bevorzugung<br />

der zweiten macht (sinngem. und gekürzt):<br />

- die statische, vermeintlich „historische“ Lösung: Rekonstruktion mit selektiven<br />

historischen Formen, bei der das nicht minder selektive Bild einer vergangenen<br />

Epoche beschworen wird; Reduzierung der Altstadt auf den musealen<br />

Nachbau, mit der Gefahr einer kunstgewerblichen Stadtattrappe und vermutlich<br />

Preisgabe der alltäglichen städtischen Funktionen; oder<br />

- Rekonstruktion als Reurbanisierung, als unmissverständliche Reparatur;<br />

Möglichkeit der Mischung unterschiedlicher Ansätze auf der Basis überlieferter<br />

städtebaulicher Regeln und materieller Strukturen; Zugeständnisse an städtisches<br />

Leben unter Verzicht auf Planungsziel des großen, fertigen Kunstwerks;<br />

Bereitschaft zum Risiko der architektonischen Einfühlung, aber auch zur Banalität,<br />

anstelle des verordneten Idealbilds.<br />

Blick vom Rathaus in Richtung Prager Straße direkt<br />

nach dem Krieg und zu Beginn des Wiederaufbaus


3. Das Vergabeverfahren der Stadt<br />

Wills Empfehlung für eine kleinteilige Bebauung mit unterschiedlichen architektonischen<br />

Ansätzen auf einer gemeinsamen Plattform könnte mit seinen Empfehlungen,<br />

die historischen Keller zu nutzen, wohl nur auf der Grundlage eines individuellen<br />

Wiederaufbaus der einzelnen Grundstücke realisiert werden. Eine solche<br />

Lösung wäre jedenfalls am besten geeignet, die Normalität städtischen Lebens<br />

und urbaner Vielfalt sowie städtische Wandelbarkeit zu erreichen. Auf<br />

solch mühselige, die Fertigstellung des Wiederaufbaus hinauszögernde Verfahrensweise<br />

scheint sich die Stadt nicht einlassen zu wollen. Die Vergabe erfolgt<br />

wohl in größeren Einheiten, was zu Großlösungen mit Hotelkomplexen, Einkaufspassagen<br />

usw. führt, die sich – dem vagen Muster der Vorkriegsbebauung<br />

folgend – hinter kleinteiligen und unterschiedlichen Fassaden tarnen. Beispielhaft<br />

wird in einem Kolloquium von einem potentiellen Investor berichtet, der vorhatte,<br />

nur ein einzelnes, im Übrigen wichtiges Haus wiederaufzubauen, das aber originalgetreu.<br />

Angeblich soll die Stadt abgelehnt haben.<br />

4. Die ersten Ergebnisse stoßen auf Kritik<br />

Einige Blöcke sind bereits fertig gestellt, andere im Bau bzw. in Vorbereitung.<br />

An den Ergebnissen gibt es viel Kritik. Bei einem Kolloquium der Sächsischen<br />

Akademie der Künste waren sich fast alle Experten einig in der Bewertung, dass<br />

die Stadtentwicklung viele Fehler machen würde, die nur schwer zu beheben<br />

seien. Zudem wird beklagt, dass die Investoren sich nicht an die vorgegebenen<br />

Regeln halten. Statt traditionelle <strong>Ziegel</strong>bauweise zu verwenden, werden Fassaden<br />

aus Beton gegossen, statt Putzfassaden werden bisweilen Plattenverkleidungen<br />

verwendet. Die durch die großteilige Vergabepraxis entstehenden Großnutzungen<br />

und ihre kleinteiligen Fassadengestaltungen werden als Mogelpackungen<br />

bezeichnet. Im Übrigen gibt es viel Kritik an der architektonischen Qualität<br />

der Bauten. Ein früherer Baubürgermeister (und Architekt) hält die im an die Töpferstraße<br />

angrenzenden Quartier I entstandene Glaspassage für die schlechteste<br />

Einkaufspassage der Stadt mit grob verarbeitetem Glasdach und einem Ausblick<br />

auf trist gestaltete Rückfassaden und spricht von einem Skandal.


5. Fazit<br />

Der Wiederaufbau der Quartiere um den Dresdner Neumarkt ist noch lange<br />

nicht abgeschlossen. Die bisher erkennbaren Ergebnisse stoßen auf breite Kritik<br />

und es bleibt abzuwarten, ob sich dadurch Änderungen in der Verfahrenspolitik<br />

ergeben. Dies könnte schon durch eine andere – kleinteiligere, sicher dadurch<br />

auch mühevollere und längere Realisierungszeit bedürfende – Vergabe der<br />

Grundstücke geschehen, sei es durch die stärkere Kontrolle der Einhaltung örtlicher<br />

Bauvorschriften, sei es durch stärkeren Einsatz oder Einfluss der Bauberatungsgremien.<br />

Das Gebiet um die mit großer Authentizität rekonstruierten Frauenkirche<br />

stellt sich dar als städtebaulich maßstäbliches aber letztlich historisierendes<br />

Bauen, bei dessen Bewertung es darauf ankommt, inwieweit man mit einer<br />

passenden Rahmung und auch touristisch verwertbarer Stimmigkeit zufrieden ist<br />

oder ob man architektonische Ansprüche an Neubauten in einer derart prominenten<br />

Umgebung stellt und diese sogar als Herausforderung zur Ausbildung<br />

einer besonderen Qualität versteht.<br />

Dazu noch einmal der Denkmalpfleger und Architekt Prof. Thomas Will: Wenn<br />

in einer Stadt einige Hüter des guten Geschmacks glauben, das Image damit<br />

pflegen zu müssen, dass sie am Neumarkt eine „gute Stube“ einrichten wollen,<br />

bei der es für zeitgenössische Architekten heißt: „Wir müssen draußen bleiben“,<br />

dann zeigt das, dass es ihnen nicht um Baukultur geht oder um Ästhetik im<br />

Sinne eines Erlebens schöner, interessanter Stadträume. Worum geht es dann?<br />

Um Ausgrenzung der Gegenwart unter dem Vorwand einer zurückholbaren Vergangenheit<br />

oder um plumpen Touristenfang. Zur Schaffung eines angenehmen<br />

Heimat- und Aufenthaltsorts müsse stattdessen beides vorhanden sein: das richtige<br />

Maß an Vertrautheit wie an Neuem. Nach Wills Überzeugung kann das<br />

Neue nicht vom Neumarkt fern gehalten werden, wenn nicht etwas Enttäuschendes<br />

entstehen soll.<br />

zusammengefasst aus veröffentlichten Berichten<br />

und Meinungen und eigener Besichtigung der<br />

ersten Rohbauten<br />

von Horst Thomas<br />

insbesondere verwendet:<br />

- Thomas Will: „Rekonstruktion der europäischen<br />

Stadt? – Zur Diskussion um den Dresdner Neumarkt“;<br />

db 3/2001<br />

- wikipedia.org/wiki/Neumarkt_Dresden


26Zum Wiederaufbau der Frauenkirche<br />

Neumarkt<br />

Architekt: George Bähr, 1726–43<br />

Prof . Dipl.-Ing. Horst Thomas<br />

Prof. Dipl.-Ing. Horst Thomas, Architekt, Stadtplaner,<br />

Denkmalpfleger, Georg-Simon-Ohm Hochschule,<br />

Nürnberg<br />

Planergruppe HTWW, Wiesbaden, Aschaffenburg,<br />

Erfurt<br />

Deutsche Akademie für Städtebau und Landesplanung<br />

Arbeitskreis Theorie und Lehre der Denkmalpflege<br />

e.V.<br />

1. Die städtebauliche und baugeschichtliche Bedeutung der Frauenkirche<br />

Kaum ein im 2. Weltkrieg zerstörtes Bauwerk hat solche Diskussionen, Emotionen<br />

und Aufwendungen initiiert wie die Frauenkirche. Ein wesentlicher Grund<br />

dafür kann darin gesehen werden, dass dieser in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts<br />

errichtete Bau architektonisch, baukonstruktiv wie städtebaulich von<br />

höchster Bedeutung war. Um die singuläre architektonische Qualität – die keine<br />

Nachfolge gefunden hat – im vorgegebenen hochwertigen Standard wiedererstehen<br />

zu lassen, mussten enorme baukonstruktive Probleme gelöst werden, über<br />

die zusammenfassend zu berichten ist.<br />

Entscheidender Auslöser für das gewaltige Unterfangen war sicher in erster Linie<br />

die städtebauliche Wirkung, die als steinerne Glocke die städtebauliche Neuordnung<br />

zur Zeit August des Starken vollendete und die der Stadt den Namen<br />

Elbflorenz eingebracht hat.<br />

Friedrich August, später gen. der Starke, gelang es, zum Ausbau seiner Residenz<br />

eine Reihe hervorragender Künstler und Baumeister nach Dresden zu holen<br />

und die höfische Baukunst stand in voller Blüte. Der Zimmermeister George Bähr<br />

hatte sich durch Kirchenbauten im Erzgebirge für höhere Aufgaben qualifiziert<br />

und erhielt 1722 den Auftrag für die protestantische Hauptkirche der Stadt.<br />

Sein erster Entwurf sah bereits einen Zentralbau mit hoher Kuppel vor und folgte<br />

damit einer grundsätzlichen Konzeption dieser Zeit über den protestantischen<br />

Kirchenbau. Die Realisierung war umstritten, es gab Gegenentwürfe anderer<br />

Baumeister, schließlich setzte sich Bähr mit einem neuen Entwurf (und reduzierten<br />

Kosten) durch.<br />

2. George Bähr als avantgardistischer Baumeister<br />

Der Bau wuchs bis unter die Kuppel, dann legte der Baumeister eine Planänderung<br />

zur Genehmigung vor: er wollte die Kuppel aus Stein und steinsichtig ausführen.<br />

Vermutlich hat er die Fundamente bereits zu Beginn für die entsprechen -<br />

den Lasten ausgelegt. Es kam zum Streit, Kollegen warnten ihn, schließlich setz -<br />

te er sich durch. Als er dann auch noch die Laterne aus Stein errichten will,<br />

kommt es zu neuem Streit. Die Kuppel hat zu dieser Zeit massive Risse. Nach<br />

einer Besichtigung der Schäden stirbt Bähr entkräftet und sein Schüler führt den<br />

Bau zu Ende – mit hölzerner Laterne.


George Bähr hat in einer Zeit, in der es noch keine statischen Berechnungen<br />

gab, Vorstellungen über die Lastabtragung des riesigen Bauwerks mit seiner hohen<br />

und schweren Steinkuppel und der flacheren und daher gefährlicheren Innenkuppel<br />

entwickelt, die ihn als avantgardistischen Konstrukteur ausweisen. In<br />

die Steinkuppel legte er ringförmig mehrere Eisenanker ein, die er allerdings nur<br />

unzureichend anspannen konnte (mit Wärme und Keilen). Die Kuppel ruht auf 8<br />

dünnen Pfeilern, die in tiefe, v-förmige Wandscheiben übergehen, die er Spieramen<br />

nannte. Den Lastabtrag der Kuppel stellte er sich pyramidal vor, d.h. dass<br />

die Spieramen in ihrer Tiefe nicht nur den verbliebenen (über die Aufnahmefähigkeit<br />

der Ringanker hinaus gehenden) Teil der horizontalen Kräfte aufnehmen<br />

sollten, sondern auch einen Teil der vertikalen. Zu diesem Zwecke ordnete er zusätzliche<br />

Anker in den oberen Spieramen an, die er jedoch nicht ausreichend<br />

anspannen konnte. Daher waren die inneren Pfeiler tatsächlich erheblich überlastet.<br />

Der Bau riss auch im Bereich der Spieramen massiv (im Bereich der Emporendurchgänge)<br />

aber stand bis 1945.<br />

Zu den der Zeit weit vorauseilenden Besonderheiten Bährs gehörte auch die<br />

Steinsichtigkeit der Kuppel. Die – älteren – Kuppeln von Florenz und Rom besitzen<br />

eine Dachdeckung aus <strong>Ziegel</strong> bzw. Metall. Bähr wollte eine Kirche bauen<br />

„aus einem Stein“. In einer Zeit, in der es üblich war, Holzaltäre mit Stuckmarmor<br />

zu überziehen, um ihnen das Aussehen eines anderen Materials zu verleihen,<br />

verfolgte er bereits Materialgerechtigkeit. Möglicherweise reicherte er den<br />

Mörtel der Kuppel mit Milch und Eiern an, die in so großen Mengen geliefert<br />

worden waren, dass sie nicht durch die Versorgung der Bauleute erklärt werden<br />

können.<br />

In den 20er Jahren kam es zu umfassenden Konstruktionsverstärkungen. Ein<br />

Ring anker wurde von innen in die untere Kuppel eingebaut, jedoch war auch<br />

deren Vorspannung noch nicht möglich (Ing. Prof. Rüth). Außerdem wurden zusätzliche<br />

Fundamente angeordnet. Die gerissenen Pfeilerquader wurden mit<br />

Flacheisen bandagiert.<br />

1945 überstand die Frauenkirche den Luftangriff und die Zerstörung der Stadt.<br />

Ein Brand im Inneren führte zu Steinabplatzungen an den überlasteten Pfeilern<br />

und das brachte die Kuppel zum Einsturz und zerstörte den Bau bis auf wenige<br />

Ruinenteile, zu denen auch die Unterkirche gehörte.


3. Die Frage der Rekonstruktion als denkmalpflegerischer Streit<br />

Nach der Zerstörung gab es umfangreiche Untersuchungen (u.a. Henn und<br />

Siegel), und während die Monumentalbauten zur DDR-Zeit wiederhergestellt<br />

oder rekonstruiert wurden, wagte man sich nicht an die Frauenkirche, sondern<br />

erklärte den Trümmerberg als Mahnmal.<br />

Nach der Wiedervereinigung führte die Forderung nach dem Wiederaufbau zu<br />

einem erbitterten Streit, auch innerhalb der Denkmalpflege. Das politische Argument,<br />

der Wiederaufbau der Kirchen von Köln, Nürnberg usw. müsse wegen<br />

der politischen Verhältnisse eben jetzt nachgeholt werden, wollte man letztlich<br />

doch gelten lassen – trotz der Vorbehalte, dass ein Denkmal nicht beliebig reproduziert<br />

werden könne.<br />

4. Die konstruktiven Fragen des Wiederaufbaus<br />

Die erste bindende Festlegung war die eines archäologischen Wiederaufbaus,<br />

also nicht mit anderem Material für Kuppel und Innenpfeiler, sondern so wie<br />

Bähr den Bau errichten ließ. Nach zahlreichen Untersuchungen wurden die Ingenieure<br />

Wenzel und Jäger beauftragt. Mit Ihnen waren zahlreiche weitere Büros<br />

tätig, die ich hier nicht alle nennen kann. Auch muss ich mich auf die Darstellung<br />

weniger grundsätzlicher Problemlösungen konzentrieren.<br />

Zwei Fragenkomplexe beinhalteten grundsätzliche Zielkonflikte:<br />

4.1<br />

Kann die Forderung nach archäologischer Rekonstruktion mit den Erfordernissen<br />

nach Sicherheit und Bauschadensfreiheit verbunden werden oder nicht?<br />

4.2<br />

Führen konstruktive Hinzufügungen (z.B. von wirksamen d.h. vorgespannten<br />

Ringankern) Bährs innovative Erfindungen (wie z.B. die Spieramen) ad absurdum?<br />

Zur Erläuterung: Bähr ließ geschmiedete und nicht ausreichend wirksame Zuganker<br />

in die Kuppel einbauen. Den restlichen Schub sollten die Spieramen übernehmen.<br />

Baute man jetzt voll wirksame, vorgespannten Ringanker in die Kuppel<br />

ein und diese würden den Kuppelschub tatsächlich vollständig aufnehmen, so<br />

wären die Spieramen funktionslos und von einem archäologischen Wiederaufbau<br />

könne nicht mehr gesprochen werden.


5. Lösungen<br />

Es sollen einzelne Problemlösungen heraus gegriffen werden.<br />

5.1 Enttrümmerung und Wiederverwendung von Originalsubstanz<br />

Die Enttrümmerung sollte wieder verwendbare Teile bergen, identifizieren und<br />

ihre technische Qualität prüfen. Es sollten so viele Teile der Originalsubstanz<br />

wie möglich wieder an der ursprünglichen Stelle eingebaut werden. 22 Td.<br />

cbm Trümmervolumen wurde Stück für Stück beräumt, 25 % der ehemaligen<br />

Oberfläche wurde identifiziert, davon wurde 25 % wieder eingebaut. Darunter<br />

waren auch zusammenhängende Großteile.<br />

5.2 Lastabtrag des Kuppelgewichts und -schubs<br />

Die schweren Sandsteinkuppeln (außen und innen) lasteten sich überwiegend<br />

auf den 8 dünnen Sandsteinpfeilern ab und überlasteten diese bis zur Steinspaltung.<br />

Der Kuppelschub spaltete die Spieramen, insbes. im Bereich der Perforierung<br />

durch die Emporendurchgänge. Alle alternativen Vorschläge mit Bauteilen<br />

aus Stahlbeton (Kuppel und/oder Pfeiler), aussteifende Stahlbetonscheibe am<br />

Kuppelansatz usw. schieden aus. Die Lösung bestand aus einer Kombination<br />

aus zwei Maßnahmen:<br />

- Der Herstellung der Pfeiler aus ausgesuchter Sandsteinqualität mit doppelt so<br />

hohen Steinformaten, exakt gesägten Lagerflächen, einem speziell bestimmten<br />

hochwertigen Mauermörtel mit lückenlos – immer wieder überprüftem – Mörtelauftrag<br />

in einer Stärke von nur 6 mm. In einer eigens erstellten Mauerwerkrichtlinie<br />

wurden 4 Beanspruchungsklassen definiert, deren anspruchsvollste (oben)<br />

zu einer Verdoppelung der Tragfähigkeit führte.<br />

- Eine weitere Halbierung der Belastung wurde durch die bereits von Bähr beabsichtigte<br />

Lastumlenkung im Sinne seines pyramidalen Lastabtrags erreicht. In<br />

Höhe des Ansatzes der Innenkuppel wurde ein frei schwebender Ringanker<br />

aus Stahl eingebaut. Die Verwendung von Stahl anstelle von Schmiedeeisen<br />

wurde als dem archäologischen Wiederaufbau nicht widersprechend zugelassen.<br />

Ge gen diesen Ring sind strahlenförmig Anker innerhalb der Spieramen<br />

verspannt, in etwa dort wo auch George Bähr seine schmiedeeisernen Anker<br />

eingebaut hat. An deren anderem Ende wurden Betonplomben ins Mauerwerk<br />

eingebaut, die die Spannkräfte im Mauerwerk breiter verteilen sollen. Durch<br />

diese Spannanker werden äußere Kräfte in die Konstruktion eingebracht, die<br />

die Stützlinie verändern und so eine Umlenkung der Lastabtragung bewirken.<br />

Die Last wird so stärker nach außen und in die Spieramen gelenkt und die pyramidale<br />

Lastabtragung erreicht, die Bähr angestrebt hat, jedoch nicht erreichen<br />

konnte.<br />

Durch die – bereits angesprochene – weitere Halbierung der Last auf den Pfeilern<br />

wurde jetzt eine zumindest 4-fache Sicherheit gegenüber dem Vorkriegszustand<br />

erreicht, der ja zumindest standfest war (4 N/qmm statt 12 bis 13<br />

N/qmm; Angaben des Büros Wenzel/Freese).<br />

29


5.3 Baugrund, Fundamente, Ruinenteile<br />

Die Untersuchung der unteren Konstruktionsbereiche befasste sich mit dem Baugrund,<br />

den Fundamenten und der Belastbarkeit der Ruinenteile. Der Baugrund<br />

war gut: fest gelagerter Kies, darunter massiver Fels. Die Fundamentsteine waren<br />

in gutem Zustand und auch die Rüth’schen Betonfundamente der 1920er<br />

Jahre waren in gutem Zustand. Sie wurden rechnerisch jedoch nicht berücksichtigt<br />

und stellen eine zusätzliche Sicherheit dar. Durch zusätzlich angeordnete<br />

Funktionsräume unter der Straße, außerhalb des alten Bauwerks, ist eine zusätzliche<br />

Aussteifung gegeben und Grundbuch ausgeschlossen.<br />

Die Ruinenteile wurden auf ihre Brandschädigung hin untersucht. Diese sind nur<br />

bis in eine Tiefe von 10 cm durch die Hitze verändert, darunter voll tragfähig.<br />

Das belastete Ruinenmauerwerk wird zudem nur nach der geringsten Beanspruchungsklasse<br />

der speziellen Mauerwerksrichtlinie belastet.<br />

5.4 Die Steinsichtigkeit der Kuppel<br />

Die Steinsichtigkeit machte die Kuppel der alten Frauenkirche zu einem ständigen<br />

Befassungsgegenstand der Bauunterhaltung. Er gibt eine (mit Hilfe der Camera<br />

obscura entstandenes) Stadtansicht von Dresden von Bellotto, gen. Cana -<br />

letto (d.J.), bei dem er die Arbeiter auf dem Kuppelanlauf der Frauenkirche mit<br />

gemalt hat, die wohl mit Reparaturen beschäftigt waren.<br />

Um mehr Sicherheit gegen Feuchteschäden zu erreichen, wurden auf die Auflagerrippen<br />

der Decksteine Dübelsteine aus Sandstein in Vertiefungen eingesetzt<br />

und die Decksteine aufgelegt. Unter diesen sorgt eine zusätzliche Entwässerungsebene<br />

für eine sichere Ableitung des Wassers.<br />

6. Alt und neu<br />

Die wiederaufgebaute Frauenkirche besteht aus in situ erhalten gebliebener und<br />

wieder verwendeter originaler Bausubstanz sowie hinzugefügter neuer Substanz<br />

aus gleichem Material. Dabei lässt das Baumaterial am Kirchenäußeren sofort<br />

erkennen, was alt ist und was neu. Diese Unterschiedlichkeit hat für uns heute erklärenden<br />

Wert, zeigt sie uns, was erhalten geblieben ist und was nicht. Wir<br />

werden also nicht getäuscht und es wird uns nicht die Information übermittelt,<br />

der 2. Weltkrieg sei anders verlaufen und habe hier möglicherwei se nicht stattgefunden.<br />

Diese Information ist für diejenige Generation besonders wichtig, die<br />

sich über den Wiederaufbau uneinig war.<br />

Mit fortschreitender Zeit wird diese Information langsam weniger wichtig, weil<br />

andere Themen in den Vordergrund treten. Heute weiß fast niemand mehr, dass<br />

der Campanile von San Marco in Venedig bei einem Erdbeben um die vorletz -<br />

te Jahrhundertwende eingestürzt und kurz danach wieder aufgebaut worden ist.<br />

Mit der Zeit gleicht sich aber auch die Farbe des Sandsteins immer stärker an<br />

und irgendwann wird sie vielleicht gleich sein. Dann gibt es immer noch die unterschiedliche<br />

Bearbeitung der Oberfläche, an der man – aus der Nähe – erkennen<br />

kann, was alt ist und was neu. Diese Information wird sehr lange er halten<br />

bleiben und demjenigen Auskunft geben, der sich dafür interessiert. Der<br />

Wie deraufbau verlässt auch dann noch nicht den Pfad der Ehrlichkeit.


7. Fazit<br />

Als abschließendes Fazit lässt sich sagen, dass der Wiederaufbau der Frauenkirche<br />

in einer Weise erfolgt ist, der den Forderungen nach archäologischer Authentizität<br />

weitest gehend gerecht wird. Die Konstruktion folgt der George<br />

Bährs, statt schlaffem Schmiedeeisen wird vorgespannter Stahl für Anker eingesetzt.<br />

Was Sandsteinmauerwerk war, ist es auch wieder. Das ist – zusammenfassend<br />

gesagt – schon das einzige, was verändert wurde.<br />

Eine abschließende Bemerkung führt zum Anfang der Darstellung zurück. Dem<br />

Gewinn durch den Wiederaufbau der Frauenkirche steht der Verlust der Ruine<br />

gegenüber, die als Mahnmal an Krieg und Zerstörung erinnerte, nicht alleine an<br />

die Zerstörung einer einzigartigen Kirche, sondern an die Zerstörung einer bedeutenden<br />

Stadtanlage und an den Tod unzähliger Menschen.<br />

8. Die Umgebung<br />

Die vor ihrer Zerstörung von der Bebauung am Neumarkt umgebene Frauenkirche<br />

wurde durch die Zerstörung der Stadt auch aus ihrem baulichen Zusammenhang<br />

gerissen. Die Blöcke der Umgebung werden seit einiger Zeit wiederaufgebaut,<br />

angeblich nach historischem Vorbild. Diese Neubebauung folgt jedoch<br />

einer anderen Vorgehensweise als der oben geschilderten. Sie soll in einem<br />

eigenen Beitrag vorgestellt werden.<br />

Horst Thomas<br />

Verwendete Literatur:<br />

„Berichte zum Wiederaufbau der Frauenkirche<br />

zu Dresden – Konstruktion des Steinbaus und Integration<br />

der Ruine“<br />

Herausgeber: Fritz Wenzel<br />

Universitätsverlag Karlsruhe


32Alte Synagoge<br />

Hasenberg 1<br />

Architekt: Gottfried Semper, 1838–40<br />

Chronik<br />

01.11.1837 Unterzeichnung des Kaufvertrages<br />

21.06.1838 Grundsteinlegung der Semper<br />

Synagoge<br />

08.05.1840 Einweihung der Synagoge<br />

1900 Israelische Religionsgemeinschaft Dresden<br />

wächst auf 5400 Mitglieder<br />

1932 ca. 5000 Dresdner Juden<br />

1933 Erste antijüdische Maßnahmen in Dresden,<br />

Verhaftungen, Beginn der Emigration<br />

09.11.1938 Zerstörung der Synagoge in der<br />

sog. Reichsprognomnacht<br />

1942 Beginn der Deportation Dresdner Juden in<br />

Konzentrationslager<br />

1945 Wiederaufnahme der Arbeit der Jüdischen<br />

Gemeinde in Dresden, weniger als 100 Gemeindemitglieder<br />

1949/1950 Aufbau der zerstörten Beerdigungshalle<br />

des Friedhofs Fiedlerstraße zur Interims-Synagoge<br />

18.06.1950 Weihe der Synagoge auf der<br />

Fiedlerstraße<br />

1996 Gründung des Förderkreises für den Neubau<br />

der Dresdner Synagoge<br />

1997 Entscheidung für Entwurf „Neubau Synagoge“<br />

der Architekten Wandel, Höfer, Lorch<br />

09.11.1998 Erster Spatenstich für eine neue<br />

Synagoge in Dresden<br />

21.06.2000 Grundsteinlegung in Anwesenheit<br />

der Schirmherren<br />

16. März 2001 Richtfest<br />

09.11. 2001 Einweihung der Neuen Synagoge<br />

Dresden<br />

www.freundeskreis-synagoge-dresden.de/chronik.htm<br />

18.07.2008<br />

Quelle:<br />

Informationsmappe Förderverein Bau der<br />

Synagoge Dresden e.V.<br />

Der Bau der Synagoge in Dresden (1838–40)<br />

Nachdem die Gemeinde einen Bauplatz am früheren Gondelhafen unterhalb<br />

der Brühl´schen Terrasse käuflich erworben hatte, wandte sich das „Comité zur<br />

Begründung einer allgemeinen Synagoge“ an Gottfried Semper. In Anlehnung<br />

an den Typus der byzantinischen Kreuzkuppelkirche wählte Semper eine Bauform,<br />

die innen und außen in eindrucksvoller Weise den Charakter einer Predigt-<br />

und Versammlungsstätte erkennen ließ. Die überhöhte Mitte wurde innen<br />

mit einem achtteiligen Klostergewölbe überdeckt, von dessen Scheitel ein Strahlenbündel<br />

auf blauem Grund ausging. Außen gab sie dem Bau als kräftiges<br />

Oktogon mit einem pyramidalen Dachabschluss ein markantes Aussehen.<br />

Im Inneren des quadratischen Hauptbaues fand an der Ostwand der um sieben<br />

Stufen erhöhte Thoraschrein, vor ihm das Lesepult und die in die Balustrade ingeordnete<br />

christliche Kanzel Platz. An den übrigen drei Seiten erhoben sich die<br />

doppeletagigen Frauenemporen. Semper entwarf die gesamte Innenausstattung<br />

und erzielte damit eine äußerst geschlossene Raumwirkung. Die der maurischen<br />

Kultur (Alhambra in Granada) entlehnten Motive wie Zackenbogen und Kapitellformen<br />

deuten sinnbildhaft auf das Judentum, auf die Verschmelzung der orientalischen<br />

mit der europäischen Kultur. Außen zeigte sich der Bau in kraftvoller,<br />

aber stilistisch weitgehend neutraler Gestalt. Nur sparsam waren romanische<br />

Schmuckelemente (Rundbogenfries, Zwerggalerie) eingesetzt. Mit der barbarischen<br />

Zerstörung der Dresdner Synagoge in der Reichsprogromnacht, am 9.<br />

November 1938, ist ein Gebäude dem Erdboden gleichgemacht worden, das<br />

vorbildhaft für spätere derartige Bauten wirkte und zudem der einzige Sakralbau<br />

gewesen ist, den Gottfried Semper jemals in seinem reichen Arbeitsleben<br />

hat errichten können.


Am Jahrestag der Zerstörung der alten Synagoge Dresdens, dem 9. November,<br />

wurde 2001 – nach mehr als 60 Jahren – die neue Synagoge eingeweiht. Die<br />

dritten Preisträger des 1997 international ausgelobten Architektenwettbewerbs,<br />

das Architekturbüro Wandel, Hoefer, Lorch und Hirsch aus Saarbrücken, wurden<br />

mit der Realisierung beauftragt. Sie knüpften an demselben Ort an, an dem<br />

1833 Gottfried Semper die erste Synagoge errichtet hatte: am Ende der Brühlschen<br />

Terrassen.<br />

Ein Sakralbau mit in sich nach Osten gedrehtem Kubus – die Gebetsrichtung<br />

nach Jerusalem. Die gewählte Würfelform orientiert sich an den ersten Tempeln<br />

der Israeliten, knüpft so an ursprüngliche Rituale und traditionelle Symbole an.<br />

Auf Fenster wurde verzichtet, da sie die monumentale Wirkung der Wandflä-<br />

33<br />

Neue Synagoge<br />

Am Hasenberg/Rathenauplatz<br />

Architekten: Wandel, Lorch und Hirsch, 1998–2001<br />

Führungen unter:<br />

Jüdische Gemeinde zu Dresden<br />

Synagoge<br />

Hasenberg 1<br />

01067 Dresden<br />

Telefon 0351/65 60 70


Auszeichnung:<br />

Beste Europäische Architektur 2002<br />

Neben der Mediathek in Lyon von Perrault<br />

wurde die Synagoge von Wandel Hoefer<br />

Lorch+Hirsch als beste europäische Architektur<br />

2002 ausgezeichnet.<br />

Lohnende Lektüre:<br />

www.zeit.de/2001/46/200146_synagoge.xml<br />

www.das-neue-dresden.de/synagoge.html<br />

Synagoge Dresden – Architektur des 20. Jahrhunderts<br />

von Wandel, Lorch und Hirsch 2001<br />

chen zerstören würden, vielleicht auch um nicht ein zweites Mal Glasscheiben<br />

klirren zu hören. Die 34 Schichten aus Formsteinmauerwerk des 24 m hohen<br />

Gotteshauses drehen sich schraubenförmig nach oben bis sie die exakte Ausrichtung<br />

nach Osten erreicht haben. Deren Reiz liegt gerade in jener eleganten<br />

Drehung und der feinen Stufung der Quaderblöcke. Nichts Verspieltes, Dekorierendes<br />

findet man an diesem ernsten, konzentrierten Bau, der ganz der inneren<br />

Sammlung dient. Wie ein Bollwerk steht der blockhafte Bau an den vorbeirauschenden<br />

Verkehrsströmen und setzt auf Entschleunigung, Besinnung und introvertierte,<br />

in sich gekehrte Meditation. Architektur gegen die Hast.<br />

Die provokante äußere Glätte der monochromen profillosen Fassade entspricht<br />

ganz dem heutigen architektonischen Zeitgeist und besteht aus massivem Formstein<br />

mit Sandsteincharakter, analog der Klagemauer Jerusalem. Das Eingangstor<br />

ist eine zweiflüglige Holztür von 2,2 Meter Breite und 5,5 Meter Höhe. Der<br />

vergoldete Davidstern, das einzige gerettete Originalstück der Sempersynagoge,<br />

wurde direkt über den Türflügeln angebracht. Der Dresdner Feuerwehrmann<br />

Alfred Neugebauer rettete ihn nach der Progromnacht. Über dem Tor steht<br />

außerdem in goldenen hebräischen Lettern die Inschrift der alten Sempersyn-<br />

agoge: „Mein Haus sei ein Haus der Andacht allen Völkern“.<br />

Alle erforderlichen Elemente eines jüdischen Gottesdienstes finden sich in der<br />

neuen Synagoge wieder. Der Thoraschrein, das Lesepult, das ewige Licht, so -<br />

wie natürlich Sitzreihen und Empore, alles umschlossen von einem symbolischen<br />

Stiftszelt aus Metallgeflecht. Gerade dieser festliche, golden flirrende Vorhang,<br />

der die betende Gemeinde wie ein schützendes Tuch umschließt, birgt eine<br />

wunderschön lyrische Poesie. Er symbolisiert zudem das Flexible, Aufbrechende<br />

des Judentums, während der steinerne Tempel an sich das ewig Währende, Unauslöschliche<br />

des jüdischen Glaubens zum Ausdruck bringt.<br />

Verlässt man das Gotteshaus gelangt man über den Baum bestandenen Innenhof<br />

zum Gemeindehaus. Dieser 1400 qm große 3-geschossige Funktionalbau<br />

mit Foyer dient als Mehrzweckgebäude für die Jüdische Gemeinde Dresden und<br />

als Haus der Begegnung mit dem Judentum. Im Gemeindesaal finden Veranstaltungen<br />

und Konzerte für ca. 300 Gäste statt. 39 Fenster schaffen eine helle,<br />

freundliche Atmosphäre. Eine Bibliothek, Verwaltungsräume, ein Sitzungszimmer<br />

und Schulungsräume sowie das Arbeitszimmer des Rabbiners sind in den zwei<br />

Obergeschossen untergebracht. Die Gemeinderäume sind durch die zum Hof<br />

geöffnete Glasfront von Nordlicht durchflutet. Die edel zurückhaltende, aber äußerst<br />

solid handwerkliche Ausstattung wurde in den traditionsreichen Deutschen<br />

Werkstätten Hellerau angefertigt.


