TITELTHEMA: STANDPUNKTHaushaltskonsolidierung ist notwendig,muss sich aber an Werten orientierenVON STEFFEN WANDSCHNEIDER (JAHRGANG 1979), 1. STELLVERTRETENDER VORSITZENDER DER SPD-BÜRGERSCHAFTSFRAKTIONARBEITET ALS WISSENSCHAFTLICHER MITARBEITER AN DER JURISTISCHEN FAKULTÄTDer folgende Beitrag beleuchtet die Stadt insbesondere aus finanzpolitischer Sicht. Auf Grund der Begrenzung ist es nicht möglich, auf andere wichtigeBereiche im Detail einzugehen. Die Langfassung eines Positionspapiers der SPD-Fraktion kann über die Fraktionsgeschäftsstelle bezogen werden.Die momentane Situation der HansestadtDie Hansestadt <strong>Rostock</strong> leidet seit 2001 unter einem strukturell defizitärenHaushalt. Trotz fortgeschriebener Haushaltssicherungskonzepteist es bisher nicht gelungen, den gesetzlich geforderten ausgeglichenenHaushalt zu erreichen. Auch die aktuellen Planungen für 2007weisen so ein strukturelles Defizit von 31,5 Mio. Euro auf. Die Ursachendes Problems sind vielseitig: Einnahmeverluste, erhöhte - auchvon anderer Stelle vorgegebene - Ausgaben, immer noch vorhandeneIneffizienzen in der Verwaltung, aber auch zum Teil fehlender Mut derpolitischen Entscheidungsträger.Mit dem rigiden Handeln der Rechtsaufsicht ist nach jahrelangem Zögernmassiver Druck auf <strong>Rostock</strong> aufgebaut worden, der zu drastischenMaßnahmen auf Seiten der Stadt führte (vollständige Sperre des Haushalts,Diskussion um Kündigungen verbunden mit Angst der Beschäftigten,Infragestellung vieler sozialer und kultureller Angebote). DasZiel, dass die Stadt künftig wieder einen ausgeglichen Haushalt vorlegenmuss, ist dennoch richtig, um eine langfristige Handlungsfähigkeitzu gewährleisten. Und eine sozial gerechte Politik ist in einer Marktwirtschaftauf einen handlungsfähigen Staat angewiesen. Nur so könnenseine Instrumente gezielt dafür eingesetzt werden, jene Menschenzu unterstützen, die besonders auf die Solidarität der Gesellschaft angewiesensind. Noch immer gilt daher die Formel Willy Brandts: Nurreiche Bürger können sich einen armen und wirkungslosen Staat leisten.Alle anderen Menschen sind darauf angewiesen, dass der Staatbzw. eine Stadt handlungsfähig und in der Lage ist, der reinen Profitorientierungim Interesse der Menschen Grenzen zu setzen.<strong>Rostock</strong> wird sich in Zukunft nicht mehr alles leisten können. Es müssenheute Entscheidungen getroffen werden, welche Leistungen in Zukunftnoch in welchem Umfang erbracht werden können. Dies geschiehtauch in Verantwortung gegenüber den zukünftigen Bürgernund Bürgerinnen sowie Entscheidungsträgern, denn heute nicht getroffeneEntscheidungen rufen zusätzliche Konsolidierungsbedarfe inder Zukunft hervor. Daher ist es sozial ungerecht, laufende Ausgabendes Verwaltungshaushaltes durch Kredite zu finanzieren. Hinzu kommenZinszahlungen aus kommunalen Mitteln an Kapitalgeber und somiteine Umverteilung von unten nach oben. Bereits der bis Ende 2006aufgelaufene Schuldenstand von etwa 218.600.000 Euro zwingt dieStadt zur Zahlung von Zinsen in Millionenhöhe! Geld, das auchmittelfristig für zukunftsweisende Entscheidungen fehlen wird.Ziel der HaushaltspolitikDaher ist es notwendig, den Haushalt zeitnah zu konsolidieren. Nurwenn heute die Weichen gestellt werden, sind noch härtere Einschnittein Zukunft zu vermeiden. Deshalb ist das Ziel eines ausgeglichenenHaushalts im Jahr 2009 richtig. Allerdings darf die Haushaltskonsolidierungnicht zum Selbstzweck verkommen, sondern muss im Kontextmit den Aufgaben und Funktionen einer Stadt gesehen werden. Haushaltssanierungund -konsolidierung ist ohne Orientierung an Wertenund Zielen nicht möglich. Im Mittelpunkt müssen die Menschen derStadt stehen. Um Sparmaßnahmen zu begründen und sie für Bürgerund Bürgerinnen sowie die Beschäftigten nachvollziehbar zu machen,muss klar sein, welche Ziele mit den wiedererlangten finanziellen Spielräumenverfolgt werden. Sparprogramme zur Haushaltskonsolidierungmüssen Zuversicht schaffen und nicht Angst verbreiten. Insofern ist eineausschließlich betriebswirtschaftliche Betrachtung der Stadt nureingeschränkt sinnvoll. Die dahinter liegende Metapher „KonzernStadt“ verführt zu falschen Schlussfolgerungen. Ziel eines Wirtschaftskonzernsist die finanzielle Gewinnmaximierung. Ziel des „KonzernsStadt“ kann nur die Maximierung des Gewinns für die Menschen sein.Ansätze zur Haushaltskonsolidierung müssen daher auch die Frage beantworten,nach welchen Werten, außer den betriebswirtschaftlichenZielen, diese erfolgt.Ziel guter Kommunalpolitik ist die Herbeiführung von sozialer Gerechtigkeit,soweit sie in die Zuständigkeit der kommunalen Ebenefällt. Erfolgreiche und nachhaltige Haushaltskonsolidierung darf dahernicht zu einer Verschärfung sozialer Ungleichheiten oder Armut in derStadt führen. Es ist immer teuerer, die Folgen negativer sozialer Entwicklungenzu beheben als deren Entstehung zu verhindern. Die Verschärfungsozialer Gegensätze gefährdet nicht nur den sozialen Frieden,sie gefährdet letztlich auch die Demokratie, wie die jüngsten Wahlergebnisseder NPD auch in <strong>Rostock</strong> zeigen.16
