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AKTUELL: RECHERCHIERTIndiziensammlung für dieneue ZeitrechnungVON PHILIP RÖSSNERDie Nachwendezeit in <strong>Rostock</strong> ist vorüber. Lange vorbei die Aufbruchsstimmung,in der privat, politisch und kulturell improvisiert undausprobiert wurde, vorbei aber auch die Zeiten der ergriffenen oderverpassten Möglichkeiten. Während es die Städte Schwerin, Wismar,Stralsund oder Greifswald geschafft haben, hauptsächlich mit positivenNeuigkeiten von sich hören zu lassen, hat <strong>Rostock</strong>s Image immer einDoppelgesicht gehabt. Das stolze Zentrum des Landes, aber in allzuvielen Belangen undefiniert und wie amputiert – der Stadthafen, einexklusives, postkartenmotivisches und identitätsstiftendes Areal einerjeden Stadt mit Wasser, ist jahrelang das Symbol für <strong>Rostock</strong>s Problemegewesen. Wenn auch durchaus nicht alles misslang, und Verzögerungenin der Entwicklung teilweise erklärlichen oder vernünftigen Hintergrundhatten und mitunter sogar nützlich waren, indem sie keinenSchaden anrichteten, ist das Stimmungsklima nicht das beste gewesen.Der Eindruck ab Mitte und Ende der 90er Jahre, irgendwie säßen anden entscheidenden Stellen zu viele ungeeignete Leute, verbreitete sichangesichts regelmäßiger politischer Possen und Skandale allmählichbis in breiten Bevölkerungsschichten. Nun heißt es, dass die Lage besondersübel sei, die Hütte quasi am brennen, und die Schwierigkeiteneine Folge und Fortsetzung stadttypischen Dilettierens. So kann manes durchaus sehen, zumal das Haushaltsdesaster tatsächlich ein politischesVermächtnis ist. Aber die Zeiten, und mit ihnen der Blickwinkel,haben sich geändert. Ab sofort darf verbesserte Laune herrschen. EinigeIndizien:Indiz 1: Erfahrungswert DemokratieDie Mehrheit der <strong>Rostock</strong>er Bürgerinnen und Bürger haben im Frühjahr2005 Roland Methling zum Oberbürgermeister gewählt. Damithaben sie zunächst eine grunddemokratische Erfahrung gemacht:Machtverhältnisse, Stimmungen, lobbyistische Traditionen lassen sichändern. Und die Parteien, insbesondere die drei großen, haben wenigstenshier einsehen müssen, dass Hickhack, Hackfleisch und Hackordnungnicht so gut ankommen.Indiz 2: TransparenzDass Roland Methling im Rathaus ohne Hausmacht regieren muss,zwingt sowohl ihn als auch die Parteien zum Miteinander. Dieses Miteinanderist relativ: miteinander will man sich auch gerne den schwarzenPeter zuschieben. Das gute daran: es handelt sich nicht um innerparteilicheoder innerkoalitionäre Schiebungen hinter den Kulissen,sondern um recht transparente Machtkämpfe zwischen politischen Institutionen.Wenn Herr Methling wieder mal beleidigt ist oder die eineoder andere Partei einen Beschluss verweigert, dann steht das am nächstenTat genau so in der Zeitung.Indiz 3: Aufmerksame MedienUnd apropos Zeitung. Die Verlagschefs der NNN wollten mehr Boulevardund mit einem verdienten Journalisten wie Ulrich Vetter nichtlange diskutieren. Das ist ein betrüblicher Verlust. Die OZ allerdings,größeres und wichtigeres Blatt, hat endlich, wenn auch spät, die Aufgabeeiner Lokalredaktion begriffen und widmet sich komplexeren Angelegenheitengerne und wiederholt mit einer ganzen Seite. Auch inden Anzeigenblättern steht regelmäßig Hintergründiges, das lesenswertist. Sogar unser TV.<strong>Rostock</strong>er-Sender macht sich allmählich.Indiz 4: Bauwesen unter AufsichtUm hier gleich anzuknüpfen: Dass Wiro-Chef Bernhard Küppers seinenArbeitsvertrag nicht mehr findet, mit einem umfangreichen Wohnungsverkaufmal so nebenbei für Cash-Flow in der Wiro-Kasse sorgenwill, das sind Meldungen, wie man sie von früher her kannte. Neu ist,dass es Nachfragen und Aufschubsverordnungen aus dem Rathaus gibt.Ein solcher politischer Verantwortungsbegriff hat einst eine Interims-Oberbürgermeisterin zur Abwahl gebracht, jetzt titelt sogar die OZ:Niederlage für Küppers. Der durfte früher im gleichen Blatt ausführen,warum Marian K. sich an keine Regeln zu halten braucht. Dieserwiederum hat jetzt lästige Gerichtstermine am Hals. Wurde im Bauamtmehr an Geschenken entgegen genommen als Kugelschreiber oderSchreibblöcke? Sabine O. ist vom Dienst suspendiert, Amtsleiter PeterGrüttner darf weiterhin sein sehr stilles Amtsverständnis pflegen. MarianK. wird sich über diese Nachfragen nach lächerlichen Hubschrauberflügenund Hotelübernachtungen ärgern. Um die geht es zwar juristisch,aber nicht realiter: Es geht um den Stil, mit Geld protzen, in einAmt hineinzupoltern und ultimativ und sofort Zuarbeit zu verlangen.Die baulichen Ergebnisse sind pompös, architektonisch dürftig. Wasindes Harald Lochotzke, vom Volk auch gerne als hintertriebener Jongleureingeschätzt, in <strong>Rostock</strong> hingestellt hat, kann sich sehen lassen.Das Eckgebäude an der Kreuzung zur Silohalbinsel und das Gebäudeam Vögenteich sind hochwertige, den hiesigen Proportionen angepassteBauten. Dass <strong>Rostock</strong> mit ihm einen Investor hat, der nicht nurolympische Träume für die Stadt hat, sondern auch bauliche, ist besserals mit nem dreckigen Stock ins Auge. (s.o.)Indiz 5: Bedingte Fähigkeit statt bedingungsloser FilzUm die Einschätzung diverser Beobachter von Roland Methlings Eig-11