Ausschlaggebend für die Namensfindung „Bellevue“ war die Lage mit dem<br />

„Canaletto-Blick“ und die Tradition eines zerstörten Hotels am gegenüberliegenden<br />

Ufer. Der Entwurf wurde unter der Maßgabe realisiert, die auf dem Grundstück<br />

vorhandene barocke Bausubstanz zu erhalten: das ehemalige Wohn-,<br />

Brau- und Malzhaus ist das letzte Zeugnis einer geschlossenen, zumeist in das<br />

18. Jahrhundert zurückreichende Bürgerhausbebauung, die sich bis zu ihrem<br />

Ab riss 1950 an dieser Straße entlang zog. Nach NW und SO schließt sich<br />

der Neubautrakt des Hotelkomplexes an. Offenkundig hat man sich an der Proportionierung<br />

des Bürgerhauses orientiert, ihm entsprechende Traufhöhe und<br />

Neigung des Kupfer gedeckten Mansarddaches, ebenso die Gliederung der<br />

Achsen und Geschosse. Indem das Projekt von einer japanischen Firma verwirklicht<br />

wurde, versuchte man, einen internationalen Standard in der Tourismusbranche<br />

zu bedienen.<br />

35<br />

Hotel Westin Bellevue Dresden<br />

Große Meißner Straße 15<br />

Architekten: George Bähr, 1724,<br />

Takeshi Inoue (Kajima Corp. Tokyo), 1985<br />

Hotelinformation:<br />

Direkt im <strong>Zentrum</strong>, inmitten malerischer Gärten<br />

am Elbufer gelegen, bietet das Westin Bellevue<br />

Dresden seinen Gästen höchsten Komfort. Durch<br />

seine exponierte Lage präsentiert es den berühmten<br />

„Canaletto-Blick“ auf Dresdens Silhouette,<br />

den einst der Maler Bernardo Bellotto auf seinen<br />

Bildern verewigte. Die Bellevuegärten und die<br />

Terrassen mit herrlicher Aussicht auf Frauenkirche<br />

und Semperoper laden zum Verweilen ein. Das<br />

„Canaletto“ ist eines der ersten Adressen für<br />

Gourmets in Dresden.<br />

Bernardo Bellotto, genannt Canaletto, 1722–<br />

80, ein venezianischer Maler, der für seine realistischen<br />

Veduten europäischer Städte (insbesondere<br />

Dresden, Wien, Turin und Warschau) bekannt<br />

ist: „Die Elbe bei Dresden“


36Waldschlösschenbrücke<br />

Quelle:<br />

SPIEGEL ONLINE 2008<br />

Dresden baut und baut und baut<br />

Der Welterbe-Titel ist futsch – darin sind sich die Dresdner Stadtoberen einig.<br />

Und in noch einem Punkt stimmen sie überein: Die Waldschlösschenbrücke wird<br />

gebaut – selbst wenn die sächsische Hauptstadt dasselbe Schicksal ereilen<br />

sollte wie das Sultanat Oman.<br />

Dresden/Hamburg – „Ich bin erschüttert“ – so kommentierte die künftige Dres -<br />

dner Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) den Beschluss der UNESCO zur<br />

Waldschlösschenbrücke. Die Entscheidung sei „vollkommen unverständlich und<br />

ungerechtfertigt“. Faktisch bedeute sie eine Aberkennung des Welterbe-Titels.<br />

Die UNESCO hatte zuvor im kanadischen Québec entschieden, dass Dresden<br />

den Weltkulturerbe-Titel für das Elbtal behalten darf – aber nur vorerst für ein<br />

Jahr. Denn die Stadt bleibt auf der Roten Liste der gefährdeten Kulturlandschaften.<br />

Nach dem Willen der UNESCO können nur ein Baustopp und der Rückbau<br />

der Waldschlösschenbrücke den Erhalt des Titels bewirken.<br />

Die geplante vierspurige Brücke über die Elbe, deren Bau im vergangenem November<br />

begonnen hat, verschandelt nach Ansicht der UNESCO den einzigartigen<br />

Blick auf die barocke Altstadt mit der Frauenkirche, der Semperoper und


der prachtvollen Uferpromenade. Die Stadt steht deswegen schon seit 2006<br />

auf der Roten Liste. Gegen den Bau eines Tunnels hat das Gremium dagegen<br />

keine Bedenken.<br />

So ein Tunnel hat allerdings nach derzeitigem Stand wenig Chancen. Denn<br />

trotz ihrer Bestürzung machte die künftige Dresdner Oberbürgermeisterin klar,<br />

dass die Brücke weitergebaut wird: „Es gibt keine andere Alternative, niemand<br />

wird glauben, dass wir eine halbfertige Brücke zurückbauen“, sagte Orosz.<br />

Auch der noch amtierende Oberbürgermeister Lutz Vogel (parteilos) sieht kaum<br />

Chancen für den Erhalt des Welterbetitels. Zwar respektiere er die Entscheidung<br />

der UNESCO, doch müsse diese sich „auch die Frage gefallen lassen, warum<br />

sie keinen realistischen Weg für Dresden aufgezeigt hat“, sagte Vogel. Was<br />

blei be, sei eine „weitere Hängepartie für ein Jahr“.<br />

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht in eben dieser Galgenfrist jedoch<br />

eine Chance. „Damit ist Zeit gewonnen“, sagte der stellvertretende Regierungssprecher<br />

Thomas Steg. Nun könne man ein Jahr lang noch einmal sehr intensiv<br />

die unterschiedlichen Belange prüfen. Es handele sich nicht um eine Denkpau -<br />

se, sondern um eine „Pause zum Denken“. Falls gewünscht, werde sich die Bundesregierung<br />

einer Lösung bei der Konsenssuche nicht verweigern, betonte<br />

Steg.<br />

Auch der Deutsche Kulturrat begrüßte die Entscheidung. Der Spitzenverband der<br />

Bundeskulturverbände sprach von einer allerletzten Chance. Zugleich rief er die<br />

Verantwortlichen dazu auf, das Warnsignal ernst zu nehmen und endlich mit<br />

der UNESCO über tragfähige Alternativen zu sprechen.<br />

„Die Streichung des Welterbetitels wäre nicht nur für die Stadt, sondern auch für<br />

das ganze Land eine große, schwer hinnehmbare Blamage“, erklärte Geschäfts<br />

führer Olaf Zimmermann.<br />

Unrecht hat er damit nicht: Dresden wäre erst die zweite Stätte weltweit, die<br />

aus der Liste gestrichen würde. Erstmals hatte die UNESCO im Jahr 2007 einem<br />

Naturschutzgebiet den Titel wieder aberkannt – im arabischen Oman.<br />

Die „Kleine Hufeisennase“: Die Fledermaus hatte<br />

im Sommer 2007 – vier Tage vor dem geplanten<br />

Baubeginn – die ersten Arbeiten zur umstrittenen<br />

Waldschlösschenbrücke durch das UNES -<br />

CO-Welterbe Dresdner Elbtal vorerst gestoppt<br />

Ausführliche Informationen zur Umplanung der<br />

Waldschlösschenbrücke finden Sie unter:<br />

www.dresden.de/waldschloesschenbruecke


38Schoss Eckberg (Villa Souchay)<br />

Bautzner Straße 134<br />

Architekt: Christian Friedrich Arnold, 1859–61<br />

Die Villa Souchay, wegen ihrer Lage auf dem Bergvorsprung zwischen Mordgrund<br />

und Elbe Schloß Eckberg genannt, wurde vom Semper-Schüler C.F.<br />

Arnold für den englischen Kaufmann Johann D. Souchay im neugotischen Stil errichtet,<br />

wobei der felsige Baugrund am Steilhang des Waldberges für diese aufstrebenden<br />

Bauformen wunderbar geeignet war. Arnoldt war nach ausgedehnten<br />

Studienreisen durch viele Länder Europas nach seiner Rückkehr nach Dresden<br />

bis 1885 als Professor der Baukunst an der Dresdner Kunst-Akademie tätig.<br />

Er war an zahlreichen Kirchenbauten in Sachsen beteiligt. Seine bekanntesten<br />

Dresdner Werke sind die ehemalige Kreuzschule und der nach seinen Plänen<br />

ausgeführte Umbau der Sophienkirche.<br />

Mit malerischen Durchblicken und einer einzigartigen Gartengestaltung war die<br />

Villa beispielhaft für die Spätromantik. In der Art eines englischen Herrschaftssitzes<br />

gebaut, ist sie das bedeutendste Zeugnis dieser Art im Dresdner Raum und<br />

ein Höhepunkt der von Arnold geprägten Neugotik. Das aus sächsischem Sand-


stein über asymmetrischem Grundriss errichtete Schloss wird durch einen Hauptturm<br />

und zwei Nebentürme akzentuiert. Die einzelnen Baukörper wirken additiv<br />

aneinandergefügt, werden aber durch Balustradenbekrönung, gleiche Untergeschoßhöhe<br />

und einheitliche Formensprache, die sich auch in der Innengestaltung<br />

spiegelt, verbunden. Die gesamte innere Ausstattung entspricht völlig dem<br />

für das Haus gewählten Baustil. Fußböden, Wandverkleidungen und Türen sind<br />

aus Holz hergestellt, einige Decken wurden in Stuck gearbeitet. Auch die damaligen<br />

Möbel sind nach Entwürfen Arnoldts nach mittelalterlichen Stilmotiven gearbeitet<br />

worden. Die Parkanlagen wurden von dem Gartenbauarchitekten H.S.<br />

Neumann entworfen. Der Großteil des 15 ha großen Geländes trägt natürlichen<br />

Laubwaldcharakter, während die Anlage um den Hauptbau bewusst dem<br />

Tudorstil angepasst ist.<br />

1925 übernahm der Dresdner Großindustrielle Dr. Ottomar Heinsius von<br />

Mayenburg, Besitzer der Leo-Werke, Schloss und Park. Die Innenräume des<br />

Obergeschosses wurden nach den Plänen seines Bruders, des Architekten von<br />

Mayen burg, zeitgemäß erneuert, wobei der Stilcharakter des unteren Bereiches<br />

vollständig bewahrt blieb. 1932 starb von Mayenburg, seine Witwe bewohnte<br />

das Haus noch bis 1947. Während der DDR-Zeit wurde das Schloss vorwiegend<br />

für Aktivitäten der Gewerkschaft, als Jugendbegegnungsstätte und ähnlichem<br />

genutzt. Nach der Wende ging es zurück in den Besitz der Familie von<br />

Mayenburg, die es aber verkaufte, so dass es heute im Besitz der ARGENTA-<br />

Unternehmensgruppe München ist, die es nach umfassender Restaurierung und<br />

Sanierung seit 1997 als Luxushotel nutzt.<br />

Quellen:<br />

Architekturführer Dresden, Dietrich Reimer Verlag,<br />

Berlin<br />

www.schloss-eckberg.de


40Tag 2


Zeitplan Freitag, 26.09.08<br />

08.00 Uhr Frühstück<br />

09.00 Uhr Abfahrt zur TU Dresden<br />

09.15 Uhr Vortrag an der TU Dresden mit Besichtigung der frei geformten<br />

<strong>Ziegel</strong>schale<br />

Vortrag + Führung: Dipl.-Ing. D. Wendland, W. Kurtz + F. Schneider<br />

Mommsenstraße 6<br />

10.30 Uhr Besichtigung TU Gebäude<br />

Architekten: Karl Weißbach, Oskar Kramer, Martin Dulfers<br />

Führung: Dipl.-Ing. D. Wendland, W. Kurtz + F. Schneider<br />

George-Bähr-Straße1 + 3c, Münchner Platz 1–3, Mommsenstraße 6<br />

11.00 Uhr Weiterfahrt zur TU-Bibliothek mit Bus<br />

11.15 Uhr Besichtigung der SLUB<br />

Architekten: Ortner + Ortner<br />

Führung: Dipl.-Ing. D. Wendland, W. Kurtz + F. Schneider<br />

Zellescher Weg 18<br />

11.45 Uhr Weiterfahrt nach Dresden-Albertstadt<br />

12.00 Uhr Besichtigung der Baustelle des Militärhistorischen Museums<br />

Architekt: Daniel Libeskind<br />

Führung: Dipl.-Ing. Arch. Jörg Scholich, SIB<br />

Olbrichtplatz<br />

13.00 Uhr Weiterfahrt nach Dresden-Hellerau<br />

13.15 Uhr Mittagessen im Restaurant Schmidt´s in Hellerau<br />

Architekt: Richard Riemerschmid<br />

Moritzburger Weg 67<br />

15.00 Uhr Besichtigung Hellerau<br />

Architekten: R. Riemerschmid, H. Tessenow, H. Muthesius<br />

Führung: Dipl.-Ing. Arch. Clemens Galonska<br />

Gartenstadt und Festspielhaus etc.<br />

Moritzburger Weg 67<br />

17.00 Uhr Weiterfahrt zum Sächsischen Landtag<br />

17.30 Uhr Spaziergang<br />

Sächsischer Landtag, Architekten: Barthold + Tiede, 1928–31,<br />

Peter Kulka, 1991–94<br />

Zwinger, Architekt: Matthäus Daniel Pöppelmann<br />

Semperoper, Architekt: Gottfried Semper<br />

Lipsiusbau, Ausstellungsgebäude an der Brühl´schen Terrasse,<br />

Kunstakademie, Architekten: Constantin Lipsius,<br />

Führung: Prof. Horst Thomas, Georg-Simon-Ohm Hochschule<br />

Nürnberg<br />

Bernhard-von-Lindenau-Platz/Ostra-Allee/Terrassenufer/Theaterplatz/Brühl´sche Terrasse<br />

18.45 Uhr Rückkehr zum Hotel zu Fuß<br />

19.00 Uhr Pause im Hotel Westin Bellevue Dresden<br />

Große Meißner Straße 15, 01097 Dresden<br />

19.30 Uhr Fahrt zum Restaurant Villa Marie beim Blauen Wunder<br />

20.00 Uhr Stehempfang und Abendessen im Restaurant Villa Marie<br />

Fährgässchen 1, 01309 Dresden, Telefon 0351/31 54 40<br />

23.30 Uhr Busfahrt zum Hotel mit Bus<br />

mit Bus<br />

mit Bus<br />

mit Bus<br />

mit Bus<br />

mit Bus<br />

mit Bus<br />

mit Bus


42Frei geformte Mauerschale<br />

Forschungsprojekt der Fakultät Architektur der TU Dresden<br />

Lehrstuhl Hochbaukonstruktion und Gebäudeerhaltung:<br />

Prof. Dipl.-Ing. Arch. C. Schulten<br />

Lehrstuhl Tragwerksplanung: Prof. Dr.-Ing. W. Jäger<br />

Betreuer: W. Kurtz, F. Schneider und D. Wendland, 2003–06<br />

Eine frei geformte Schalenkonstruktion demonstriert<br />

die Möglichkeiten des Mauerwerks jenseits<br />

von senkrechten ebenen Bauelementen. Die<br />

Form wurde in skulpturalen Arbeitstechniken entwickelt<br />

und auf Basis einer numerischen Modellierung<br />

so optimiert, dass sie standfest ist. Durch<br />

die Umsetzung in studentischen Seminaren wurde<br />

das Ob und Wie der praktischen Realisierbarkeit<br />

ausgelotet und bestätigt.<br />

Das Projekt zeigt die Formbarkeit von Mauerwerk<br />

auch im Rahmen der allgemeinen technischen<br />

Anforderungen an Mauerwerksbau, und<br />

die Wege, wie sich dies erreichen lässt. Dabei<br />

erweist sich auch die Machbarkeit geometrisch<br />

komplexer Schalenkonstruktionen aus Mauerwerk.<br />

Eine weitere Besonderheit liegt in dem Ansatz,<br />

mithilfe moderner Informationstechnik wie in<br />

einem industriellen Prozess einen direkten Informationsfluss<br />

von der Planung zur Fertigung zu<br />

etablieren.<br />

Ein großer Vorteil des Mauerwerks beim Bau von Schalenkonstruktionen ist die<br />

Möglichkeit, doppelt gekrümmte Flächen zu realisieren, und dabei sogar auf<br />

eine vollflächige Schalung zu verzichten. Ein Blick in die Architekturgeschichte<br />

zeigt zahlreiche Beispiele geschwungener, einfach oder doppelt gekrümmter<br />

Mauerwerksflächen, insbesondere Gewölbe mit geometrisch komplexen Formen,<br />

die mitunter sogar in Sichtmauerwerk ausgeführt sind. Überdies ist bekannt,<br />

dass gemauerte Gewölbe in vielen Fällen freihändig errichtet werden<br />

konnten.<br />

Im Mauerwerksbau geht derzeit die Tendenz jedoch hin zu großformatigen Elementen<br />

und dünnen Fugen, mit denen sich ohne weiteres nur ebene Wandflächen<br />

herstellen lassen. Die Möglichkeit, gekrümmte Flächen zu erzeugen, tritt in<br />

den Hintergrund, und damit ein Charakteristikum des Mauerwerks.<br />

Die experimentelle Schalenkonstruktion an der TU Dresden demonstriert nun ein<br />

weiteres Mal das Potenzial dieser faszinierenden „anderen Seite“ des Mauerwerksbaus.<br />

Sie zeigt die Machbarkeit einer geometrisch komplexen Form, die<br />

sich obendrein als Schale selbst trägt, unter Verwendung gängiger Materialien,<br />

entsprechend der Regeln für einen korrekten Mauerverband und im Rahmen geltender<br />

Normen.


Bei dem kleinen Gebäude auf dem Campus der Universität handelt es sich um<br />

eine Schale aus unbewehrtem Mauerwerk mit einem Randträger aus bewehrtem<br />

Mauerwerk. Die Abmessungen sind ca. 5,50 auf 4,50 m (Letzteres ist die größte<br />

freie Spannweite); die Schalendicke beträgt 11,5 cm, also einen Halbstein.<br />

Als Mauerziegel wurden Klinker im Dünnformat verwendet, als Mörtel diente<br />

Trasskalkmörtel. Für die Randträger der Schale wurde ein Konstruktionsdetail zur<br />

Bewehrung des Mauerwerks quer zur Lagerfuge entwickelt; ihre Bewehrung besteht<br />

aus Fiberglas-Stäben. Statt auf einer vollflächigen Schalung wurde die<br />

Schale über einem Lehrgerüst errichtet, das in einem Raster von 60 cm gitterförmig<br />

das Mauerwerk unterstützte und die Form vorgab; dieses wurde aus Sperrholzplatten<br />

hergestellt. Das Fundament ist eine einfache Betonplatte.<br />

Reverse Geometric Engineering<br />

Die Form der Mauerschale entstand im Wechsel von physischen und digitalen<br />

Modellen, wodurch die Vorteile beider Werkzeuge miteinander verbunden werden<br />

konnten. Der Formenreichtum, der sich bei der skulpturalen Arbeitsweise am<br />

physischen Modell erschließt, ist unvergleichlich; zudem ist das physische Modell<br />

besonders gut geeignet für die genaue und sichere intuitive Kontrolle der<br />

Form, weil es sich als Objekt im Raum unmittelbar der Wahrnehmung erschließt.<br />

Andererseits kann nur ein CAD-Modell eine exakte Formbeschreibung für den<br />

Entwurfs- und Herstellungsprozess liefern; es ermöglicht den durchgehenden Informationsfluss<br />

über alle Phasen der Planung bis zur Ausführung, und die numerische<br />

Modellierung des Tragverhaltens kann nur an diesem vorgenommen werden.<br />

Eine wesentliche Aufgabe lag somit in der Integration dieser verschiedenen Ebenen<br />

in einen durchgehenden Entwurfsprozess – dies wurde durch den Einsatz<br />

moderner Informationstechnik ermöglicht. Insbesondere ergab sich immer wieder<br />

die kritische Aufgabe, die Form des physischen Modells in ein CAD-Modell<br />

zu übertragen, indem diese basierend auf der Vermessung der Modelle am<br />

Rechner nachmodelliert wurde – ein Vorgang, der als „reverse geometric engineering“<br />

bezeichnet wird. Dieses Verfahren ist durchaus anspruchsvoll, denn<br />

wie erwähnt ist die Form weitaus komplexer, als dies bei einer von vornherein<br />

innerhalb der CAD-Umgebung entwickelten Form der Fall wäre; insbesondere<br />

stellt die Software für die numerische Modellierung besondere Anforderungen<br />

an das CAD-Modell.


44<br />

Freie Form und stabile Schalenform<br />

Ein weiterer Aspekt des Projekts ist die Frage eines Entwurfsprozesses für Schalenkonstruktionen,<br />

der trotz des engen Zusammenhangs zwischen Form und<br />

Tragverhalten den Architekten in die Lage versetzen kann, die Form solcher Konstruktionen<br />

zu bestimmen, und zugleich die aktuelle Architekturdiskussion reflektiert.<br />

Insbesondere wurde die Möglichkeit untersucht, eine Form zu finden, die in<br />

Bezug auf das Tragverhalten angemessen ist, ohne dabei von vornherein an eine<br />

optimale Schalenform gebunden zu sein.<br />

Die in diesem Projekt formulierte Position ist insofern auch als Beitrag dazu intendiert,<br />

die Rolle von Schalenkonstruktionen im architektonischen Repertoire zu revidieren.<br />

Offenbar lassen sich durch die Verwendung moderner Informations -<br />

technik die Möglichkeiten des Schalenbaus aus architektonischer Sicht wesentlich<br />

erweitern.<br />

Zwischen dem Ansatz einer formoptimierte Konstruktion einerseits, bei der die<br />

Schalenform entsprechend dem Gleichgewichtszustand innerhalb der Konstruktion<br />

entwickelt wird, und andererseits der traditionellen biegesteifen Konstruktion,<br />

bei der die Form für das Tragverhalten eine untergeordnete Rolle spielt,<br />

wurde bei diesem Projekt ein „dritter Weg“ versucht. Dazu wurde die Form<br />

zwar grundsätzlich ausgehend von den ästhetischen Qualitäten entwickelt, dabei<br />

aber immer wieder mit der Stabilitätsfigur unter ähnlichen Randbedingungen<br />

verglichen, was mithilfe einfacher Hängemodelle erfolgte.<br />

Das Ziel, die Form dahingehend zu entwickeln, daß ein Standsicherheitsnachweis<br />

möglich war, wurde allerdings erst mithilfe der numerischen Modellierung<br />

erreicht. Dabei wurde das Tragverhalten der am Modell entwickelten Form untersucht<br />

und schrittweise durch geringfügige Änderungen der Form verbessert.<br />

Das Ergebnis dieses Prozesses wurde erneut in ein physisches Modell übertragen,<br />

an dem auch die letzten Modifikationen vorgenommen wurden. Das letzte<br />

Wort zur Form des Bauwerks wurde somit am physischen Modell gesprochen.<br />

Dadurch konnte gesichert werden, daß die Qualitäten, die im Formfindungsprozess<br />

am Modell entstanden waren, auch im ausgeführten Bau erhalten bleiben<br />

würden. Unbeabsichtigte Veränderungen an der Form im Verlauf der weiteren<br />

Planung konnten sicher ausgeschlossen werden, und insbesondere die Modifikationen,<br />

die vor allem zur Verbesserung des Tragverhaltens sinnvoll waren, immer<br />

endgültig auf ihre plastisch-räumliche Qualität und die Übereinstimmung mit<br />

den ursprünglichen Intentionen überprüft werden.


Realisierung der freien Form in Mauerwerk<br />

Das Lehrgerüst wurde aus hölzernen Schalungsplatten hergestellt, die mithilfe<br />

der aus dem CAD-Modell generierten Schnittkurven zugeschnitten wurden; dazwischen<br />

konnten die Mauerschichten in den meisten Fällen freihändig gesetzt<br />

werden. Hierfür, sowie für die Anlage eines regelmäßigen Mauerverbandes,<br />

konnte auf die traditionelle Technik des Gewölbebau zurückgegriffen werden.<br />

Bei Anfertigung des Lehrgerüsts, Formkontrolle und Definition der Geometrie der<br />

Mauerschichten konnte eine durchgehende Prozesskette vom CAD-Modell bis<br />

zur Fertigung etabliert, und damit auch rationell gearbeitet werden. Diese Kette<br />

endete jedoch beim Versetzen der <strong>Ziegel</strong>, einschließlich des erforderlichen Zuschnitts<br />

an den Enden der Mauerschichten. Nur zur Formkontrolle wäre hier ein<br />

weiterer Einsatz moderner Informationstechnologie noch hilfreich gewesen.<br />

Das Mauern musste von Hand erfolgen; besonders mühsam war dabei die Herstellung<br />

der steil ansteigenden Mauerschichten, bei denen die frischen Stoßfugen<br />

stark gepresst wurden und daher mit Keilen gestützt werden mussten. Aufgrund<br />

der Schwierigkeiten bei der Formkontrolle mussten an einigen Stellen<br />

auch bereits gesetzte Schichten wieder abgetragen und erneut gemauert werden.<br />

Überhaupt stellt das Mauern einer gekrümmten Fläche in Sichtmauerwerk<br />

allerhöchste Anforderungen an das räumliche Vorstellungsvermögen und die<br />

handwerkliche Geschicklichkeit der Ausführenden, und das freihändige Mauern


Sponsoren/Materialspenden<br />

Wienerberger <strong>Ziegel</strong>industrie -– <strong>Ziegel</strong><br />

quick-mix Leipzig GmbH & Co.KG – Mörtel<br />

PERI GmbH – Holz- und Spanplatten<br />

Schöck Bauteile GmbH – Bewehrung<br />

Thyssen-Krupp – Arbeitsgerüst<br />

Kontakt: mauerschale@gmx.de<br />

Literatur:<br />

Nejati, M., J. Hoffmann und D. Wendland: Report<br />

on the structural modelling of the masonry<br />

shell „Space of Tranquillity“ (Arbeitsbericht).<br />

TU Dresden, Lehrstuhl Tragwerksplanung 2005<br />

Schneider, F.: Die Mauerschale (Seminararbeit).<br />

TU Dresden, Lehrstuhl Baukonstruktion und Gebäudeerhaltung<br />

2006<br />

Wendland, D.: Model-based formfinding processes:<br />

'Free forms' in structural and architectural<br />

design<br />

http://elib.uni-stuttgart.de/opus/volltexte/<br />

2001/761/<br />

Wendland, D., W. Jäger, und C. Schulten:<br />

Experimenteller Bau einer frei geformten Mauerwerksschale.<br />

Mauerwerk 2007, H. 4,<br />

S. 178–185<br />

Wendland, D.: Experimental Construction of a<br />

Free-Form Shell Structure in Masonry. In Proceedings<br />

IASS Symposium "Shell and Spatial Structures:<br />

Structural Architecture – Towards the future<br />

looking to the past", Venezia 2007<br />

Wendland, D.: Lassaulx und der Gewölbebau<br />

mit selbsttragenden Mauerschichten. Neumittelalterliche<br />

Architektur um 1825–48. Petersberg:<br />

M. Imhof, 2008 (im Druck)<br />

der stark geneigten Schichten im Scheitelbereich erfordert besonderes Können.<br />

Diese Fähigkeiten ließen sich entwickeln: die angehenden Architekten haben<br />

sehr gut gemauert, aber der Aufwand an Arbeitszeit war hoch.<br />

Unter dem Gesichtspunkt der aufgewendeten Arbeitszeit wären Überlegungen<br />

zur Möglichkeit der Fortsetzung der Prozesskette bis zur Fertigung des Mauerwerks<br />

durchaus von Interesse, etwa im Sinne einer automatisierten Fertigung. Allerdings<br />

hätte eine Vorfertigung im Werk keine Vorteile gebracht, sofern diese<br />

ebenfalls manuell erfolgt wäre. Aber vielleicht ist die Rationalisierung der Arbeitszeit<br />

auch nicht unbedingt ohne Alternative: es hat durchaus seinen Charme,<br />

die Möglichkeiten der Technik dort anzuwenden, wo sie von außerordentlichem<br />

Nutzen sind, wie bei den beschriebenen wesentlichen Stadien des Planungsund<br />

Verifizierungsprozesses und bei der Formkontrolle, insbesondere dem kontinuierlichen<br />

Informationsfluss zwischen den verschiedenen Stadien – und dann<br />

virtuos auf „alte“ Werte zu setzen: menschliche Kreativität, Sensibilität, Geschick<br />

lichkeit und solides Handwerk.<br />

Learning by doing<br />

Das Projekt wurde in einer Reihe von Lehrveranstaltungen gemeinsam entwickelt<br />

und realisiert: Architekturstudenten haben die Schale entworfen, die Form und<br />

konstruktive Ausbildung entwickelt, und sie auch schließlich selbst gemauert.<br />

Initiiert wurde das Projekt während des „International Short Course on Architectural<br />

and Structural Design of Masonry“, der 2003 an der Architekturfakultät der<br />

TU Dresden als Teil des vom Deutschen Akademischen Auslandsdienst geförderten<br />

Projekts „Traditional and Innovative Structures in Architecture“ (IQN) am Lehrstuhl<br />

Tragwerksplanung durchgeführt wurde.


Beteiligte<br />

Teilnehmer<br />

Beatriz Aybar Romero, Eugen Böhmer, Neus García, Gundula Frauer, Ina<br />

Haase, René Heda, Marcus Kistner, Hartmut Kutschale, Georg Lindenkreuz,<br />

Jörg Möser, Florian Schneider, Ulrike Schinkel, Jan Schrader, Christian Schulz,<br />

Benjamin Sonntag, Tanja Stock, Eva Trebin<br />

Baupraktikum<br />

Ronald Dienel, Daniel Eckert, Daniel Fritz, Carina Fürstenau, Susanne Häbold,<br />

Maximilian Hansen, Lissy Hegewald, Mandy Hermann, Max Kreisch, Albrecht<br />

Linke, Conrad Lohmann, Marie Löwenherz, Nico Mieth, Alexander Peinelt,<br />

Jenny Poldrack, Sven Seidel, Tilmann Steger, Kristin Tröger, Stefanie Uhlig,<br />

Doreen Ulbricht, Thomas Werner, Thomas Weise, Michael Wicke<br />

Statik und numerische Modellierung am Lehrstuhl Tragwerksplanung TU Dresden:<br />

Prof. Wolfram Jäger, Mahmoud Nejati, Torsten Pflücke, Jens Hofmann, Lukasz<br />

Drobiec.<br />

Die Modellvermessung wurde teilweise am Institut für Produktionstechik, TU<br />

Dresden, durchgeführt.<br />

Ein besonderer Dank gebührt Maurermeister Hans-Albrecht Gasch für die von<br />

ihm gegebene Einweisung in die Kunst des Mauerns.<br />

47


Karl Robert Weißbach wurde am 8. April 1841<br />

in Dresden geboren und starb ebenda am 8. Juli<br />

1905. Nach dem Besuch der Realschule absolvierte<br />

er eine Lehre im Bauhandwerk und besuchte<br />

parallel dazu die Baugewerkschule. Danach<br />

arbeitete er zunächst im Atelier des Dresdener<br />

Hofbaumeisters Krüger. Daran schloss sich ein<br />

Studium an der Kunstakademie in Dresden bei<br />

Prof. Hermann Nicolai an. 1863 erhielt er dort<br />

als Auszeichnung ein akademisches Reisestipendium,<br />

das er für eine Italienreise nutzte, auf der<br />

vor allem die Bauwerke der italienischen Renaissance<br />

studierte. Durch seine Mitarbeit an der<br />

von Adolf Gnauth und Heinrich von Förster herausgegebenen<br />

Publikation „Die Bauwerke der<br />

Renaissance in Toskana“ war es ihm möglich,<br />

den Italienaufenthalt zu verlängern.<br />

Erst 1866 kehrte er nach Dresden zurück und arbeitete<br />

als Bauführer (Bauleiter) für seinen Lehrer<br />

Hermann Nicolai, so z.B. beim Bau der viel beachteten<br />

„Villa Meyer“ in Dresden (1867/68).<br />

Schließlich wurde Weißbach 1869 selbst Professor<br />

an der Kunstakademie; diese Stellung und<br />

das mit ihr verbundene Prestige gab er jedoch<br />

auf, als das sächsische Kultusministerium nach einigen<br />

Jahren der Akademie einen Lehrplan vorschrieb,<br />

mit dem er nicht einverstanden war.<br />

1875 wurde er dann als Lehrer an der Hochbauabteilung<br />

des Königlichen Polytechnikums in<br />

Dresden tätig, aus dem später die Technische<br />

Hochschule Dresden hervorging. Neben seiner<br />

vielfältigen Lehrtätigkeit und einigen offiziellen<br />

Bauaufgaben arbeitete er nebenbei auch in<br />

selbstständiger Berufsausübung, so zwischen<br />

1884 und 1891 in Gemeinschaft mit dem Architekten<br />

Barth, einem ehemaligen Schüler. In<br />

Weißbachs „privatem“ Atelier arbeiteten zeitweise<br />

auch einige später bekannt gewordene<br />

Architekten, z.B. Georg Weidenbach (*1853),<br />

Rudolf Schilling (*1859) und Kurt Diestel<br />

(*1862). Einer seiner Schüler war Oswin<br />

Hempel.<br />

Das vierflügelige Gebäude gehört zum Komplex der ehem. Mechanischen Abteilung,<br />

welche zur Erweiterung der Technischen Hochschule am Beginn des<br />

Jahrhunderts von Weißbach, Professor für Architektur, errichtet wurde. Im heutigen<br />

Zeuner-Bau war das Hauptgebäude, im Berndt-Bau (Helmholtzstraße 7) die<br />

Mechanisch-Technische Versuchsanstalt und im Görges-Bau (Helmholtzstraße 9)<br />

das Elektrotechnische Institut untergebracht. Außerdem gehörten zwei Maschinenlaboratorien<br />

und ein Elektrizitätswerk zu dem Ensemble. Der Zeuner-Bau ist<br />

wie die anderen Gebäude mit <strong>Ziegel</strong> verkleidet. Sandsteinerne Sockel, Fensterund<br />

Türgewände – die im Krieg zerstörten wurden nicht ersetzt – gliedern die<br />

Fassade. Die Formen des monumentalen Gebäudes sind leicht historisierend.<br />

1930 wurde ein großer Hörsaal eingebaut und nach 1945 stockte man die<br />

Trakte zwischen den vorspringenden Eckrisaliten um ein Geschoss auf.


Das ehemalige Landgericht mit Untersuchungshaftanstalt besaß mit seinem<br />

Hauptgebäude und vier Flügeln einen kreuzförmigen Grundriss. Nachdem es<br />

1945 z.T. zerstört worden war, wurde es für die TH umgebaut. Das neuromanische<br />

Hauptgebäude am Münchner Platz wirkt burgartig, doch einzelne Elemente<br />

erinnern an den Jugendstil. Der Südflügel, heute Hülsse-Bau, wurde vollkommen<br />

umgestaltet. Dabei gab man die Zellenstruktur auf, um Hör- und Zeichensäle<br />

einzurichten. Das Kernstück der inneren Erschließung bildet die im Kreuzungspunkt<br />

der vier Flügel errichtete Haupttreppenanlage, welche durch einen<br />

gläsernen Dachaufbau belichtet wird. Die Treppenspindel, eine Stahlbetonkonstruktion,<br />

wird von acht Säulen getragen. Im inneren Kreis sind zwei gegeneinander<br />

versetzte, aber parallele Wendeltreppen wirkungsvoll von Geschoss zu<br />

Geschoss geführt.<br />

49<br />

Georg-Schumann-Bau der TU Dresden<br />

Münchner Platz 1–3<br />

Architekten: Oskar Kramer, 1902–07,<br />

O. Schubert, G. Münter, 1957–61


50Beyer-Bau der TU Dresden<br />

George-Bähr-Straße 1<br />

Architekt: Martin Dülfer, 1910–13<br />

Der Beyer-Bau ist neben den chemischen Instituten das einzige Gebäude, welches<br />

von Dülfers „Hochschulstadt“ zur Ausführung kam. Mit ihrer Klinkerfassade<br />

orientierte sich die ehem. Bauingenieur-Abteilung an den älteren Instituten Karl<br />

Weißbachs. Ornamentartig vorkragende <strong>Ziegel</strong> und farbig gefasste Sandsteinund<br />

Sichtbetonflächen beleben das Äußere. Die abgewalmten Dächer und<br />

leicht gewölbten Flacherker sind dem norddeutschen Landhausbau entnommen.<br />

Der östliche Hauptblock umschließt zwei Innenhöfe, während der Flügelbau<br />

schmaler ausgebildet ist. Den Observatoriumsturm gliederte Dülfer mit Lisenen<br />

und verzichtete auf eine Verblendung. Karl-Wilhelm Ochs, der ihn wiederaufbaute,<br />

hob diesen Gegensatz zum <strong>Ziegel</strong>bau durch Putz und Glas noch stärker<br />

hervor. Besonderer Wert wurde auf die Gestaltung der Innenräume gelegt.<br />

Sichtbeton und dunkles Holz sowie die von Dülfer entworfenen Lampen schufen<br />

eine sachliche Atmosphäre.<br />

Martin Dülfer wurde 1859 in Breslau geboren. Er studierte von 1877–79 an<br />

der TH Hannover und von 1879–80 an der TH Stuttgart. Nach dem Militärdienst<br />

1880/81 arbeitete Dülfer in dem Berliner Architekturbüro von Heinrich<br />

Kayser und Karl von Großheim, später in Breslau im Büro „Brost und Grosser“.<br />

1885/86 vollendete er sein Studium an der TH München bei Friedrich von<br />

Thiersch. Seine selbstständige Tätigkeit begann Dülfer 1887 in München, er<br />

baute zunächst in der zeit- und regionaltypischen neobarocken Spielart des Historismus.<br />

Um 1900 wandte er sich dann dem Jugendstil zu, dessen florales,<br />

geometrisches und texturales Repertoire er mit barocken und klassizistischen Stilelementen<br />

zu einem individuell geprägten, barockisierenden Jugendstil verband.<br />

Es entstanden Fassadenentwürfe, Geschosswohnungsbauten, Geschäftshäuser<br />

und Villen für das gehobene Bürgertum.


