TITELTHEMA: INTROnung und die seit nun bald zwei Jahren entwickelten Fähigkeiten aufden Punkt zu bringen, so ist es wohl das Kopfschütteln. Die Geschichten,die in gewissen Kreisen über ihn im Umlauf sind, zeugen jedenfallsnicht von ausgeprägten Führungsqualitäten. Aber er ist der gewählteMann, und er ist vielleicht der goldrichtige. Denn die ultimativenSchwerpunkte, die er ausruft, sind gesetzt. Auch jeder andere OBkönnte nicht anders als zu sagen, dass nichts mehr heilig sei und jedeLeistung auf den Prüfstand komme. Methling hat die undankbare Aufgabe,den <strong>Rostock</strong>er Haushalt zu sanieren, und dazu muss er nicht beliebtsein, sondern ziemlich hartnäckig. Manche meinen, Methlingagiere weniger hartnäckig als vielmehr unerfahren und eigensinnig.Wenn Methling es aber nicht lernt, Stadtvater zu werden, zu einer Persönlichkeitzu reifen, die mit Autorität auch Parteien für sich einzunehmenweiß, dann wird er am Ende isoliert dastehen und abgewähltwerden.Das mag auch konkrete und betrübliche Aspekte zeitigen, aber es wirdnicht einen solchen Schaden verursachen wie die gutsherrliche Maniervor allem der SPD, die sich und die Stadt über die Jahre in so vieleSchwierigkeiten verwickelt hat. Sebastian Schröder, OB-Kandidat undehemaliger Finanzsenator, hat sich beruflich nach Schwerin abgesetzt.Dass er als Verantwortlicher das sinkende Schiff rechtzeitig verlassenhabe, wird allerorten gemutmaßt – der Verdruss über eine gewachsenekommunale Parteistruktur, die immer noch eine große Zahl von Ämternmit Genossen besetzt hält und öffentliche Gefolgschaft auch daverlangt, wo ein gesunder Mensch lieber schweigt, ist als Motiv wahrscheinlicher.Und alle Parteien in <strong>Rostock</strong> können jetzt zeigen, wie potentsie im Geschäft sind. Wäre der OB aus SPD, PDS oder CDU,würde die jeweilige Partei unweigerlich an Ansehen verlieren, und dieBevölkerung würde den Glauben an die Demokratie noch mehr verlieren.Jetzt können alle Parteien in <strong>Rostock</strong> zeigen, wie potent und profiliertsie ihr Geschäft verstehen: eine einmalige Chance.Indiz 6: Kompetenz an richtiger StelleMit dem neuen Finanzsenator Georg Scholze scheint <strong>Rostock</strong> immerhingut bedient zu sein. Von burschikosem Auftreten war bislangnichts zu bemerken, ein Mann vom Fach, erfahren, nicht profilierungssüchtig,umsichtig. Auch die Kultursenatorin Ida Schillen kommt verändertrüber – sicherlich dank einer vorurteilsfreieren Presse, wohl aberauch aufgrund der Tatsache, dass die Berlinerin über die Jahre Rostokkeringeworden ist und ihren Exotenstatus verloren hat. Und sie istnicht mehr der Blitzableiter bei jedem Donnerwetter, das <strong>Rostock</strong>sRathaus ereilt – diese Rolle spielen nun andere. Dadurch kann sichauch die Debatte um die Bestandserhaltung und Entwicklung im Kulturbereichweiter versachlichen. Das muss Meinungsverschiedenheitenoder Kritik nicht ausschließen, im Gegenteil: in einem einigermaßenausgewogen begleiteten Wettbewerb der Argumente kann auchdie öffentliche Diskussion an relevantem Gehalt gewinnen. Die Vorzeichenstehen nicht schlecht, und bei den Senatoren verhält es sich wiemit den Parteien allgemein. Was sie tun und sagen, geschieht vor Publikumund kann diskutiert und beurteilt werden.Indiz 7: Handlungszwang bringt KlärungDer Sparzwang. Von dem war früher auch öfters die Rede, jetzt ist erda, in Form von Landes-Behörden, die allerhand diktieren: 900 Stellenin der Verwaltung sollen abgebaut, die Senatsbereiche zusammengelegt,das Volkstheater mit dem Schweriner Staatstheater fusioniert, dieKultur in eine