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A U F N U L L N I V E A U - Stadtgespräche Rostock

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UNIVERSITAS– die Investitionen waren noch nicht abgeschlossen – begann das Wehklagenüber die Fächerdopplungen. Interessanterweise wurden dieselbennun als Argument für Fächerschließungen in <strong>Rostock</strong> verwendet.Dort wurde in den letzten 15 Jahren in buntem Durcheinander jedeFakultät mindestens einmal in Frage gestellt. Was diese Verunsicherungfür die neuberufenen (oder zu berufenden) Hochschullehrer und die inden Norden gekommenen (oder die künftigen) Studierenden bedeutet,braucht nicht erläutert zu werden. Sie verstärkt den Trend der Abwanderungvon Leistungsträgern und von jungen Leuten statt ihn endlichumzukehren.Ausgerechnet im Agrarland Mecklenburg-Vorpommern meinte dieLandesregierung die (uni¬versitären) Agrarwissenschaften abschaffenzu müssen, und zwar genau in dem Zeitpunkt, als diese ihr Profil aufdie für Deutschland neuen Studienrichtungen Landeskultur und Umweltschutzsowie Agrarökologie ausgerichtet hatten. In diesem Falleverhinderte zwar der Landtag die Streichung, stellte aber keine Stellenzur Verfügung sondern zwang die Universität, die benötigten Stellendurch interne Umwidmung bereitzustellen. Unzureichend ausgestattetist die Agrarökologie demzufolge bis heute. Die Fortführung der Lateinamerikawissenschaften,eines international anerkannten Kompetenzzentrumsan der <strong>Rostock</strong>er Philosophischen Fakultät, wurde auspolitischen Gründen untersagt. Dabei hätten die vorhandenen Kontaktenicht nur der Wissenschaft, sondern auch der Wirtschaft desLandes Wege in wichtige Schwellenländer Lateinamerikas ebnen können.Wesentliche exportträchtige wirtschaftliche Impulse hätten auchvom (ebenfalls inzwischen geschlossenen) Bauingenieurwesen ausgehenkönnen, z.B. durch einen Ausbau interes¬santer Ansätze im Küstenbau(schließlich hat M-V die längste Küstenlinie unter allenBundesländern) und durch eine Orientierung auf Bauen in ländlichenRäumen in Zusammenarbeit mit dem Institut für Landeskultur undUmweltschutz (Wasseraufbereitung, regenerative Energien, nachwachsendeRohstoffe).Zugegeben, die Festlegung von Forschungs- und Studienrichtungen istschwierig. Aber, bei allem Respekt vor eifrigen Abgeordneten oder fleißigenMinisterialbeamten: Beim Oktroyieren vom grünen Tisch auswaren in der Vergangenheit weder die östlichen Planer noch die westlichenMinisterialbürokraten sehr erfolgreich. Wissenschaftler undFachkommissionen (die übrigens auch das Hochschulgesetz unseresLandes vorschreibt) sind da sehr viel vorsichtiger und – bei aller Bescheidenheit– vielleicht auch etwas kompetenter. Die Universität <strong>Rostock</strong>hat in der Vergangenheit bewiesen, dass sie sich – trotz der permanentenSchließungsdrohungen – auf aktuelle Erfordernisse einstellenkann. Die Umwidmung von Stellen der Mathematik und des Maschinenbausin Richtung Informatik bzw. Demographie sind da nurzwei Beispiele von vielen. Kompetenzzentren entstehen dort, wo kompetenteWissenschaftler arbeiten. Und kompetente Wissenschaftler gehenan Einrichtungen, die sowohl materiell als auch personell gut ausgestattetsind, keinesfalls aber an Einrichtungen, deren Existenz jedesJahr aufs Neue in Frage gestellt werden.Wilhelm von Humboldt, 1809 zum Leiter des Kultus- und Unterrichtswesensins Preußische Innenministerium berufen, gründete dieBerliner Universität und fasste deren Zweck in vier Grundsätzen zusammen:Unabhängigkeit von äußeren Zwängen und vordergründigenNützlichkeitserwägungen, Interdisziplinarität der Wissenschaft, Wettbewerbder Universitäten untereinander um die besten Forscher undLehrer und schließlich die enge Verbindung von Forschung und Lehre.Der Staat habe die personellen, finanziellen und organisatorischen Voraussetzungenzu schaffen, dürfe aber nicht in die wissenschaftlichenAngelegenheiten hineinregieren. Denn wenn die Universitäten ihreZwecke erreichen, seien auch die Zwecke des Staates „und zwar von einemviel höheren Standpunkt aus“ erfüllt.Dem ist – fast 200 Jahre später – eigentlich nichts hinzuzufügen. ¬Völlig unverständlich ist die Idee, fast zeitgleich mit der Ost¬erweiterungder EU ausgerechnet die Slawistik zu schließen. Kenntnisse vonSprache und Kultur unserer östlichen Nachbarn und Erfahrungen ausjahrzehntelanger Kooperation haben eine große – auch unmittelbarwirtschaftliche – Bedeutung für die an der <strong>Rostock</strong>er Universität auszubildendenIngenieure, Ökonomen, Juristen und Wissenschaftler andererDisziplinen, die in naher Zukunft Arbeit in den östlichen Nachbarländernfinden könnten. Der wirtschaftliche Schaden, den die Landesregierung(en)dem eigenen Land durch diese konzeptionslosen Eingriffein die universitäre Fächerstruktur zugefügt hat, ist kaum zu ermessen.28

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