1902 erhielt Dülfer den Ehrentitel „Königlich Bayerischer Professor“. 1906 wurde<br />

er als Nachfolger von Karl Weißbach zum „ordentlichen Professor für das<br />

Entwerfen von Hochbauten“ an die TH Dresden berufen. Ab 1912 war Dülfer<br />

dort „Vorsteher“ der Hochbauabteilung, 1920–21 Rektor und unmittelbar danach<br />

zwei Jahre lang Prorektor der Hochschule. Er amtierte von 1908–12 als<br />

Vorsitzender des Bundes Deutscher Architekten (BDA). 1913 verlieh ihm die TH<br />

Dresden die Ehrendoktorwürde, eine zweite Ehrendoktorwürde erhielt er 1928<br />

von der TH Berlin-Charlottenburg. 1929 wurde Dülfer an der Dresdener Hochschule<br />

emeritiert. Danach nahm die Öffentlichkeit erst wieder bei seinem 80.<br />

Geburtstag (1939) von ihm Notiz; obwohl er einer Freimaurerloge angehört<br />

hatte und dadurch eigentlich im Sinne der nationalsozialistischen Kulturpolitik als<br />

„unzuverlässig“ galt, wurde ihm zu diesem Anlass die „Goethemedaille“ verliehen.<br />

Martin Dülfer starb Ende 1942, beim Luftangriff auf Dresden 1945 kam<br />

seine Witwe Käte Dülfer ums Leben und auch der Nachlass Dülfers wurde dabei<br />

vernichtet.<br />

51<br />

Fritz-Foerster-Bau der TU Dresden<br />

Mommsenstraße 6<br />

Architekt: Martin Dülfer, 1917–26<br />

Umbau des Fritz-Foerster Baus zum Hauptgebäude<br />

der Architektonischen Fakultät (bis 2007)<br />

Thomas Will (Hg.): Der Fritz-Foerster-Bau als zukünftiges<br />

Domizil der Architekturfakultät der TU<br />

Dresden, Dresden 2004, (Auszug)<br />

„Errichtet als ein wichtiges Glied in der Kette der<br />

von Dresdner Professoren geplanten Hochschulbauten,<br />

belegt der Fritz-Foerster-Bau beispielhaft<br />

die städtebauliche und architektonische Entwicklung<br />

der TH in den 20er Jahren. Die Campus-<br />

Planung Dülfers von 1906 –10 erfuhr nach dem<br />

1. Weltkrieg mit dem Gebäude der Chemischen<br />

Institute eine sehr reduzierte, sparsame Umsetzung,<br />

die insbesondere an der heute noch ablesbaren<br />

städtebaulichen Achse von der George-<br />

Bähr-Straße zum Haupteingang des Gebäudes<br />

erkennbar ist. Stilistisch und bautypologisch ist<br />

der Foersterbau ein Dokument der Auseinandersetzungen<br />

in der Hochschularchitektur der Weimarer<br />

Republik. Der Foersterbau steht hier als ein<br />

Beispiel einer zwischen Reform und Bautradition,<br />

zwischen Sachlichkeit und monumentalem künstlerischem<br />

Ausdruck vermittelnden Backsteinarchitektur,<br />

wie wir sie im niederländischen und<br />

deutschen Expressionismus, etwa bei Fritz Höger,<br />

finden, und wie Dülfer selbst sie bereits bei seinem<br />

Stadttheater in Lübeck (1906– 08) erprobt<br />

hatte. Bei den Chemischen Instituten ist aber vor<br />

allem – in finanziell bedingter einfacher Form –<br />

die Bauweise der auf dem neuen Universitätsgelände<br />

bereits von Weißbach errichteten Hochschulgebäude,<br />

die sämtlich in Klinkern verkleidet<br />

waren.“<br />

Quellen:<br />

www.das-neue-dresden.de/fritz-foerster-bau_tudresden.html


52SLUB<br />

Sächsische Landes- und Universitätsbibliothek Dresden<br />

Zellescher Weg 18<br />

Architekt: Ortner&Ortner, 1999–2003<br />

Mit der Zusammenführung der Sächsischen Landes-, Staats- und Universitätsbibliothek<br />

entsteht eine Bibliothek von europäischer Bedeutung. Um die große<br />

Baumasse in die parkähnliche Anlage des ehemaligen Sportplatzes möglichst<br />

ohne Beeinträchtigung der weiteren Freiräume zu integrieren, sind die wesentlichen<br />

Funktionen zwischen zwei Riegeln auf die Untergeschosse verteilt. Nur die<br />

zwei Natursteinquader mit Cafeteria, Magazin und Verwaltung ragen als klare<br />

Kuben aus den Rasenflächen heraus, die von horizontalen Oberlichtern der unterirdischen<br />

Erschließungs- und Lesesaalbereiche wie Wasserbecken historischer<br />

Schlossanlagen gegliedert wird. Der Eingang liegt unter einer Kolonnade der<br />

Stirnseite des westlichen Baukörpers und nutzt den Halbkreis der ehemaligen<br />

Laufbahn als vertieften Eingangshof. Das Foyer taucht den Besucher über eine<br />

Treppe unter einem Oberlichtsaal in die unterirdische gediegene Welt von Säulenreihen,<br />

Galerien und Stegen bis hin in den zentral gelegenen Lesesaal. Dieser<br />

dreigeschossige, von oben belichtete Lesesaal ist das Herzstück des Ent -<br />

wurfs, um den herum sich sämtliche Funktionen anordnen.<br />

Die Fassaden der zwei oberirdischen Gebäude sind mit Thüringer Travertin verkleidet.<br />

Unregelmäßige vertikale Nuten in den Natursteinplatten erinnern an<br />

Buchrücken in den Regalen traditioneller Bibliotheken oder Strichcodes als mediale<br />

Form der Informationsspeicherung. Gemeinsam mit den schmalen durch<br />

Silikon geschlossenen Fugen entsteht ein monolithisches Erscheinungsbild, das<br />

für eine konventionell konstruierte vorgehängte Fassade ungewöhnlich ist.<br />

Dieser strenge Bau ist eine Huldigung an die Rationalität, die die Architekten<br />

aus der vorrangig intellektuellen Beschäftigung mit dem geschriebenen Wort ableiten.<br />

Emotionalität und Sinnlichkeit werden dagegen unterdrückt, um die angestrebte<br />

Konzentration auf eine dichte Arbeitsatmosphäre zu intensivieren. Sehr<br />

schmale Fensterschlitze verhindern zudem eine mögliche Ablenkung durch zuviel<br />

Wahrnehmung von Außenwelt, worunter u.a. die Mitarbeiter des hinteren Verwaltungsflügels<br />

zu leiden haben. Das Bunkerhafte der Architektur manifestiert<br />

sich in den exorbitant hohen Energiekosten, die die künstliche Beleuchtung der<br />

weitgehend unterirdischen Leseräume verursachen.<br />

Eine gewisse Poesie stellt sich durch das Licht- und Schattenspiel der fein gefrästen<br />

Nuten zwischen den „Buchdeckeln“ ein. Doch die inhaltsleere „neutrale“<br />

Textur erreicht durch die endlose Wiederholung des Themas keine wirkliche<br />

Lebendigkeit. Der Blick kann nicht verweilen und gleitet an der monolithischen<br />

Fassade ab. Die Abstraktion der äußerst strengen Form vermittelt lediglich den<br />

Gedanken von Reduktion. Manch einer findet jedoch gerade das ansprechend<br />

wie z.B. der Architekturkritiker Wolfgang Kil, der neben den funktionalen Vorzü-


gen besonders die „statuarische Ernsthaftigkeit“ preist. Im Vergleich zur neuen<br />

Universitäts-Bibliothek in Magdeburg von Auer&Weber vermisst man jedoch,<br />

gerade was die Funktionalität angeht, ein geräumiges, einladendes Foyer, welches<br />

zur Kommunikation ermuntert. Selbiges ist in Dresden zu niedrig und unkommunikativ<br />

geraten. Desgleichen die enge Cafeteria.<br />

Diese im Äußeren betont sachlich-funktionale Architektur entbehrt eines wirklich<br />

künstlerischen Gegengewichtes, welches der Auseinandersetzung mit dem Wort<br />

ein Ziel, eine Richtung, eine ethische Richtschnur mitgeben würde. Jene bloße<br />

Anbetung eines wissenschaftlich-technisches Zeitalters ohne eine humanistische<br />

Verankerung birgt erneute Gefahr von sich verselbständigendem Forscherdrang.<br />

Doch die Leere des Vorplatzes am Eingang ist symptomatisch für einen reinen<br />

Zweckbau und letztlich für eine wenig visionsreiche bundesrepublikanische<br />

Gegenwart.<br />

Vielleicht wäre eine aussagefähige Botschaft gewesen, wie Aufklärung angesichts<br />

der Flut von weltweiten Publikationen und medial produzierten bzw. gespeicherten<br />

Wissens(müll) im neuen 21. Jahrhundert sinnvoll fortgeführt werden<br />

könnte. Ein sich Verstecken hinter der Beliebigkeit positionsloser Stein- (und<br />

Glas)kulissen kann aber keine Antwort auf drängende Herausforderungen der<br />

gemeinsamen globalen Zukunft sein. Der strenge Bau strahlt einen sehr kühlen<br />

Vernunftsrationalismus und die Herrschaft der abstrakten Moderne aus. Kalte<br />

Geometrie im Äußeren, im Inneren dagegen erreichen die Architekten mit schönen<br />

Materialien, wozu sogar der unverputzte Beton zählt, durchaus eine gewisse<br />

Wärme und wohlige sächsische Behaglichkeit.<br />

www.detail.de/Archiv/De/HoleArtikel/5275/<br />

Artikel<br />

www.slub-dresden.de


54Militärhistorisches Museum<br />

Olbrichtplatz 2<br />

Arsenal: 1874–75<br />

Architekt: Daniel Libeskind (und Hans-Günter Merz), 2003–10<br />

Autor: Andreas Platthaus, FAZ 14. August 2003<br />

(gekürzter Text)<br />

Durch die klassizistische Fassade wird schräg ein Keil getrieben, dessen Spitze<br />

sich wie ein Schiffsbug links neben dem Eingang auftürmt: 30 m hoch und damit<br />

8 m mehr als die säulenverzierte Triumphbogenfront des Mittelflügels. Aus<br />

Stahlbeton wird dieser Keil geformt sein, doch rundum verglast und nachts erleuchtet,<br />

so daß die Spitze glühen wird über Dresden. Nach hinten durchschneiden<br />

zwei abfallende Flanken des Keils das Gebäude; die rechte durchdringt<br />

das Foyer und quert einen der beiden Höfe bis zum rechten Seitenflügel, die<br />

andere endet, nachdem sie den Mittelflügel touchiert hat, im linken Hof, und<br />

selbst hier noch übertrifft die Höhe des Keils den First des Altbaus.<br />

Die Entscheidung für Libeskind erfolgte ohne öffentliche Debatte, die das andere<br />

Dresdner Projekt des Architekten, einen Glasquader inmitten der Neustadt, noch<br />

verhindert hatte. Libeskind hat daraus gelernt; sein aktueller Entwurf erfüllt genau<br />

die Erwartungen des Auftraggebers.<br />

Aber Libeskind ist noch mehr gelungen: die Geschichte des Bauwerks selbst<br />

durch seine Architektur zum Sprechen zu bringen. Es ist die Geschichte von<br />

sächsischen und deutschen Kriegstragödien. Nördlich der Stadtgrenze entstand<br />

von 1873 bis 1879 die damals größte Kasernensiedlung Europas, die 1877<br />

nach dem nun regierenden König „Albertstadt“ benannt wurde. Kern des 360<br />

Hektar großen Areals ist das Arsenal, ein gewaltiger dreiflügliger Bau, eingerahmt<br />

und dadurch wie ein Solitär ausgestellt von eleganten Magazin- und Verwaltungsgebäuden.<br />

Der Bau wurde auf einem Plateau errichtet, das in der di -<br />

rekten Verlängerung der historischen Achse Schloß-Augustusbrücke–Bautzner<br />

Platz (heute Albertplatz) liegt. Wie eine Akropolis thront das 1876 vollendete<br />

Arsenal hoch über Dresden auf der Neustädter Elbseite, und weil der Bau im<br />

neoklassizistischen Tempelstil errichtet wurde, taufte der Volksmund die Anlage<br />

„Casernopolis“.


Noch heute besticht die monumentale Inszenierung mit der breiten Freitreppe,<br />

die vom Olbrichtplatz zum Arsenalgebäude führt. Hat man den grässlichen<br />

Flachbau, der 1972 dem Haupteingang vorgebaut wurde, durchschritten, betritt<br />

man die ehemalige Geschützhalle im Erdgeschoß, wo 152 mächtige Sandsteinpfeiler<br />

kleine Kreuzgewölbe tragen. Der von außen leicht verspielt gestaltete<br />

Bau erweist sich im Inneren als klar gegliederte Zweckarchitektur zur Lagerung<br />

von Waffen. Kein Wunder, daß man die Bauplanung 1873 der Militärbaudirektion<br />

überlassen und namhafte Dresdner Architekten wie Hermann<br />

Nicolai und Gustav Rumpel lediglich für Detailarbeiten, vor allem an den Fassaden,<br />

verpflichtet hatte.<br />

In dem erstaunlichen Säulen- und Kuppelwald des Erdgeschosses haben im 20.<br />

Jahrhundert fünf verschiedene politische Systeme ihre jeweilige Sicht auf Militärgeschichte<br />

ausgestellt. Denn das Arsenal hatte schon kurz nach Fertigstellung<br />

seine militärische Funktion verloren. 1897 eröffnete im jetzt leeren Bau die „Historische<br />

Waffen- und Modellsammlung“, die während der Weimarer Republik<br />

zum „Sächsischen Armeemuseum“ umgestaltet wurde. Dessen Waffensammlungen<br />

erfreuten das Herz der Nazis, die das Gebäude 1940 zum „Heeresmuseum“<br />

aufwerteten. Die sowjetischen Sieger ließen 1945 unmittelbar neben der<br />

Zufahrt zum Arsenal ein erstaunlich zurückhaltendes Denkmal für ihre Gefallenen<br />

setzen und gemeindeten den bis dahin autonomen Gutsbezirk Albertstadt nach<br />

Dresden ein. Die militärische Tradition des Ortes aber blieb gewahrt: erst durch<br />

die erneute Nutzung als Kaserne und dann von 1972 an durch die Wiedereröffnung<br />

des seit 1943 geschlossenen Heeresmuseums unter dem Namen „Armeemuseum<br />

der DDR“.


Quellen:<br />

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.08.2003<br />

www.daniel-libeskind.com<br />

Photo Credits:<br />

©SDL: Images 1–9<br />

©Lubic & Woehrlin Architekten<br />

Mit seinem Neubau des Imperial War Museum in Manchester hat der polnische<br />

Architekt bewiesen, daß er dem heiklen Thema Kriegsgeschichte gewachsen ist.<br />

Seitdem weiß man, daß die Aufschreie wegen der angeblichen Zerstörung des<br />

denkmalgeschützten Arsenals durch den Umbau voreilig waren. Denn der gigantische<br />

Keil, den sich die Bundeswehr 35 Millionen Euro kosten lässt, kommt<br />

ohne tragende Teile im Inneren des alten Gebäudes aus, obwohl er sich durch<br />

das gesamte Museum zieht. Er ist in bester Tradition des Hauses Fassadenarchitektur,<br />

denn hinter seinen Glaswänden bleibt nicht nur die Front des Arsenals erhalten,<br />

sondern der Libeskind-Umbau orientiert sich auch an den alten Etagenhöhen,<br />

so daß bis auf wenige Ausnahmen auch die Geschoßdecken vollständig<br />

bewahrt werden können – und damit auch der faszinierende Pfeilersaal des<br />

Parterres. Der Glaskeil im Museum symbolisiert keinen Triumph, sondern die Öffnung<br />

der demokratischen Armee nach außen und deren Transparenz nach<br />

innen – wenn auch auf den Computersimulationen von Hans-Günther Merz, der<br />

als Partner Libeskinds für die museale Konzeption des Entwurfs zuständig ist, die<br />

Wände des Keils im Inneren blutrot gestaltet sind. Besonders spektakulär sollen<br />

die „Vertikalen Ausstellungen“ wirken: Durchbrüche von bis zu vier Stockwerken<br />

im Keil, in denen Raketen und ähnliches präsentiert werden. Im neuen Teil des<br />

Museums wird ein so genannter Themenparcours gestaltet, der in acht bis zehn<br />

kleineren Abteilungen Militär als Kulturgeschichte darstellen soll.


„Beyond the Arsenal“ hat Libeskind sein Konzept getauft, und damit ist nicht nur<br />

die den Altbau in jeder Hinsicht überragende neue Architektur gemeint, sondern<br />

auch die Fortführung des Konzepts vom Arsenal als Lagerstätte von Heeresgut.<br />

Eine Million Stücke wird die Sammlung umfassen, statt bisher 5.000 m 2 Ausstellungsfläche<br />

werden nach Abschluss des Umbaus im Jahr 2008 12.000 bereitstehen.<br />

Und es wird eine neue Touristenattraktion geben, die im „Café Dresdenblick“<br />

in der Spitze des Keils ihren buchstäblichen Höhepunkt finden soll.<br />

Man möge, so Libeskind, seinen Entwurf als Verweis auf den Einschnitt verstehen,<br />

den die deutsche Militärgeschichte für Europa bedeutet habe, und auf die<br />

Zerstörung Dresdens. Tatsächlich zielt der Keil wie ein Pfeil auf die zerbombte<br />

Innenstadt, doch die direkte Linie zur Frauenkirche hat Libeskind pietätvoll vermieden.<br />

Den Blitze schleudernden Zeus will er nicht geben; nur Blicke sollen<br />

von seinem Keil aus über die Elbe in die Altstadt geworfen werden. Eine solch<br />

virtuose Kombination von alter und neuer Architektur kommt nicht zweimal. Die<br />

Stadt bekommt damit rechtzeitig zum Abschluss des Frauenkirchenwiederaufbaus<br />

ein neues Prestigeprojekt.<br />

Credits:<br />

Design Team Leader :<br />

Jochen Klein<br />

Design Team:<br />

Peter Haubert, Guillaume Chapallaz,<br />

Marcel Nette, Ka Wing Lo, Helko Rettschlag,<br />

Ina Hesselmann<br />

Joint Venture Partner:<br />

Architekt Daniel Libeskind AG<br />

Cost and Site Supervision:<br />

Lubic & Woehrlin Architekten, Berlin<br />

Structural Engineer:<br />

GSE Ingenieur-Gesellschaft mbh<br />

Mechanical/Electrical:<br />

Ipro Industrieprojektierung<br />

Civil Engineer:<br />

Arnold Consult<br />

Auditing Statics:<br />

Ing. Consult Cornelius-Schwarz-Zeitler GmbH<br />

Landscape Architect:<br />

Dipl.-Ing. Volker von Gagern<br />

Fire Protection Consultant:<br />

Ingenieurbuero Heilmann, Pirna<br />

Lighting Designer:<br />

Delux AG<br />

Exhibition Design:<br />

Prof. HG Merz, Stuttgart with<br />

Holzer Kobler Architekturen (Switzerland)<br />

Demolition:<br />

Bertram für Bau und Gewerbe<br />

Foundation, Steel Beams:<br />

Firma Bauer Spezialtiefbau<br />

Raw Construction:<br />

Hentschke Bau<br />

Steel Construction, Wedge:<br />

Gerhard Schilling Stahlbau und Montage<br />

Steel Construction, Floor Plates:<br />

Stahlbau Verbundtrager<br />

Facade:<br />

Josef Gartner GmbH, Gundelfingen


58HELLERAU Gartenstadt<br />

Von Marion Nagel, Dresden (gekürzter Text)<br />

Fünf, sechs Kilometer vom <strong>Zentrum</strong> Dresdens entfernt<br />

liegt Hellerau. Ein großes Stück Wald, die<br />

Dresdner Heide, trennt die Neustadt mit ih ren<br />

Grunderzeithäusern von Hellerau, rund 6000<br />

Leute leben hier. Der Rundgang durch die Gartenstadt<br />

Helleraus beginnt dort, wo auch schon<br />

vor 100 Jahren das „Herz“ der Siedlung schlug,<br />

bei den Deutschen Werkstätten. Das ehemalige<br />

Fabrikgebäude erinnert mit seiner Form an eine<br />

Schraubzwinge und entstand ab 1909 innerhalb<br />

nur eines Jahres nach Entwürfen des Industriellen<br />

Karl Camillo Schmidt und des Archi tekten<br />

Richard Riemerschmid. Hier wurden anfangs<br />

Möbel, Wandverkleidungen und Hauseinrichtungen<br />

und später eine frühe Art der „Fertigteil-Holzhäuser“<br />

in Serie gebaut. „Die Arbeits be dingungen<br />

zu dieser Zeit waren hier gerade zu revolutionär“,<br />

erzählt Clemens Galonska. Er ist selbst<br />

Architekt, lebt in Hellerau und führt interessierte<br />

Besucher regelmäßig durch die Siedlung.<br />

Das ehemalige dreigeschossige Fabrikgebäude<br />

ist eher schmal und erinnert an ein ländliches<br />

Gut. Innen verbreiten die großen Fenster eine<br />

wunderbare Tageslichtatmosphäre – ideal für die<br />

damalige Zeit. Jeder Arbeiter hatte eine eigene<br />

Werkbank, die Späne und Abfälle wurden gesammelt<br />

und unter dem Hof durch Kanäle zum<br />

„Spänebunker“ abtransportiert und später verbrannt.<br />

Mit der gewonnenen Energie wurde<br />

Wasser erhitzt und teilweise der Strom für Hellerau<br />

gewonnen. Das Maschinenhaus in dem vormals<br />

die großen Turbinen für die Stromerzeugung<br />

standen, ist heute ein zentraler Punkt für Veranstaltungen<br />

der Bewohner von Hellerau. Karl Camillo<br />

Schmidt war gelernter Tischler und grundete<br />

1899 seine „Dresdner Werkstätten für Handwerkskunst“.<br />

Der im erzgebirgischen Zschopau<br />

Geborene hatte schon früh erkannt, daß die miserablen<br />

Lebensbedingungen der Arbeiter im<br />

ausgehenden 19. Jahrhundert in Mietskasernen<br />

und dunklen Hinterhöfen einen direkten Einfluss<br />

auf die Produktivität haben. In ihm reifte die<br />

Idee, die Wohn- und Lebensbedingungen seiner<br />

Arbeiter nach dem Vorbild der sogenannten „Lebensreformer“<br />

zu verbessern und eine Siedlung<br />

ganz nach dem Modell der englischen „Garten-<br />

Fußend auf dem Gartenstadtgedanken von Ebenizer Howard, gründete der Unternehmer<br />

Karl Camillo Schmidt 1909 unweit von Dresden die Gartenstadtsiedlung<br />

Hellerau zusammen mit seinem Neubau seiner „Dresdner Werkstätten für<br />

Handwerkskunst“. Die Einheit von Wohnen und Arbeit, Kultur und Bildung, in ei -<br />

nem von der Lebensreform geprägten Organismus, ist der gebaute Anspruch<br />

der Gartenstadt Hellerau. Als schon bedeutender Vertreter der Reformbewegung<br />

im Möbel-, Innenausbau und in der Handwerkskunst, sah Karl Camillo Schmidt


in der Realisierung Helleraus eine Gelegenheit, Boden-, Wohnungs- und Sozialreformbestrebungen<br />

in einem Gesamtwerk umsetzen zu können. Der von Karl<br />

Camillo Schmidt beauftragte Architekt Richard Riemerschmid plante den Bau der<br />

Werkstätten und dazu eine Wohnsiedlung, mit Kleinstwohnhäusern für die Arbei<br />

ter, geräumigen Landhäusern, Markt, Geschäften, Wasch- und Badehaus,<br />

Praxen, Ledigenwohnheim, Schule und Schülerwohnheim. Heinrich Tessenow,<br />

Hermann Muthesius und Curt Frick gehören mit zu den renommierten Architekten,<br />

die in Hellerau ganze Straßenzüge beplanten. Reformbegeisterte aus ganz<br />

Europa kamen, um Zeuge der real praktizierten Lebensreform zu werden. Der<br />

Tod Wolf Dohrns und der Ausbruch des 1. Weltkrieges beendete die Sturm- und<br />

Drangzeit Helleraus. Mit einzelnen reformpädagogischen Konzepten und kulturellen<br />

Projekten konnte Hellerau in den Folgejahren kurzfristig noch an die anfänglichen<br />

Glanzzeiten anknüpfen. Ende der dreißiger Jahre wurde die Bildungsanstalt<br />

für Rhythmische Gymnastik von den Nationalsozialisten in einen<br />

Kasernenhof umgebaut, und nach 1945 von den russischen Besatzungsmächten<br />

weiter militärisch genutzt. Mit zeitgenössischen Darbietungen und jungen<br />

kulturschaffenden Institutionen vor Ort entwickelt sich das Festspielhaus heute zu -<br />

neh mend zu einem der wichtigen Veranstaltungsorte in Dresden. Die Deutschen<br />

Werkstätten knüpften in benachbarten neuen Werkhallen längst an ihre alte<br />

handwerkliche Traditionen an und sind international erfolgreich im hochwertigen<br />

Innenausbau tätig. Die historischen Räumlichkeiten der Werkstätten sind ein Pool<br />

für Ingenieur- und Dienstleistungsunternehmen geworden, die sich der Nachhaltigkeit<br />

und Umweltverträglichkeit verschrieben haben. Ganz Hellerau ist heute<br />

ein Flächendenkmal, nicht ausschließend, daß auch Modernes entsteht; ist es<br />

doch gerade die Tradition von Hellerau, Neues und Zukunftsweisendes hervorzubringen.<br />

www.dresden-hellerau.de/src/hellerau.html<br />

www.hellerau.de/helleraubilder.htm<br />

stadt“ zu bauen. Der Grundgedanke dieses Modells<br />

ist es, die Vorteile des städtischen Wohnens<br />

mit den Vorzugen des Lebens auf dem Land zu<br />

verbinden. Schmidt beauftrage den Maler, Kunsthandwerker<br />

und Architekten Richard Riemerschmid,<br />

eine Siedlung, Werkstätten, sowie Gär -<br />

ten und Straßen zu entwerfen. 1909 erfolgte der<br />

erste Spatenstich für die Deutschen Werkstätten<br />

Hellerau, kurz danach standen die ersten<br />

Häuser.<br />

In der Straße „Am Grünen Zipfel“ erkennt man<br />

das Gartenstadtprinzip auf den ersten Blick. „Für<br />

mich ist das die schönste Straße in Hellerau“,<br />

meint Clemens Galonska. Sechs bis acht Häuschen<br />

stehen in einer Reihe auf jeder Seite der<br />

Straße, jede Familie hat einen eigenen Eingang<br />

und eine kleinen Vorgarten. „Gemessen an unseren<br />

heutigen Verhältnissen sind die Häusern, in<br />

denen die Arbeiter der Werkstätten mit bis zu<br />

zehn Personen wohnten eher klein“, so Galons -<br />

ka. Doch sie waren hell und trocken, der Weg<br />

zur Arbeit kurz und der kleine Gemüsegarten hinter<br />

dem Haus diente der Versorgung. Die Häuser<br />

waren einfach und funktional gebaut. Fertigteile,<br />

wie zum Beispiel die Fensterbänke, wurden in<br />

Se rie produziert und sind bei allen Häusern der<br />

Straße gleich. So waren sie finanzierbar und die<br />

Miete für die Arbeiter erschwinglich. Schmidt,<br />

der Gründer von Hellerau, lebte wie seine Arbeiter<br />

in einem Haus in der Siedlung. Auch wenn es<br />

etwas größer ausfiel – das Grundmodell war<br />

das gleiche. Die kurzen Wege sind erhalten geblieben,<br />

hinter jedem Haus führt ein Netz von<br />

autofreien, grünen Gartenwegen durch die Siedlung.<br />

Nachbarschaftliche Kommunikation funktioniert<br />

bis heute über die niedrigen Gartenzäune<br />

hinweg.<br />

„Für die Studenten des Masterstudiengang Denkmalpflege<br />

und Stadtentwicklung der TU Dresden,<br />

ist Hellerau die beste Möglichkeit praxisnah viele<br />

Aspekte zu üben“, sagt Susanne Jaeger. Sie vertritt<br />

die Professur „Denkmalpflege und Bauforschung“<br />

an der Universität. Bei Gesprächen mit<br />

den Bewohnern haben die Studenten herausgefunden,<br />

was die Qualitäten der Gartenstadt sind<br />

und wie sehr sich die Hellerauer mit ihrer Siedlung<br />

identifizieren. Die Ergebnisse wurden auf<br />

dem Kongress vorgestellt. Die aus Australien,<br />

Großbritannien, Deutschland und den Niederlanden<br />

angereisten Kongressteilnehmer rücken Themen<br />

wie Gemeinschaft, Identität, Über schaubar -<br />

keit und Nähe zum Arbeitsplatz kurz – eine<br />

großstadtkritische Haltung – in den Mittelpunkt.<br />

Die Stadtplaner von heute lernen aus den Erfahrungen,<br />

die man mit großstadtkritischen Formen<br />

– und nichts anderes ist Hellerau – gemacht hat.<br />

Quelle:<br />

www.stern.de/wissenschaft/mensch/:Dresden-<br />

Hellerau-Lebendige-Kritik-Großstadt


60HELLERAU Festspielhaus<br />

Karl-Liebknecht-Straße 65<br />

In neuem Glanz<br />

Sanierung Festspielhaus Hellerau in Dresden<br />

Architekt: Heinrich Tessenow, 1910–1912<br />

Sanierung: Meier-Scupin & Petzet, 2002–2010<br />

Hellerau – kaum ein Name ist so eng mit der<br />

deutschen Lebensreformbewegung am Beginn<br />

des 20. Jahrhunderts verbunden wie dieser. Hier<br />

entstand 1910 die Möbelfabrik „Deutsche<br />

Werk stätten“, hier wurde ab 1909 eine wegweisende<br />

Gartenstadt errichtet, und hier konnte<br />

1912 das von Heinrich Tessenow entworfene<br />

Festspielhaus eingeweiht werden, in dem der<br />

Tanzpädagoge Emil-Jaques Dalcroze die „Schule<br />

für Rhythmus, Musik und Körperbildung Hellerau“<br />

betrieb. Erfreulicherweise ist die Vitalität<br />

Helleraus auch heute noch ungebrochen. Die<br />

„Deutschen Werkstätten“ haben gerade ein<br />

neues Pro duktionsgebäude eingeweiht, die Gartenstadt<br />

präsentiert sich in frisch saniertem<br />

Glanz, und Anfang September (2006) ist auch<br />

das Festspielhaus seiner Wiederbelebung ein<br />

großes Stück nä her gekommen. Denn an diesem<br />

Tag wurde hier das „Europäische <strong>Zentrum</strong> der<br />

Künste“ eingeweiht, das ein umfangreiches Programm<br />

von Ballettaufführungen, Konzerten und<br />

Theaterveranstaltungen anbieten will. Vorausgegangen<br />

war der Wiederbelebung eine wechselhafte<br />

Geschichte. Die zivile Nutzung des<br />

Fest spielhauses währte nur bis 1935. Anschließend<br />

ergriffen nacheinander die Polizei, die<br />

SA, die SS, die Wehrmacht und schließlich die<br />

sowjetische Ar mee von dem Gebäude Besitz.<br />

Nach dem Ab zug der Militärs 1992 war das<br />

Festspielhaus ei ne Ruine mit Putzschäden, löchrigen<br />

Dächern, maroden Decken, verrotteten<br />

Wasser- und Elektroleitungen. Umso mutiger war<br />

Das Festspielhaus Hellerau und die Anfänge des experimentellen Theaters<br />

von Cynthia Schwab (gekürzter Text)<br />

Wer das Festspielgelände in Hellerau betritt, und sei es zum ersten Mal, gerät<br />

unwillkürlich in den Sog dieser großartigen Anlage, deren spannungsreiche Mischung<br />

aus Verfall, Überformung und ungebrochener Repräsentanz den Atem<br />

der Geschichte spüren lässt. Ein ungewöhnlicher, versteckt gelegener Ort,<br />

scheinbar ohne Anbindung, in dessen einsamer Monumentalität jene kulturellen<br />

Visionen aufscheinen, die hier zu Beginn des 20. Jahrhunderts ihre bauliche und<br />

praktische Umsetzung erfuhren. Das Festspielhaus und seine vorgelagerten Pensionshäuser,<br />

die nicht mehr komplett in ihrer ursprünglichen Formation erhalten<br />

sind, haben am Vorabend des 1. Weltkrieges wie ein Magnet Menschen aus<br />

ganz Europa angezogen. Dies geschah jedoch keineswegs in klösterlicher Abgeschiedenheit.<br />

Die damals weithin bekannte Erprobungsstätte einer künstlerischen<br />

und intellektuellen Avantgarde sowie sozialer Reformversuche ist un trennbar<br />

verbunden mit der Entstehung der ersten Gartenstadt Deutschlands, der Gartenstadt<br />

Hellerau, in deren Folge Architektur, Kunsthandwerk und Kunstgewerbe,<br />

Rhythmik, Musik und Bühnenästhetik zu einer höchst eigenwilligen Symbiose fanden.<br />

Etwa zur gleichen Zeit führte in Genf das Unbehagen an der Musik-Kultur<br />

Adolphe Appia und Emile Jaques-Dalcroze zusammen. In seinen Bühnenbildskizzen<br />

zu Richard Wagners Musikdramen entwickelte Appia die stilisierte, begehbare<br />

dreidimensionale Raumbühne mit moderner Lichtregie: eine Absage an die<br />

zweidimensionale Kulissenbühne, starre Raumstrukturen, überladene Prospekte<br />

und Naturalismen, die Tiefenwirkung und Stimmungen nur vorzutäuschen vermochten.<br />

Unter dem Einfluss von Jaques-Dalcroze entstanden 1909/1910 sei -<br />

ne berühmten „Espaces rhythmiques“. Vor allem Wolf Dohrn war davon so be -<br />

eindruckt, daß er Jaques-Dalcroze in Dresden im Oktober 1909 spontan anbot,<br />

seine Visionen in Hellerau zu verwirklichen. Von Anfang an war ja in Ergänzung<br />

des handwerklich-künstlerisch weit gespannten Programms der Werkstätten<br />

sowie der städtebaulichen Gesamtanlage ein Musik-Projekt vorgesehen,<br />

um dem Gemeinschaftsleben Identität stiftende, festliche Glanzpunkte zu geben.<br />

Jaques-Dalcroze entschied sich für Hellerau, denn dort bot sich ihm die einzigartige<br />

Chance, in einem eigenen Institutsgebäude den so sehnlich gewünschten<br />

Saal nach den Gestaltungsprinzipien der „Espaces rhythmiques“ zu realisieren.<br />

Das Festspielhaus sollte ein weiterer Baustein im Gesamtgefüge der Gartenstadt<br />

werden. Doch schließlich gelangte Tessenows 3. Entwurf nach langen Auseinandersetzungen<br />

zwischen Dohrn, Schmidt und Riemerschmid als Solitär, räumlich<br />

abgegrenzt von der ländlich-dörflich geprägten Architektur zur Ausführung.<br />

Der ornamentlose, streng durchkomponierte Bau samt den vorgelagerten Pensionshäusern,<br />

der bald internationale Beachtung fand, übersetzte Dalcrozes und<br />

Appias Vorstellungen in die Sprache der Architektur. Schul- und Übungsräume,<br />

nach Geschlechtern getrennte Bäder und lichtdurchflutete Wandelhallen, Foyer,<br />

Direktion und Bibliothek umschlossen von drei Seiten den großen Saal. Der lang


gestreckte Raum mit versenkbarem Orchestergraben enthielt keine festen Installationen,<br />

weder Bühne noch Vorhang; frei bewegliche Bühnenelemente und Zuschauersitzreihen<br />

konnten je nach Erfordernis gruppiert werden. Decke und<br />

Wände waren mit weißen gewachsten Tuchbahnen ausgekleidet. Dahinter erzeugten<br />

Tausende von Glühbirnen ein diffuses, immaterielles Licht und gaben<br />

dem von jeglichem Naturalismus befreiten Raum Transparenz und Transzendenz.<br />

Das Beleuchtungssystem des georgischen Theatermalers Alexander von<br />

Salzmann, der auch das Emblem des Yin und Yang an den beiden Giebelseiten<br />

entwarf, ließ von völliger Dunkelheit bis strahlender Helligkeit stufenlos und abschnittsweise<br />

regulierbare Lichtstimmungen zu.<br />

1912 gaben die Festspiele zum Abschluss des Studienjahres Gelegenheit zur<br />

ersten szenischen Erprobung. Innerhalb dieser 14 Tage konnten die Festivalbesucher<br />

nicht nur öffentliche Vorführungen der rhythmischen Gymnastik erleben,<br />

sondern auch den 2. Akt von Glucks Oper „Orpheus und Eurydike“. Im Festspielhaus<br />

waren kunstgewerbliche Arbeiten der Hellerauer Werkstätten zu sehen,<br />

Sommerkurse für Rhythmik-Absolventen schlossen sich an. Die Festspiele<br />

1913 brachten schließlich den großen internationalen Erfolg. Schon in den Jahren<br />

zuvor waren auf der Suche nach neuen Impulsen zahlreiche Besucher nach<br />

Hellerau gekommen, so z.B. die Architekten Le Corbusier, Walter Gropius und<br />

Mies van der Rohe. In ihrem und im Gefolge der internationalen Schülerschaft<br />

entstand in der Gartenstadt eine Künstlerkolonie, aus der man zu ganz neuen<br />

Ufern aufbrechen konnte. 1913 wurden die Festspiele zum Treffpunkt der kulturellen<br />

