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B - Deutsches Institut für Menschenrechte

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24<br />

A<br />

Ein Menschenrechtsansatz gegen Menschenhandel – Internationale Verpflichtungen und Stand der Umsetzung in Deutschland<br />

Petra Follmar-Otto<br />

angesehen. Wird die Quote von Aufklärung, empfindlicher<br />

Bestrafung und staatlicher Gewinnabschöpfung<br />

erhöht, so die Grundannahme, verringern sich die<br />

Anreize <strong>für</strong> die Täter und sinkt das Ausmaß des Menschenhandels.<br />

Der Ansatz der Kriminalitätsbekämpfung setzt daher<br />

auf die Aufdeckung von Täternetzwerken (insbesondere<br />

der Organisierten Kriminalität), die Ermittlung von<br />

Überschneidungen mit anderen Kriminalitätsformen<br />

wie dem Drogen- und Waffenhandel, sowie auf die<br />

Ermittlung von Rekrutierungsmethoden in den Herkunftsländern,<br />

Transportwegen in den Transitländern<br />

und der Sektoren und Gewerbe, in denen die Betroffenen<br />

in den Zielländern ausgebeutet werden. 52 Um diese<br />

Ziele zu erreichen, ist die Kooperation mit Behörden<br />

der Herkunfts- und Transitländer besonders bedeutsam.<br />

In den vergangenen Jahren wurde der Verbesserung der<br />

Möglichkeiten der Gewinnabschöpfung der Täter durch<br />

die Strafverfolgungsbehörden ebenfalls große Bedeutung<br />

beigemessen.<br />

Aufgrund der klandestinen Situation der Opfer und<br />

ihrer aus unterschiedlichen Gründen fehlenden Exit-<br />

Option ist Menschenhandel überwiegend kein Anzeige-,<br />

sondern ein Kontrolldelikt. Das bedeutet, die Straftaten<br />

werden kaum durch Anzeigen der Opfer bekannt,<br />

sondern hängen überwiegend von der Ermittlungstätigkeit<br />

der Polizei ab. 53 Daneben kommt es auch zu<br />

Anzeigen durch Dritte, etwa durch Freier, sowie durch<br />

Beratungsstellen und Street Worker, mit denen Betroffene<br />

in Kontakt kommen. 54 Bei der Strafverfolgung der<br />

Täter und Täterinnen stellt sich der gerichtliche Nachweis<br />

von Zwangs- und Täuschungsmitteln als problematisch<br />

dar; die Strafverfolgungsbehörden sind daher<br />

in hohem Maße auf den Zeugenbeweis durch die<br />

Betroffenen angewiesen. 55 Sie haben daher ein Interesse<br />

an aussagebereiten, stabilen und glaubwürdigen<br />

Zeuginnen oder Zeugen. Zugleich ist das primäre Interesse,<br />

eine Verurteilung zu erreichen; ob dies aufgrund<br />

der Menschenhandelstatbestände oder auf Grundlage<br />

anderer Tatbestände wie beispielsweise Schleusung<br />

oder Zuhälterei erfolgt, ist aus Sicht der Verfolgungsbehörden<br />

sekundär. 56<br />

Damit stehen die Betroffenen in Gefahr, lediglich in<br />

einem instrumentellen Sinn, nämlich als Zeuginnen<br />

und Zeugen wahrgenommen zu werden. Zugleich<br />

geraten Betroffene von Menschenhandel außerhalb<br />

von kriminellen Netzwerken oder in Sektoren, die wenig<br />

polizeilich durchdringbar sind, wie etwa in der Hausarbeit,<br />

häuslichen Pflege und beim Ehehandel, selten<br />

in den Blick der Kriminalitätsbekämpfung.<br />

Das Thema Menschenhandel ist aufgrund seiner Überschneidungen<br />

mit organisierter Kriminalität und illega<br />

ler Migration besonders geeignet, eine Allianz von<br />

Frauen rechtlerinnen und Sicherheitspolitikern <strong>für</strong><br />

Gesetzesverschärfungen auf den Plan zu rufen. In<br />

Deutschland wie auch auf internationaler Ebene haben<br />

Nichtregierungsorganisationen, die sich <strong>für</strong> die Rechte<br />

von Menschenhandelsopfern einsetzen, den Zugang<br />

über sicherheitspolitische Interessen durchaus gesucht.<br />

Nichtregierungsorganisationen (NGOs) haben die Be deutung<br />

effektiver Strafverfolgung von Menschenhändlern<br />

betont und zugleich darauf hingewiesen, dass eine<br />

erfolgreiche Strafverfolgung stabile Zeuginnen voraussetzt.<br />

Diese Strategie war einerseits geprägt durch die<br />

Erfahrung unzulänglicher strafprozessualer Aufarbeitung<br />

und Bestrafung der Menschenhändler und -händlerinnen,<br />

andererseits bestand die Hoffnung, auf diesem<br />

Weg die Sicherung der grundlegenden Bedürfnisse der<br />

Betroffenen nach sicherer Unterbringung, gesundheitlicher<br />

und sozialer Versorgung und Beratung und<br />

Unterstützung zu erreichen.<br />

Die Interessen der Strafverfolgungsbehörden und der<br />

Betroffenen decken sich jedoch bereits während der<br />

Verfahren nur teilweise: Zum Beispiel möchte das Opfer<br />

vielleicht möglichst wenig vor Gericht auftreten, weil<br />

es die Zeugenaussage als sehr belastende Situation<br />

empfindet; die Strafverfolgungsbehörden benötigen<br />

aber eine detaillierte, widerspruchsfreie und belastbare<br />

Aussage. Oder die Betroffenen möchten vor allem eine<br />

Entschädigung durch die Täter erreichen, wogegen das<br />

Strafgericht an einem schnellen Abschluss des Verfahrens<br />

interessiert ist. Nach einem Urteil ist das Strafverfolgungsinteresse<br />

befriedigt, während sich <strong>für</strong> die<br />

Betroffenen in vielen Fällen die existentielle Frage nach<br />

der weiteren Lebensperspektive stellt.<br />

3.2.2 Grenzsicherung und Bekämpfung illegaler<br />

Migration<br />

Häufig werden visumsrechtliche und grenzpolizeiliche<br />

Maßnahmen in einem Atemzug damit begründet, dass<br />

sie Menschenhandel und illegale Migration bekämpfen<br />

52 Vgl. Forschungsprojekte von UNICRI, http://www.unicri.it/wwd/emerging_crimes_anti_thb.php. Europol (2006).<br />

53 Herz / Minthe (2006), S. 338.<br />

54 Regione Emilia-Romagna (2002).<br />

55 Herz / Minthe (2006), S. 256 ff.<br />

56 Herz / Minthe (2006), S. 292 ff.

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