B - Deutsches Institut für Menschenrechte
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A<br />
Ein Menschenrechtsansatz gegen Menschenhandel – Internationale Verpflichtungen und Stand der Umsetzung in Deutschland<br />
Petra Follmar-Otto<br />
angesehen. Wird die Quote von Aufklärung, empfindlicher<br />
Bestrafung und staatlicher Gewinnabschöpfung<br />
erhöht, so die Grundannahme, verringern sich die<br />
Anreize <strong>für</strong> die Täter und sinkt das Ausmaß des Menschenhandels.<br />
Der Ansatz der Kriminalitätsbekämpfung setzt daher<br />
auf die Aufdeckung von Täternetzwerken (insbesondere<br />
der Organisierten Kriminalität), die Ermittlung von<br />
Überschneidungen mit anderen Kriminalitätsformen<br />
wie dem Drogen- und Waffenhandel, sowie auf die<br />
Ermittlung von Rekrutierungsmethoden in den Herkunftsländern,<br />
Transportwegen in den Transitländern<br />
und der Sektoren und Gewerbe, in denen die Betroffenen<br />
in den Zielländern ausgebeutet werden. 52 Um diese<br />
Ziele zu erreichen, ist die Kooperation mit Behörden<br />
der Herkunfts- und Transitländer besonders bedeutsam.<br />
In den vergangenen Jahren wurde der Verbesserung der<br />
Möglichkeiten der Gewinnabschöpfung der Täter durch<br />
die Strafverfolgungsbehörden ebenfalls große Bedeutung<br />
beigemessen.<br />
Aufgrund der klandestinen Situation der Opfer und<br />
ihrer aus unterschiedlichen Gründen fehlenden Exit-<br />
Option ist Menschenhandel überwiegend kein Anzeige-,<br />
sondern ein Kontrolldelikt. Das bedeutet, die Straftaten<br />
werden kaum durch Anzeigen der Opfer bekannt,<br />
sondern hängen überwiegend von der Ermittlungstätigkeit<br />
der Polizei ab. 53 Daneben kommt es auch zu<br />
Anzeigen durch Dritte, etwa durch Freier, sowie durch<br />
Beratungsstellen und Street Worker, mit denen Betroffene<br />
in Kontakt kommen. 54 Bei der Strafverfolgung der<br />
Täter und Täterinnen stellt sich der gerichtliche Nachweis<br />
von Zwangs- und Täuschungsmitteln als problematisch<br />
dar; die Strafverfolgungsbehörden sind daher<br />
in hohem Maße auf den Zeugenbeweis durch die<br />
Betroffenen angewiesen. 55 Sie haben daher ein Interesse<br />
an aussagebereiten, stabilen und glaubwürdigen<br />
Zeuginnen oder Zeugen. Zugleich ist das primäre Interesse,<br />
eine Verurteilung zu erreichen; ob dies aufgrund<br />
der Menschenhandelstatbestände oder auf Grundlage<br />
anderer Tatbestände wie beispielsweise Schleusung<br />
oder Zuhälterei erfolgt, ist aus Sicht der Verfolgungsbehörden<br />
sekundär. 56<br />
Damit stehen die Betroffenen in Gefahr, lediglich in<br />
einem instrumentellen Sinn, nämlich als Zeuginnen<br />
und Zeugen wahrgenommen zu werden. Zugleich<br />
geraten Betroffene von Menschenhandel außerhalb<br />
von kriminellen Netzwerken oder in Sektoren, die wenig<br />
polizeilich durchdringbar sind, wie etwa in der Hausarbeit,<br />
häuslichen Pflege und beim Ehehandel, selten<br />
in den Blick der Kriminalitätsbekämpfung.<br />
Das Thema Menschenhandel ist aufgrund seiner Überschneidungen<br />
mit organisierter Kriminalität und illega<br />
ler Migration besonders geeignet, eine Allianz von<br />
Frauen rechtlerinnen und Sicherheitspolitikern <strong>für</strong><br />
Gesetzesverschärfungen auf den Plan zu rufen. In<br />
Deutschland wie auch auf internationaler Ebene haben<br />
Nichtregierungsorganisationen, die sich <strong>für</strong> die Rechte<br />
von Menschenhandelsopfern einsetzen, den Zugang<br />
über sicherheitspolitische Interessen durchaus gesucht.<br />
Nichtregierungsorganisationen (NGOs) haben die Be deutung<br />
effektiver Strafverfolgung von Menschenhändlern<br />
betont und zugleich darauf hingewiesen, dass eine<br />
erfolgreiche Strafverfolgung stabile Zeuginnen voraussetzt.<br />
Diese Strategie war einerseits geprägt durch die<br />
Erfahrung unzulänglicher strafprozessualer Aufarbeitung<br />
und Bestrafung der Menschenhändler und -händlerinnen,<br />
andererseits bestand die Hoffnung, auf diesem<br />
Weg die Sicherung der grundlegenden Bedürfnisse der<br />
Betroffenen nach sicherer Unterbringung, gesundheitlicher<br />
und sozialer Versorgung und Beratung und<br />
Unterstützung zu erreichen.<br />
Die Interessen der Strafverfolgungsbehörden und der<br />
Betroffenen decken sich jedoch bereits während der<br />
Verfahren nur teilweise: Zum Beispiel möchte das Opfer<br />
vielleicht möglichst wenig vor Gericht auftreten, weil<br />
es die Zeugenaussage als sehr belastende Situation<br />
empfindet; die Strafverfolgungsbehörden benötigen<br />
aber eine detaillierte, widerspruchsfreie und belastbare<br />
Aussage. Oder die Betroffenen möchten vor allem eine<br />
Entschädigung durch die Täter erreichen, wogegen das<br />
Strafgericht an einem schnellen Abschluss des Verfahrens<br />
interessiert ist. Nach einem Urteil ist das Strafverfolgungsinteresse<br />
befriedigt, während sich <strong>für</strong> die<br />
Betroffenen in vielen Fällen die existentielle Frage nach<br />
der weiteren Lebensperspektive stellt.<br />
3.2.2 Grenzsicherung und Bekämpfung illegaler<br />
Migration<br />
Häufig werden visumsrechtliche und grenzpolizeiliche<br />
Maßnahmen in einem Atemzug damit begründet, dass<br />
sie Menschenhandel und illegale Migration bekämpfen<br />
52 Vgl. Forschungsprojekte von UNICRI, http://www.unicri.it/wwd/emerging_crimes_anti_thb.php. Europol (2006).<br />
53 Herz / Minthe (2006), S. 338.<br />
54 Regione Emilia-Romagna (2002).<br />
55 Herz / Minthe (2006), S. 256 ff.<br />
56 Herz / Minthe (2006), S. 292 ff.