Elite Europas: Hier begegneten sich Upton Sinclair und G.B. Shaw,<br />

Stefan Zweig und Martin Buber, Franz Werfel und Rainer Maria Rilke, es kamen<br />

u.a. Serge Rachmaninoff, Konstantin Stanislawski, Max Reinhardt, Gerhart<br />

Hauptmann und Oskar Kokoschka, Henry van de Velde, Else Lasker-Schüler,<br />

Ernst Rowohlt, die Pavlova und Rudolf von Laban.<br />

Wolf Dohrn starb 1914 bei einem Skiunfall in den Alpen. Jaques-Dalcroze kehrte<br />

nach Ausbruch des 1. Weltkrieges von Genf nicht mehr zurück. Das Festspielhaus<br />

mit seiner internationalen Ausstrahlung wurde zum ersten Mal Opfer der<br />

geschichtlichen Ereignisse. Bis die Nationalsozialisten Mitte der 30er Jahre das<br />

Antlitz der Gesamtanlage durch Ein- und Umbauten, Teilabriss und Neubau der<br />

Pensionshäuser zerstörten und das Gelände als Polizeischule missbrauchten,<br />

gab es zwar zahlreiche Versuche, die musikalisch-rhythmische Ausbildung fortzuführen<br />

und den experimentellen Charakter fortzuschreiben, aber Nimbus und<br />

Anziehungskraft einer aufregend neuen Bühnenkunst im Verein mit ihren künstlerischen<br />

und sozialen Implikationen waren verloren. Als nach dem 2. Weltkrieg<br />

die russische Armee in das Festspielhaus einzog und das Emblem des Yin und<br />

Yang durch den roten Stern ersetzte, war der „Mythos Hellerau“ fast nur noch<br />

im Gedächtnis all jener aufgehoben, die dorthin einstmals aufgebrochen<br />

waren, um am Entstehen einer neuen, besseren Gemeinschaft mitzuwirken.<br />

Trotz – oder wegen – seiner immensen Beschädigung hatte der Ort doch so viel<br />

Magie bewahrt, daß Ende der 80er Jahre Theaterleute, Choreografen und<br />

Kunstwissenschaftler aus Dresden und Ostberlin seine Wiederbelebung ins Auge<br />

fassten. Neben das Bild von der „verkeimten Russenkaserne“ stellten sie ihre<br />

Vision eines vitalen „Kunstlabors“, verbunden mit der vagen Hoffnung auf einen<br />

schrittweisen Abzug sowjetischer Truppen aus der DDR. Unterstützung erhielten<br />

sie nach der Wende von Gleichgesinnten aus der Schweiz, Frankreich, Italien<br />

und den alten Bundesländern. Schließlich wurde 1990 der „Förderverein für die<br />

Europäische Werkstatt für Kunst und Kultur“ aus der Taufe gehoben. 1992 konnte<br />

nach dem Abzug der GUS-Truppen die feierliche Aneignung des Geländes<br />

mit einem Fest und einer vom Bundesvermögensamt ausgestellten, befristeten Betretungsgenehmigung<br />

beginnen. Der Faden, den Dohrn, Jaques-Dalcroze, Appia<br />

und Tessenow am Anfang des Jahrhunderts gesponnen hatten, wurde an dessen<br />

Ende wieder aufgenommen.<br />

die Arbeit des 1990 gegründeten „Fördervereins<br />

für die Europäische Werkstatt für Kunst und Kultur<br />

Hellerau“, der sich umgehend um die Revitalisierung<br />

des Gebäudes kümmerte. Bereits 1992<br />

fanden hier Kulturveranstaltungen statt, und<br />

1994 konnte mit ersten Sanierungsarbeiten begonnen<br />

werden. Zu nächst wurde das marode<br />

Dach durch ein Notdach gesichert, später erfolgten<br />

Schwammsanierungen, der Bau eines neuen<br />

Dachs, die Erneuerung der Heizungsanlage und<br />

der Innen räume. Für die weiteren Bauarbeiten<br />

wurde 2000 ein Realisierungswettbewerb veranstaltet,<br />

den das Münchner Büro Meier-Scupin&<br />

Petzet für sich entscheiden konnte. Nun, nach<br />

zwölfjährigen und 17 Millionen Euro teuren Sanierungsarbeiten,<br />

kann ein positives Fazit gezogen<br />

wer den. Das Festspielhaus ist keine glatt<br />

sanierte Ikone, sondern ein Geschichtsdokument,<br />

das auch die Brüche seiner Nutzungsgeschichte<br />

offenbart. Der Besucher findet hier originale<br />

Wand bilder der sowjetischen Armee, Nebenräume,<br />

in denen noch immer die bröckelnde Atmosphäre<br />

der Verfallsphase regiert, und den gro -<br />

ßen Saal, der vor allem durch seine minimalistische<br />

Ästhetik besticht. Hier sorgen helle Holzfußböden,<br />

weiß getünchte Wände und hohe Fens -<br />

ter für einen neutralen Rahmen, der die unterschiedlichsten<br />

Veranstaltungen möglich macht.<br />

Bis zum endgültigen Abschluss der Bauarbeiten<br />

ist allerdings noch etwas Geduld gefragt. Denn<br />

die noch ausstehende Außensanierung wird erst<br />

2010 beendet sein.<br />

Quelle:<br />

Matthias Grunzig, Baumeister 10/2006<br />

Quelle:<br />

www.kunstforumhellerau.de/1/kurztext.php?lan<br />

g=2&area=1


Schmidt´s<br />

62HELLERAU<br />

Deutsche Werkstätten<br />

Schmidt´s<br />

Das Schmidt's liegt im Gebäude-Ensemble Deutsche<br />

Werkstätten Hellerau, welches in Form einer<br />

großen Schraubzwinge erbaut wurde. Der<br />

wunderschöne Innenhof mit seinen drei riesigen<br />

Kastanienbäumen bietet einen perfekten Blick<br />

aus den großen Fenstern des Restaurants. Hier ist<br />

das Schmidt’s heimisch geworden. Neben den<br />

gleichnamigen weltberühmten Werkstätten für<br />

hochwertigen Innenausbau haben sich die Deutschen<br />

Dependancen internationaler Firmen niedergelassen.<br />

Neben Partnern von AMD und<br />

Infineon findet man auf dem Gelände insbesondere<br />

Unternehmen der Biotechnologie, innovativen<br />

Energiegewinnung, sowie Designer und<br />

Künstler. Außerdem verfügt das Gelände über<br />

mehrere Tagungsräume mit einer Kapazität bis<br />

zu ca. 100 Personen. Die Räume tragen die<br />

Namen berühmter Hellerauer, wie beispielsweise<br />

Riemerschmid oder Dalcroze. Im vergangenen<br />

Jahr kamen zudem eine Reihe interessanter neuer<br />

Gebäude in Holzbauweise hinzu.<br />

Deutsche Werkstätten<br />

Was war Hellerau? Zunächst ein Stück unberührter Heidelandschaft. Doch der<br />

Dresdner Möbelfabrikant Karl Schmidt erkannte in dem 6–7 km nördlich der<br />

Stadt Dresden gelegenen, weitläufigen Gelände auf Anhieb den geeigneten<br />

Ort zur Ansiedlung seiner expandierenden „Dresdner Werkstätten für Handwerkskunst“.<br />

Grund und Boden waren billig und boten Platz für ein groß angelegtes<br />

Projekt: die Gründung einer Gartenstadt nach englischem Vorbild.<br />

Schmidt, ein Mann mit äußerst moderner Unternehmensphilosophie, war ganz<br />

den zeitgenössischen lebensreformerischen Ideen verbunden. Sein erfolgreiches<br />

Möbelprogramm verband funktionale und ästhetische Ansprüche mit zeitgerechter<br />

maschineller Produktion. Entwürfe internationaler Künstler und der sensible,<br />

fach- und materialgerechte Umgang mit dem Werkstoff Holz sicherten den seriell<br />

gefertigten Werkstücken ihre hohe Qualität; das praktisch konzipierte Mobiliar<br />

war zerleg- und transportierbar sowie im Preis erschwinglich. Entsprach<br />

schon all dies einer kleinen Revolution, was den Geschmack gängiger Wohnungseinrichtungen<br />

betraf, so war die Gründung der Gartenstadt als städtebaulich,<br />

sozio-kulturell und ökonomisch durchkomponierter Gegenentwurf zu den<br />

menschenunwürdigen Lebens- und Arbeitsbedingungen in der Stadt gedacht.<br />

Wohnen, Leben und Arbeiten in der Natur, in unmittelbarer Nähe seiner Produktionsstätten,<br />

Ausschluss jeglicher Bodenspekulation – das war Schmidts Devise.<br />

Die sozial durchmischte, infrastrukturell komplett ausgestattete Siedlung sollte vor<br />

allem seinen Arbeitern und Angestellten eine neue Heimat bieten und sich eng<br />

an deren Bedürfnissen orientieren. Die Ausarbeitung lag seit 1906 in den bewährten<br />

Händen des Architekten Richard Riemerschmid, als Entwerfer der Maschinenmöbel<br />

Marke „Dresdner Hausgerät“ den Werkstätten schon lange<br />

verbunden. Und mit dem universal gebildeten, weltgewandten, hochbegabten<br />

und kulturell ambitionierten Energiebündel Wolf Dohrn, einem „Menschenfischer<br />

neuer Ideen“, stand dem liebevoll „Holz-Goethe“ genannten Karl Schmidt ein<br />

weiterer Mann zur Seite, der sich dem Projekt ebenfalls mit Leib und Seele verschrieb.<br />

Der promovierte Philosoph und Volkswirtschaftler, Schmidts rechte Hand<br />

in dessen Unternehmen, sollte schon bald als dritter Mann im Bunde auch die<br />

Gründung des Deutschen Werkbundes vorantreiben und neben Riemerschmid<br />

als Mitgesellschafter der gemeinnützigen „Gartenstadtgesellschaft Hellerau<br />

GmbH“ das Projekt entscheidend prägen, indem er ihm eine weitere Dimension<br />

hinzufügte: die eines alternativen Lebensentwurfes schlechthin. Überlegungen zu<br />

Bildung, Erziehung und kultureller Betätigung existierten bereits, kamen jedoch<br />

erst später zur Sprache.


Richard Riemerschmid (1868–1957)<br />

20. Juni 1868 in München geboren<br />

1886–87 Militärdienst<br />

1887–90 Studium an der Akademie der bildenden Künste<br />

ab 1890 freier Kunstmaler in München<br />

1898 Mitbegründer der Vereinigten Werkstätten für Kunst im Handwerk in<br />

München<br />

1902 Mitbegründer der Deutschen Gartenstadtgesellschaft<br />

1907 Mitbegründer des Deutschen Werkbundes<br />

1907–13 Leitung der Gesamtplanung der Gartenstadt in Hellerau<br />

Ab 1913 Direktor der Kunstgewerbeschule in München<br />

1926–31 Leiter der Kölner Werkschulen<br />

13. April 1957 in München gestorben<br />

Gilt Riemerschmids Interesse als Maler dem Spätimpressionismus und dem Pointilismus,<br />

so ist er als Innenausstatter, Möbelentwerfer und Architekt einer der<br />

wichtigsten Vertreter des deutschen Jugendstils. Zu den bekanntesten Werken<br />

aus dieser Zeit gehören der Musiksalon auf der deutschen Kunstausstellung in<br />

Dresden 1899, das Schauspielhaus in München 1900/01 und die Räume auf<br />

der Ausstellung der Dresdener Werkstätten 1903. Als sozial eingestellter Reformer<br />

interessiert er sich zunehmend für Fragen der maschinellen Produktion<br />

und der Herstellung von preisgünstigen Produkten, was ihn nach der Kunstgewerbe-Ausstellung<br />

in Dresden von 1906 auch dazu bewegt, den Deutschen<br />

Werkbund mitzubegründen, dessen Vorsitzender er von 1921–26 sein wird.<br />

Ebenfalls 1907 übernimmt er die Gesamtplanung der ersten deutschen Gartenstadt<br />

Hellerau bei Dresden, bei der auch Hermann Muthesius und Heinrich<br />

Tessenow mitwirken und die Vorbild für zahlreiche ähnliche Projekte in Deutschland<br />

wird. Ab 1909 ist er zudem am Bau der Gartenstadt Nürnberg beteiligt.<br />

Weitere Bauten wie die Luftfahrthalle in München (1925), das Funkhaus Deutsche<br />

Stunde in Bayern (1927) und der Pavillon für den Verlag Reckendorf auf<br />

der Pressa-Ausstellung (1928) entstehen.<br />

Mit seinen Möbeln und Inneneinrichtungen aus der Jugendstilzeit ebenso wie mit<br />

seinen Gartenstadtprojekten hat Riemerschmid die Gestaltung der deutschen<br />

Wohn- und Lebenswelt in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts entscheidend<br />

mitgeprägt und auf einer Erneuerung in den Bereichen Architektur, Design<br />

und Innenausstattung hingewirkt. Richard Riemerschmid, Gestalter des floralen<br />

Jugendstils, versuchte diese Grundgedanken Schmidts mit seinen eigenen Idealen<br />

zu kombinieren. Ein Organismus aus Ästhetik und Zweckmäßigkeit basierend<br />

auf Qualitätsanspruch und Stilbewusstsein.<br />

63<br />

HELLERAU<br />

Richard Riemerschmid<br />

http://riemerschmid.5eins.de/riemerschmid_im<br />

_werkbund/gartenstadt-hellerau<br />

Foto:<br />

www.richard-riemerschmid.com/d/ index.shtml


64HELLERAU<br />

Heinrich Tessenow<br />

Heinrich Tessenow (1876–1950)<br />

7. April 1876 als Sohn eines Zimmermanns geboren<br />

1909 Assistentenstelle an der TH Dresden<br />

Lehrer in der Baugewerkschule in Lüchow<br />

Lehrer an der Kunstgewerbeschule Trier<br />

Assistent von Martin Dülfer an der TH Dresden<br />

1913 Professor an die Kunstgewerbeschule in Wien<br />

1920 Leitung der Architekturabteilung der Akademie der Künste in Dresden<br />

1926 Professor an der Technischen Hochschule Berlin<br />

1925 –27 Entwurf eines neuen Schulgebäudes in Klotzsche<br />

1941 Verordnete Emeritierung, Rückzug nach Mecklenburg bis Kriegsende<br />

1947 Professor an der Technischen Hochschule Berlin<br />

30. November 1950 in Berlin gestorben<br />

Heinrich Tessenow gehörte in den lebhaften geistigen Auseinandersetzungen<br />

der ersten Jahrzehnte unseres Jahrhunderts zu den führenden und interessantesten<br />

Architekten in Deutschland. Sein Wirken ist in die von England ausgehende, als<br />

geistige Besinnung und Erneuerung empfundene europäische Bewegung einzuordnen.<br />

Es war ein Besinnen auf Werte, die in der Verwirrung des Historismus<br />

und in der hektischen Suche nach „Stilen“ verloren gegangen waren.<br />

Mit seiner Vorstellung von neuen menschlichen Lebensformen wandte er sich in<br />

seinen Schrif ten, in seinen Planungen und mit seinen Bauten dem Wohnungsbau,<br />

insbesondere dem Kleinwohnungsbau, zu. Durch seine Schriften „Wohnungsbau“<br />

(1909), „Hausbau und dergleichen“ (1916) und „Handwerk und<br />

Kleinstadt“ (1919) wurde er bekannt und erhielt Zugang zu bedeutenden Projekten.<br />

In Hellerau übertrug man ihm auch den Bau der Bildungsanstalt für rhythmische<br />

Gymnastik (Dalcroze-Institut), in dem neue pädagogische Ideen und revolutionäre<br />

Formen der Darstellenden Kunst ihren eigenen baulichen Ausdruck fanden.<br />

Das heutige Festspielhaus wird als ein Zeugnis einer neuen Architektur angesehen.<br />

Seine Wohnhäuser sind gekennzeichnet durch eine provozierende Einfachheit.


Hermann Muthesius (1861–1927)<br />

1861 in Großneuhausen/Thüringen als Sohn eines Maurermeisters/Bauunternehmers<br />

geboren<br />

bis 1875 Besuch der Volksschule und Sprachunterricht vom örtlichen Pfarrer<br />

Mau rerlehre beim Vater, dann nach Realgymnasium in Leipzig Militärdienst<br />

1 Jahr Studium Kunstgeschichte und Philosophie an der Friedrich-Wilhelm-Universität<br />

in Berlin<br />

bis 1887 Architekturstudium an der Technischen Hochschule Berlin, nebenher<br />

Arbeit bei Paul Wallot, dem Erbauer des Reichstages<br />

1887–90 Angestellter einer Baufirma in Tokio, dann 4-monatige Asienreise<br />

1891 2. Hauptprüfung für den Staatsdienst im Hochbau, Regierungsbaumeister<br />

1896 –1903 Technischer Attaché für Architektur der dt. Botschaft in London<br />

Oktober 1927 bei Baustellenbesichtigung durch Straßenbahnunfall gestorben<br />

In London verfasste er im amtlichen Auftrag zahllose Berichte über englische Architektur,<br />

Kunstgewerbeerziehung, Ausstellungen und auch ingenieurtechnische<br />

Neuerungen, die überwiegend im Zentralblatt der Bauverwaltung veröffentlicht<br />

wurden. Zugleich entwickelte er eine umfangreiche publizistische Tätigkeit, zu<br />

der neben zahlreichen Artikeln in einschlägigen Kunstzeitschriften die berühmte<br />

Streitschrift Stilarchitektur und Baukunst gehört. Das Hauptwerk dieser Zeit sind<br />

jedoch drei umfangreiche Werke über englische Baukunst, von denen das bekannteste<br />

„Das englische Haus“ wurde. Nach seiner Rückkehr erhielt Muthesius<br />

einen Ruf an die Technische Hochschule in Darmstadt als Professor für Kunstgeschichte,<br />

den er jedoch ablehnte, um als Geheimrat in das Preußische Handelsministerium<br />

zu wechseln, wo ihm bis zu seiner Pensionierung 1926 die Reform<br />

der Kunstgewerbeschulen oblag.<br />

Nebenher hat er als Architekt eine umfangreiche Tätigkeit entfaltet, wobei er<br />

überwiegend durch seine Landhäuser bekannt wurde. Aus einem 1907 gehaltenen<br />

Vortrag an der Berliner Handelshochschule entwickelte sich ein Skandal,<br />

der als „Fall Muthesius“ berühmt wurde und nach Protesten des wirtschaftlichen<br />

Interessenverbandes des Kunstgewerbes in einer mit Muthesius solidarischen<br />

Gegenbewegung die Gründung des Deutsche Werkbundes auslöste. 1908<br />

wurde er als Mitglied in den Vorstand gewählt und hatte von 1910 –16 dort<br />

das Amt des zweiten Vorsitzenden inne. Mit seiner Einflußnahme auf die Kölner<br />

Werkbundausstellung von 1914 als auch sei nem dortigen Vortrag „Die Werkbundarbeit“<br />

der Zukunft entfachte er einen Proteststurm der Künstler, der als „Typenstreit“<br />

berühmt wurde und den Werkbund an den Rand einer Spaltung<br />

brachte. Nach dem Krieg hat Muthesius zwar noch eine große Zahl vorwiegend<br />

klassizistischer Häuser gebaut und einige Bücher veröffentlicht, war aber<br />

in Anbetracht der neueren Entwicklungen der Architektur zum außenstehenden<br />

Beobachter geworden. Muthesius starb im Oktober1927.<br />

65<br />

HELLERAU<br />

Hermann Muthesius


66Sächsischer Landtag<br />

Bernhard-von-Lindenau-Platz 1<br />

Peter Kulka Biographie<br />

Architekt: Peter Kulka, 1991–94<br />

Altbau: Barthold und Tiede, 1928–31<br />

Platzgestaltung: Peter Kulka<br />

1937 geboren in Dresden<br />

1958 Abschluß des Ingenieurstudiums,<br />

Fachrichtung Architektur<br />

1964 Abschluß des Studiums der Architektur an<br />

der Hochschule für bildende und angewandte<br />

Kunst in Berlin-Weissensee<br />

1964 Mitarbeiter von Hermann Henselmann am<br />

Institut für Typenprojektierung, Berlin<br />

1965–68 Mitarbeiter im Büro von Hans<br />

Scharoun, Berlin<br />

seit 1969 Freier Architekt<br />

1970–79 Partner in der Architektengemeinschaft<br />

Herzog, Köpke, Kulka, Siepmann, Töpper<br />

seit 1979 Eigenes Büro in Köln<br />

1986–92 Universitätsprofessor für Konstruktives<br />

Entwerfen an der RWTH Aachen<br />

seit 1991 Eigenes Büro in Dresden<br />

seit 1996 Gründungsmitglied der Sächsischen<br />

Akademie der Künste<br />

seit 1996 Mitglied der Berliner Akademie der<br />

Künste<br />

1997–98 Gastprofessor an der RWTH in<br />

Aachen<br />

1998–00 Vorsitzender des Gestaltungsbeirats<br />

der Stadt Regensburg<br />

2004 Mitglied des Gestaltungsbeirates der<br />

Stadt Trier<br />

Gastvorlesungen und Vorträge an zahlreichen<br />

Universitäten und Einrichtungen im In- und Ausland<br />

Mit der Wiedervereinigung Deutschlands musste die Unterbringung des sächsischen<br />

Landtages gelöst werden: Zunächst wurde das alte Ständehaus von<br />

Wallot in Betracht gezogen, doch fiel die Entscheidung, das 1928–31 von<br />

Barthold und Tiede im Stil der Neuen Sachlichkeit erbaute Landesfinanzamt zu<br />

rekonstruieren, das 1953–89 die Bezirksleitung der SED beherbergt hatte. Dieses<br />

Ensemble wurde zur Elbe hin u.a. mit einem Plenarsaal ergänzt – auch um<br />

diesen zentralen Bereich besser zu nutzen. Dazu gab es einen beschränkten<br />

Wettbewerb von 12 sächsischen Architekten, den der 1990 aus Köln nach<br />

Dresden zurückgekehrte Kulka gewann. Der Neubau strahlt Zurückhaltung und<br />

Bescheidenheit aus. Eine kräftige Geste des Schutzes unserer Demokratie symbolisiert<br />

jedoch das weit hervorstehende Flugdach am Eingang zum Neubau.<br />

Dieser soll im spannungsvollen Gegensatz zum schweren, steinernen Altbau<br />

leicht und transparent wirken. Funktion und Konstruktion werden nach den Prinzipien<br />

der Moderne offen gelegt. Zum Beispiel in den neuen Flügelbauten ist die<br />

offen liegende Stahlskelettkonstruktion mit roh belassenen Stahlbetondecken ein<br />

Gestaltungselement. Viel Glas soll viel nachvollziehbare Transparenz assoziieren.<br />

In den Sommermonaten allerdings kann man das Parlamentsgebäude von<br />

der Neustädter Elbseite kaum erkennen, so versteckt es sich hinter den Lindenbäumen.<br />

Eine kräftig akzentuierte Vertikale hätte den großen Stolz auf die 1989<br />

besonnen erkämpfte Demokratie gut zum Ausdruck bringen können. Doch der<br />

Architekt Peter Kulka hat den Neubau horizontal gelagert. Eine vertikale Betonung<br />

des Neubaus wurde zugunsten des rückwärtig gelagerten, turmartigen<br />

Eckbaus aus dem Jahr 1931 verzichtet. Damit sollte die Gliederung des Terrassenufers<br />

mit niedrigen Baukörpern an der Elbe und höheren Bauteilen dahinter<br />

fortgesetzt werden. Im Inneren wird der mit Holz verkleidete Plenarsaal als runder<br />

amphitheaterartiger Bau konstruktiv sichtbar. Von außen wölbt sich das Rund<br />

gläsern um die Ecke. Vier massive Kreuzstützen halten ein monumentales Stahldach<br />

– ein Motiv entlehnt von der Berliner Neuen Nationalgalerie von Mies<br />

van der Rohe (1965–68).<br />

Für die Öffentlichkeit zugänglich sind das Restaurant und die Sonnenterrasse.<br />

Selbstverständlich ist die Besuchertribüne des Plenarsaals für Interessierte – mit<br />

Voranmeldung – bei den Landtagssitzungen zugänglich. Auch das Foyer wird<br />

oft mit verschiedenen Ausstellungen über die Geschichte und Gegenwart des<br />

sächsischen Parlamentarismus vielfältig genutzt. Ein offenes Haus in vielerlei Hinsicht.<br />

Der offene freie Vorplatz, benannt nach Bernhard Lindenau, wird als Demonstrationsplatz<br />

für verschiedene politische Äußerungen des Volkes genutzt.


Der Altbau von 1931 für das Sächsische Finanz- und Zollamt stammt von Barthold<br />

und Tiede, die sonst in Dresden kein weiteres Bauwerk errichteten. Nach<br />

langen Hochhausdebatten in Dresden in den 20er Jahren konnte immerhin ein<br />

7-stöckiger Turm mit 36 Meter Höhe errichtet werden, der kubisch aus der südöstlichen<br />

Ecke herausragt.<br />

Jan von Havranek („Das Neue Dresden 1919–49“) fand heraus, daß „laut<br />

einem Vermerk im Schriftarchiv des Landesamtes für Denkmalpflege Dresden die<br />

Fußbodenplatten aus dem Pavillon des Deutschen Reiches von Mies-van-der-<br />

Rohe für die Weltausstellung in Barcelona 1929 stammen“. Einen Gestaltungsakzent<br />

bietet zudem die Fensterreihung mit vorgezogenen Gewänden. Gegenüber<br />

dem historistisch-eklektizistischen Elektrizitätswerk mit seinem ornamentierten<br />

Turm stellte dieses Bürogebäude zur Entstehungszeit wohl einen starken Kontrast<br />

von demonstrativer Sachlichkeit dar.<br />

Wegen des ungünstigen Baugrundes und des hohen Grundwasserstandes an<br />

diesem elbnahen Standort erhielt das Gebäude einen Unterbau aus Stahlbetonpfählen<br />

(ca. 1.000 unter dem Altbau und 176 unter dem Neubau) mit einem<br />

Durchmesser von bis zu 1,20 Meter. Das komplett SED-dominierte sächsische<br />

Parlament tagte nach dem Krieg bis zu einer Auflösung 1952 im Gebäude des<br />

ehemaligen Luftgaukommandos in Dresden Strehlen, was nur zu etwa ¼ zerstört<br />

worden war. Danach wurde das Land Sachsen in drei „Bezirke“ aufgeteilt:<br />

Dresden, Leipzig und Karl-Marx-Stadt (Chemnitz).<br />

Der 1937 in Dresden geborene Architekt Peter Kulka baut z.Z. auch das Deutsche<br />

Hygiene Museum in Dresden um. Seit einiger Zeit ist er auch mit der Planung<br />

zum Wiederaufbau des Ostflügels vom Residenzschloss beschäftigt. 1964<br />

arbeitete er bei Herrmann Henselmann im Institut für Typenprojektierung in Ostberlin<br />

und zwischen 1965 und 1968 bei Hans Scharoun in Westberlin. Seit<br />

1979 betreibt Prof. Kulka ein eigenes Büro.<br />

www.das-neue-dresden.de/landtagsachsen.html


68Zwinger<br />

Ostra-Allee, Sophienstraße<br />

Architekt: Matthäus Daniel Pöppelmann, 1709–28<br />

Als „Zwinger“ wird im Festungsbau das von Gräben durchzogene Gelände<br />

zwischen den Stadtmauern bezeichnet, der für Feste und Spiele genutzt wurde.<br />

1709 wurde in der Nachbarschaft des Zwingers zum Besuch des dänischen<br />

Königs eine hölzerne Festarchitektur errichtet. 1710 entwarf Matthäus Daniel<br />

Pöppelmann, seit 1680 in Dresden und seit 1705 Landbaumeister, als ersten<br />

dauerhaften Bau eine Orangerie. Die Gebäude, die in der Folgezeit für August<br />

den Starken entstanden, gehen in ihrer aufwändigen, prachtvollen Gestaltung<br />

weit über die ursprüngliche Funktion als Festplatz, Orangerie und schließlich<br />

Museum hinaus. Der Zwinger ist das berühmteste Bauwerk Dresdens und gehört<br />

zu den bekanntesten Kunstdenkmälern. Der verantwortliche Architekt Matthäus<br />

Daniel Pöppelmann sowie der Bildhauer Balthasar Permoser haben hier die architektonische<br />

Formensprache ihrer Zeit in einem Gesamtkunstwerk zusammengefasst.<br />

Ursprünglich sollte der Zwinger der Vorhof für eine nie ausgeführte<br />

Schlossanlage sein. Aus Platzgründen konnte die Zwingeranlage nicht von einem<br />

Garten umgeben werden, deshalb entstand dieser im Zwingerhof selbst.<br />

Bis 1847 war die Elbseite des Bauwerks durch eine hohe Mauer abgeschlossen,<br />

danach entstand nach den Plänen Gottfried Sempers die heutige Gemäldegalerie<br />

an dieser Stelle.<br />

Der annähernd quadratische Innenhof des Zwingers besitzt eine Breite von 107<br />

und eine Länge von 116 m. Aus seinen Langseiten treten kleinere Seitenhöfe mit<br />

Segmentbogenschluss hervor, woraus ein kreuzförmiger Grundriss resultiert. An<br />

den Ecken der Langseiten befinden sich vier Pavillons (Mathematischer, Französischer,<br />

Naturwissenschaftlicher, Deutscher Pavillon), saalartige, eingeschossige<br />

Aufbauten über Bogenhallen, deren Rampen mit geschwungener Treppe vorgelagert<br />

sind. Über dem Gesims und vor den Schweifdächern zieren Figuren und<br />

Wappen aus der Werkstatt Balthasar Permosers die Bauten.


Den Abschluss der apsidial geschlossenen Höfe bilden zwei Torpavillons. Der<br />

Wallpavillon, bei dem eine geschwungene Treppe zum ovalen Festsaal führt,<br />

entstand 1716 als bedeutendstes Werk Pöppelmanns. Hier löst sich das Bauwerk<br />

auf in eine lebendige Plastik. Als Bekrönung trägt Permosers sechs Meter<br />

hoher Herkules Saxonicus die Weltkugel.<br />

Das der Ostra-Allee zugewandte Kronentor ist der eigentliche Zugang zum<br />

Zwingerhof. Es ragt mit seiner zwiebelförmig geschwungenen Dachhaube aus<br />

der Langgalerie am Zwingergraben heraus. Die Langgalerie verbindet das Kronentor<br />

mit den Eckpavillons und Bogengalerien. Kronentor und Langgalerie erheben<br />

sich auf der ehemaligen Festungsmauer des Zwingergrabens, welcher im<br />

19. Jahrhundert komplett zugeschüttet wurde. Erst bei der Restaurierung des<br />

Zwingers 1929 erfolgte eine Freilegung.<br />

Das Nymphenbad ist eines der Hauptwerke des Dresdner Hofbildhauers Balthasars<br />

Permosers. Seine Mitte bildet ein gegliedertes rechteckiges Wasserbecken,<br />

in das von der Höhe des Zwingerwalls von Becken zu Becken und über Kaskaden<br />

das Wasser herabstürzt.<br />

Am ganzen Zwingerbau von großer Bedeutung für den Gesamteindruck befinden<br />

sich meisterhaft gestaltete Treppenanlagen. Der später errichtete Glockenspielpavillon<br />

gegenüber ließ keine Steigerung mehr zu. 1924–36 wurde ihm<br />

ein Glockenspiel aus Meißner Porzellan, das schon Pöppelmann vorgesehen<br />

hatte, eingebaut.<br />

1924–36 wurde der Zwinger unter Leitung des Architekten Hubert Ermisch und<br />

des Bildhauers Georg Wrba grundlegend restauriert, die Plastiken z.T. neu geschaffen.<br />

In der Bombennacht des Februar 1945 wurde der Zwinger so getroffen,<br />

daß er unwiederbringlich zerstört schien. Aber noch im gleichen Jahr<br />

begannen die Wiederaufbauarbeiten, die bis 1963 andauerten, geleitet von<br />

Ermisch. Das wesentliche Aussehen des Zwingers wurde jedoch beibehalten.


70Semperoper<br />

eigentlich Hofoper<br />

Architekt: Gottfried Semper, 1871–78<br />

Der erste Bau<br />

Gottfried Semper (1803–79) wurde 1834 – im Alter von 31 Jahren auf Empfehlung<br />

Karl Friedrich Schinkels – als Professor der Baukunst und Direktor der<br />

Bauschule nach Dresden berufen. 1838–41 entstand an der Stelle der heutigen<br />

Oper sein erstes Theater (Altes Hoftheater), das am 21. September 1869<br />

einem Brand zum Opfer fiel.<br />

Der zweite Bau<br />

1871–78 entstand die „Semperoper“, sein erstes Hauptwerk, das unter Leitung<br />

seines ältesten Sohnes Manfred Semper (1838–1913) von 1871–78 am<br />

Theaterplatz erbaut wurde – kurz vor Errichtung des Wiener Burgtheaters<br />

(1874–88).<br />

Zwei Dinge waren ihm wichtig, die Richtung weisend werden sollten für den<br />

Theaterbau des späten 19. Jahrhundert und teilweise danach: Die äußere Erscheinung<br />

sollte die funktionale Gliederung des Inneren zeigen. So wird die


Rundform des vorgelagerten, 2-geschossigen Eingangs- und Foyerbereichs überragt<br />

vom ebenso vorgewölbten Zuschauerraum. Dieser wird seinerseits überragt<br />

vom Bühnenturm. Dazu kam die an römischen Theaterbauten orientierte Formensprache<br />

– die Architektur-Plastik wie die Säulenstellungen –, während die hohe<br />

Exedra über dem mittleren Eingangsportal die italienische Hochrenaissance zitiert.<br />

Der Theaterbau verfügt über eine prachtvolle Innenausstattung. Die Haupttreppenhäuser<br />

sind seitlich an den Hauptbaukörper angesetzt und von den Seiten<br />

aus zugänglich und portikusartig betont. Über dem Portal erhebt sich eine<br />

bronzene Pantherquadriga mit Dionysos und Ariadne von Johannes Schilling.<br />

Den mittigen Haupteingang flankieren Skulpturen von Ernst Rietschel. Sie stellen<br />

Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller dar. In der Nacht des 13.<br />

Februar 1945 ist der Bau nach dem Bombardement der Stadt ausgebrannt.<br />

Der dritte Bau<br />

Nach dem Zweiten Weltkrieg bereiteten 1946–55 Sicherungsarbeiten so wie<br />

konzeptionelle Studien 1968–76 den Wiederaufbau vor. Am 24. Juni 1977<br />

erfolgte die Grundsteinlegung und der Wiederaufbau unter der Leitung von<br />

Chefarchitekt Wolfgang Hänsch. Anlässlich des 40. Jahrestages der Zerstörung<br />

konnte am 13. Februar 1985 die Semperoper mit Carl Maria von Webers<br />

Oper „Der Freischütz“ symbolisch wiedereröffnet werden – es war diese Oper,<br />

mit der das Opernhaus am 31. August 1944 geschlossen worden war. Obwohl<br />

sie schon Staatsoper war, erhielt die Oper zusätzlich nach der Wende<br />

den offiziellen Titel „Sächsische Staatsoper“.<br />

An die Rückseite wurde ein funktionales Gebäude angebaut. Es enthält Probebühnen,<br />

Werkstätten und Büros und Garderoben sowie einen Gastronomiebereich.<br />

Das extreme Hochwasser der Elbe im August 2002 fügte dem Opernhaus<br />

einen Schaden von 27 Millionen Euro zu. Schon drei Monate nach der<br />

Hochwasserkatastrophe eröffneten am 9. November 2002 statt wie geplant<br />

am 13. August Tänzer und die Sächsische Staatskapelle mit dem Ballett „Illusionen<br />

– wie Schwanensee“ die Spielzeit. Im Rahmen der 800-Jahr-Feierlichkeiten<br />

der Stadt Dresden fand am 13. Januar 2006 der erste Dresdner Opernball seit<br />

1939 statt. Die Bestuhlung war durch Tische und Stühle ersetzt worden. Im<br />

Saal, auf den Rängen und in den Logen feierten ca. 2300 Gäste sowie auf<br />

dem Theaterplatz etwa 4000 Dresdner.<br />

Vom Theaterplatz aus bietet sich die Gelegenheit, zwei Bauten Gottfried Sempers<br />

vergleichend zu betrachten, die Gemäldegalerie am Zwinger als ein Frühwerk<br />

und die ein Viertel Jahrhundert später entstandene Oper als ein reifes<br />

Werk mit weit reichender Wirkung auf den zukünftigen Theaterbau.<br />

Quellen:<br />

- Prof. Horst Thomas<br />

- Broschüre zur Studentenexkursion 2007 der<br />

HS Karlsruhe nach Dresden und Prag mit Prof.<br />

Florian Burgstaller


72Lipsiusbau<br />

Brühl´sche Terrasse<br />

Architekten: Constantin Lipsius, 1894,<br />

Auer+Weber+Partner und Rolf Zimmermann, 2005<br />

1991 begannen die ersten Sicherungsmaßnahmen.<br />

Stahlsprieße und -klammern flankierten die<br />

maroden Sandsteinsäulen, die im Vestibül später<br />

durch glatte Betonstutzen ersetzt wurden. Statt einer<br />

bruchlosen Wiederherstellung blieben nach<br />

einer konzeptionellen Neubesinnung die Spuren<br />

der Zerstörung erhalten.<br />

Ausstellungsgebäude an der Brühl´schen Terrasse in Dresden<br />

Von Wolfgang Bachmann<br />

Pauschaltouristen (früher: Einreisende), die über die Altstadt-Fan-Meile der Brühlschen<br />

Terrasse flanieren, werden das riesige, unübersichtliche Ensemble, das<br />

lange Jahre marode und dem Publikum verschlossen auf bessere Zeiten wartete,<br />

irgendwie zu den barocken Desideraten der Dresdner Baugeschichte zählen.<br />

Aber nicht alles, was alt wirkt, ist unbedingt wertvoll. Schon zu ihrer Entstehungszeit<br />

waren die Kunstakademie und das Ausstellungsgebäude umstritten, und<br />

auch die Kriterien der Denkmalpflege haben sich bei der Sanierung gewandelt.<br />

Es erinnert an die Pariser Oper, aber auch an Reichstag und Berliner Dom. Ein<br />

Gebäude, das geradezu alle zur Zeit seiner Fertigstellung 1894 erreichbaren<br />

herrschaftlichen Stile vermengte. Der Begriff „Kolossalordnung“ bekam hier nach<br />

dem deutsch-französischen Krieg eine neue, übertragene Bedeutung. Seinem Architekten,<br />

Constantin Lipsius, der sich der fortgesetzten Kritik ausgeliefert sah<br />

und mehrere Überarbeitungen abliefern musste, wurde neben der Stilmelange<br />

für dieses „hässlichste Monumentalgebäude Dresdens“ vor allem die Konkurrenz<br />

zur Frauenkirche vorgeworfen. Die Baugeschichte erinnert an aktuelle Episoden<br />

aus der Branche. Lipsius starb völlig erschöpft noch vor der Fertigstellung des<br />

Gebäudes.<br />

Heute begegnen wir diesem imperialen Kauderwelsch eher leidenschaftslos,<br />

die prahlerischen Motive dieser Architektur sind uns fremd, aber eine lediglich<br />

ästhetische Bewertung würde dem Historismus auch nicht gerecht. Also kritische<br />

Masse für die Baugeschichte, um sich mit Karl Böttichers Grammatik „Die Tektonik<br />

der Hellenen“ (1852) auseinanderzusetzen. Für Studenten bietet das Gebäude<br />

eine Buchstabiertafel in Stilkunde. Nach der Zerstörung am 13. Februar<br />

1945 wurde schon bald nach Kriegsende der weniger getroffene Akademietrakt<br />

provisorisch in Betrieb genommen. Das Ausstellungsgebäude, damals noch<br />

ungeteilt, bekam erst Ende der sechziger Jahre wieder eine Verglasung für seine<br />

legendäre „Zitronenpresse“ sonst blieb der ruinöse Zustand durch Stahlaussteifungen<br />

vor dem Zusammenbruch bewahrt.