neue Rechtsform übergeleitet, die Tickets für RSAGspürbar teurer werden. Alles Dinge, die man früher auch schon, undvor allem schonender und zweckmäßiger, weil geplanter hätte umsetzenkönnen. Jetzt wird es wehtun. Man muss keine Meinung dazu haben,nur ein Einsehen: es muss sein. Dass insbesondere der Kulturbereichim Visier der Sparer ist, bringt jede gute Seele zum Heulen und istnicht nur ein traditionelles Schlachten der Schwachen, sondern aucheine strukturelle Zwangsläufigkeit. Denn obgleich die kommunalenAusgaben für die Kultur am Gesamtetat geringfügig sind, bietet dieKultur, weil sie freiwillige Ausgabe ist, eben Einsparmöglichkeiten, undzwar relativ schnell umsetzbare.Bislang wurde ein Plan, wie die Kulturlandschaft langfristig aufgestelltund positioniert sein sollte, lediglich für die Schublade erstellt. Erstgar nicht von eingeschränkten Angeboten reden, lautete die Devise.Um den Wert von Kultur an sich zu unterstreichen, hat Ida Schillenbislang immer von der Bestandssicherung sämtlicher Kultureinrichtungender Stadt gesprochen. Das hat sich bislang ausgezahlt, wennman die Selbstaufopferung mancher Macher im freien Kulturbereichfür selbstverständlich nimmt. Jetzt aber wird es Entscheidungen gebenmüssen. Dass eine Fusion des Volkstheaters mit Schwerin der Effektivitätsknüllerwäre, bezweifeln nicht nur Kenner der Materie. Aber dassdie Inspiriertheit im Volkstheater selbst nicht nur durch pauschale undletztlich desinteressierte Einlassungen von außen, sondern auch durchinterne Kommunikationseigenheiten gebremst ist und einen Ruckbrauchen könnte, sagen eben auch Interne. Der kann, da Steffen Piontekseinen Vertrag trotz unablässiger und berechtigter Kritik an unhaltbarenZuständen dann doch verlängert hat, nur durch die Erklärungder Stadt kommen, worauf sie Wert legt – wenn sie die bisherigeGrößenordnung nicht mehr halten kann oder will.Und darauf könnte es hinauslaufen: Fusion lediglich der beiden Orchester,die fortan beide Häuser bedienen, Streichung der Ballettsparte,spürbare Erhöhung der Eintrittspreise mittels eines 5-Euro bzw. 10-Euro-Obulus,der in den Topf für den Neubau geht. Und die freie Kulturszenewird möglicherweise auch einen, zwei, oder drei Schläge bekommen.Dann aber hat das nie enden wollende Bedrohungsszenarioendlich ein Ende: dann wird es endlich konkret, dann gilt es zu kämpfen,zu mobilisieren. Für die, die überleben, wird es um eine Reifeprüfunggegangen sein, und sie wird belohnt sein mit dem Attribut ‚etabliert’.Bislang ist das ja – dank unverbindlicher Zuspruchsbekundungfür alle – bloß ein Anspruch.Indiz 8: Das Bürgertum engagiert sichDie Kulturinitiative, die sich aus diversen Vereinen im letzten Jahr gegründethat, artikuliert sich offenbar mehr als Wehrhaftigkeit. Insbesonderedie städtischen Einrichtungen Theater und Museen, die hiergeschlossenen Geleitschutz erhalten, bekommen durch eine professionalisierteKampagne die Aufmerksamkeit, die sie ihrer Natur undFunktion nach verdienen: Repräsentanten des geistigen Selbstverständnisseseiner jeden Stadt. Die Verkündung von strukturpolitischenund architektonischen Ideen entspricht dem Plan, den man bislang ausdem Kultursenatsbereich vergeblich erwartet hat. Vielleicht ist dieseArbeitsteilung sinnvoll. Wenn engagierte und prominente Bürger nichtnur bekunden, was sie wollen, sondern konkrete Konzepte erstellen,dann bekommt die städtische Kulturpolitik die möglicherweise entscheidendenImpulse. Dass man hier nicht die freien Träger mit eingebundenhat, ist ein wenig snobistisch, aber vielleicht auch zuviel verlangt.Die Idee, einen Neubau für das Volkstheater gegenüber demSchifffahrtsmuseum zu bauen, in letzterem Kunst zu hängen, Schiff-12