Wege aus der Krise?Die Haushaltskonsolidierung ist Aufgabe der ehrenamtlichen Bürgerschaft,vor allem aber auch der Kernverwaltung. Die Entwicklung tragfähigerKonzepte muss jedoch seitens der hauptamtlichen Verwaltungund des Oberbürgermeisters vorangetrieben werden. Dabei ist es sinnvoll,sich an dem vom Landesrechnungshof ermittelten Konsolidierungsrahmenauszurichten, ohne jedoch allen Einzelvorschlägen zu folgen.Insbesondere sind diejenigen Vorschläge abzulehnen, die langfristigeine soziale Spaltung der Stadt und damit noch höhere Folgekostenerwarten lassen.Der bislang durch die Verwaltungsspitze beschrittene Weg ist zum Teilkritikwürdig, da er einen offenen Umgang mit den Problemen und einehrliches Miteinander vermissen lässt. Als Beispiel hierfür kann genanntwerden, dass politische Vorgaben der Bürgerschaft (Priorität derSchulsanierung) zur Mittelfreigabe nach der Haushaltssperre nur bedingtbeachtet wurden. Auch die zögerliche Haltung, einen Haushaltsentwurf2007 entsprechend der gesetzlichen Vorgaben bereits im Jahr2006 vorzulegen, trägt nicht zur intensiven und kritischen Diskussionmit den politischen Entscheidungsträgern bei. Eine Dringlichkeitsvorlage(!)zu den Eckwerten des Haushalts wurde kurz vor der Sondersitzungder Bürgerschaft am 18. Dezember zurückgezogen; der Entwurfdes Stellenplans liegt immer noch nicht offiziell zur Beratung vor. BeidePapiere enthalten jedoch derart weitgehende und zum Teil fragwürdigeEntscheidungen, dass sie noch intensiver Beratung bedürfen.Auf Seiten der Bürgerschaft werden durch die laufenden Kooperationsgesprächevon vier Fraktionen - auch unter Beteiligung der SPD -stabile und verlässliche Verhältnisse in der Bürgerschaft gesucht. Beiverständlichen Meinungsverschiedenheiten im Detail besteht Einigkeit,die dringenden Haushaltsprobleme der Hansestadt zu lösen. DieWeichen dafür sind nicht zuletzt mit dem Beschluss des Haushalts fürdas Jahr 2007 zu stellen. Dabei wird es auch darum gehen im Rahmender Haushaltskonsolidierung Einschränkungen bei direkten Leistungenfür die Bürgerinnen und Bürger soweit wie möglich zu vermeidenund stattdessen in erster Linie Effizienzreserven in den Verwaltungsabläufenzu erschließen. Ziel muss sein, dass <strong>Rostock</strong> auch in Zukunftüber ein breites Spektrum freiwilliger Leistungen in den Bereichen Soziales,Kultur, Bildung und Sport verfügt. Hierzu gehört, dass nichtnur über Einsparungen, sondern auch über neue Konzepte gesprochenwird, die die Qualität der derzeit bestehenden Angebote verbessern.Langfristige und nachhaltige EntscheidungenNötig ist z.B. ein langfristiges Museumskonzept, das die Besucherzahlendauerhaft steigen lässt und zur überregionalen Ausstrahlung beiträgt.Auch die diskutierte Fusion des Volkstheaters <strong>Rostock</strong> mit demMecklenburgischen Staatstheater ist betriebswirtschaftlich und konzeptionellzu prüfen. Die mögliche Einsparung von Personalkostendarf jedoch nicht durch Folgekosten aufgezehrt werden. Als Alternativekann auch eine enge Kooperation dienen, bei der sich beide Standorteauf bestimmte Sparten konzentrieren und so das Gesamtniveaudes Angebotes verbessern. Wenn heute nicht eine klare Entscheidungzu den künftigen Inhalten getroffen wird, wird sich in wenigen Jahrendie Frage um den Bestand des Theaters ergeben.In einer Privatisierung öffentlicher Einrichtungen und Angebote, alsoim Verkauf städtischen Eigentums oder in der Übertragung von Leistungenan Private (Outsourcing), kann kein Allheilmittel gesehenwerden. Die Finanzsituation darf nicht dazu verleiten, kurzsichtigeEntscheidungen zu treffen, wenn dadurch langfristige Entwicklungszielesowie die Qualität der öffentlichen Leistungen und vor allem dieZukunftsfähigkeit der Stadt auf der Strecke bleiben. Beispielhaft darfder durchaus diskutable und geplante Verkauf eines Teils der WIRO-Wohnungen nicht als Einmaleffekt im städtischen Haushalt verschwinden,ohne die strukturellen Probleme auf der Ausgabenseite zubeseitigen.Diskussionswürdig sind jedoch neue organisatorische Lösungen, beidenen z.B. gemeinnützige Träger ehemals städtische Leistungen erbringenund dabei kostengünstiger dasselbe Angebot realisieren oderbei gleichem Budget das Leistungsspektrum ausweiten. Jedoch dürfensolche Lösungen nicht zu Dumpingprozessen führen und sollten aufder Grundlage von Leistungsvereinbarungen erfolgen, um den Einflussder Stadt auf die Art der Leistungserbringung zu garantieren.17