Zurück in den Historismus?<br />

1991 begannen Notsicherung und Restaurierungsarbeiten mit dem Ziel, den ursprünglichen<br />

Zustand vor der völkischen Überarbeitung durch die Nazis wiederherzustellen.<br />

Beauftragt wurde das Dresdner Groß-Büro IPRO, das den Rohbau<br />

durch Tragwerksergänzungen stützte, außerdem Dächer bzw. Glasdächer und<br />

vor allem die Fassaden instand setzte. Innen ging die „neutrale“ Sanierung (die<br />

später nach einem VOF-Verfahren weiter vergeben werden sollte) doch weiter;<br />

bedauerlicherweise wurde brüchiger Wandschmuck abgeschlagen, um ihn<br />

„wie neu“ zu ergänzen. Drei Jahre später kam die Hochschule zu einer besseren<br />

Einsicht, man fühlte sich offenbar unwohl bei der Vorstellung, künftig in puttenüberladenen<br />

Räumen einer schwülstigen Neorenaissance zu arbeiten. Der<br />

Bauherr sah das angesichts der immensen Wiederherstellungskosten auch so.<br />

Das neue Ziel war nun, dem Haus eine moderne Ausstattung zu geben, die<br />

zwar die vorhandene Substanz respektierte, aber zerstörte Elemente nicht zeitlos<br />

herbeisimulierte. Das sogenannte Oktogon unter der Kuppel, jetzt abgetrennt<br />

und unter Verantwortung der Hochschule, wurde bereits im Jahr 2000 von Pfau<br />

Architekten nach dieser Maßgabe vollendet. Hier lassen sich – zuletzt mit den<br />

Arbeiten von Klaus-Michael Stephan „Krieg und Frieden“ – hervorragend Ausstellungen<br />

einrichten. Die polygonalen Grundrissgeometrien mit den geflickten<br />

<strong>Ziegel</strong>wänden, die leisen farbigen Spuren der Bemalung und sparsamen<br />

schwarz glimmernden Stahleinbauten, mit denen die Gegenwart wie helfend<br />

das geschundene Gebäude stützt und ergänzt, sind eine überzeugende Aussage.<br />

Im letzten Jahr wurde schließlich oberhalb, auf der Terrasse (dem Sockel<br />

der ehemaligen Festung) der jetzt von den Staatlichen Kunstsammlungen bespielte<br />

Bauteil eröffnet. Rolf Zimmermann, mit Sanierungen in der Stadt bereits<br />

vertraut, traf auf Carlo Weber, der damals in Dresden eine Professur bekleidete,<br />

so kam die Allianz zwischen dem Stuttgarter und Dresdner Büro zuwege.<br />

Heute zeigt die Wiederherstellung des Ausstellungsgebäudes<br />

zwei Handschriften. Im Untergeschoss<br />

des Vestibuls nehmen grobschlächtige<br />

Säulen die Lasten auf. Die späteren Zutaten sind<br />

unauffällig und zurückhaltend, aber ohne scarpaeske<br />

Spielfreude.


Epochenwende. Ehemals diente das Akademiegebäude<br />

anschaulich zur Vermittlung einer Stilund<br />

Architekturlehre, die bald nach Fertigstellung<br />

des Hauses überholt war. Die jetzigen Eingriffe<br />

üben sich in neutraler, fast roher Zeitlosigkeit.<br />

Statt romantisches High-tech zu zeigen, ist die<br />

Haustechnik im Boden und über der Staubdecke<br />

verborgen, nur unauffällige Düsen und Lichtschienen<br />

sind im großen Ausstellungssaal zu erkennen.<br />

Unten rechts der stählerne Kassentresen.<br />

Bauherr Freistaat Sachsen<br />

Sächsisches Staatsministerium der Finanzen<br />

Auer+Weber+Architekten, Stuttgart und<br />

Rolf Zimmermann, Dresden<br />

www.auer-weber.de<br />

www.architekt-dresden.de<br />

Tragwerksplaner:<br />

Ingenieurbüro Kless Müller GmbH, Dresden<br />

HLS-Planung:<br />

AHS Ingenieurgesellschaft mbH, Falkenberg<br />

Elektroplanung:<br />

Bauplanung Sachsen GmbH,<br />

Ingenieurbüro Rathenow, Dresden<br />

Bauphysik: Müller-BBM, Langebrück<br />

Rohbauarbeiten: www.palm-gmbh.com<br />

Natursteinarbeiten: www.natursteine-schubert.de<br />

Beleuchtung: www.zumtobel.com<br />

Gefahrenmeldeanlage: www. Siemens.com<br />

Aufzüge: www.fbaufzuege.de<br />

Bruttogeschossfläche: 3350 m 2<br />

Gesamtkosten: 8,4 Mio Euro<br />

Fotos: Roland Halbe, Stuttgart<br />

Quelle: Baumeister, B10, 2006<br />

Ein Skelett der Baugeschichte<br />

Im <strong>Zentrum</strong> liegt der große Ausstellungssaal. Er verbirgt unsichtbar die anspruchsvolle<br />

Technik über der Staubdecke und unter dem neuen Betonfußboden.<br />

Nur Lüftungsgitter vor den Wänden und Dralldrüsen in den fragmentarischen<br />

Ge simsvoluten lassen ahnen, daß hier keine anspruchslose romantische Hülle,<br />

sondern ein Museum mit akkuraten Anforderungen an Temperatur, Luftfeuchtigkeit,<br />

Beleuchtung und Sicherheit mit minimalen Toleranzen eingerichtet wurde.<br />

Als neues Bauteil kam zwischen den beiden Scherwänden an der Ostseite eine<br />

Galerieebene dazu. Sie ist vorsichtig von den Umfassungswänden abgesetzt,<br />

ihre auskragenden Platten verjüngen sich zur Brüstung hin, was den Eindruck<br />

des später Hinzugekommenen ablesbar macht. Bis zur Höhe des Gesimses sind<br />

hier die Wände weiß verputzt, darüber zeigt unter dem horizontalen Glasdachanschluss<br />

ein dunkler Spritzputz die Höhe der früheren Schmuckprofile, deren<br />

fragmentarische Voluten sich wie eine alte schmutzige Lederhaut um ihre Armierung<br />

rollen.<br />

Auf die Galerie führt eine gerade Treppe, deren gegenläufig ge schwungene<br />

Handläufe dem Weg etwas Musikalisches geben; zur anderen Sei te, nach Westen,<br />

wo drei Kabinette die Ausstellungsfläche fortsetzen, führt eine schwarzstählerne<br />

Spindeltreppe nach oben zur Museumspädagogik. Wer sich noch<br />

erinnern kann, wie spannend der Martin-Gropius-Bau in Berlin vor seiner endgültigen<br />

Verschönerung ausgesehen hat, findet hier im Ausstellungsgebäude der<br />

Staatlichen Kunstsammlungen ein Pendant. In der gegenwärtigen Rodin-Ausstellung<br />

heißt es, die Werke des Bildhauers zeigten „Ober flä chen, die mit Licht und<br />

Schatten spielen“. Die Architektur dieser Räume setzt das Spiel fort.


Lageplan<br />

Erdgeschoss<br />

Längsschnitt<br />

Obergeschoss<br />

Besondere Aufmerksamkeit wurde den verschiedenen<br />

Treppen gewidmet. Neben der vorhandenen<br />

ins Untergeschoss (wo sich Garderoben spin -<br />

de und Toiletten befinden), die mit einem „Teppich“<br />

aus MDF-Platten belegt wurde (links) gibt<br />

es zum Beispiel Wendeltreppen, die zur Museumspädagogik<br />

auf der Galerie oder als Fluchtweg<br />

weiterführen.


76Das Blaue Wunder<br />

die Blasewitz–Loschwitzer Brücke<br />

Die heutigen Dresdner Stadtteile Loschwitz und Blasewitz waren bis 1921 selbständige,<br />

lediglich durch die Elbe getrennte Gemeinden. Zwischen ihnen verkehrte<br />

eine stark frequentierte Fähre. Nach einer abgelehnten Petition der beiden<br />

Gemeinden für einen Brückenbau sah sich die sächsische Staatsregierung<br />

1874 durch einige reiche Bürger aus Blasewitz, die auf eigene Kosten einen Ingenieur<br />

mit der Ausarbeitung von Plänen für eine Brücke beauftragten und sie<br />

dem Landtag vorlegten, wohl so stark unter Druck gesetzt, daß sie schließlich<br />

den Beschluss fasste, die Brücke endlich zu bauen. Die für den Bau zuständige<br />

Behörde war das sächsische Finanzministerium, mit der Ausarbeitung der Pläne<br />

wurde der Geheime Finanzrat Claus Köpcke betraut, der auch Professor für Ingenieurwissenschaften<br />

am Polytechnikum in Dresden war. Köpcke projektierte eine<br />

Brücke, die für die damalige Zeit wegen ihrer ungewöhnlichen Konstruktion<br />

und ihrer großen Spannweite als sensationell empfunden wurde.<br />

Das Blaue Wunder ist ein recht eigenartiges Bauwerk, das vom Konstruktionstyp<br />

her aber den Hängebrücken zugeordnet wird. Genauer gesagt ist es eine so<br />

genannte Bandeisenbrücke, weil die Fahrbahn nicht wie sonst bei Hängebrükken<br />

an Ketten oder Stahlseilen aufgehängt ist, sondern an einem Zugband aus<br />

vernieteten Flacheisen. Köpcke führte beim Entwurf des Blauen Wunders zahlreiche<br />

Neuerungen ein, die sich jedoch letztendlich nicht durchsetzen konnten. Insofern<br />

ist die Brücke ein Unikat geblieben und ist heute ein technisch wie historisch<br />

interessantes Anschauungsobjekt. Die Fahrbahn ist nicht wie sonst bei<br />

Hängebrücken an senkrechten „Hängern“ befestigt, sondern über ein zweifaches<br />

Strebenfachwerk an dem Eisenband aufgehängt. Am theoretischen Schnittpunkt<br />

von Ober- und Untergurt sowie an den Pylonspitzen befinden sich Gelenke<br />

mit Stahlfedern. Diese sind mit einer Art Bremse ausgestattet, die Bewegungen<br />

erst ab einer bestimmten Spannung im System zulässt. Ohne diese Bremse<br />

wäre die Brücke beweglicher und würde insbesondere bei stoßweisen Belastungen<br />

mehr schwingen. Da bei anderen Brücken mehrere Unglücksfälle dieser Art<br />

vorgekommen waren, hatte man zur damaligen Zeit ein besonderes Augenmerk<br />

auf gleichzeitig marschierende Personengruppen, wie z.B. Soldaten im Gleichschritt.<br />

Die Pylone des Blauen Wunders stehen auf Rollenkipplagern, so dass sie<br />

sich bei steigender Temperatur zur Brückenmitte hin neigen.<br />

Köpckes Entwurf wurde 1885 in einem Ausschreibungswettbewerb veröffentlicht,<br />

der von der Sächsischen Eisenbahnkompanie AG gewonnen wurde. Es<br />

verstrichen aber noch sechs weitere Jahre, bis schließlich 1891 unter der Leitung<br />

des Ingenieurs Hans Manfred Krüger (1852–1926) mit den Bauarbeiten<br />

begonnen wurde. Krüger und Köpcke waren ein eingespieltes Team, die gemeinsam<br />

mehrere große Brücken bauten. Zunächst mussten auf beiden Seiten<br />

der Elbe einige Häuser abgerissen werden um ausreichend Platz für die Baustelle<br />

zu schaffen. Die Bauteile für die ca. 3500 Tonnen schwere Stahlkonstruktion<br />

wurden in der Königin-Marien-Hütte in Cainsdorf vorgefertigt und an Ort


und Stelle zusammengenietet. Bereits zwei Jahre nach dem Beginn der Bauarbeiten<br />

war die Brücke fertig und konnte einem zeitgenössischen Belastungstest<br />

unterzogen werden. Da es zur damaligen Zeit noch keine zuverlässigen Berechnungsverfahren<br />

gab, mit denen sich das statische Verhalten einer Brücke abbilden<br />

lies, kam jeder Belastungsprobe eine sehr große Bedeutung zu. Außerdem<br />

ging es auch darum, die Bevölkerung von der Tragfähigkeit der Brücke zu überzeugen.<br />

Man wollte ganz sicher sein, daß die Brücke im täglichen Betrieb niemals eine<br />

größere Last würde tragen müssen als bei der Belastungsprobe am 11. Juli<br />

1893: 3 Dampfwalzen, 3 weitere Straßenwalzen samt Pferden, 3 Straßenbahnwagen,<br />

die mit Schiffsankern und Steinen beladen waren, 3 Sprengwagen<br />

samt Wasser und Zugtieren, einen voll besetzten Pferdebahnwagen und<br />

mehrere Kutschen, insgesamt ein Gewicht von 157 Tonnen. Außerdem marschierten<br />

noch Straßenpassanten und eine Kompanie des Dresdner Jägerbataillons<br />

über die Brücke. Die Brücke erwies sich mit einer maximalen Durchbiegung<br />

von 9 mm in der Mitte des Trägers als außerordentlich solide. Am 15. Juli<br />

1893, wurde die Brücke unter großer Anteilnahme der Bevölkerung feierlich<br />

eingeweiht. Das Bauwerk wurde zu Ehren des damaligen sächsischen Königs<br />

auf den Namen „König-Albert-Brücke“ getauft. Ab 1918 hieß sie dann offiziell<br />

„Loschwitzer Brücke“ aber im Volksmund war sie immer das „Blaue Wunder“.<br />

Hartnäckig hält sich die Legende, der Name der Brücke sei erst dadurch entstanden,<br />

daß sich der ursprünglich grüne Anstrich über Nacht in die blaue Farbe<br />

verwandelt hätte. Da aber schon ab April 1893 in diversen Zeitungsartikeln<br />

Belege für die Farbe Blau vorhanden sind, kann man dieses Gerücht wohl eindeutig<br />

in den Bereich der Fantasie einordnen.<br />

Mit einer Spannweite von 141,5 m war sie eine der größten Brücken Europas<br />

und die Verwendung von Stahl sowie die besondere Konstruktion waren noch<br />

sehr ungewohnt. Die Bauarbeiten verschlangen die für damalige Verhältnisse<br />

gewaltige Summe von 2,25 Mill. Goldmark, die von den beiden Gemeinden<br />

und der sächsischen Staatsregierung getragen wurden. Um die Investition wieder<br />

hereinzuholen, wurde für jede Person, die die Brücke benutzen wollte, ein<br />

Brückenzoll erhoben. Dieser betrug Anfangs pro Person 2 Pfennige, für Gänse<br />

und Hühner ebenfalls 2 Pfennige und für Zugtiere 10 Pfennige. Durch den Zoll<br />

wurden reichlich Einnahmen erzielt, bis er im Jahre 1921 im Zuge der Eingemeindung<br />

der beiden Ortsteile zu Dresden wieder abgeschafft wurde.<br />

Ab 1895 wurde die Brücke auch von der elektrischen Straßenbahn und bald<br />

schon von immer mehr Kraftfahrzeugen benützt. Bis zum Jahre 1935 hatte der<br />

Verkehr so zugenommen, daß sich Fußgänger und Autos immer mehr in die<br />

Quere kamen. Eine Zeit lang wurde ernsthaft darüber nachgedacht, die Brücke<br />

abzureißen und durch eine Betonbrücke zu ersetzen. Schließlich entschied man<br />

sich jedoch dafür, lediglich auf beiden Seiten Gehwege anzubauen. In den<br />

fünfziger Jahren musste die Fahrbahn, die bis dahin aus Holzbohlen bestanden<br />

hatte, gegen Eisenbleche ausgetauscht werden und 1982 wurde das gesamte<br />

Mauerwerk gründlich saniert. Trotz aller Anstrengungen mehrten sich jedoch<br />

bald die Anzeichen für eine deutliche Überlastung der Brücke, die im April<br />

1986 zunächst zur Einstellung des Straßenbahnverkehrs führte. Inzwischen ist<br />

die Nutzung der Brücke aber auch für alle Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht<br />

über 15 Tonnen generell verboten. Eine Ausnahme gibt es nur für<br />

Busse. Wie so viele Brücken die im 2. Weltkrieg von der einen oder der anderen<br />

Seite zerstört wurden, sollte auch das Blaue Wunder beim Rückmarsch der<br />

deutschen Truppen von der SS gesprengt werden. Durch ihr mutiges Eingreifen<br />

verhinderten die 2 Dresdner die Zerstörung des heute unter Denkmalschutz stehenden<br />

Bauwerks.<br />

Die Belastungsprobe am 11. Juli 1893


78Villa Marie<br />

Fährgässchen1<br />

Die toskanische Villa liegt am Fuße des „Blauen Wunders“. Der Garten rund um<br />

die bekannte Villa befindet sich oberhalb der weiten Wiesen, die vom „Blauen<br />

Wunder“ bis in die Innenstadt eine einzigartige Flusslandschaft bilden. Ein paar<br />

Meter von der Villa Marie entfernt halten die Dampfer der weißen Elbflotte. Als<br />

eines der bekanntesten Häuser in Dresden-Blasewitz entstand es vermutlich um<br />

1860. Es wechselten mehrere Male die Besitzer. Die Villa ist ein solides, geräumiges<br />

Haus, mit einem Fachwerkdachgeschoß, einem Holztürmchen und zwei<br />

Balkonen. Die Bezeichnung „Villa Marie“ selbst taucht erst in den 30er Jahren<br />

des 20. Jahrhunderts auf. Der letzte Eigentümer wurde zu Zeiten der DDR enteignet<br />

und das Haus an die Kommunale Wohnungsverwaltung (KWV) übertragen.<br />

Als das Haus zunehmend verfiel und seine Bewohner das Weite suchten,<br />

schaltete sich zu Beginn der 80er Jahre die staatliche Bauaufsicht ein und erklärte<br />

die Villa für unbewohnbar. Ab 1982 begann die wahrscheinlich lebendigste<br />

Zeit für die Villa Marie. Einheimische Künstler um „Wanda“ (Claudia Reichardt)<br />

besetzten die Villa am Blasewitzer Elbufer; trotz mehrfacher Räumungsbefehle<br />

beherbergte die Villa fast zehn Jahre lang eine inoffizielle Galerie, bis diese im<br />

September 1987 verboten wurde. 1988 bis 1990 war des zweistöckige Haus<br />

Heimstatt der Galerie „fotogen“ („autogen“). Dabei plante die Stadt Dresden<br />

1988 schon den Abriss der Villa. Dank einiger beherzter Denkmalpfleger und<br />

der illegalen Besetzer konnte dieses verhindert werden. Die seit dem Ende der<br />

siebziger Jahre vom Verfall bedrohte Villa avancierte in den Folgejahren zur Ruine.<br />

Seit dem Auszug der alternativen Dresdner Kunstszene stand die Villa leer.<br />

Die WOBA Südost – Nachfolger der KWV – erwog unter sehr fragwürdigen<br />

Umständen die Übereignung der Villa an das Kombinat Obst, Gemüse und<br />

Speisekartoffeln (OGS). Dieses wiederum plante die Villa als Gästehaus zu nutzen.<br />

Die Auflösung des Kombinates verhinderte das. Schließlich wurde die Villa<br />

Ma rie 1990 baupolizeilich gesperrt.<br />

1991 wurde dem Alteigentümer auf seinen Restitutionsantrag (Rückübertragung)<br />

stattgegeben. Anfang 1992 erwarben der Münchner Immobilienmakler Otto<br />

Bantele und der Münchner Rechtsanwalt Peter Jäger die „Villa Marie“ und begannen<br />

1993 mit der Restaurierung der Ruine. Ursprünglich als Wohnhausnutzung<br />

geplant, wurde die Idee, die Villa als „Galerie-Restaurant“ der Öffent lichkeit<br />

wieder zugänglich zu machen, umgesetzt. Die Restaurierung belief sich auf<br />

ein Investitionsvolumen von 1,8 Millionen Mark. Anfang Juni 1994 war die<br />

komplette Restaurierung des Gebäudes abgeschlossen. Klaus Karsten Heidsiek,<br />

der u.a. zehn Jahre Koch in einem 3-Sterne-Hotel in Mailand war, pachtete die<br />

Villa für sein Restaurant und seine Bar. Er wurde extra für diese reizvolle Aufgabe<br />

von den Eigentümern gewonnen.


Die Standseilbahn in Dresden wurde Ende des 19. Jahrhunderts in Betrieb genommen.<br />

Damals wie heute verbindet sie das hoch über der Elbe thronende<br />

Dresdner Villenviertel Weißer Hirsch mit der Stadt entlang des Flusses. 547 m<br />

Fahrt mit der Standseilbahn bergauf werden belohnt mit einem traumhaften Blick<br />

auf die sächsische Landeshauptstadt. Hier, auf dem „Balkon Dresdens“, liegt Ihnen<br />

die Stadt zu Füßen. Wer verweilen möchte, um diesen Blick bei vorzüglichen<br />

Speisen und Getränken ausgiebig zu genießen, findet im Restaurant „Luisen<br />

hof“ an der Bergstation der Standseilbahn eine erste Adresse. Direkt unter Ihnen<br />

überspannt das berühmte „Blaue Wunder“ als eine der 6 Dresdner Elbbrükken<br />

die Elbe. Es verbindet den Körner- mit dem Schillerplatz. Von deren al ten<br />

Backsteinfassaden geht ein außergewöhnlicher Reiz des alten Dresden aus.<br />

Bereits die Fahrt mit der Standseilbahn ist ein ganz besonderes Erlebnis. Denn<br />

vom Fuße der Elbhänge aus ist das Tal zwischen den Stadtteilen Weißer Hirsch<br />

und Oberloschwitz gar nicht wahrnehmbar. Erst wenn man in der Bahn Platz<br />

genommen hat und aus dem Tunnel der Talstation taucht, fällt es auf. Dann fährt<br />

man vorbei an der Rothen Amsel, einer Mühle im altdeutschen Stil, 1880 erbaut<br />

und tief im Taleinschnitt liegend. Und schon wird der Wagen weiter nach<br />

oben gezogen und begegnet dem talwärts fahrenden. An einer Ausweichstelle<br />

in der Mitte der Strecke treffen sich die beiden Wagen auf der sonst eingleisigen<br />

Strecke. Die Bergstation ist gleichfalls der Ausgangspunkt für einen Spaziergang<br />

durch das schöne Villenviertel und die hier beginnende Dresdner Heide.<br />

Hier oben liegen auch die Dresdner Elbschlösser, Musterbeispiele des Historismus:<br />

Schloss Albrechtsberg, die Villa Stockhausen – auch Lingner-Schloss genannt<br />

– und schließlich das Schloss Eckberg.<br />

79<br />

Standseilbahn<br />

Körnerplatz, Loschwitz<br />

Im Jahr 1895 eingeweiht, wurde die Bahn ursprünglich<br />

mit vier Personen- und zwei Güterwagen<br />

betrieben. Seit 1945 sind nur noch zwei<br />

Personenwagen im Einsatz. Im Unterschied zur<br />

Bergschwebebahn wird die Standseilbahn ausschließlich<br />

von der Bergstation aus gesteuert. Auf<br />

ihrer Fahrt passiert sie zwei Tunnel (96 m und 54<br />

m) und überquert ein Brückenviadukt (102 m).<br />

Um die eingleisige Strecke gleichzeitig in beide<br />

Richtungen – bergauf und bergab – betreiben zu<br />

können, wurde eine so genannte Abt'sche Ausweiche<br />

eingerichtet. Ab 1960 wurde die erste<br />

deutsche Standseilbahn nach und nach modernisiert,<br />

1993/94 fand eine umfassende Rekonstruktion<br />

statt.<br />

Höhenunterschied: 95 Meter<br />

Max. Neigung: 29 %<br />

Spurweite: 1000 mm<br />

Maximale Geschwindigkeit: 5 m/s<br />

Seillänge: 578 Meter


80Tag 3


Zeitplan Samstag, 27.09.08<br />

08.00 Uhr Frühstück und Auschecken<br />

09.00 Uhr Fahrt nach Leipzig<br />

10.15 Uhr Galerie für zeitgenössische Kunst – GfZK 1 + 2<br />

Architekten: Bruno Eelbo, 1893, Peter Kulka, 1998, as-if Arch.,<br />

2004<br />

Karl-Tauchnitz-Straße 9–11<br />

11.00 Uhr Zu Fuß zum Musikerviertel<br />

11.15 Uhr Besichtigung Stadtvillen im Musikerviertel<br />

Architekten: König Wanderer, Fuchshuber + Partner u.a.<br />

Haydnstraße, Robert-Schumann-Straße u.a<br />

11.45 Uhr Weiterfahrt zum Café Grundmann<br />

12.00 Uhr Mittagessen im Café Grundmann<br />

August-Bebel-Straße 2/Mahlmannstraße 16<br />

13.15 Uhr Weiterfahrt zu den Buntgarnwerken<br />

13.30 Uhr Besichtigung der Buntgarnwerke<br />

Nonnenstraße<br />

Atrium, Lofts am Elsterufer<br />

Architekten: Fuchshuber + Partner<br />

Holbeinstraße<br />

Wohnprojekt Sweetwater<br />

Architekten: Weiß + Volkmann<br />

Holbeinstraße<br />

14.15 Uhr Weiterfahrt nach Plagwitz<br />

14.30 Uhr Besichtigung der Baumwollspinnereigebäude<br />

Architekten: Ottomar Jummel, Händel + Franke<br />

Spinnereistraße 7<br />

15.00 Uhr Weiterfahrt zur Konsumzentrale<br />

15.15 Uhr Besichtigung Konsumzentrale<br />

Architekt: Fritz Höger<br />

Industriestraße 85–95<br />

15.45 Uhr Besichtigung Stelzenhaus<br />

Architekten/Umplanung: Weiß + Volkmann<br />

Weißenfelserstraße 65<br />

16.15 Uhr Weiterfahrt nach Lößnig<br />

16.45 Uhr Besichtigung Rundling in Lößnig<br />

Architekt: Hubert Ritter, 1929/30<br />

Führung: Dipl.-Ing. Ines Gillner, Leipziger Wohnungs- + Bauges. mbH<br />

Siegfriedplatz<br />

17.15 Uhr Weiterfahrt zur LWB vorbei am Völkerschlachtdenkmal<br />

17.45 Uhr Vortrag „Stadtumbau Ost“<br />

Dipl.-Ing. Ines Gillner, Leipziger Wohnungs- + Baugesellschaft<br />

mbH/LWB<br />

Pragerstraße 21<br />

18.00 Uhr Fahrt zum Renaissance Hotel Leipzig<br />

18.30 Uhr Einchecken Renaissance Hotel Leipzig<br />

Großer Brockhaus 3, 04103 Leipzig<br />

19.30 Uhr Spaziergang zum Restaurant Alte Nikolaischule<br />

20.00 Uhr Abendessen im Restaurant in der Alten Nikolaischule<br />

Architekten: Storch, Ehlers + Partner<br />

Nikolaikirchhof 2, 04109 Leipzig, Telefon 0341/211 85 11<br />

Zu Fuß zuruck zum Hotel<br />

mit Bus<br />

mit Bus<br />

mit Bus<br />

mit Bus<br />

mit Bus<br />

zu Fuß weiter<br />

mit Bus<br />

mit Bus<br />

mit Bus


82Galerie für Zeitgenössische Kunst<br />

Karl-Tauchnitz-Straße 9–11<br />

Architekt: Bruno Eelbo, 1893, Peter Kulka, 1998,<br />

as-if Architekten, 2004<br />

GfZK 1<br />

Der bekannte Geologe Hermann Credner, Professor in Leip zig, ließ sich 1893<br />

durch den Architekten Bruno Eelbo die stattliche Villa am Johannapark im Stile<br />

der italienischen Renaissance errichten. Nach seinem Tode übernahm sie im<br />

Jah re 1914 der Verleger der Leipziger Neuesten Nachrich ten, Edgar Herfurth.<br />

Bis heute ist der Name Herfurthsche Villa in Gebrauch.<br />

1994, dreieinhalb Jahre nach Gründung des Fördervereins, ge wann der 1937<br />

in Dresden geborene Architekt Peter Kul ka den Wettbewerb für den Neu bau<br />

der Galerie, die an der Wäch ter straße vorgesehen war. Finanzielle Schwierigkei<br />

ten zwangen den Verein schließlich, die eigentlich für diesen Zweck völlig<br />

ungeeignete Gründerzeitvilla zur Gale rie um zu bauen. Die so ge nannte GfZK 1<br />

befindet sich in der von Peter Kulka umgebauten und 1998 eröffneten Gründer<br />

zeit villa, die 1999 mit dem Architekturpreis der Stadt Leip zig ausgezeichnet<br />

wurde.<br />

Peter Kulka nahm bei seinem Umbau weitgehend auf die re prä sentative, architektonische<br />

Struktur der Villa Rücksicht, straffte diese, behielt die Raumfolgen bei<br />

und erweiterte diese um Durchblicke und Sichtachsen im Inneren. Die Räu me<br />

selbst sind klar gestaltet, die architektonischen Details reduziert, bis auf drei<br />

Räume (Salon Credner, Salon Her furth, Café) wurde die Villa entkernt. Innen<br />

folgte Kulkas Gebäude dem Konzept des White Cubes. Er schuf Räume, die<br />

die volle Konzentration auf Kunst und deren ästhetische Qualitäten ermöglichen<br />

sollen. Der Anbau von Kulka setzt sich kontrastreich vom Jahr hun dertwendebau<br />

ab.