fahrt an den Hafen zu verlegen, ist ebenso bestechend wie – an denvorhandenen Optimierungschancen gemessen – alternativlos. Auchdie Kunsthalle, eine wunderbare, ideale Architektur, könnte man danngleich daneben Ecke Schwaansche Straße umsetzen.Indiz 9: Veränderte GroßwetterlageEine Ostdeutsche am Führungshebel einer Großen Koalition in Berlin:das ist aus <strong>Rostock</strong>er Sicht eine umfassende Wende des Mitsprache-und Objektivitätsgefühls nicht nur wegen unserem heimischenOB und der Zwangsversachlichung der Arbeit in Parteigremien. Sogarin Schwerin haben wir aus unserer Perspektive realistische Verhältnisse:Der uns angenehm bodenhaftige Harald Ringsdorf bleibt Landesvater,aber gefordert von der politischen Gegenseite CDU, was als Kompromissvor allem deshalb willkommen ist, weil der alte Kompromiss mitWolfgang Methling, gewiss ein integrer und ebenso geachteter Rostokker,an Bewegung eingebüßt hatte. Also ein Wechsel, und nicht nurdas. Gottseidank wurde endlich die NPD in den Landtat gewählt unddamit eine Realität in das politische Alltags- und Medienleben eingeführt,die jetzt auch die Menschen kümmern muss, die nichts mit Extremitätenzu schaffen haben wollen. Denn dafür stehen die Wählerder NPD in erster Linie: für Leute mit einem verbitterten Lebensgefühl,das nicht mit Erfolg, Konsum oder linken Weltverbesserungsträumensediert und in der Gesellschaft aufgehoben ist. Offenbar sinddie Integrationsbemühungen um Menschen am Rand ungenügend.Wenn wir Demokraten tatsächlich klüger und lebenskundiger sind,dann können wir es jetzt beweisen, und wir müssen es, weil wir ja dieNPD nicht im Landtag haben wollen. Also los.Indiz 10: Kleinigkeiten und Spielräume<strong>Rostock</strong>er Uni, macht nicht nur fachlich von sich reden, sondern istseit einiger Zeit endlich ein Teil des Stadtlebens. Gute Initiativen, vielResonanz; wir sind eine Universitätsstadt. Autobahnanbindung nachWest wie Ost – profan, aber für jeden, der diese Richtungen befährt,spürt am Kreuz Dummerstorf, dass <strong>Rostock</strong> durch die Autobahnverbindungenin drei Richtungen und die Fährverbindungen in RichtungNorden jetzt tatsächlich eine Stadt ist, die auf andere verweisen kann,und auf die von allen Himmelsrichtungen verwiesen wird. VerbesserteBahnanbindung wird das Übrige tun. Auch die Stimmung in der Wirtschaftist nicht mehr die allermieseste, und auf die kommt des dem Vernehmennach an. Auch wenn die Arbeitslosenzahlen und die Abwanderungsquotenach wie vor eine schwierige Situation markieren, istdies ein Grundproblem des Nordostens, das <strong>Rostock</strong> nur relativ betrifft.Für ein noch verlockenderes Investitionsklima zu sorgen, dafür müsstedie Stadt bereit sein, Geschenke zu machen. Sie hat bescheiden und ineinigen Fällen auch allzu unbesonnen damit angefangen, aber allmählichmüssten auch hier die gesicherten Spielräume wachsen. Dass esdem Hafen leidlich gut geht, Warnemünde ein stark frequentierter Ortfür Kreuzfahrten ist, das sind Aspekte, die dem Selbstverständnis derHafenstadt wohl tun. Während keiner weiß, wie sich Schiffbau in <strong>Rostock</strong>auf Dauer wird durchsetzen und halten können, sorgen andereBranchen allmählich für ein krisensicheres Profil. Und dass Ikea in <strong>Rostock</strong>eine Filiale eröffnet, kann man getrost als Vertrauensbonus in dieZukunft werten. Ansonsten braucht die Touristik an der Küste Sonne,und selbst die Klimaentwicklung gibt hier Anlass zur Hoffnung. ¬FOTO: TOM MAERCKER13