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Die Zeitschrift für stud. iur. und junge Juristen - Iurratio

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Ausbildungger, sondern auch den Bedingungen der Selbstbestimmung“. 16 <strong>Die</strong> DFGweist insofern gr<strong>und</strong>sätzlich zu Recht auf die qualitativen Rahmenbedingungender Ausübung von Selbstbestimmungsrechten hin. <strong>Die</strong>sesollen durch die Bindung an die fachwissenschaftlichen <strong>und</strong> informationellenArztfunktionen abgesichert werden. Es wird damit unter diesemGesichtspunkt ein Arztvorbehalt nicht primär als Begrenzung, sondernim Gegenteil als Ermöglichung <strong>und</strong> Optimierung von Selbstbestimmunggeltend gemacht.Drittens bestand auch nach einer Gr<strong>und</strong>satzentscheidung für einenArztvorbehalt weiterer Entscheidungsbedarf mit Blick auf dessennähere Ausgestaltung im Einzelnen. Dazu gehörte die weitere Ausdifferenzierunghinsichtlich eines allgemeinen Arztvorbehalts, einesFacharzt- <strong>und</strong> speziell Humangenetikervorbehalts. Auch insofernging es um eine Differenzierung von diagnostischen <strong>und</strong> prädiktiven,prä- <strong>und</strong> postnatalen Tests.Vor dem Hintergr<strong>und</strong> dieser Problemlagen <strong>und</strong> Entscheidungsbedarfeist die nun Gesetz gewordene Regelung zu verstehen. Sie enthältein abgestuftes Konzept eines differenzierenden allgemeinenbzw. qualifizierten Arztvorbehalts. Darin spielt insbesondere dieUnterscheidung von diagnostischen <strong>und</strong> prädiktiven genetischenUntersuchungen eine Rolle. Diagnostische Untersuchungen (§ 3Nr. 7) dürfen nach einem allgemeinen Arztvorbehalt von allen Ärzten/Ärztinnenvorgenommen werden. Demgegenüber sind die besondersproblematischen prädiktiven Untersuchungen (§ 3 Nr. 8)Fachärzten/Fachärztinnen für Humangenetik <strong>und</strong> solchen Ärzten/Ärztinnen vorbehalten, die beim Erwerb einer Facharzt-, Schwerpunkt-oder Zusatzbezeichnung eine Qualifikation für genetischeUntersuchungen erworben haben. 17 Der Arztvorbehalt umfasst allegenetischen Untersuchungen zu medizinischen Zwecken <strong>und</strong> insofernalle Phasen dieser Untersuchungen. <strong>Die</strong>s gilt namentlich für dieerforderliche Aufklärung (§ 9), genetische Beratung (§ 10) sowie Mitteilungder Untersuchungsergebnisse (§ 11).Ab dem 1. Februar 2012 sind nur noch solche Ärztinnen <strong>und</strong> Ärztezur fachgeb<strong>und</strong>enen genetischen Beratung befugt, die die von derGendiagnostik-Kommission durch Richtlinie festgelegten Qualifikationskriterienerfüllen (vgl. §§ 7 III, 23 II Nr. 2a, 27 IV). Einzelheiten bestimmt dieam 11. 7. 2011 in Kraft getretene „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission(GEKO) über die Anforderungen an die Qualifikation zur <strong>und</strong> Inhalteder genetischen Beratung gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 2a <strong>und</strong> § 23 Abs. 2 Nr.3 GenDG“. 18iii. AUFKlärUNG UNd BErAtUNG1. GrUNdSätZlichESDas Gendiagnostikgesetz enthält ausführliche Regelungen zu Einwilligung(§ 8), Aufklärung (§ 9), Beratung (§ 10) <strong>und</strong> Mitteilung vonUntersuchungsergebnissen (§ 11). Für die rechtspolitische Diskussion<strong>und</strong> Gesetzgebung zur Gendiagnostik gehörte die informationelleDimension genmedizinischen Handelns von Anfang an zu den16 Deutsche Forschungsgemeinschaft: Prädiktive Diagnostik. Wissenschaftliche Gr<strong>und</strong>lagen,praktische Umsetzung <strong>und</strong> soziale Implementierung, Stellungnahme der Senatskommission fürGr<strong>und</strong>satzfragen der Genforschung, 2003, S. 35 f.17 In der Literatur ist, wie erwähnt, geltend gemacht worden, der Schutz der Rechtsgüter Ges<strong>und</strong>heit<strong>und</strong> informationelle Selbstbestimmung rechtfertige unter dem Aspekt der Einschränkung derBerufsfreiheit zwar den allgemeinen Arztvorbehalt, der qualifizierte Arztvorbehalt sei hingegennicht sachgerecht <strong>und</strong> daher verfassungswidrig; Kern, § 7 Rz. 4, ohne Begründung, aber mitHinweis auf Hahn/Sendowski NZS 2011, 730.18 <strong>Die</strong>se <strong>und</strong> weitere Richtlinien der Kommission werden durch das Robert Koch-Institut im Internetveröffentlicht (über www.rki.de); Abdruck etwa bei Duttge/Engel/Zoll (Hrsg.), Das Gendiagnostikgesetzim Spannungsfeld von Humangenetik <strong>und</strong> Recht, 2011, S. 147 ff.gr<strong>und</strong>sätzlich