GfZK 2<br />

Kleines Gebäude, große Themen: Nichts weniger als die Zu kunft des Kunst museums,<br />

die Kritik am System der Archi tek ten wettbewerbe und die Frage, was eigentlich<br />

„Flexibilität“ in der Architektur bedeuten kann – das sind die drei<br />

großen The men felder, auf denen die junge Architektengruppe as-if mit ih rem Erstlingswerk<br />

erfrischend radikale Positionen einnimmt. Dazu gehört Mut, ein solides<br />

intellektuelles Rüstzeug, vor all em aber ein Bauherr, der Experimente nicht<br />

nur duldet, sondern dazu anstiftet. Barbara Steiner, die Direktorin der Galerie für<br />

zeitgenössische Kunst in Leipzig (GfZK), hat die Bauherren rol le sogar in ei ner<br />

Weise ausgedehnt, dass einem im Bauge wer be kein so recht passender Begriff<br />

einfallen will. Im Film ge schäft würde sie im Abspann als Produzentin auf tauchen<br />

(die Architekten wären die Regisseure), womit ihre Tätigkeit weitaus besser beschrieben<br />

wäre.<br />

Zu den ungewöhnlichen Konstellationen dieses Projekts gehört seine Vorgeschich<br />

te. Im Jahr 1990 geht aus dem „Kulturkreis der deutschen Wirtschaft im<br />

Bundesverband der Deutschen In dustrie“ die Initiative hervor, in Leipzig ein <strong>Zentrum</strong><br />

für Ge gen wartskunst zu etablieren. Treibende Kraft ist der Indu stri elle und<br />

Kunstmäzen Arend Oetker. Im Jahr 1994 findet ein Architekturwettbewerb zur<br />

Errichtung permanenter Ausstel lungs räume statt, den der Kölner Architekt Peter<br />

Kulka ge winnt. Vier Jahre später ist der Umbau der ehemaligen Villa des Zeitungsverlegers<br />

Paul Herfurth abgeschlossen. Als im Jahr 2001 die österreichische<br />

Kunsthistorikerin Barbara Steiner die Leitung übernimmt, hat die GfZK<br />

bereits einen überregionalen Ruf als Ausstellungsort für Gegenwartskunst erworben.<br />

Kurz darauf stellte ein sächsischer Minister ihr unverhofft 2,5 Mio. Euro für<br />

die Erweiterung der Villa in Aussicht. Normalerweise hieße das: Es findet wieder<br />

ein Architekturwettbewerb statt. Doch durch die Umwandlung der GfZK in<br />

eine autonome Stif tung wurde das Verfahren der öffentlichen Hand entzogen<br />

und die Direktorin konnte die Architektengruppe as-if mit ei nem Direktauftrag<br />

ausstatten. Im Gespräch erklärt sie, dass Wettbewerbe nicht grundsätzlich ab zulehnen<br />

seien. In diesem Fall aber waren ihre Vorstellungen eines zeitgenössischen<br />

Kunst raums bereits so weit ausformuliert, dass es ihr sinnvoller erschien,<br />

ohne Jury und großes Verfahren ein Büro auszuwählen und den Bau gemeinsam<br />

zu entwickeln. Den Einwand, das Instrument des Architekturwettbewerbs wer de<br />

von Architekten als demokratische Errungenschaft hochgehalten, will die Direk torin<br />

nicht gelten lassen: Die Geschichte der GfZK habe ge zeigt, dass der Erfolg<br />

des Ausstellungshauses von starken Ein zelpersonen abhängig sei. Ein Wettbewerb<br />

wäre nicht demokratischer, sondern berge die Gefahr, dass eine formal<br />

exzentrische Lösung sich eher durchsetze als ein vielleicht unscheinbar erscheinendes<br />

Konzept, das aber weitaus intensiver die Anfor derungen an ei nen Ausstellungsraum<br />

reflektiere. Da sie zuvor als Leiterin des Wolfsburger Kunstvereines<br />

bereits mit dem as-if-Teammitglied Christoph Teckert zusammengearbeitet hatte,<br />

einem Architekten, Künstler und Theoretiker, der dort eine er ste Raumskizze realisieren<br />

konnte, waren ihre Präferenzen klar gesetzt.<br />

Architekt: as-if Architekten, Paul Grundei, Stephanie<br />

Kaindl, Christian Teckert, Berlin<br />

Autor: Oliver Elser<br />

erschienen in: Werner Durth: Architektur in<br />

Deutschland 2005, Deutscher Archi tek turpreis<br />

2005, Stuttgart 2006<br />

Bauwelt Preis 2007, aaa austrian architecture<br />

award, bau 2006, Aus zeichnung zum Deutschen<br />

Archi tek turpreis, 2005 Architekturpreis der<br />

Stadt Leipzig zur Förderung der Bau kultur, 2005<br />

Quelle:<br />

www.architekturtexte.ch/www/home/overview<br />

Quelle Fotos:<br />

www.gfzk-online.de/de/ index. -<br />

hp?menue=101


Mit der GfZK 2, dem Neubau der Galerie für<br />

Zeitgenössische Kunst, eröffnete 2004 ein neues<br />

Café. Das Konzept der wechselnden Gestaltung<br />

durch einen Künstler bzw. eine Künstlerin wurde<br />

auch in den neuen Räumen beibehalten. Nach<br />

Anita Leisz übernahm Jun Yang diese Aufgabe.<br />

Sein Café trägt den Na men „Paris Syndrom“.<br />

Dies charakterisiert ein Krankheitsbild japanischer<br />

Tou risten, deren Sehnsucht nach Erfüllung<br />

ih rer Vorstellungen von Paris vor Ort enttäuscht<br />

wurde. Sie erleiden eine Art negativen Kulturschock,<br />

der nahe einer Traumati sie rung ist. Der<br />

von Jun Yang gewählte Café-Name ist programmatisch<br />

für die gesamte Konzeption, steht diese<br />

doch für Wunsch und Sehnsucht bei einer gleichzeitigen<br />

Ernüchterung angesichts der Be gegnung<br />

mit der jeweiligen Realität. Der Wunsch nach<br />

Unerreichbarem drückt ein Begeh ren aus, das<br />

sich nicht real einlösen lässt: Nachahmung und<br />

Nachbildung erzeugen ein Bild, eine Projektionsfläche<br />

für unerfüllte Sehn sucht. Die Sessel sind<br />

mit einem Louis-Vuitton-Imitat bezogen, pompös<br />

wirkende Lüster hängen an der Decke des<br />

Cafés, das mit Stuckelemen ten besetzt ist. Die<br />

Stühle erinnern an das De sign von Charles und<br />

Ray Eames, die Fotogra fien an den Wän den<br />

zeigen berühmte Bauten der Architekturgeschichte,<br />

die an verschiedenen Orten der Welt<br />

nachgebaut wurden. Zeitschrif ten wie die französische<br />

„Vogue“ oder „Wall paper“ liegen für die<br />

BesucherInnen aus und Coverversionen berühmter<br />

Songs rufen das Ori gi nal ins Gedächtnis.<br />

Jeden Monat gibt es im „Café Neubau/Paris<br />

Syndrom“ die verschiedensten Veranstaltungen.<br />

Neben festen Formaten erhalten junge Bands,<br />

die vorwiegend aus dem Kunstkontext kommen,<br />

die Möglichkeit, ihre Musik zu spielen. Es finden<br />

Filmvorführungen und Lesungen statt.<br />

Quelle:<br />

www.gfzk.de<br />

Um zu verstehen, was den Bau von as-if nun tatsächlich und jen seits aller Theorie<br />

auszeichnet, ist ein kleiner Umweg in Form eines zehnminütigen Spaziergangs<br />

zu empfehlen. Denn ganz in der Nähe der Galerie ist nahezu zeitgleich<br />

das städtische Kunstmuseum fertiggestellt worden, der größte seit 1989 in den<br />

Neuen Bundesländern errichtete Museumsbau. Galerie und Museum stehen zueinander<br />

wie These und Gegenthese, Bau und Gegenbau. Am Sachsenplatz<br />

entstand eine pompöse, von den Berliner Architekten Hufnagel Pütz Rafaelian<br />

geplante Ruhmeshalle für die bedeutende Kunstsammlung der Stadt Leip zig, die<br />

zuvor im ehemaligen Reichsgericht untergebracht war, wo mittlerweile der Bundesgerichtshof<br />

residiert. Ein glas umhüllter Sichtbetonquader, der mit Lufträumen<br />

so ver schwen derisch ausgehöhlt wurde, dass der Besucher sich fragt, wo denn<br />

eigentlich die Kunst abgeblieben ist. Die eigentlichen Ausstellungsräume sind<br />

zwar alles andere als bescheiden di men sioniert, doch sie fallen zunächst gar<br />

nicht auf, weil die Bau skulptur selbst alle Blicke aus sich zieht.<br />

Im Musikerviertel Leipzigs hingegen, in unmittelbarer Nähe zur Hoch schule für<br />

Grafik und Buchkunst, der Geburtsstätte der „Leip ziger Malerschule“, wurde für<br />

die GfZK ein Gebäude auf das parkähnliche Grundstück gesetzt, das von au -<br />

ßen betrachtet als Schulerweiterungsbau aus den 1960er Jahren durchgehen<br />

könnte. Vom Boden ist es mit einer Fuge getrennt, als wä re die Konstruktion nur<br />

vorübergehend hier abgestellt worden. Statt pathetischer Gesten, die den Betrach<br />

ter zu einem Win z ling schrumpfen lassen, orientierten sich Architekten und<br />

Direktorin eher an den wohnzimmerhohen Räumen des dänischen Louisiana-Museums.<br />

Das Haus soll nicht überwältigen, son dern die Kunst aus der Sphäre der<br />

Hochkultur auf Augen hö he herunterbringen. Der Feind heißt Erhabenheit, auch<br />

wenn er so scheinbar harmlos daherkommt wie im „white cube“, dem idealtypischen<br />

weißen Museumsraum der Moder ne.<br />

Die Lösung des paradoxen Problems, für eine Institution ein neues Gebäude erreichten<br />

zu wollen, die ihrerseits für sich in Anspruch nimmt, „institutionskritisch“<br />

zu sein, führt zu einem Innenraum, der den etwas ausgeleierten Begriffen der<br />

„Dis kur sivität“ und „Verhandelbarkeit“ überraschend neue Seiten ab gewinnt: Mit<br />

einem verblüffenden Schiebewandsystem lassen sich für jede Ausstellung andere<br />

Wege, Belichtungssitu a ti onen und Raumstimmungen schaffen. Bis zu acht Me ter<br />

lange Wand scheiben können verschoben werden, wodurch immer wie der neue<br />

Sequenzen und Zuordnungen entstehen. Es ist kaum fotografierbar, wie sehr<br />

sich der Innenraum dadurch än dert. Der Effekt ist so dramatisch, dass nur zu bedauern<br />

ist, dass die Wände nicht von den Besuchern bewegt werden dürfen.<br />

Nur wer zwischen zwei Ausstellungen die Möglichkeit hat, nach Her zenslust<br />

die Wände des leeren Gebäudes zu verschieben, der bekommt eine Ahnung<br />

davon, wie fundamental die Veränderungen sind, die das flexible Raumsystem<br />

hervorbringen kann.<br />

Wie alles an diesem Gebäude, ist auch seine Flexibilität in ei nen kleinen Theorieexkurs<br />

eingebettet: Denn hier wird nicht der neutrale, verwandelbare Raum<br />

auf Basis eines geometrischen Rasters angeboten, der beispielsweise im Pariser<br />

Centre Pompidou seinen Vorgänger hätte. Das Konzept erinnert eher an die<br />

Storefront Gallery von Vito Acconci und Steven Holl in New York (1993), wo<br />

der Ausstellungsraum zur Straße aufgeklappt und erweitert werden kann. In den<br />

unregelmäßigen Raum zuschnitten der GfZK steckt ein hohes Maß an künstlerischem<br />

Eigensinn. Zugleich aber erscheint die im Grundriss kaum nachzuvollziehende<br />

kristalline Raumstruktur in der Re alität als völlig plausible Versuchsan -<br />

ordnung. Jede Position der Schiebewände ergibt eine neue Interpretation des<br />

Ausstel lungs raums. Eine andere Referenz des Projekts sind die Pavil lons des<br />

Künst lers Dan Graham. Auch in der GfZK überlagern sich die Spiegelungen in<br />

den Glasflächen und lassen Ausstel lungsräume, Café und Kinosaal ineinander<br />

fließen. Statt den Blick durch Achsen zu bändigen, schweift er herum wie in ei -<br />

nem Kaleidoskop.


Das sechsgeschossige Gebäude für die KPMG in Leipzig befindet sich in ei nem<br />

gründerzeitlich geprägten Viertel südlich des Stadtringes. Zwischen Beet ho venstraße<br />

und der mittelalterlich geprägten Münzgasse entstand auf einem spitzwinkligen<br />

Eck grundstück ein Stahlbetonskelettbau mit Ganzglasfassaden, des sen<br />

geschwungener kristalliner Bug die erkerartigen Ausbil dungen der um ge benden<br />

Gebäude modern interpretiert. Die flächenbündige Glasfassade zur Münzgasse<br />

lässt den Mittelteil der Gebäudefront zur überdimensionalen Vitrine werden und<br />

verbindet so den Platzraum mit dem Atrium des Gebäudes. Zwi schen der doppelverglasten<br />

Außen- und der einfachverglasten Büroraumfassade öffnet sich die<br />

interne Halle, in welcher eine filigrane Erschließungsstruktur mit brückenähnli-<br />

chen Über gängen zu den Bürobereichen, eine spektakuläre Trep pe und zwei<br />

gläserne Aufzugsschächte angeordnet sind. Durch den Lichthof sind Büroetagen<br />

von außen erkennbar. Die An bindung an die Massivbauten der Münzgasse erfolgt<br />

durch eine Übergangszone aus halbtransparenten Pa neelen und verschließbaren<br />

Sonnenschutzelementen. Das <strong>Zentrum</strong> des Gebäu des bildet das durch<br />

alle Geschosse reichende Atrium, das sich in der Detail be handlung von Laufebenen,<br />

Treppen, Geländern usw. durch Transparenz und Geradlinigkeit, asketische<br />

Strenge und Klarheit auszeichnet.<br />

85<br />

KPMG Leipzig<br />

Beethovenstraße 1<br />

Schneider und Schumacher Architekten, 1996/97<br />

Galerie:<br />

Bildarchiv © Joerg Hempel Photodesign<br />

Quelle:<br />

http://joerg-hempel.com/gallery/A501


86Stadtvillen im Musikerviertel<br />

Auf dem Unkrautgelände hinter dem einstigen Gästehaus für DDR-Funktionäre,<br />

auf dem früher Hubschrauber landeten, entsteht wieder ein Wohnareal. Das ers -<br />

te realisierte Gebäude ist die Stadtvilla von König Wanderer Architekten. Das<br />

Objekt entstand als erstes im Rahmen des städtisch initiierten Selbst nutzer programms<br />

auf dem Gelände, auf dem vor dem Krieg Gründerzeithäuser standen.<br />

Gemäß Bebauungsplan der parzellierten Gästehauswiese aus den 90er Jahren<br />

müssen die Häuser an der Grenze zum Bürgersteig stehen, im Abstand von 6 m<br />

zum nächsten Gebäude. Das Verhältnis von Wand- und Fensterflä chen war festgelegt.<br />

Inzwischen sind einige dieser Stadtvillen mit unterschiedlicher Formensprache<br />

entstanden. Ambitionierte Entwürfe für weitere Stadtvillen werden auf<br />

großen Schildern auf verschiedenen Grundstücken am Rande der Wiese beworben.<br />

Investierwillige Bauherren, die sich für kühne, kubische, mo derne Architektur<br />

interessieren sind rar. Architekten, die selbst als Bauträger auftreten können,<br />

hätten es auch hier leichter, anspruchsvolle Entwürfe zu verwirklichen.


König Wanderer Architekten<br />

Der Wegweiser für die Zukunft der Gästehauswiese könnte die Haydnstraße<br />

11–15 sein. In Abstimmung mit dem Stadtplanungsamt entstand in 2003 das<br />

Konzept: ein Stadthaus für drei Familien. Der kompakte Baukörper mit der dunk -<br />

len Klinkerfassade, die in verschiedenen Schieferfarben schimmert, wirkt wie ein<br />

moderner Monolith – Kontrapunkt zu Gründerzeithäusern und Platten bauten in<br />

der Nachbarschaft. Die <strong>Ziegel</strong> bilden an allen vier Seiten die Haut des Monolithen,<br />

der sich zur Straße und zur Wiese öffnet und zu den Nach barhäusern hin<br />

weitestgehend geschlossen bleibt. Zur Wiese hin bestehen die Ausfachungen in<br />

den <strong>Ziegel</strong> verkleideten Rahmen aus großzügigen erdfarbenen Holz- und Glaselementen,<br />

zur Straße hin sind sie dunkel.<br />

Die Wohneinheiten sind 5 m breit und umfassen vier Etagen. Die Deckenfelder<br />

im oberen Bereich sind zum Teil herausnehmbar, um die Wohnungen nach<br />

oben erweitern zu können. Schmale Treppen, klare Grundrisse, bündige Fen sterund<br />

Türrahmen bestimmen das Bild. Schiebetüren und Einbauschränke sind<br />

ebenfalls von den Architekten entworfen. Das Haus ist mit Erdwärme sonden ausgestattet<br />

und für einen Aufzug vorgerüstet. Die notwendigen Stellplätze sind<br />

unter der 5 m tiefen Auskragung im Eingangsbereich platziert, die von vielen<br />

Bewohnern stattdessen als offener Fahrradabstellbereich genutzt wird. Die Ar chitekten<br />

hoffen, dass es eine Art Bauaustellung wird. Keine beliebige Archi tektur,<br />

sondern ein Ensemble moderner Bauten, die sich klar positionieren.<br />

www.koenigwanderer.de


www.fuchshuberpartner.de<br />

Fuchshuber + Partner<br />

Für die Bebauung des Eckgrundstückes Ferdinand-Rhode-Straße/Robert-Schumann-Straße<br />

im Musikerviertel von Leipzig haben sich zwei Bauherren gefunden<br />

gemeinsam die Bauaufgabe durchzuführen. Aus den Anforderungen des B-Planes<br />

heraus ist für dieses Grundstück ein Gebäude vorgesehen. Auf Grund der<br />

Größe wurde das Flurstück geteilt und es entstanden zwei Häuser in der Gesamterscheinung<br />

als eines.<br />

Die Nutzung der Gebäude erstreckt sich gemäß den Vorgaben an die Ge schossigkeit<br />

über vier Ebenen, wobei das Erdgeschoss den Nebenräumen und Technik/Garage<br />

vorbehalten ist und die Wohnräume sich in den Oberges chossen<br />

befinden. Die Wohn- und Schlafebenen der beiden Nutzungseinheiten sind im<br />

Wechsel im 1. bzw. 2. Obergeschoss untergebracht. Die Dachter ras sen mit angrenzendem<br />

Studio bilden jeweils den oberen Abschluss. Den Kom fort zur Verbindung<br />

der Etagen bietet jeweils ein Aufzug.<br />

Bei der individuell auf die speziellen Bedürfnisse abgestellten Planung der einzelnen<br />

Grundrissebenen wurde auch im Hofbereich mit der Privatsphäre der<br />

Nutzer sensibel umgegangen. Die Gebäude sind in massivem Mauerwerk mit<br />

Wärmedämmung als Niedrigenergie- bzw. Passivhaus errichtet worden. Das<br />

sich in Fertigstellung befindliche Gebäude fügt sich eigenständig in die umliegende,<br />

offene Bebauungsweise ein. Durch das gemeinsame Entwickeln eines<br />

Ge bäu detyps auf zwei in sich verschränkten Grundstücken ist der Spagat zwischen<br />

den planerischen Eckpunkten und einer großzügigen Bebauung gelungen.


EG<br />

1. OG<br />

2. OG<br />

3. OG


90Café Grundmann<br />

August-Bebel-Straße 2/Mahlmannstraße 16<br />

Quelle:<br />

www.cafe-grundmann.de<br />

Das 1880 errichtete Wohngebäude bildet den Auftakt der noblen Bauten in der<br />

August-Bebel-Straße, die zu den schönsten Ensembles des Historismus und des<br />

Jugendstils in Leipzig gehört. Hier befindet sich das interessanteste Café-In terieur<br />

der Stadt Leipzig. Die im Original erhaltene Art-déco-Ausstattung stammt aus<br />

dem Jahr 1930. Der damalige Besitzer des typischen Wiener Ca fés, der Konditormeister<br />

Lutze, ließ in diesem Jahr die edle hölzerne Wandverkleidung und die<br />

Stuckdecke einbauen sowie das heute noch im wesentlichen erhaltene Mobiliar<br />

aufstellen. Seit dem Jahr 1919 wird das Café ununterbrochen von Kon ditormeistern<br />

bewirtschaftet. Sowohl die immobile Ausstattung, d.h.: Decke, Wände<br />

etc., als auch die Möblierung wurden nach denkmalpflegerischen Ge sichtspunkten<br />

restauriert. Besonderen Reiz bezieht das Interieur aus der Verwen dung der<br />

Satin-Holz-Verkleidung der Wandflächen, die horizontalen Gliederun gen sind<br />

dagegen aus Mahagoni gearbeitet.<br />

Satin-Holz ist eine ältere Modebezeichnung für eine Gruppe tropischer Hölzer,<br />

die in den 1920er Jahren gern verwandt wurden. Das Café ist seit dem Jahr<br />

2000 nach seinem neuen Besitzer Eckehart Grundmann benannt. Bemerkenswert<br />

feinfühlig sind die neuen Radleuchter im Restaurantraum durch den Leip ziger<br />

Künstler Stefan Francik als gelungene Art-déco-Adaption gestaltet.


In Leipzigs Westen hat sich mit dem Stadtteil Plagwitz ein ca. 90 Hektar großes<br />

Flächendenkmal der Industriearchitektur erhalten, das seinesgleichen sucht. Es<br />

war das erste planmäßig entwickelte, großräumige Industriegebiet Deutschlands.<br />

Das deutsche Unternehmertum ist eng mit der Geschichte von Plagwitz verbunden<br />

und wurde erheblich vom Gutsbesitzersohn und Rechtsanwalt Dr. Carl Erdmann<br />

Heine (1819 –88) geprägt. Durch sein Engagement in den Jahren<br />

zwi schen 1840 und 1880 wurde Leipzig zum Vorreiter der deutschen Indu stri alisierung.<br />

Schon früh zeigte sich Heine von der damals noch revolutionären Eisenbahn<br />

sowie der wirtschaftlichen Nutzung von Wasserwegen begeistert. So<br />

handelt es sich bei dem 1873 eröffneten Bahnhof Plagwitz-Lindenau um den ersten<br />

Industriebahnhof Europas. Heines Visionen ermöglichten den Bau eines Kanals,<br />

der zur Schaffung einer Schifffahrtsstraße von Leipzig nach Ham burg<br />

führen sollte. Ziel war, die in Leipzig produzierten Industriewaren über den<br />

Ham burger Hafen weltweit abzusetzen. Der Visionär erwarb in Plagwitz große<br />

Wiesen und Ackerland und nutzte diese für Wohnungsbau und Indu strie ansiedlung.<br />

Er legte das sumpfige Gebiet trocken und regulierte Wasserläufe.<br />

Weiterhin engagierte sich Heine stark für die Ansiedlung von Industrieunter nehmen<br />

und kümmerte sich um deren Anbindung an die Wasserwege bzw. an das<br />

Schienennetz. Die Kombination von Wohnquartieren und Arbeitsstellen war einmalig<br />

und verhalf der Industrie – in Verbindung mit den idealen Transport we gen<br />

– zum stürmischen Aufbruch.<br />

Ab 1920 ließen Rüstungsindustrie, Aktienspekulation, Krieg und wirtschaftlicher<br />

Verfall der sozialistischen Planwirtschaft den Industriestandort immer mehr ins<br />

Hintertreffen geraten. Nach der Wende 1989 erfolgte endgültig der Niedergang<br />

von Plagwitz, das im Zweiten Weltkrieg nur geringfügig beschädigt wur -<br />

de. Nachdem fast eineinhalb Jahrhunderte die Schornsteine geraucht hatten,<br />

folgte die Deindustrialisierung im Zeitraffer. Die Betriebe wurden liquidiert, die<br />

Bevölkerung wanderte ab und es kam zu hohem Leerstand und Abrissen. Über<br />

90.000 Industriearbeitsplätze gingen in Leipzig verloren, davon ein großer Teil<br />

in Plagwitz. Der Stadtteil wurde totgesagt und schien endgültig dem Verfall<br />

preis gegeben. Gespenstische Häuser, leere Fabrikgebäude, vom Gras überwucherte<br />

Bahngleise und verschmutzte Gewässer prägten dessen Image.<br />

Nun waren abermals Visionen gefragt. Eine neue Gründerzeit begann. Die<br />

Bau denkmäler sowie die Gewässer und Gleisbogen, die in ihrer Gesamtheit<br />

den einzigartigen Charme von Plagwitz ausmachen, sollten renoviert und re konstruiert<br />

werden. Die Stadt und zahlreiche Investoren starteten ein umfangreiches<br />

Aufbauprogramm. Im Jahr 2000 erhielt Plagwitz als externer Standort der Hannoveraner<br />

EXPO unter dem Motto „Plagwitz auf dem Weg ins 21. Jahrhun dert –<br />

91<br />

Industriearchitektur in Plagwitz<br />

Quelle:<br />

www.leipzig.de


Was für Hamburg die Speicherstadt, das ist für<br />

Leipzig – industriearchitektonisch gesehen – der<br />

Stadtteil Plagwitz mit seinen Fabriken der Jahrhun<br />

dertwende. 1989, im Jahr der Wende, hatte<br />

Plagwitz 37.000 Bewohner. Von den etwa 800<br />

hier vorhandenen Betrieben waren rund 40<br />

Groß betriebe. Der Niedergang der Industrie,<br />

der Verfall der Stadt, eine extreme Umweltbe las -<br />

tung – dies alles waren Indizien für das Ende<br />

des Sozialismus. In Plagwitz wurden sie auf besonders<br />

deprimierende Art erlebbar. Mit dem<br />

fast völligen Wegbrechen der Industrie nach<br />

1990 entstand eine städtebauliche Situ a ti on, die<br />

kaum Zukunftschancen in sich zu bergen schien.<br />

Auch die heruntergekommene Wohnbe bauung<br />

schien in dieser unwirtlichen Umgebung wenig<br />

Sanierungsaussichten zu ha ben. Wer heu te Plagwitz<br />

durchstreift, wird verblüfft sein. Nicht nur<br />

viele Wohnhäuser, sondern auch eine große<br />

Zahl von Industriebauten ist heu te schon Instand<br />

gesetzt und neu genutzt. Die se Entwick lung ist<br />

geprägt von modernisierten Wohnungen der<br />

Wilhelminischen Epoche, von umgenutzten Industriearchitekturen<br />

und künftig auch von neu em<br />

Großgrün auf den von Karl Heine weitsichtig angelegten,<br />

künftig aber nicht mehr be nö tigten<br />

Gleisschneisen, deren Schie nen stränge das Gebiet<br />

kammartig erschließen. Insbe son de re die<br />

teils großartigen Industrie bau ten prägen das architektonische<br />

Milieu dieses Stadtteils.<br />

Quelle:<br />

Leipzig, Architektur von der Romanik bis zur Gegenwart,<br />

Wolfgang Hocquél, Passage Verlag,<br />

2. Auflage<br />

Ein Stadtteil im Wandel“ weltweite Aufmerksamkeit und damit einen deut lichen<br />

Entwicklungsschub.<br />

Glücklicherweise überdauerten die meisten Bauensembles der Gründerzeit und<br />

der frühen Moderne die schwierigen Jahre und entfalteten nach ihrer Restaurierung<br />

bald den Reiz einer untergegangenen Welt. Heute kann man ehrfurchtsvoll<br />

die prachtvollen Backsteinbauten sowie die beeindruckenden Brücken über den<br />

Karl-Heine-Kanal bewundern, die Leipzig zur Hafenstadt machen sollten. In ehemaligen<br />

Fabrikhallen sind exklusive Lofts entstanden, in deren Höfen dank Wurzelheizung<br />

exotische Palmen gedeihen.<br />

Architektonisch bedeutsam sind u.a. die im Jahr 1866 gegründete „Wollgarn -<br />

fabrik Titel & Krüger” (Nonnenstraße/Elsterstraße), das 1928 nach Entwürfen<br />

des Hamburger Architekten Fritz Höger erbaute Verwaltungsgebäude der Leip ziger<br />

„Konsum-Zentrale” (Industriestraße 85–95) – eine grandiose Symbiose von<br />

Backsteinexpressionismus und Neuer Sachlichkeit – die 1880 gegründete „Ma -<br />

schinenbaufabrik Unruh & Liebig” (Naumburger Straße 28) und die zwischen<br />

1879 und 1925 in der Nonnenstraße errichteten „Buntgarnwerke” – eines der<br />

größten Gründerzeitdenkmale Deutschlands. Wer eine Bootstour auf dem Karl-<br />

Heine-Kanal macht, dem wird mit Sicherheit ein widerspenstiges Gebilde ins<br />

Auge fallen: Das 2003 nach einem Umbau eröffnete „Stelzenhaus” (Weißen -<br />

felser Straße) – ein ehemaliges Wellblechwalzwerk der Firma „Grohmann &<br />

Frosch” – wurde aufgrund Platzmangels Ende des 19. Jahrhunderts an einer Kanalbiegung<br />

errichtet. Getragen wird das streng funktionalistische Gebäude von<br />

wuchtigen Betonstützen.<br />

Die Entwicklung Plagwitz von einem Dorf zum Industriestandort lässt sich vier<br />

Epochen zuordnen: Die Industrialisierung 1840–70, Welthandel und Grün derboom<br />

von 1870–1918, Weltwirtschaftskrise und Kriegsmaschinerie von<br />

1920–45, Aufstieg und Fall als Industriestandort nach dem Neubeginn von<br />

1945–89. Das brache Industrieviertel hat sich inzwischen zu einem modernen,<br />

grünen, sozial verträglichen und begehrten Quartier für Wohnen, Arbeit und<br />

Freizeit umgewandelt, das in Deutschland seinesgleichen sucht.


Die Buntgarnwerke Leipzig GmbH entstand 1990 aus der Umwandlung des<br />

Volkseigenen Betriebes Buntgarnwerke Leipzig, einem Textilkombinat mit 3<br />

Standorten in Sachsen. In den Folgejahren wurde die Produktion nach Tsche chi -<br />

en verlagert und die deutschen Standorte umgewidmet. Der Elster-Park in Leipzig<br />

ist mit seinen 100.000 m 2 Brutto-Geschossfläche Europas größtes In du striedenkmal<br />

aus der Gründerzeit. Wasser durchzogen und zentral gelegen zählt er<br />

zu den aus zahlreichen Fernsehfilmen und Presseveröffentlichungen be kannten<br />

Sehenswürdigkeiten der Stadt Leipzig.<br />

Die Front an der Elsterseite der Nonnenstraße ist etwa 250 m lang und wird<br />

von mehrgeschossigen Spinnereigebäuden gebildet. Bemerkenswert ist der markante,<br />

kuppelbekrönte Turm am Haupteingang. Die kräftige Gliederung der Klinkerarchitektur<br />

durch helle, horizontale Putzstreifen und Natursteinelemente lässt<br />

den Bau ungewöhnlich gewaltig erscheinen. Die Anlage wirkt trotz der zeitlich<br />

weit auseinander liegenden Bauabschnitte insgesamt dennoch sehr einheitlich.<br />

Auch das 1922/23 gebaute Kesselhaus passt sich dem vorgegebenen Gründerzeitstil<br />

an. Der linke, östliche Eingang der Nonnenstraße ist von ei nem Vordach<br />

auf hohen schlanken Pfeilern betont.<br />

Vielfach ausgezeichnet gehörte der Elster-Park nicht nur zum weltweiten The menpark<br />

der Expo 2000, sondern wurde auch in das Bewerbungskonzept zur<br />

Olympiade 2012 aufgenommen. In 2006 wurde das Ensemble dem internationalen<br />

DIFA Award (Platz 3) ausgezeichnet. Der Elster-Park liegt 1,5 Kilometer<br />

vom Rathaus und der Innenstadt entfernt am Nonnenpark. Vom Karl-Heine-Ka nal<br />

und der Weissen Elster durchzogen bildet er ein Quartier, das seinesgleichen<br />

sucht. Sie finden dort heute u. a. Restaurants, Szenebars und eine Tanz schu le,<br />

Loftbüros von 50 bis 5.000 m 2 , Wohnungen und ein Boardinghaus, Handel<br />

und Dienstleistungen, Ärtzehaus mit Apotheke.<br />

Buntgarnwerke<br />

Architekten: Ottomar Jummel<br />

und später Händel & Franke, 1879–8893<br />

1866 Gründung der Seiden-, Garn- und Ta pisseriewarenhandlung<br />

C.A. Tittel am Markt 19<br />

1869 Herr A. A. Krüger wird Teilhaber<br />

1875 Erwerb des Grundstücks in Plagwitz in der<br />

Nonnenstraße<br />

1878 Errichtung einer Fabrikation von Tapisseriewaren<br />

1887 Gründung der „Sächsischen Wollgarn fabrik<br />

Tittel & Krüger Aktiengesellschaft“ 542 Beschäftigte<br />

produzieren 600.000 kg Tapisseriegarne<br />

im Jahr<br />

1888–98 Bau weiterer Spinnereigebäude in<br />

Backsteinarchitektur mit dekorativer Natursteingliederung<br />

1901 Umsatz des Betriebes bereits über 12<br />

Mio. Reichsmark<br />

1906–08 Verlegung der Berliner Filiale nach<br />

Leipzig, Bau des 2.Abschnittes auf der Schleu ßiger<br />

Uferseite (Hochbau Süd)<br />

1911 etwa 2.000 Arbeiter und Angestellte<br />

1923 noch etwa 1.000 Beschäftigte<br />

um 1926 Übernahme der Gebäude der Firma<br />

Phil. Penin in der Nonnenstraße 42/44, ge gründet<br />

1878<br />

1938 Der Umsatz beträgt 25 Mio. RM, der<br />

Reingewinn 1,4 Mio. RM<br />

1951 Die Wollgarnfabrik wird Treuhandbetrieb<br />

des Rates der Stadt<br />

1950–52 Nach Einstellung der Produktion von<br />

Handstrickgarnen beginnende Vermietung umfang<br />

reicher Produktionsräume<br />

1952–90 VEB Leipziger Wollgarnfabrik, anschließend<br />

Verschmelzung zur Mitteldeutsche<br />

Kammgarn, ab den 70er Jahren VEB (volkseigener<br />

Betrieb) Buntgarnwerke Leipzig<br />

1990 Umwandlung des VEB Buntgarnwerke<br />

Leipzig in Buntgarnwerke Leipzig GmbH<br />

1991 Verlagerung der Produktion von Sachsen<br />

nach Tschechien<br />

1992 Privatisierung<br />

Quellen:<br />

Unterlagen des Sächsischen Staatsarchivs<br />

Leipzig,<br />

www.buntgarnwerke.de/html/historie.html


94Lofts am Elsterufer<br />

Holbeinstraße<br />

Gregor Fuchshuber & Partner<br />

Für die verschiedenen Baukörper der ehemaligen Buntgarnwerke existierten seit<br />

der Aufgabe des Betriebes im Jahr 1991 die unterschiedlichsten Nutzungskonzepte.<br />

Letztendlich wurde für den Hochbau Süd ab 1998 die nunmehr fertig<br />

gestellte Umnutzung in ein Wohngebäude realisiert. Gestalterisch und entwurfstechnisch<br />

wurden dabei in vielfältiger Hinsicht neue Wege beschritten: Ziel war,<br />

die Außenhülle mit ihrer Fenstergestaltung, die durch Kriegseinwirkung und<br />

Nachkriegsreparaturstau weitgehend vermauert waren, wiederherzustellen und<br />

gleichzeitig im Inneren für die Wohnnutzung angemessene Belichtung und Belüftung<br />

herzustellen. Darüber hinaus sollten, soweit vorhanden, die originalen<br />

Ausstattungsdetails (Tore, Treppenhäuser, Decken) weitestgehend erhalten bleiben.<br />

Auch der bauliche Charakter des Fabrikgebäudes und insbesondere die<br />

technisch extrem anspruchsvolle, gewölbte Stahlbetondeckenkonstruktion blieben<br />

im Neubau unverändert sichtbar. In die etwa 5 m hohen Fabriketagen wurden<br />

mehrgeschossige Wohneinheiten eingefügt, die funktional und gestalterisch<br />

überzeugen und am Markt gut angenommen werden.<br />

Der Gebäudeteil Hochbau Süd der Buntgarnwerke ist in einer Eisenbetonkonstruktion<br />

1906 in Straßburg durch die Firma Züblin geplant worden. Hinter einer<br />

konventionellen <strong>Ziegel</strong>fassade mit dekorativen Putzbändern verbirgt sich ein<br />

für die Bauzeit hochmodernes Stahlbetonskelett mit 2-schaligen Decken. In die<br />

ehemals ca. 40 m breiten und 100 m langen Industriehallen wurde zur Belichtung<br />

der errichteten Wohneinheiten ein Innenhof eingeschnitten. Die ca. 5 m<br />

hohen Räume wurden innenhofseitig durch eine Galerie unterteilt und verfügen<br />

im Gegensatz zur geräumigen Wohnhalle fassadenseits über eine gegliederte<br />

Zimmerstruktur nach Wunsch des Nutzers.<br />

Der Zugang erfolgt über die nach innen auskragenden Laubengänge. Der filigrane<br />

Aufzugsturm, der sowohl die Erschließungslaubengänge, als auch die<br />

metallenen Fluchtstege auf den Zwischenebenen anbindet, ist gestalterisch das<br />

bestimmende Element des Innenhofes. Die originalen Ausstattungsdetails Tor, Verblechungen<br />

und Schmuckelemente wurden originalgetreu wiederhergestellt. In<br />

den Treppenhäusern wurden ebenfalls die originalen Geländer modernen Sicherheitserfordernissen<br />

angepasst und mit Handläufen versehen. Insbesondere<br />

auf die Ausbildung der Putzschalen wurde großer Wert gelegt. Der Charakter<br />

des Industriebaus bleibt spürbar.<br />

Im Inneren der Wohnungen ist klar abzulesen, was originaler Bestand und was<br />

Neuzufügung ist. Die Decken sind unverputzt, die originale Schalungsstruktur ist<br />

sichtbar. Die Wohnungstrennwände wurden in sichtbar belassenem Kalksandstein-Fasenmauerwerk<br />

ausgeführt und farblich vom Altbestand abgesetzt. Darüber<br />

hinaus wurde bei der Materialauswahl und bei der Wahl der Formensprache<br />

Wert darauf gelegt, einen Einklang zwischen der funktionalen, vorgefundenen<br />

Architektursprache und einer möglichst klaren, stringenten Lösung der<br />

Neueinbauten zu finden.


