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B - Deutsches Institut für Menschenrechte

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14<br />

A<br />

1<br />

Einleitung<br />

Ein Menschenrechtsansatz gegen Menschenhandel – Internationale Verpflichtungen und Stand der Umsetzung in Deutschland<br />

Petra Follmar-Otto<br />

Seit über einem Jahrzehnt ist das zuvor marginalisierte<br />

Phänomen Menschenhandel zu einem Thema des politischen<br />

Mainstream geworden. Dabei wird Menschenhandel<br />

nicht nur als schwere Form von organisierter,<br />

grenzüberschreitender Kriminalität wahrgenommen,<br />

sondern auch als Menschenrechtsverletzung gebrandmarkt.<br />

Eine Vielzahl internationaler, regionaler und<br />

nationaler Initiativen und Programme wurde aufgelegt.<br />

Mit dem UN-Protokoll zur Verhütung, Bekämpfung und<br />

Bestrafung des Menschenhandels von 2000 und der<br />

Europaratskonvention zur Bekämpfung des Menschenhandels<br />

von 2005 sind auch spezialisierte Rechtsinstrumente<br />

entstanden, die wiederum regionale und nationale<br />

Rechtsänderungen angestoßen haben.<br />

Trotz dieser Entwicklungen bleibt Menschenhandel <strong>für</strong><br />

Deutschland und andere industrialisierte Staaten eine<br />

der drängendsten menschenrechtlichen Fragen: Erstens<br />

ist – nach allem, was sich trotz der gebotenen Skepsis<br />

gegenüber Zahlen zu Menschenhandel sagen lässt –<br />

das Ausmaß von Menschenhandel in Europa und weltweit<br />

unvermindert hoch. Zum zweiten ist die Entwicklung<br />

von Opferrechten trotz der hohen Aufmerksamkeit<br />

<strong>für</strong> das Thema in Deutschland nur unwesentlich vorangekommen:<br />

Noch immer wird der größte Teil der<br />

Betroffenen nicht als Opfer von Menschenhandel identifiziert.<br />

Auch die identifizierten Betroffenen können<br />

Rechte auf (vorübergehenden) Aufenthalt, sichere<br />

Unterbringung, materielle und psychosoziale Unterstützung,<br />

Entlohnung und Entschädigung in der Praxis<br />

nur wahrnehmen, wenn sie als Zeuginnen oder Zeugen<br />

in Strafverfahren auftreten. Es fehlt an der Wahrnehmung<br />

der Betroffenen als Rechtssubjekte, an Rechtsklarheit<br />

und Rechtssicherheit. Zum dritten erfolgt keine<br />

Einbindung der Prävention von Menschenhandel in eine<br />

menschenrechtsorientierte Gestaltung von (Arbeits-)<br />

Migration insgesamt, die darauf abzielt, dass reguläre<br />

und irreguläre Migrantinnen und Migranten erst gar<br />

nicht in ausbeuterische und sklavereiähnliche Situationen<br />

gelangen.<br />

Es sei genug über Menschenhandel geredet worden,<br />

nun sei Zeit zu handeln, wird vielerorts publikumswirksam<br />

verkündet. 1 Dies ist sicher richtig – angesichts der<br />

bereits ergriffenen Maßnahmen ist es jedoch auch notwendig,<br />

die dem Handeln zugrunde liegenden Konzepte<br />

und die menschenrechtlichen Auswirkungen der Maßnahmen<br />

gegen Menschenhandel zu überprüfen. Von<br />

Menschenhandel Betroffene befinden sich in einem<br />

spannungsreichen politischen Feld zwischen Verbrechensbekämpfung,<br />

Migrationspolitik und <strong>Menschenrechte</strong>n.<br />

In vielen Staaten, darunter auch Deutschland,<br />

liegt der Schwerpunkt der Maßnahmen und der Rechtsreformen<br />

noch immer auf der Strafverfolgung. Ein<br />

Menschenrechtsansatz ist noch nicht vollständig entwickelt<br />

worden. Auch die spezifischen völkerrechtlichen<br />

Instrumente zu Menschenhandel decken längst nicht<br />

alle Verpflichtungen ab, die sich aus den menschenrechtlichen<br />

Kernverträgen wie dem UN-Zivil- und Sozialpakt<br />

oder der Frauenrechtskonvention (CEDAW) ergeben.<br />

Maßnahmen gegen Menschenhandel können sogar zur<br />

Verletzung von <strong>Menschenrechte</strong>n (potenziell) Betroffener<br />

oder anderer Gruppen – wie Migrantinnen und<br />

Migranten oder Prostituierten – führen. In einigen Kontexten<br />

wird die Bekämpfung des Menschenhandels auch<br />

als Vorwand zur Einführung restriktiver und repressiver<br />

Maßnahmen in der Migrations- oder Sicherheitspolitik<br />

oder in der Regulierung von Prostitution benutzt. Die<br />

vorliegende Studie will daher einen Beitrag zur Analyse<br />

der Politik gegen Menschenhandel aus menschenrechtlicher<br />

Perspektive leisten.<br />

In der öffentlichen Diskussion zeigen sich häufig<br />

Unschärfen hinsichtlich der Beschreibung des Phänomens,<br />

die ein wirksames und angemessenes Vorgehen<br />

gegen Menschenhandel erschweren. Die Studie beginnt<br />

1 Vgl. etwa den englischen Titel der Europaratskonvention (Convention on Action against Trafficking in Human Beings) oder<br />

den Titel der EU-Konferenz zum Anti-Trafficking Day 2007 (Trafficking in human beings – time for action!).

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