unbestrittenen Kernbereichen. Aufklärung <strong>und</strong> Freiwilligkeitsprinzip,Recht auf informationelle Selbstbestimmung <strong>und</strong>Beratungsvorbehalt gehören hier nachgerade zum Rückgrat jedermedizinrechtlichen Normbildung. <strong>Die</strong>s galt <strong>und</strong> gilt für das deutscheRecht wie für vergleichbare ausländische Rechtsordnungen <strong>und</strong> auchauf der Ebene der Europäischen Union. Von ihr unterstützte Länderberichtezur Rechts- <strong>und</strong> Regelungslage in Europa haben schonfrüh die unterschiedliche Situation bezüglich der Normebenen zwischenRecht <strong>und</strong> fachwissenschaftlichen Professionsnormen belegt,aber auch die zentrale Bedeutung informationeller Patienten- <strong>und</strong>Klientenrechte in der Genmedizin, die hierzu herausgestellt werden:Right to Informed Consent, Right to Information, Access to MedicalRecords, Confidentiality, Right to Privacy. 19 Eine qualifizierte genetischeBeratung gilt sowohl als Instrument der Qualitäts- als auch derAutonomiesicherung. Einschlägige Regelungen enthalten nicht nurAufklärung <strong>und</strong> Beratung als Regelungsgegenstände, sondern stellenden Einsatz genetischer Untersuchungen in unterschiedlichenVarianten unter einen Beratungsvorbehalt. Insofern sei nur auf dasBiomedizinübereinkommen 20 , das österreichische Gentechnikgesetz 21 ,das schweizerische Gentestgesetz 22 <strong>und</strong> nunmehr auch das deutscheGendiagnostikgesetz verwiesen.Zu dieser rechtlichen Umsetzung passt die fachwissenschaftlicheKennzeichnung der genetischen Beratung als „Sonderform der‚sprechenden Medizin’“. 23 Und zu den Ausgangsfragen aller normativenBemühungen gehört die ebenfalls aus der Fachwissenschaftstammende Frage, „warum eigentlich Beratung in diesem Kontext sohoch gehalten wird“ statt den Zugang zu Gendiagnostik <strong>und</strong> Fortpflanzungsmedizinvoraussetzungslos freizustellen, also insbesondereauch „beratungsfrei“. Als Antwort wird auf einen offensichtlichbreiten gesellschaftlichen Konsens darüber verwiesen, „dass es eineüber Haftungsfragen hinausgehende ethische Verpflichtung gibt,Methoden der genetischen Diagnostik <strong>und</strong> der Reproduktionsmedizinnur in einem Beratungsrahmen einzusetzen“ <strong>und</strong> demnach„Beratung als Rahmenbedingung“ biomedizinischen Handelns zubegreifen. 24 Es ist danach nachdrücklich zu betonen, dass in diesemMedizinbereich der informationelle Aspekt nicht zu den zahlreichenBegleitproblemen <strong>und</strong> Nebenaspekten gehört, sondern eine derwichtigsten <strong>und</strong> zentralen Regelungsmaterien darstellt.Schließlich sei unter gr<strong>und</strong>sätzlichen Gesichtspunkten noch daraufhingewiesen, dass die auch im Gendiagnostikgesetz übernommeneUnterscheidung <strong>und</strong> selbständige Normierung von Aufklärung <strong>und</strong>Beratung weder selbstverständlich noch unproblematisch ist. Sie istaber letztlich gerechtfertigt. In der modernen Medizin ist die Doppelformel„Aufklärung <strong>und</strong> Beratung“ im Laufe der Zeit zunehmend gebräuchlichgeworden. Dabei blieb lange eher unklar, ob es sich dabeium eine historisch gewachsene Doppelnennung bedeutungsgleicherBegriffe, einen nicht weiter differenzierbaren Informationskomplexoder um zwei unterschiedliche Formen ärztlichen Informationshandelns<strong>und</strong> damit auch zu unterscheidende Informationspflichtenhandelt. In der jüngsten Zeit ist eine gr<strong>und</strong>sätzliche Diskussionhierzu in Gang gekommen, ohne dass an dieser Stelle hierauf näher19 European Commission: Genetic Testing, Patient’s rights, insurance and employment. A survey ofregulations in the European Union, 2002 (Autoren: Herman Nys, Ingrid Deezen, Irmgard Vinck,Kris <strong>Die</strong>reckx, Elisabeth Dequeker, Jean-Jacques Cassiman).20 Art. 12 Biomedizinübereinkommen: für prädiktive Tests.21 § 69 österreichisches Gentechnikgesetz: Beratung.22 §§ 14, 15 schweizerisches Gentestgesetz: Genetische Beratung.23 Henn: Auswirkungen des Gendiagnostikgesetzes auf die genetische Beratung, in: Duttge/Engel/Zoll (Hrsg.), a. a. O., 2011, S. 13.24 Alle Zitate bei Wolff: Aufgaben der Beratung bei medizinisch unterstützter Fortpflanzung ausSicht der Humangenetik, in: B<strong>und</strong>esministerium für Ges<strong>und</strong>heit (Hrsg.), Fortpflanzungsmedizin inDeutschland, 2001, S. 99 ff, 101.224<strong>Iurratio</strong>Ausgabe 4 / 2012

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