Im Kontext des Umbaus der Stadt Leipzig von der hochverdichteten Industriestadt<br />

zum urbanen Wohnort stellt das Projekt „Sweetwater“ ein bemerkenswertes<br />

Beispiel vor: Hier wurde ein Grundstück entwickelt, das groß genug ist, ein kleines<br />

Wohnquartier am Wasser ins Leben zu rufen. Obwohl die Grundstücks fläche<br />

mit an angelsächsischen Vorbildern orientierten Reihenhäusern gut ausgenutzt<br />

wird, bleibt dennoch auch ausreichend Raum für private und öffentliche<br />

Freiflächen. Dabei ist insbesondere hervorzuheben, dass durch die Anordnung<br />

und Proportionierung der Bauten auch bestehende Räume abgerundet und akzentuiert<br />

werden und ein neuer kleiner Stadtplatz als Quartierszentrum eingefügt<br />

wurde.<br />

Das „Sweetwater“ bildet mit seinen dreigeschossigen Zeilenbauten in der Nachbarschaft<br />

massiver Industriebauten aus dem 19. Jahrhundert natürlich eher einen<br />

Fremdkörper. Aber es gelingt, eine neue Stadtinsel zu bilden, die in sich schlüssig<br />

ist, ein attraktives, alternatives Wohnangebot macht und sich offen in das<br />

Gewebe der bestehenden Stadt integriert. Darüber hinaus bietet „Sweet water“<br />

wirtschaftlich erschwinglichen Wohnraum in einer sehr attraktiven zentralen<br />

Lage. Der Mut und Innovationswille der Architekten und vor allem auch der Entwickler<br />

ist vorbildhaft und soll mit einer Anerkennung gewürdigt werden.<br />

Lobende Erwähnung beim Architekturpreis 2007 der Stadt Leipzig.<br />

95<br />

Sweetwater<br />

Stadthäuser an der Weißen Elster, Fertigstellung 2006<br />

Architekten: Weis & Volkmann Architektur<br />

mit Ernst Scharf, Arch 42<br />

www.leipzig.de/de/buerger/stadtentw/projekte/wettbewerb/architektur


96Baumwollspinnerei<br />

Spinnereistraße 7<br />

Mit der Produktion wuchs auch die Zahl der<br />

Menschen in der Spinnerei. Arbeiten in der<br />

Baum wollspinnerei hieß letztlich auch dort le ben.<br />

So arbeiteten die Männer ca. 14, die Frauen<br />

ca. 11 Std. am Tag. Das nähere Umfeld der<br />

Spinnerei wurde Piependorf genannt. Die Frauen<br />

trugen alle Schürzen, lange Röcke und viele<br />

Kämme im Haar. Gegen Morgen, nach Austragung<br />

von etlichen Faustkämpfen, gab es dann<br />

„Kranke“ und „Verletzte“. Eine stichhaltige Begründung<br />

zum „Blaumachen“ war also gegeben.<br />

Wie gesagt, es war ja alles so billig. In den Mittagspausen,<br />

in welchen beim Pfeifer-Louis auch<br />

oft getanzt wurde, und zum Feier abend standen<br />

am Eingang zur Spinnerei die Straßenhändler<br />

und boten Apfelsinen, Bücklinge, oder auch<br />

Gipsfiguren und Textilien feil; es war alles da.<br />

Der Freitag war der große Tag. Mittags bekamen<br />

die Frauen ihren Lohn, zum Feierabend die<br />

Männer. Da wurde „gelebt“. Mittags lachten der<br />

Bäcker und der Obsthän dler, am Abend die<br />

Gastwirte. Sonnabends hatte die Kantine die<br />

Ehre. Für ein Mark bekam man die halbe Welt.<br />

Die Piependorfer Eingeborenen lebten wie eine<br />

große Familie, keiner war reicher, keiner war ärmer<br />

als der andere. Sie vermehrten sich, rauften<br />

auch manchmal und standen vom Freitag bis<br />

Die Spinnerei ist eine historische Fabrikanlage, die in den Jahren 1884 bis<br />

1907 zur größten kontinentaleuropäischen Baumwollspinnerei gewachsen war.<br />

Nach ihrer Gründung im Jahre 1884 wuchs im Westen von Leipzig eine regelrechte<br />

Fabrikstadt mit über 20 Produktionsgebäuden, Arbeiterwohnungen, Kindergärten<br />

und einer Erholungssiedlung heran. 1907 hatte die Fabrik ihre größte<br />

Ausdehnung erreicht. Auf rund 100.000 m² Bruttogeschossfläche wurde mit<br />

240.000 Spindeln Baumwolle verarbeitet. Bis zu 4.000 Menschen haben hier<br />

bis 1989 im Drei-Schichtbetrieb gearbeitet. Nach der Wiedervereinigung wurde<br />

die Produktion eingestellt.<br />

Das eigentliche Fabrikgelände der Spinnerei mutet regelrecht wie eine kleine<br />

Fabrikstadt an. Es handelt sich um eine geschlossene Quartierbebauung auf rd.<br />

6 ha Größe. Die Spinnerei ist eingegrenzt durch die Spinnereistrasse, die Thüringer<br />

Straße, die alte Salzstrasse und die Saalfelder Straße. Das Fabrikgelände<br />

zeigt sich nach Außen verschlossen und ist im Inneren bestanden mit 20 Einzelgebäuden.<br />

Neben den vier ehemaligen großen Spinnereien, heute die Hallen<br />

7, 14, 18 und 20, gibt es weitere 16 ehemalige Funktionsgebäude. Von<br />

ursprünglich 24 Gebäuden sind diese noch erhalten. Fast alle Gebäude wurden<br />

als sehr massive Backsteinbauten errichtet. Der komplexe Erhaltungsgrad<br />

der historischen Bausubstanz hat nach dem Niedergang der Baumwollgarnproduktion<br />

in den frühen 90er Jahren eine langsame aber kontinuierliche Wiederbelebung<br />

und schonende Sanierung der Fabrik ermöglicht. Oft geht es sogar<br />

mehr ums Konservieren als ums Sanieren. Ein wichtiges Anliegen des Sanierungszieles<br />

ist es möglichst viel zu bewahren und trotzdem gute Bedingungen<br />

für die neuen Mieter zu schaffen.


Künstler, die heute die neue Leipziger Schule prägen, fanden und finden bis<br />

heute die idealen Atelierräume und die nötige Ruhe für ihre Arbeit. Kreative wie<br />

Architekten, Drucker, Designer und Modemacher haben sich mit viel Eigen initiative<br />

ihren idealen Lebens- und Arbeitsbereich geschaffen. Kleine Hand werks betriebe<br />

sowie die verschiedensten Dienstleistungsbetriebe fanden in der Spinnerei<br />

das geeignete Umfeld. Gastronomie, Theater- und Tanzgruppen, Kunst- und Kulturinitiativen,<br />

kleine spezielle Läden und individuelle großflächige Wohnlofts bewirken<br />

neben der einzigartigen Architektur der komplexen Fabrikstadt den<br />

Charakter einer ausgesprochen charmanten Urbanität. Viele der heute weltbekannten<br />

Namen der Neuen Leipziger Schule waren die Pioniere der Revitalisierung.<br />

Inzwischen sind über die Hälfte aller Flächen wieder vermietet.<br />

Zu einem großen Schwerpunkt innerhalb der Spinnerei haben sich die Kunstproduktion,<br />

die Kunstpräsentation und der Kunsthandel entwickelt. Über 100<br />

professionelle Künstler allein aus dem Bereich der bildenden Künste arbeiten in<br />

dem Areal. 13 Galerien und Ausstellungsflächen, Galerie EIGEN + ART, Dogenhausgalerie,<br />

Galerie Matthias Kleindienst, die Galerie b2, die maerzgalerie,<br />

ASPN, FRED London/Leipzig, Filipp Rosbach Galerie, PIEROGI Leipzig,<br />

Kavi Gupta Galerie (Chicago), LADEN FUER NICHTS und das kostendeckend<br />

arbeitende SPINNEREI archiv massiv sowie die Non-profit Fläche der Stiftung<br />

Federkiel in der Halle 14 präsentieren Kunst aus Leipzig und aus aller Welt. Abgerundet<br />

wird das Bild durch die Ansiedelung des Künstlerbedarfshandels boesner,<br />

der inzwischen zum wichtigen Versorger für die vielen Künstler am Ort<br />

geworden ist.<br />

Sonntag unter dem Einfluß des Alkohols. Die Gegend<br />

war in Leipzig berüchtigt und deshalb gemieden.<br />

Nur die Friedhofsbesucher kamen und<br />

gingen. Wer Sonntags ausging nach der inneren<br />

Stadt, der musste sozusagen Spießruten laufen.<br />

In der Thüringer-Straße lugten tausend<br />

Augen, vom gewaltigen Betriebskrankenkassenmann<br />

Scheer bis zur letzten Hausfrau. Man<br />

mußte doch sehen, was die Vorübergehenden<br />

auf dem Leibe hatten. Ich sagte schon, es war<br />

eine ärmliche Welt. Die Romantik war geringer<br />

Natur, die Poesie kümmerlich. Und doch sah und<br />

hörte der Aufmerksame soviel, als er zu einem<br />

ganzen Roman brauchte. Es war ja doch der<br />

Abglanz der großen Welt von draußen. Bis<br />

1899 waren ein Kindergarten und weitere Arbeiterwohnhäuser<br />

entstanden. Eine 21 Mann<br />

starke Musikkapelle und der „Männerchor Frohsinn“<br />

wurden ins Leben gerufen und werden gerne<br />

zu betrieblichen Gelegenheiten herangezogen.<br />

1903 setzt ein Streik den 10 Stunden Arbeitstag<br />

durch.<br />

www.spinnerei.de<br />

http://de.wikipedia.org/wiki/Leipziger_Baumwollspinnerei


98Konsumzentrale<br />

Sonderheft Expo 2000 - Auswahltext 2<br />

Bernd Sikora<br />

Flaggschiff (gekürzter Text)<br />

Die Leipziger Konsumzentrale des Architekten Fritz Höger<br />

Eine interessante Verbindung zwischen dem Expo-Außenstandort Leipzig-Plag -<br />

witz und dem <strong>Zentrum</strong> der EXPO 2000, Hannover, bietet der Erweiterungs bau<br />

der Konsumzentrale in Leipzig-Plagwitz, der zwischen 1929 und 1933 vom Architekten<br />

Fritz Höger gebaut wurde. Den Auftrag für das Verlagshochhaus in<br />

Han nover erhielt Höger auch auf Grund des Ruhms, den er durch das Hamburger<br />

Chilehaus (1921–24) erlangt hatte: Hier hatte er gezeigt, dass er den<br />

„Geist des Ortes“ durch die dort spezifischen Gestaltungs formen und die gebietstypischen<br />

norddeutschen Klinker auf besondere Weise herausarbeiten konnte.<br />

Die an einen Schiffsbug erinnernde Ostseite des vielgeschossigen Chi le hauses<br />

brachte für Höger und Hamburg ein höchst wirkungsvolles Markenzei chen.<br />

Andere vermögende Auftraggeber wollten diesen Effekt ebenfalls für sich nutzen.<br />

Für den von der norddeutschen Landschaft, ihrer Bautradition und ihrem<br />

Handwerk geprägten und mit expressiven Elementen des Art déco arbeitenden<br />

Höger ergab sich so für mehrere Jahre eine äußerst günstige Auftrags lage. Es ist<br />

interessant, dass nach 1933 in Deutschland nicht nur die im Stil der internationalen<br />

Moderne tätigen Architekten, wie beispielsweise Walter Gropius und<br />

Erich Mendelsohn, sondern auch der sich auf die norddeutsche Klinkerarchitektur<br />

beziehende Höger (Goebbels fand seine Bauten „sowjetisch“) von der faschistischen<br />

Kulturpolitik abgelehnt wurden. Die Nazis bevorzugten an römischen<br />

und klassizistischen Architekturen orientierte Formen, wie sie bereits vor<br />

1914 geschaffen worden waren.<br />

Doch zunächst waren es Högers Bauten in Hamburg und Hannover, die Anlass<br />

zur Einladung für die Teilnahme am Wettbewerb für den Erweiterungsbau der<br />

Leipziger Konsumzentrale boten. Höger gewann den 1. Preis und konnte in drei<br />

Baustufen seine Planung realisieren. Sicher waren es auch die Perspek tivzeichnungen,<br />

die zum Wettbewerbserfolg Högers geführt haben, thematisierten sie<br />

doch das Motiv „Schiff“ gegenüber dem Chilehaus auf neue Weise als stromlinienförmig<br />

orientierte Schichtung der Decks eines Schiffs, das vorüberzieht. Der<br />

damals äußerlich relativ charakterlose Vorort Plagwitz befand sich im Aufbruch:<br />

Der Kanal sollte bis nach Hamburg geführt werden, und dafür wurde der Lindenauer<br />

Hafen ausgebaut. Tempo, zu erreichendes Ziel – diesen Ge danken griff<br />

Höger auf, ganz im Geiste des erfolgsorientierten Vorstands der Genossenschaft.<br />

Der italienische Höger-Monograph Piergiacomo Buccia relli sieht in der<br />

1992 erschienenen deutschen Übersetzung in der Konsumzen tra le einen deutlichen<br />

Bezug zu Erich Mendelsohn und auch zum Roxy-Palast (1929) Martin Puni<br />

tzers, „einem der repräsentativsten Beispiele der Berliner Neuen Sachlichkeit“.<br />

Der Besucher von Leipzig-Plagwitz findet mit der Konsum zentrale einen Bau,<br />

ohne dessen Re flexion der Blick auf die Architektur um 1930 und den Archi tekten<br />

Fritz Höger unvollständig wäre. Leipzig macht es dem Besucher heute auch<br />

leichter, Zu gang zum Architekten und zu seinem Bau zu finden. Noch vor einem<br />

Jahr zehnt verband das Konsumareal 2 von ma roden Gebäuden gesäumte Straßen<br />

schluch ten. Nur wenigen mag bis zu dieser Zeit das Besondere der Klinkerfront<br />

mit den „Schüsselglas-Scheiben“ aufgefallen sein. Inzwischen ist gegenüber<br />

ein Stadtteilpark entstanden. Er führt bis zum Karl-Heine-Kanal, der nun-


mehr wieder eine, wenn auch bescheidene, Perso nen schifffahrt ermöglicht und<br />

in unmittelbarer Nähe des Konsumbaus eine Anle gestelle erhalten wird. Nun<br />

stellt sich mit der gewonnenen Fernansicht der Sinn zusammenhang her, wird<br />

Högers inhaltlicher Entwurfsansatz erst verständlich: Das symbolträchtige Bild erinnert<br />

an Groß raumfähren oder Containertranspor ter mit ihren aufgesetzten Führungs<br />

brücken.<br />

Die Architektur ergibt sich aus der Funktion „Lagern und Verteilen“. Auch die Detailformen<br />

und Farbgebungen sind der Motivwelt von Reederei und Kontor, von<br />

Schiff und Meer entlehnt: Die Fußbodenkeramik der Eingangshalle weist den<br />

Farbton von den Wettern ausgesetzten Schiffsböden auf, die Wandfliesen zeigen<br />

das Blaugrün von Wasser und Eisbergschmelze. Das Treppengeländer ähnelt<br />

Stahltrossen mit einem Poller am festen Ufer. Handläufe und Poller sind mit<br />

Messing veredelt. Keine scharfen Kanten und Zacken gibt es mehr, alle Rahmungen<br />

sind gerundet. Wandvertäfelungen mit Wurzelfurnier befinden sich vor elegant<br />

geformten Funktionseinbauten. Das Portal besitzt blattgoldbelegte Bänder<br />

aus Klinker. Auf dem „Oberdeck“ befindet sich der Saalaufbau, ge run det und<br />

kühn gen Westen, zum Weltmeer gerichtet. An der Seitenflanke ist der Mast<br />

des Flaggschiffs angesetzt.<br />

Der Konsumverein hatte die 1933 und nach 1945 oktroyierten Strukturänderungen<br />

überlebt. Selbst wenn heute das rege Leben der einstigen Güterproduktion,<br />

der Verpackung und Verteilung nicht mehr nachvollziehbar ist, entsteht doch ei ne<br />

Dienstleistungsstruktur neuer Art für die heute etwa 150.000 Konsum-Mitglie der<br />

und die erhoffte große Zahl neuer Mieter im Haus. Mit Stolz kann der Vorstands<br />

vorsitzende Stephan Abend vom Konzept einer behutsamen, denkmalgerechten<br />

Sanierung, die sich auf die in einer Ölpapierrolle unter Schutt wieder<br />

aufgefundenen Originalpläne Högers stützen kann, und von modernen Nachnutzungsstrategien,<br />

die der beauftragte Projektentwickler MAKO verfolgt, be rich -<br />

ten.<br />

Das Areal hält auch – über den Innenhof – die Entdeckung der Konsumgeschich<br />

te parat. Durch die erhaltene Putzfassade des ersten Baubestands wird<br />

die Ge schichte bis ins Jahr 1884 nachvollziehbar. Damals war am 8. Mai der<br />

„Consum-Verein für Plagwitz und Umgegend“ gegründet worden. Durch eine<br />

um sich tige Finanzpolitik konnte der Verein sehr bald seine positive Bilanz erweitern,<br />

die Mitgliedschaft erhöhen und etliche Filialen einrichten. Nach der 1890<br />

erfolgten Eingemeindung von Plagwitz erhielt er den Namen „Konsumverein<br />

Leip zig-Plagwitz und Umgegend“. Aus dieser Zeit stammt der rote <strong>Ziegel</strong>bau am<br />

schmalen Ostende des Hofs. 1903, im Jahr eines großen Brands auf dem Gelände,<br />

schlossen sich die deutschen Konsumvereine zu einem Zentralver band<br />

zusammen. Der Leipziger Verein wurde eines der stärksten und erfolgreich sten<br />

Mitglieder. Er produzierte unter anderem Leipziger Konsumbrot und ließ für sich<br />

produzieren, verpackte und verteilte zum eigenen Gewinn und zum Nutzen seiner<br />

Mitglieder. Dem Erweiterungsbedarf konnte durch zusätzliche Flächenkäufe<br />

und die nach Högers Plänen errichteten Bauten entsprochen werden. Die La gerhausfassade<br />

greift mit waagerechten Lichtbändern und Bull augen fenstern ebenfalls<br />

das Schiffsmotiv auf. Der flachere Einschnitt in der Front macht deutlich,<br />

dass der Gesamtentwurf nach 1933 nicht restlos umgesetzt wer den konnte. Der<br />

Eckturm mit dem Verwaltungstrakt und einer großen Turm uhr vervollständigt das<br />

einer Hafensituation nicht unähnliche Bild. Aber zwischen Außen- und Innenfront<br />

zeigt sich an einer Stelle ein scheinbarer Wider spruch, denn der gründerzeitliche<br />

Putzbau ist an der Industriestraße nicht er kennbar. Geschickt hat Höger ihn<br />

mit einer massigen Klinkerfassade umbaut. Die Fassade steht auch bei allen Erweiterungsbauteilen<br />

vor dem Tragwerk. Eine gesonderte Fassadenhaut, vorgestellt<br />

oder vorgehängt, erweist sich auch bei heutiger Industriebauarchitektur als<br />

sinnvoll. Högers Planungskonzept für den Leipziger Bau ist deshalb nicht nur we -<br />

gen der Thematisierung der Motive Schiff, Wasser und Hafen, sondern auch<br />

wegen der dauerhaften und umnutzbaren Bauweise für den heutigen Besucher<br />

interessant.<br />

Quelle:<br />

www.leipzigerblaetter.de/volltext/textex_2.html


100Stelzenhaus<br />

Weißenfelserstraße 65<br />

Architekten: Hermann Böttcher, 1939,<br />

Weis + Volkmann, 2001–03<br />

Schwebende Halle der Moderne, Stelzenhaus in Leipzig<br />

Industriedenkmale haben bekanntlich ihren ganz eigenen Charme. In stillgelegten<br />

Hochöfen, Gasometern, Stollen oder Werkhallen spiegeln sich Jahrhunderte<br />

der Wirtschafts- und Sozialgeschichte wider. Die gerne als „Kathedralen der Arbeit“<br />

betitelten, manchmal riesigen Anlagen faszinieren uns umso mehr, wenn<br />

sie auch von architektonischer Qualität sind und ihre eigene Ästhetik entfalten.<br />

Dies gilt zum Beispiel für das „Stelzenhaus“ in Leipzig-Plagwitz. Es wurde 1939<br />

als Fabrik zur Zinkherstellung und Wellblechwerk erbaut und gilt als hervorragendes<br />

Beispiel für Industriearchitektur in der Nachfolge der klassischen<br />

Moder ne.<br />

Die Stahlbetonkonstruktion mit Sichtmauerwerk und Stahlfenstern besteht aus<br />

zwei Hallen, einem Verbindungsbau, einer Plattform und einem Bürogebäude.<br />

Aus Platzmangel erbaute Architekt Hermann Böttcher die Stahlbetonkonstruktion<br />

auf hohen Stelzen, die dem Komplex seinen Namen gaben: Die massive La gerhalle<br />

schwebt gewissermaßen über dem Wasser des Karl-Heine-Kanals – eine<br />

Seltenheit.


Die Gegend hatte sich seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einem<br />

ausgeprägten Industriestandort entwickelt. Das auf ein mittelalterliches Dorf zurückgehende<br />

Plagwitz war zuvor ein beliebtes Leipziger Ausflugsziel, wo viele<br />

Bürger ihre Landhäuser erbauten, Gärten anlegten und auf den Wasser straßen<br />

Gondelfahrten unternahmen. Das sumpfige Gebiet wurde schließlich auf Initiative<br />

des Rechtsanwaltes Karl Heine (1819–88) planmäßig erschlossen. Hei ne<br />

ließ den nach ihm benannten Kanal anlegen, 1871 kam die Ei senbahn, an der<br />

in Plagwitz der erste Industriebahnhof Europas eröffnet wurde.<br />

Das „Stelzenhaus“ wurde ursprünglich für die Firma Grohmann und Frosch erbaut,<br />

nach 1945 vom VEB Bodenbearbeitungsgeräte genutzt und stand schließlich<br />

leer.<br />

Sächsischer Staatspreis 2004<br />

Hieronymus-Lotter-Preis 2004<br />

Lobende Erwähnung Deutscher Umbaupreis 2004<br />

Lobende Erwähnung Leipziger Architekturpreis<br />

2003<br />

location Tatort, 2002<br />

location Soko Leipzig, 2003


102Stadtumbau im Gebäudebestand<br />

der LWB<br />

Dipl.-Ing. Ines Gillner, Prokuristin und Leiterin<br />

Baukoordinierung , Leipziger Wohnungs- und<br />

Baugesellschaft mbH, Prager Straße 21<br />

Die Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft mbH (LWB) wurde 1990 als<br />

100 % Tochtergesellschaft der Stadt Leipzig gegründet. Der Gesellschaftszweck<br />

ist damals wie heute die Versorgung breiter Schichten der Bevölkerung mit sozialverträglichem<br />

Wohnraum. Heute besitzt die LWB einen Anteil von 11 % der<br />

Wohnungsbestände, die am Leipziger Markt teilnehmen.<br />

Die Entwicklung des Wohnungsbestandes der LWB von 1990 bis 2008 ist geprägt<br />

von:<br />

- Sanierung von 23.000 WE<br />

- Verkauf von 54.000 WE (Zwischenerwerber, Investitionsvorrang, Bauträger,<br />

normalem Verkauf, Versteigerung)<br />

- durch Rückgabe/Vergleiche Abbau von 42.000 WE mit Restitutionsanspruch<br />

(4.159 Gebäude).<br />

Heute befinden sich rund 40.000 Wohnungen im Kernbestand der Gesellschaft.<br />

Der Vermietungsgrad hat sich bei 80,7 % eingepegelt. Die sanierten<br />

Wohnanlagen weisen einen Leerstand von rund 4,2 % auf. Die teilsanierten Gebäudebestände<br />

zeigen einen Leerstand von durchschnittlich 7 %. Dieser sehr<br />

gute Vermietungsgrad ist unter anderem ein Ergebnis der Stadtumbauaktivitäten<br />

der Gesellschaft.<br />

Wie wurde dem Leerstand entgegen gewirkt?<br />

- Einteilung des Gesamtbestandes in die Geschäftsfelder Kernbestand und<br />

Verwertung<br />

- Organisatorische Optimierung des Kern-/Verwertungsbestandes<br />

- Stadtumbau in enger Abstimmung mit der Stadt Leipzig: Dazu gehören: Ab-<br />

riss, Verkauf, Sanierung<br />

- zügige Vermögensklärung.


Seit dem Jahr 2000 wird in der Stadt Leipzig mit dem Stadtentwicklungsplan<br />

(STEP), der gebietsweise die Probleme und Defizite aufzeigt, aber ebenso die<br />

vorhandenen Qualitäten und Potenziale hervorhebt, gearbeitet. Dieser STEP<br />

wurde für den Teil Großsiedlungen gemeinsam mit den Eigentümern erarbeitet.<br />

Die Abbruchaktivitäten der LWB bewegen sich exakt entlang des STEP. Bis<br />

31.12.2007 wurden 9.384 WE abgerissen.<br />

Für die Abrisse stehen Fördermittel aus dem Stadtumbau Ost Programm und aus<br />

Städtebauförderung zur Verfügung. Zusätzlich ist entsprechend § 6a Altschuldenhilfegesetz<br />

mit dem Abriss der Gebäude eine Entlastung von Altschulden<br />

möglich.<br />

Zur Erreichung der Stadtumbauziele ist in den Verwaltungsvorschriften auch die<br />

Nachnutzung der Abrissgrundstücke geregelt. Mietwohnungsbau darf für die folgenden<br />

10 Jahre nicht errichtet werden und eine einfache bis qualitätvolle Begrünung<br />

ist aus den Fördermitteln zu finanzieren. Daraus ergeben sich folgende<br />

Wege zur Verwertung der Freiflächen:<br />

- Es gibt Grundstücke, die mit Gestattungsvereinbarungen für 5–15 Jahre von<br />

der Stadt Leipzig genutzt und betreut werden.<br />

- Auf einigen freigelegten Grundstücken entstehen Stadthäuser (selbst genutztes<br />

Eigentum).<br />

- Mietergärten und Parkplätze wurden geschaffen.<br />

- Es gibt aber auch Grundstücke, die lediglich eine Rasensaat erhalten haben.<br />

Die Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft erhielt im letzten Jahr eine Anerkennung<br />

im Rahmen des Bauherrenpreises für ein gelungenes Stadtumbauprojekt<br />

im Westen der Stadt. In dieser denkmalsgeschützten Siedlung aus den 50er<br />

Jahren wurde, wie an anderen Standorten auch, der Abriss von Gebäuden mit<br />

Sanierung der verbleibenden Substanz verknüpft. Entstanden ist eine Wohnanlage<br />

mit Qualität im Innen- und Außenbereich, die nach Fertigstellung zügig vermietet<br />

war.<br />

www.lwb.de


104Nibelungenring in Leipzig<br />

Architekt: Hubert Ritter 1929/30<br />

Visionär des Städtebaus<br />

Hubert Ritter<br />

Am 17.3.1886 in Nürnberg geboren, gilt Hubert<br />

Ritter als Visionär des Städtebaus. Er ge staltete<br />

als Stadtbaurat in den Jahren 1926/34 das<br />

Gesicht Leipzigs wesentlich mit und gehört zur<br />

Generation jener Architekten, die als Weg be reiter<br />

die moderne Architektur in Deutsch land prägten.Viele<br />

interessante Bauten sind Ritter zu<br />

verdanken, so z.B. das Neue Grassimuseum<br />

(1925/27), das Westbad in Lindenau (1925/<br />

26), die beiden Kuppeln der Großmarkthalle<br />

(1927/29), die Pädagogische Hochschule in<br />

der Karl-Heine-Straße (1928), das im Krieg zerstörte<br />

Planetarium im Zoo sowie mehrere Schulen<br />

und Krankenhäuser wie z.B. das St. Elisabeth<br />

in Connewitz. Als städtebauliche Meisterlei stung<br />

gilt jedoch der „Rundling“ in Lößnig, eine eindrucksvolle<br />

Anlage mit 624 Wohnungen. Sie<br />

gehört zu den herausragenden stadtplanerischen<br />

Leistungen der Moderne.<br />

Eine herausragende Siedlung der Moderne in Leipzig ist der „Rundling“.<br />

Hubert Ritter, seit 1924 Stadtbaurat und bekennender Anhänger der Moderne,<br />

die in Leipzig mit seinen großen Gründerzeitquartieren nur schwer Fuß fassen<br />

konnte, plante und erbaute sie 1929/30.<br />

„Seine Einzelbauten, seine Wohn- und Stadtquartiere wurden aus der städtebaulichen<br />

Situation; aus dem Ort; für den Ort entwickelt. Dadurch wurden sie<br />

ihrerseits zu einem Ort, einem Ort mit Charakter.“ Der Lößniger Rundling ist ein<br />

typisches Produkt der Versuche, für die Bewohner ein architektonisches Symbol<br />

als Ausdruck der Gemeinschaft zu schaffen.<br />

Die Bebauung folgt in konzentrischen Kreisen dem hügeligen Bodenprofil, wobei<br />

dies durch die Höhe der Gebäude im inneren Ring noch verstärkt wird.<br />

Die Häuser wurden in traditioneller Bauweise errichtet und die Grundrisse (elf<br />

Standardgrundrisse) folgen den mit der Kreisform wechselnden Ausrichtungen<br />

der Wohnungen, um optimale Besonnungsverhältnisse entstehen zu lassen. Die<br />

Aufteilung der Freiflächen erfolgte so, dass die Eigenart des „Rundlings“ unterstrichen<br />

wird. Der Innenring umschließt einen Rundplatz, der früher mit einem<br />

großen Planschbecken in der Mitte versehen war.


Die Siedlung befand sich durch Kriegsschäden und unterlassene Instandhaltung<br />

während der DDR Zeit in einem bedauernswerten Zustand. Im Jahr 1992 begann<br />

die Sanierung durch die Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft (LWB).<br />

122 Wohnungen und eine Tiefgarage wurden in Anlehnung an die vorhandene<br />

Architektur neu gebaut. In den folgenden Bauabschnitten wurden 969<br />

Wohnungen in den Bestandsgebäuden saniert.<br />

Im Jahr 1996 erhielt die LWB für das Projekt „Sanierung und städtebauliche Ergänzung<br />

des Rundlings“ den Bauherrenpreis für „Hohe Qualität und tragbare<br />

Kosten“ vom Bund der Ar chitekten, dem Gesamtverband der Wohnungswirtschaft<br />

und dem Deutschen Städtetag. Neubau und Sanierung wurden begleitet<br />

von Herrn Dr. Leonhardt, dem zuständigen Denkmalspfleger und dem Planungsbüro<br />

Schmitz Aachen als beauftragten Architekten.<br />

Nach seinem Studium an der Technischen Hochschule<br />

Mün chen war Ritter 1913 als Stadtbaumeister<br />

in Köln tätig. Nachdem jedoch seine<br />

Promotion am Widerstand des damaligen Kölner<br />

Oberbür ger meisters Konrad Adenauer 1924<br />

scheiterte, bewarb er sich im Oktober desselben<br />

Jahres in Leipzig und trat dort seinen Dienst an.<br />

Sein Ziel war die Neuordnung der scheinbar unkontrolliert<br />

wachsenden Stadt, indem er ihr einen<br />

Rahmen für die zukünftige Entwicklung vorgab.<br />

Der darauffolgende Generalbebauungsplan von<br />

1929, welcher von der Stadt verabschiedet und<br />

als „baupolitisches Programm auf lange Sicht“<br />

auszugsweise veröffentlicht wurde. Für eine Stadt<br />

mit 700.000 Einwohnern war das damals ein<br />

Novum. Ritters Anliegen war es, den historischen<br />

Stadtkern zu erhalten. Im Südosten der Stadt<br />

plante Ritter einen durchgehenden Grün zug von<br />

der Ringpromenade bis zum Gelände des Völkerschlachtdenkmals.<br />

Verwaltungs- und Geschäftshäuser<br />

sollten künftig am Promenadenring<br />

entstehen. Dieses Konzept des „City-Rings“ prägt<br />

Leipzig noch heute. Nachdem die Wiederwahl<br />

Ritters als Stadtbaurat im November 1930 scheiterte,<br />

promovierte er 1932 über den „Kran kenhausbau<br />

der Gegenwart“ und wurde dadurch<br />

weit über die Grenzen Deutschlands bekannt.<br />

1940 wurde er zum „Beauftragten für den Generalbebauungsplan<br />

der Stadt Krakau“ ernannt,<br />

von 1941–44 war er Stadtbaurat in<br />

Luxemburg. Nach dem Zweiten Weltkrieg und<br />

seiner Rückkehr nach Leipzig widmete sich Ritter<br />

den Planungen für den Wiederaufbau des Johannisplatzes<br />

und des Universitätsklinikviertels.<br />

1952 übersiedelte er nach München. Hier starb<br />

er am 25.5.1967.<br />

Quelle:<br />

www.LTM-Leipzig.de (Presseportal)(presse<br />

08/013/02.08)<br />

Roland Ostertag, Hubert Ritter, Leipzig, Unbefriedete<br />

Vergangenheit, Deutsches Architektenblatt<br />

1994


106Völkerschlachtdenkmal<br />

Prager Straße<br />

Architekten: Entwurf: Bruno Schmitz, 1897,<br />

Ausführung: Clemens Thieme, 1913<br />

Daten:<br />

Grundsteinlegung: 18. Oktober 1898<br />

Einweihung: 18. Oktober 1913<br />

Höhe: 91 m<br />

Höhe der Kuppelhalle (Innenhöhe): 68 m<br />

Fundamentplatte: 70 × 80 × 2 m<br />

Anzahl der Fundamentpfeiler: 65<br />

Gesamtzahl der Stufen bis zur Plattform: 500<br />

Fußbreite: 126 m<br />

Masse aller baulichen Anlagen: 300.000 t<br />

Anzahl der verbauten Natursteinblöcke: 26.500<br />

Menge des verbauten Betons: 120.000 m³<br />

Kosten: 6 Millionen Goldmark<br />

Das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig erinnert an die erste große Massenschlacht<br />

der Menschheitsgeschichte. Über eine halbe Million Soldaten aus fast<br />

ganz Europa standen sich im Oktober 1813 auf den Schlachtfeldern um Leipzig<br />

gegenüber. Mehr als 120.000 Menschen haben während der blutigen<br />

Kämpfe oder anschließend durch Hunger und Seuchen ihr Leben verloren. Im<br />

Herbst 1813 wird bei Leipzig Weltgeschichte geschrieben. Die verbündeten Armeen<br />

Russlands, Preußens, Österreichs und Schwedens stehen Napoleons Streitmacht<br />

gegenüber. Vom 16. bis zum 19. Oktober kämpfen eine halbe Million<br />

Soldaten um das künftige politische Schicksal Europas. Tagelang toben erbitterte<br />

Schlachten und Gefechte um die Dörfer vor den Mauern der Stadt.<br />

Schließlich muss Napoleon der Übermacht seiner Gegner weichen. Rund<br />

110.000 Menschen bezahlen die Schlacht mit ihrem Leben.


Seit dem frühen 19. Jahrhundert spielt das historische Ereignis Völkerschlacht im<br />

Bürgertum eine wichtige Rolle. Im Jahre 1913 wurde das Völkerschlachtdenkmal<br />

von Kaiser Wilhelm II. in Anwesenheit des sächsischen Königs und weiterer<br />

Fürsten deutscher Staaten sowie der Vertreter Österreichs, Rußlands und Schwedens<br />

eingeweiht. Das weithin sichtbare Wahrzeichen der Stadt steht an der<br />

Stelle, an der Napoleon am 18. Oktober 1813 seinen Gefechtsstand hat te.<br />

Auf den Betonpfeilern, auf die der Denkmalshügel aufgeschüttet ist, lastet ein<br />

Gewicht von ca. 300.000 t. Vor dem Mahnmal wurde ein Wasserbecken angelegt,<br />

das die Tränen der Völker, die um die Opfer der Schlacht trauerten, symbolisiert.<br />

Die Innenhalle mit ihren 68 m Höhe gliedert sich in drei Ebenen. Die<br />

erste Ebene ist eine Krypta, die an die Gefallenen erinnern soll. Auf der zweiten<br />

Ebene findet man eine Ruhmeshalle für das deutsche Volk und darüber befindet<br />

sich die Kuppelhalle.<br />

Der Monumentalbau wurde von Clemens Thieme ausgeführt. Die Entwürfe<br />

stammten vom Berliner Architekten Bruno Schmitz. Die Figuren, die jeweils eine<br />

Charaktereigenschaft darstellen, wurden zum Teil vom Breslauer Bildhauer<br />

Christian Behrens gefertigt. Das Völkerschlachtdenkmal, in dessen Kuppel (Fuß -<br />

durchmesser 28 m) auch Konzerte stattfinden, kann besichtigt werden (Mai bis<br />

Oktober: 10–17 Uhr, November bis April: 9–16 Uhr). Nach 500 Stufen Aufstieg<br />

kann man von der Plattform die herrliche Rundsicht über Leipzig und Umgebung<br />

genießen.


108Nikolaischule<br />

Gasthof Alte Nikolaischule<br />

Straßenfassade nach dem Umbau<br />

Längs- und Querschnitt<br />

Nikolaikirchhof<br />

Architekten: Umbau und Sanierung Storch Ehlers + Partner,<br />

1990–94<br />

Rückseite vor dem Umbau<br />

Die Nikolaischule wurde 1511/12 als erste Leipziger Stadtschule errichtet.<br />

Nach Umbau und Erweiterung des Gebäudes standen den Knaben vom 17.<br />

bis 19. Jahrhundert nur 4 Schulstuben zum Unterricht zur Verfügung. Sie waren<br />

im EG und im 2. OG eingerichtet, während der Rektor mit seiner Familie die<br />

gesamte erste Etage bewohnte. Eine Schulaula ebenso wie der, bis dahin noch<br />

gänzlich fehlende, Karzer standen erst seit 1827 mit der Anbindung des benachbarten<br />

Eckhauses zur Verfügung. Zu den berühmten Nikolairanern (Schüler<br />

der Nikolaischule) gehörten im 17. Jahrhundert Gottfried Wilhelm Leibniz und<br />

Christian Thomasius, im 18. Jahrhundert Johann Gottfried Seume und 1828 bis<br />

1830 der in Leipzig geborene Richard Wagner. Sie wurden von bedeutenden<br />

Zeitgeistern unterrichtet, die als Schola Nicolaitana nicht selten an der benachbarten<br />

Universität zusätzlich ein Lehramt begleiteten.<br />

Zu den heutigen Räumen des Gasthauses „Alte Nikolaischule“ zählt das ehemals<br />

geräumigste Klassenzimmer im Erdgeschoß links des Haupteinganges, das<br />

bis 1827 in Ermangelung eines Schulsaales auch als Auditorium für öffentliche<br />

Veranstaltungen, für Examen und als Rednersaal genutzt wurde. Bibelinschriften<br />

auf den Wandflächen und verzierten Natursteinkonsolen gehörten neben einer<br />

schlichten Holzdecke zur bescheidenen Ausstattung der Schulstube. Die Möblierung<br />

dieses so genannten Großen Auditoriums beschränkte sich Ende des 18.<br />

Jahrhunderts auf zwei Schränke, drei schwarze Schreibtafeln, fünf Tafeltische<br />

und entsprechend lange Bänke. Nach einer Beschreibung des Magisters Friedrich<br />

Gottlob Hoffmann wurde um 1840 hier die 6. Klasse unterrichtet, aber<br />

„auch die allgemeinen Gebet- und Redeübungen gehalten“. 1872 zog das<br />

Nikolaigymnasium in ein neues Gebäude.<br />

Die Erdgeschoßstube wurde in der Folgezeit als Amtsstube vermietet. Ab 1897<br />

war hier die Erste Leipziger Sanitätswache des Samaritervereins untergebracht.<br />

Die 5. Klasse wurde im so genannten kleinen Auditorium rechts des Einganges<br />

unterrichtet. Die Arkaden waren dem Raum erst 1906 mit Einrichtungen der<br />

Wachstube der Königlichen Garnisonswache vorgeblendet worden. Das alte<br />

Klassenzimmer erhielt dabei eine völlig neue Gestalt. Die Erdgeschoßgewölbe<br />

im westlichen Gebäudeteil wurden nicht für Schulzwecke genutzt. Der Städtische<br />

Rat vermietete sie im 18. Jahrhundert als Kaufgewölbe, seit 1816 auch als<br />

Messelokale. 1858 war zu diesem Zweck die Erdgeschoßzone des gesamten<br />

Eckhauses mit Schaufenster geöffnet worden. Im Zusammenhang mit der Umnutzung<br />

des gesamten Gebäudes nach Auszug der Nikolaischule mietete die Erste<br />

Leipziger Polizeiwache diese Räume. Als Ergebnis der Sanierung des alten<br />

Schulhauses von 1991 bis 1994 entstanden in der Leipziger Innenstadt ein<br />

neues kulturgeschichtliches Ausflugsziel und eines der bekanntesten Restaurants<br />

der Stadt.<br />

Im Jahre 1990 war die Alte Nikolaischule unbenutzt. Sie war wegen Baufäl ligkeit<br />

gesperrt. Vom Glanz der ältesten Bürgerschule Deutschlands war nichts geblieben.


Innenfassade<br />

Treppenhauswand (Brandwand)<br />

Die Aufgabe, den Bau mit Leben zu füllen, wurde von der Kulturstiftung Leipzig<br />

gestellt. Das Gebäude sollte zu einem kulturellen Anziehungspunkt werden: Kulturcafé<br />

im Erdgeschoß, Gerätesammlung der Universität im Keller, die Anti kensammlung<br />

im 1. Obergeschoß, dazu Vortrags- und Studienräume und schließ -<br />

lich im Dach die Sächsische Akademie der Wissenschaften. Das Kon zept bestand<br />

darin, Alt und Neu miteinander zu verschränken.<br />

Im Laufe der Arbeiten traten verschiedene historische Fundstücke zutage, die in<br />

die Konzeption integriert werden konnten: eine wundervoll bemalte Holzdecke<br />

aus der Renaissance, farbig gefaste Putzfelder in den Obergeschossen. Ursprüng<br />

lich sollte in Absprache mit den zukünftigen Nachbarn ein Lichthof dem<br />

rückwärtigen Treppenhaus Helligkeit spenden. Nach der Rückgabe des Nachbargrundstücks<br />

an Alteigentümer, musste umdisponiert werden. Eine geschlossene<br />

Brandwand wurde verlangt. Doch Widerstände können beflügeln: Es<br />

entstand trotzdem ein Lichthof: belichtet von oben. Ein steiler moderner Raum<br />

wurde gegen die gelagerten historischen gesetzt.<br />

Detail Wendeltreppe<br />

Treppenhaus<br />

1995 Architekturpreis AK Sachsen<br />

1995 Architekturpreis der Zementindustrie<br />

1995 Sächsischer Staatspreis<br />

1997 Deutscher Architekturpreis<br />

www.storch-ehlers-partner.de/projekte/<br />

alte-nikolaischule_leipzig_preise.php


110Tag 4


Zeitplan Sonntag, 28.09.08<br />

08.00 Uhr Frühstück und Auschecken<br />

Gepäck im Hotel abstellen<br />

09.00 Uhr Spaziergang durch das Graphische Viertel<br />

Führung: Dipl.-Ing. Arch. Volker Meyer zu Allendorf<br />

09.15 Uhr Besichtigung Grassi-Museum mit Innenhöfen<br />

Architekten: Zweck + Voigt, Sanierung: Ilg, Friebe, Nauber<br />

Dresdnerstraße 11–13<br />

Besichtigung Gutenbergschule<br />

Architekt: Otto Droge<br />

Gutenbergplatz 6/8<br />

Haus des Buches<br />

Architekten: HPP, Hentrich-Petschnigg & Partner KG<br />

und Angela Wandelt<br />

Gerichtsweg 28<br />

Besichtigung Schumann Haus<br />

Inselstraße 18<br />

Besichtigung Reclam-Karree<br />

Architekt: Max Bösenberg<br />

Inselstraße 22<br />

12.30 Uhr Mittagessen im Restaurant Castellum 1776<br />

Im Kellergewölbe einer ehem. Druckerei<br />

Hans-Poeche-Straße 2, Nähe Hotel und Hbf<br />

14.00 Uhr Gepäckabholen im Hotel und zu Fuß zum Hbf Leipzig<br />

14.30 Uhr Ankunft im Hbf Leipzig<br />

Ende der Exkursion


112Grassi-Museum<br />

Johannisplatz 5–11<br />

Architekten: Carl William Zweck + Hans Voigt,<br />

Oberleitung Stadtbaurat Hubert Ritter, 1929,<br />

Ilg Friebe Nauber, 2005–07<br />

Hubertus Adam<br />

Die Blütezeit des Grassi-Museums in Leipzig währte nur ein Jahrzehnt. 1929<br />

war der ausgedehnte Komplex östlich des Stadtzentrums eingeweiht worden,<br />

der die Museen für Kunsthandwerk, Völker- und Länderkunde und Musikinstrumente<br />

umfasste. Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs begann die Evakuierung<br />

der Kunstwerke; 1943–45 erhielt das Gebäude schwere Bombentreffer.<br />

Weil Fremdnutzer in das notdürftig wiederhergestellte Bauwerk einquartiert worden<br />

waren, konnte der Ausstellungsbetrieb in den fünfziger Jahren nur auf minimaler<br />

Fläche beginnen. Die Stadtverwaltung ignorierte die Bedeutung des Mu -<br />

se ums für Kunsthandwerk vollends: Nach einem Heizungsschaden 1982 wurde<br />

die Präsentation geschlossen. Nach 1989 verbesserte sich die Situation nur<br />

langsam: Das erste mit der Sanierung betraute Architekturbüro erwies sich als inkompetent.<br />

An dessen Stelle trat David Chipperfield, der ein sensibles Konzept<br />

für die Wiederherstellung und Ergänzung des Gebäudekomplexes entwickelte.<br />

Doch das Projekt des im Museumsbereich erfahrenen Londoners scheiterte an<br />

den Kosten: Stadt, Land und Bund konnten sich über die Finanzierung nicht<br />

einigen.<br />

Im Jahr 2000 zog das Museum für Kunsthandwerk, das seit 1994 fünf Räume<br />

im Grassi-Museum nutzte, in ein innerstädtisches Provisorium um. Endlich begann<br />

die Sanierung des Gebäudes – nunmehr nach Plänen des ortsansässigen<br />

Büros Ilg Friebe Nauber. Im Oktober 2005 war die Arbeit der Gebäudehülle<br />

abgeschlossen. Nach weiteren zwei Jahren, die für die Restaurierung und Installation<br />

der Exponate verwendet wurden, konnte die nun als Museum für angewandte<br />

Kunst firmierende Institution 2007 ihre Dauerausstellung eröffnen. Eine<br />

der wichtigsten europäischen Sammlungen für Kunsthandwerk und Design kehr -<br />

te damit nach mehr als sechs Jahrzehnten in die Öffentlichkeit zurück.<br />

Obwohl das Haus als 2. deutsches Kunstgewerbemuseum schon 1874 gegründet<br />

wurde, verdankt es seine Bedeutung vor allem Richard Graul, der zwischen<br />

1896 und 1929 als Direktor amtierte. Er war die treibende Kraft für den Museumsneubau,<br />

da der aus dem Erbe des Mäzens Johann Dominic Grassi finanzierte<br />

Neurenaissancebau am Königsplatz zu klein geworden war. Der neue,<br />

um mehrere Höfe gegliederte Komplex, den die Architekten Carl William<br />

Zweck und Hans Voigt unter Oberleitung des Stadtbaurats Hubert Ritter realisierten,<br />

oszilliert zwischen moderater Moderne und Art déco und gilt als einer der<br />

wenigen deutschen Museumsneubauten aus der Zeit der Weimarer Republik.<br />

Den Bezugspunkt des breit gelagerten Ensembles, dessen Flügel sich zwischen<br />

zwei Ausfallstraßen aufspreizen, bildete einst die 1963 gesprengte Johanniskirche.<br />

Nach Plänen von Ritter sollte das Grassi-Museum den Ausgangspunkt<br />

einer Stadterweiterung Richtung Osten bilden, die nie realisiert wurde.


Seit 2005 erstrahlt das Gebäude mit seiner rekonstruierten Dachbekrönung in<br />

neuem Glanz. Schade nur, dass die Architekten wegen des Kostendrucks Eingriffe<br />

in die Substanz akzeptierten. Weil wechselnder Lichteinfall konservatorische<br />

Probleme erzeugt, entschied man sich für ein leichter und kostengünstiger<br />

zu handhabendes Kunstlichtmuseum. Dass die einstigen Fenster indes in diesen<br />

Zonen aus der Fassade völlig getilgt wurden, ist skandalös und zeugt kaum von<br />

politischem Verantwortungssinn.<br />

Die Präsentation, wie schon zu Zeiten Grauls chronologisch arrangiert, folgt<br />

einer klassischen Abfolge, ohne eine neue Sichtweise anzubieten: Kleinkunst<br />

der Antike, gotische Schnitzplastik, Majoliken der italienischen Renaissance,<br />

Trinkgefässe des Barock, Porzellan des Rokoko, Möbel des Klassizismus, Kunsthandwerk<br />

des Historismus sind wichtige Themen. Die Leipziger Gestalter Heinz-<br />

Jürgen Böhme und Detlef Lieffertz haben mit Vitrinen und Podesten einen abwechslungsreichen<br />

Parcours inszeniert. Die meisten Wände sind hell gestrichen,<br />

doch mitunter werden in kojenartigen Formationen Akzente in Gelb, Rot oder<br />

Blau gesetzt. Zum Teil orientierte man sich bei der Präsentation an Grauls Konzept<br />

der Stilräume und fügte die Exponate zu stimmigen Ensembles – etwa im<br />

Saal der italienischen Renaissance, wo zu den in Vitrinen ausgestellten Majoliken<br />

eine venezianische Holzdecke sowie zwei in die Wände eingebaute Kamine<br />

treten.<br />

Zu Ausstellungsstücken, welche die internationale Entwicklung des Kunsthandwerks<br />

dokumentieren, treten Meisterwerke aus Sachsen. Dazu zählen die spätgotische<br />

Schnitzplastik von Peter Breuer ebenso wie der Leipziger Ratsschatz<br />

und der grandiose „Triumph des Kreuzes“ von Balthasar Permoser. Die Zeit des<br />

Klassizismus ist mit Denkmälern und Denkmalentwürfen des einflussreichen Leipziger<br />

Akademiedirektors Adam Friedrich Oeser und Möbeln von Friedrich Gottlob<br />

Hoffmann gut vertreten; einen besonderen Höhepunkt stellt der um 1795<br />

ausgestattete römische Saal aus Schloss Eythra dar. Bis zum Jahr 2010 soll sich<br />

die Ausstellungsfläche mit den Rundgängen zu den Themen Asien sowie Jugendstil<br />

bis Gegenwart nochmals verdoppeln. Ein Ausschnitt aus den Sammlungen<br />

des 20. Jahrhunderts ist schon jetzt im Pfeilersaal zu sehen. Die Rekonstruktion<br />

der für den Raumeindruck dieses expressionistischen Interieurs wichtigen Lichtdecke<br />

sowie die Wiederherstellung der von Josef Albers entworfenen, streng<br />

geometrischen Treppenhausverglasung stehen zu Recht ganz oben auf der<br />

Wunschliste der Museumsleitung.<br />

Quelle:<br />

www.nzz.ch/nachrichten/kultur/aktuell/<br />

aus_der_versenkung_ans_licht


114Gutenbergschule<br />

Berufliches Schulzentrum<br />

Gutenbergplatz 6/8<br />

Architekt: Otto Droge, 1929<br />

Quelle:<br />

Leipzig Architektur von der Romanik bis zur Gegenwart,<br />

Passage Verlag, 2. Auflage<br />

Im Osten an den Alten Johannisfriedhof angrenzend, wurde die Schule am 29.<br />

Juni 1929 „zur Herausbildung eines tüchtigen gewerblichen Nachwuchses“ eingeweiht,<br />

erläutert eine Erinnerungstafel in der Eingangshalle des Erdgeschosses.<br />

Auftraggeber war der Verein Leipziger Buchdruckereibesitzer. Die Entwürfe lieferte<br />

Otto Droge. Das viergeschossige Hauptgebäude und die flacheren, vorgezogenen<br />

Flügelbauten (der nördliche entstand erst nach 1945) umschließen ei -<br />

ne rechteckige, begrünte Hofanlage. Die hellen Putzfassaden sind unter Verwendung<br />

von rotem Rochlitzer Porphyrtuff gegliedert, die Fensterreihungen werden<br />

geschossweise horizontal betont. Seitlich ist die Hauptfassade in zeittypischer<br />

Weise turmartig überhöht und mit einer Normaluhr dekoriert. Auch die obligate,<br />

seitlich angeordnete Fahnenstange fehlt nicht. In der Gestaltung des Gebäudes<br />

vereinigen sich unterschiedliche stilistische Strömungen der 1920er Jahre, wie<br />

Neue Sachlichkeit und funktionelles Bauen sowie darüber hinaus im Inneren Art<br />

déco und Backsteinästhetik. Das Gebäude gehört heute zur Hochschule für<br />

Technik, Wirtschaft und Kultur, Fachrichtung Polygraphie.<br />

Hier im östlichen Vorstadtbereich konzentrierten sich bis zur Zerstörung im zweiten<br />

Weltkrieg die Bauten der polygraphischen Industrie und der Verlage. Heute<br />

ist dieses Gewerbe hier kaum noch vertreten. Nur die Fragmente des nach<br />

1945 vereinfacht wieder aufgebauten Buchgewerbehauses an der Prager<br />

Straße gegenüber der Ingenieurschule lassen noch etwas vom ursprünglichen<br />

Aussehen dieses 1900 von E. Hagberg im Stile der deutschen Neorenaissance<br />

errichteten Baus erkennen. Ganz verschwunden ist heute die stattliche Buchhändlerbörse,<br />

die sich, an die heutige Prager Straße grenzend, anschloss. Dieser<br />

malerische Neorenaissancebau, 1886 bis 1888 von den Berliner Archi -<br />

tekten H. Kayser und K. von Großheim errichtet, wurde ebenfalls am 4. Dezember<br />

1943 ein Opfer der Bomben. Hier entstand 1993 bis1996 das Haus des<br />

Buches. Erhalten hatte sich am Gutenbergplatz 3–7 das in den Jahren 1938<br />

bis1940 nach Entwurf von Curt Schiemichen errichtete lang gestreckte Bugra-<br />

Messehaus, das der Ausstellung polygraphischer Maschinen diente. Durch eine<br />

zu Beginn der 1990er Jahre begonnene und nicht beendete Baumaßnahme<br />

präsentiert es sich derzeit als Investruine.


Das Haus des Buches in Leipzig wurde im März 1996 eröffnet und den Bürgern<br />

der Stadt Leipzig übergeben. Es befindet sich im ehemaligen Graphischen<br />

Viertel auf historischem Grund: hier stand bis zur Bombennacht vom 4. Dezember<br />

1943 das 1888 im Renaissancestil errichtete Buchhändlerhaus, Sitz der<br />

Buchhändlerbörse, die 1825 als einer der ältesten deutschen Wirtschaftsverbände<br />

in Leipzig gegründet wurde. Mit der Zerstörung dieses Hauses verlor die<br />

Messestadt nicht nur eines ihrer prächtigsten Monumentalbauwerke – begraben<br />

wurde eine Epoche, in der Leipzig noch ganz selbstverständlich als „Mittelpunkt<br />

des deutschen Buchhandels“ galt.<br />

Die Wende kam mit dem politischen Umbruch: 1990 erinnerte man sich im Zuge<br />

der Fusionsverhandlungen der Börsenvereine in Leipzig und Frankfurt am<br />

Main alter Leipziger Traditionen. 1993 gab der symbolische erste Spatenstich<br />

das Signal für ein ehrgeiziges Projekt, mit dem der Börsenverein des Deutschen<br />

Buchhandels sich zum „Leipziger Platz“ bekannte und gemeinsam mit dem<br />

1990 gegründeten Kuratorium „Haus des Buches“ e.V. einen Ort schuf, an dem<br />

Bücherfreunde und Büchermacher einander begegnen können.<br />

Drei in Höhe und Grundriss unterschiedliche Baukörper werden im Erdgeschoß<br />

durch eine dreieckige flache Foyerzone zusammengefasst. Hinter dem Eingang<br />

am Gerichtsweg befinden sich ein großzügiger Empfangsbereich und ein etwas<br />

höher gelegtes Literaturcafé. Ein siebengeschossiger, turmartiger Baukörper betont<br />

den Zugang an der Prager Straße. Er ist bewusst etwas aus der Bauflucht<br />

gerückt. Westlich anschließend, parallel zur Prager Straße, öffnet sich der lang<br />

gestreckte, kammartige Baukörper mit zwei Innenhöfen zur Straße. Dies ist eine<br />

für Leipzig neuartige, ungewöhnliche Lösung. Die beiden begrünten Höfe sind<br />

an der offenen Straßenseite durch riesige Glaswände wieder geschlossen, so<br />

dass sich ein dynamischer Wechsel von Klinker- und Glasfassaden ergibt. Das<br />

Gebäude beherbergt das Kulturamt der Stadt und Büros der Buchbranche. Das<br />

rote Klinkerensemble gehört zu den bemerkenswerten Neubauten der letzten<br />

Jahre. Die Architekten wurden 1998 mit dem BDA-Preis Sachsen geehrt.<br />

115<br />

Haus des Buches<br />

Gerichtsweg 28<br />

Architekten: HPP - Hentrich-Petschnigg & Partner<br />

und Angela Wandelt,1995/96


116Schumann-Haus<br />

Inselstraße 18<br />

Das Schumann-Haus ist ein interessanter Sachzeuge für die in den 1830er Jahren<br />

im Osten Leipzigs einsetzende Stadterweiterung. Die lnselstraße könnte man<br />

als eine Hauptachse der neuen Friedrichstadt ansehen. Hier siedelte sich vor allem<br />

das mittlere Bürgertum an. Nach den Bauakten zu urteilen, wurde das Haus<br />

1838 „vor dem Grimmaischen Thore“ von dem Maurermeister Friedrich August<br />

Scheidel errichtet, der hier auch bis 1846 wohnte. Das fünfzehnachsige, dreigeschossige,<br />

freistehende Gebäude gehört zu den bedeutenden erhaltenen<br />

Bauschöpfungen des Klassizismus in Leipzig. Es ist das vielleicht schön ste Wohnhaus<br />

dieser Epoche. Den markant aus der Fassade heraustretenden fünfachsigen<br />

Mittelrisalit gliedern in den Obergeschossen sechs kannelierte Pilaster in Kolossalstellung<br />

mit korinthischen Kapitellen. Zwischen den Kapitellen sind Reliefplatten<br />

mit szenischen Darstellungen angeordnet. Darüber liegen ein kräftiger<br />

Architrav mit Girlandenschmuck und ein weit ausladendes Gesims. Über dem<br />

Mitteleingang ist die Beletage durch einen dreiachsigen Balkon auf Konsolen<br />

mit einem zeittypischen Rautengitter betont. Die besondere Würde der Architektur<br />

entsteht durch den überhöhten Mittelrisalit, dessen Architrav die Traufkante unterbricht<br />

und von einem belvedereartigen Aufsatz bekrönt wird. Der Leipziger<br />

Denkmalschützer Jens Müller hat vermutet, dass der damalige Stadtbaudirektor<br />

Albert Geutebrück Einfluss auf die Gestaltung genommen haben könnte, da dieser<br />

u. a. eine Bauinspektion durchgeführt hat.<br />

In diesem Hause wohnten Robert und Clara Schumann von 1840 bis 1844,<br />

vermutlich im 1. Obergeschoß rechts. Das junge Paar, das sich am 12. September<br />

1840 in der Kirche von Schönefeld (heute Stadtteil von Leipzig) trauen ließ,<br />

verbrachte hier die ersten glücklichen Jahre, bevor es Ende 1844 nach Dresden<br />

übersiedelte. Das Schaffen von Clara Wieck und Robert Schumann ist eng mit<br />

Leipzig verbunden. Im Jahre 1833 stellte Clara Wieck in einem eigenen Konzert<br />

im Gewandhaus erstmals ein Werk von Robert Schumann (1. Satz der 1.<br />

Sinfonie) der Öffentlichkeit vor. Im folgenden Jahr gründete Schumann die Neue<br />

Zeitschrift für Musik. Im Jahre 1843 berief ihn Felix Mendelssohn Bartholdy an<br />

das neu gegründete Konservatorium für Musik in Leipzig. In der Schumann-Wohnung<br />

waren u. a. Franz Liszt, Hector Berlioz, Richard Wagner und Felix Mendelssohn<br />

Bartholdy zu Gast. Eine kleine Gedenkstätte in den teilweise authentisch<br />

restaurierten Räumen der ersten Etage wird von einem Schumann-Verein<br />

betrieben.


Seit dem 19. Jahrhundert war das Graphische Viertel im Osten Standort von<br />

Verlagen und Druckereien. Die imposante Dreiflügelanlage ließ der Verleger Anton<br />

Philipp Reclam durch Max Bösenberg von 1887 bis 1905 errichten. Der<br />

Haupteingang an der lnselstraße ist durch einen repräsentativen Mittelrisalit aus<br />

Sandstein mit plastischem Schmuck betont. Über dem mittleren Tor befindet sich<br />

im Rundbogenfeld ein Relief, das die missionarische Funktion des Buches versinnbildlicht.<br />

Die Medaillons links und rechts über den Seiteneingängen stehen<br />

unter dem Thema Buchdruck und Buchhandel. Den oberen Abschluss der Mittelachse<br />

bildet eine von zwei Löwen flankierte Uhr. Der rechte Seitenrisalit ist mit<br />

einem Goethe-Schiller-Medaillon zwischen Lorbeerzweigen geschmückt. Im Segmentgiebel<br />

darüber steht das Monogramm „R“ für den Verlagsnamen. Es wird<br />

von Sphinxen gerahmt. Beim wieder aufgebauten Risalit an der linken Seite wurde<br />

auf den plastischen Schmuck verzichtet. Die Fassaden aus gelben Klinkern<br />

mit roten Gliederungen, den Sandsteinrisaliten der Hauptfront, Gesimsen und<br />

Treppenhäusern bilden ein äußerst beeindruckendes städtebauliches Ensemble.<br />

Nach einer Bombardierung im zweiten Weltkrieg, bei der ein Teil der Fassade<br />

sowie das Dachgeschoß zerstört wurden, zog der Verlag nach Stuttgart, produzierte<br />

aber auf dem alten Gelände in Leipzig die berühmten, preiswerten Reclam-Bücher<br />

weiter. In den 1960er Jahren wurde dieser Gebäudekomplex dann<br />

dem Graphischen Großbetrieb lnterdruck angegliedert. Nach der Wende im<br />

Herbst 1989 wurde das Haus verkauft und saniert. Außerdem wurde das weiträumige<br />

Areal durch eine stadtvillenartige Bebauung mit Wohn- und Geschäftshäusern<br />

ergänzt. Von 1993 bis 1995 waren die Architekten Bunk-Hartung-Partner<br />

aus Bad Homburg mit der Wiederherstellung des ursprünglichen Reclam-Ensembles<br />

betraut. Auch das alte Heizhaus im Hof wurde saniert. Die neu errichteten<br />

Gebäude greifen mit ihrem gelb geklinkerten Sockelbereich die traditionelle<br />

Farb- und Materialgebung auf und erzielen mit ihren weißen Putzfassaden ein<br />

ausgewogenes Erscheinungsbild. 1996 wurde das Reclam-Karree mit dem<br />

Hieronymus-Lotter-Preis für Denkmalpflege der Kulturstiftung Leipzig ausgezeichnet.<br />

Eine Gedenktafel in der Grünanlage zur Kreuzstraße erläutert: „In diesem<br />

Gebäude wirkte und arbeitete Anton Philipp Reclam/geboren 28.6.1807/gestorben<br />

5.1.1896/Begründer der weltberühmten Reclambibliothek“.<br />

117<br />

Reklam-Karree<br />

lnselstraße 22<br />

Architekt: Max Bösenberg, 1887–1905<br />

Sanierung: Bunk-Hartung-Partner, 1993–95


118Grafischer Hof<br />

Restaurant Castellum 1776<br />

Reudnitzer Straße/Hans-Poeche-Straße<br />

Der Grafische Hof vereint auf einem Gelände von ca. 5000 qm an der Reudnitzer<br />

Straße Ecke Hans-Poeche-Straße verschiedene Unternehmen aus den Bereichen<br />

Kunst, Kultur, Medien, Handel und Gastronomie. Zukünftig soll Arbeiten<br />

und Wohnen unter einem Dach stattfinden, so dass durch die gewerbliche wie<br />

auch private Nutzung die ehemaligen „Graphischen Werkstätten“ Leipzigs wiederbelebt<br />

werden.<br />

Im Grafischen Hof befinden sich Einrichtungsläden für stilvolles Wohnen und<br />

Gartenmöbel. Gemütliches Wohnen in den kälteren Monaten verspricht ein<br />

Fachhandelsgeschäft und Meisterbetrieb für Kamine, Kaminöfen, Kachelöfen<br />

und Schornsteine. Im Ambiente der alten Heizanlage, lädt die Galerie im Heizhaus<br />

regelmäßig zu Kunstausstellungen, Konzerten und Lesungen ein. Im Hof finden<br />

Kunst- und Designmärkte statt. Tonstudios, Musikverlage, Tanzstudios für<br />

Stepptanz und Flamenco, Werbeagenturen, Künstler, Architekten und Innenarchitekten,<br />

Designer, ein Keramikstudio, Druckereien und die Werkstätten der Buchkinder<br />

Leipzig e.V. bieten die Möglichkeit zur kreativen Zusammenarbeit. Das<br />

Gelände wird gerne für Filmarbeiten genutzt.<br />

Ebenso beherbergt der Grafische Hof das Restaurant „Castellum 1776“, das in<br />

den weitläufigen Kellerräumen italienische Speisen vor dem Hintergrund von<br />

historischen Backsteinwänden und -gewölben anbietet.


Architekturführer Dresden, Dietrich Reimer Verlag, Berlin<br />

Architekturführer Dresden, Lupfer et. Al. Hg./ Berlin 1997<br />

„Berichte zum Wiederaufbau der Frauenkirche zu Dresden – Konstruktion des Steinbaus und Integration<br />

der Ruine“, Herausgeber: Fritz Wenzel, Universitätsverlag Karlsruhe<br />

Broschüre zur Studentenexkursion 2007 der HS Karlsruhe nach Dresden und Prag mit<br />

Prof. Florian Burgstaller<br />

Falk Jäger; Glas Nr. 4 (2007)<br />

Foster & Partners; industrieBAU 2 (2005)<br />

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.08.2003<br />

Informationsmappe Förderverein Bau der Synagoge Dresden e.V.<br />

Leipzig, Architektur von der Romanik bis zur Ge genwart, Wolfgang Hocquél, Passage Verlag,<br />

2. Auflage<br />

Thomas Will: „Rekonstruktion der europäischen Stadt? – Zur Diskussion um den Dresdner Neumarkt“<br />

Unterlagen des Sächsischen Staatsarchivs Leipzig<br />

Vitzthum, M., Voland, P., Foster & Partners; Stahlbau 75 (2006)<br />

119<br />

Quellenverzeichnis<br />

www.architekturtexte.ch<br />

www.baunetz.de<br />

www.buntgarnwerke.de<br />

www.cafe-grundmann.de<br />

www.coophimmelblau.at<br />

www.daniel-libeskind.com<br />

www.das-neue-dresden.de<br />

http://db.uni-leipzig.de<br />

www.detail.de<br />

www.dresden-hellerau.de<br />

www.freundeskreis-synagoge-dresden.de<br />

www.gfzk.de<br />

www.hellerau.de<br />

http://joerg-hempel.com<br />

www.kunstforumhellerau.de<br />

www.leipzig.de<br />

www.leipzigerblaetter.de<br />

www.LTM-Leipzig.de<br />

www.lwb.de<br />

www.nzz.ch<br />

www.richard-riemerschmid.com<br />

http://riemerschmid.5eins.de<br />

www.rundkino-dresden.de<br />

www.schloss-eckberg.de<br />

www.slub-dresden.de<br />

www.spiegel.de<br />

www.spinnerei.de<br />

www.stern.de<br />

www.wikipedia.de


120Leipzig<br />

Stadtplanauszug<br />

1 City-Hochhaus, Restaurant „Panorama Tower“<br />

2 GfZK 1+2 (Galerie für zeitgenössische Kunst)<br />

3 Stadtvillen im Musikerviertel<br />

4 Café Grundmann<br />

5 Buntgarnwerke mit „Atrium“ und Wohnprojekt „Sweetwater“<br />

6 Baumwollspinnerei<br />

7 Konsumzentrale<br />

8 „Stelzenhaus“<br />

9 „Rundling“ in Lößnig<br />

10 Völkerschlachtdenkmal<br />

11 LWB, Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft mbH<br />

12 Renaissance Hotel Leipzig<br />

13 Restaurant in der Alten Nikolaischule<br />

14 Graphisches Viertel mit Grassi-Museum, Gutenbergschule,<br />

Haus des Buches, Schumann-Haus, Reclam-Karee


121<br />

Dresden<br />

Stadtplanauszug<br />

1 Hauptbahnhof Dresden<br />

2 Prager Straße mit Rundkino,<br />

UFA-Kristallpalast u.a<br />

3 Frauenkirche<br />

4 Neue Synagoge<br />

5 Brühl´sche Terrassen, Lipsiusbau,<br />

Ausstellungsgebäude, Kunstakademie<br />

6 Hotel Westin Bellevue Dresden<br />

7 Baustelle Waldschlösschenbrücke<br />

8 Restaurant Schloß Eckberg<br />

9 Campus TU Dresden<br />

10 SLUB Zentralbibliothek<br />

11 Militärhistorisches Museum<br />

12 Gartenstadt Dresden-Hellerau<br />

13 Sächsischer Landtag<br />

14 Semperoper und Zwinger<br />

15 Restaurant Villa Marie an der Loschwitzer<br />

Brücke „Blaues Wunder“


122Teilnehmer/-innen<br />

Professoren-Exkursion Dresden-Leipzig<br />

25.09. bis 28.09.2008<br />

Nr. Titel Nachname Vorname FB FH/TU<br />

01 Prof. Dr.-Ing. Bulenda Thomas BI Hochschule Regensburg<br />

02 Prof. Dipl.-Ing. Dittrich Horst A GSO Hochschule Nürnberg<br />

03 Prof. Dipl.-Ing. Dunkelau Wolfgang A FH Frankfurt<br />

04 Prof. Dipl.-Ing. Edelmann Albert BI FH Mainz<br />

05 Prof. Dr. Fierz Peter A Universität Karlsruhe<br />

06 Prof. Dipl.-Ing. Freischlad Volker A Hochschule Darmstadt<br />

07 Prof. Dipl.-Ing. Fuchs Hartmut A GSO Hochschule Nürnberg<br />

08 Prof. Dipl.-Ing. Günster Armin A Hochschule Karlsruhe<br />

09 Prof. Dipl.-Ing. Kawamura Kazuhisa A FH Mainz<br />

10 Prof. Dipl.-Ing. Kowalewsky Jobst A FH Mainz<br />

11 Prof. Dipl.-Ing. Leonhardt Matthias A FH Frankfurt<br />

12 Prof. Dipl.-Ing. Meier Richard A SRH Hochschule Heidelberg<br />

13 Prof. Dipl.-Ing. Meissner Andreas A Hochschule Karlsruhe<br />

14 Prof. Dr.-Ing. Mosler Friedo BI GSO Hochschule Nürnberg<br />

15 Prof. Dr.-Ing. Nelskamp Heinz BI Hochschule Biberach<br />

16 Prof. Dipl.-Ing. Neuleitner Nikolaus BI FH Regensburg<br />

17 Prof. Dipl.-Ing. Raff Hellmut A FH Wiesbaden<br />

18 Prof. Dr.-Ing. Riediger Hans-Georg BI Hochschule Biberach<br />

19 Prof. Dipl.-Ing. Romero Stephan A HTWG Konstanz<br />

20 Prof. Dr.-Ing. Schaub Hans-Joachim BI Hochschule Biberach<br />

21 Prof. Dipl.-Ing. Scheiblauer Anne Christin A FH Frankfurt<br />

22 Prof. Dipl.-Ing. Steinhilber Ursula A HFT Stuttgart<br />

23 Prof. Dr.-Ing. Techen Holger A FH Frankfurt<br />

24 Prof. Dipl.-Ing. Thomas Horst A GSO Hochschule Nürnberg<br />

25 Prof. Dipl.-Ing. Weber Günter A FH Wiesbaden<br />

26 Prof. Dipl.-Ing. Zenner Norbert A FH Kaiserslautern<br />

27 Prof. Dipl.-Ing. Zoller Friedrich A FH Regensburg<br />

28 Dipl.-Ing. Pröll Michael BI <strong>Ziegel</strong> <strong>Zentrum</strong> Süd<br />

29 Dipl.-Ing. Arch. Vogler Waltraud A <strong>Ziegel</strong> <strong>Zentrum</strong> Süd


Herausgeber © <strong>Ziegel</strong> <strong>Zentrum</strong> Süd e.V.<br />

Konzeption Dipl.-Ing. Architektin Waltraud Vogler<br />

Recherche und Exkursionsvorbereitung Dipl.-Ing. Architektin Waltraud Vogler<br />

Dipl.-Ing. Michael Pröll<br />

Margret Kaiser<br />

<strong>Layout</strong> und grafische Beratung D.SIGNstudio Edigna Aubele, München<br />

Druck Druckerei Fritz Kriechbaumer, Taufkirchen<br />

AnsprechpartnerInnen:<br />

FB Architektur Waltraud Vogler, Dipl.-Ing. Architektin, Geschäftsführerin<br />

FB Bauingenieurwesen Michael Pröll, Diplom-Ingenieur<br />

Sekretariat Margret Kaiser<br />

<strong>Ziegel</strong> <strong>Zentrum</strong> Süd e. V.<br />

Beethovenstraße 8<br />

80336 München<br />

Fon 089/74 66 16 - 11<br />

Fax 089/74 66 16 - 60<br />

info@ziegel.com<br />

www.ziegel.com<br />

123<br />

Impressum<br />

Wir bedanken uns herzlich bei allen Personen, die uns bei der Recherche, der Vorbereitung der Exkursion<br />

und durch Vorträge und Führungen unterstützt haben. Besonderer Dank gilt: Frau Prof. Anthusa Löffler, Herrn<br />

Prof. Horst Thomas, Herrn Prof. Dr. Thomas Bulenda und Herrn Dipl.-Ing. Arch. Volker Meyer zu Allendorf.<br />

Die Herstellung und das Papier der Broschüre „Professoren-Exkursion 2008“ des <strong>Ziegel</strong><br />

<strong>Zentrum</strong> Süd e.V. sind zertifiziert nach den Kriterien des Forest Stewardship Councils<br />

(FSC). Der FSC schreibt strenge Kriterien bei der Waldbewirtschaftung vor und vermeidet<br />

damit unkontrollierte Abholzung, Verletzung der Menschenrechte und Belastung der Umwelt.<br />

Da die Produkte mit FSC-Siegel verschiedene Stufen des Handels und der Verarbeitung<br />

durchlaufen, werden auch Verarbeitungsbetriebe von Papier, z.B. Druckereien, nach<br />

den Regeln des FSC zertifiziert.


www.ziegel.com

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