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B - Deutsches Institut für Menschenrechte

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18<br />

A<br />

Ein Menschenrechtsansatz gegen Menschenhandel – Internationale Verpflichtungen und Stand der Umsetzung in Deutschland<br />

Petra Follmar-Otto<br />

2.2.2 Menschenhandel – irreguläre Migration<br />

Aus ähnlichen Gründen kann Menschenhandel nicht<br />

als Teilmenge irregulärer Migration verstanden werden;<br />

auch hier gibt es nur Überschneidungsbereiche. Wie<br />

<strong>für</strong> die Gruppe irregulärer Migranten insgesamt gilt<br />

auch <strong>für</strong> die Betroffenen von Menschenhandel, dass<br />

sie häufig mit einem legalen Status (etwa als Touristen)<br />

einreisen und erst während ihres Aufenthalts in Deutschland<br />

irregulär werden.<br />

Die aufenthaltsrechtliche Illegalität erhöht die Verletzlichkeit<br />

<strong>für</strong> Ausbeutung. Menschenhandel findet jedoch<br />

ebenso unter Fassaden der Legalität statt, etwa in Au<br />

Pair-Verhältnissen, bei Haushaltshilfen von Diplomaten,<br />

unter dem Deckmantel der Ehe oder von Subunternehmertum<br />

und Saisonarbeit. 13 In diesen Fällen ist die aufenthaltsrechtliche<br />

Abhängigkeit vom konkreten Arbeitsverhältnis<br />

problematisch, da die Betroffenen durch die<br />

Gefahr, mit der Lösung aus dem Ausbeutungsverhältnis<br />

in die Illegalität abzurutschen, erpressbar werden. 14<br />

Schwierig wird die Abgrenzung dort, wo irreguläre<br />

Migranten gezwungen sind, unter schlechten Arbeitsbedingungen<br />

zu arbeiten. Wann ist ein Grad von Ausbeutung<br />

und Zwang erreicht, der die Voraussetzungen<br />

der Definitionen von Menschenhandel, Zwangsarbeit<br />

oder sklavereiähnlichen Bedingungen erfüllt? Das<br />

deutsche Strafrecht wählt in § 233 Abs. 1 zur Abgrenzung<br />

neben dem Bezug auf die völkerrechtlich definierten<br />

Begriffe von Sklaverei, Leibeigenschaft und<br />

Schuldknechtschaft das Tatbestandsmerkmal „Arbeitsbedingungen,<br />

die in einem auffälligen Missverhältnis<br />

zu den Arbeitsbedingungen anderer Arbeitnehmerinnen<br />

und Arbeitnehmer stehen, welche die gleiche oder<br />

eine vergleichbare Tätigkeit ausüben.“ 15 Ein auffälliges<br />

Missverhältnis soll nach der Rechtsprechung zu dem<br />

insofern gleichlautenden Delikt des Leistungswuchers<br />

nach § 291 Abs. 1 Nr. 3 StGB bei einer Entlohnung von<br />

weniger als zwei Drittel des üblichen Lohns vorliegen. 16<br />

Trotz dieser auf den ersten Blick weiten Fassung des<br />

Tatbestands scheint die Praxis bislang zu einer eher<br />

restriktiven Auslegung zu neigen, was vermutlich auch<br />

daran liegt, dass bislang erst wenige Fälle von Menschenhandel<br />

zur Ausbeutung der Arbeitskraft als solche<br />

identifiziert werden. 17 Zu berücksichtigen sind auch die<br />

Ergebnisse der qualitativen Untersuchung zu Menschenhandel<br />

und Arbeitsausbeutung in Deutschland<br />

durch Norbert Cyrus, dass nicht selten zunächst einvernehmlich<br />

begründete Arbeitsverhältnisse in einem<br />

schleichenden Prozess in Nötigungs- und Zwangsverhältnisse<br />

übergehen, was eine trennscharfe Unterscheidung<br />

erschwert. 18<br />

Der Fokus von Behörden auf den anhand einfacher Tatsachen<br />

festzustellenden illegalen Aufenthalt oder die<br />

illegale Beschäftigung führt dazu, das Opfer von Menschenhandel<br />

nicht identifiziert werden. Zugleich be -<br />

dient die mediale Darstellung ein Bild von gekidnappten,<br />

verschleppten und eingesperrten Menschenhandels<br />

opfern. In einer Vielzahl von Fällen jedoch<br />

entscheiden sich die Betroffenen zur Migration; erst<br />

während des Migrationsprozesses kommt es zu einem<br />

Kontrollverlust, der in Verhältnisse extremer Abhängigkeit<br />

führt. 19 Auch in den Zielländern bilden die Fälle,<br />

in denen die Betroffenen vollkommen isoliert und<br />

zum Beispiel rund um die Uhr eingesperrt werden, wohl<br />

die Ausnahme. Häufig wird die Kontrolle vielmehr über<br />

Schuldknechtschaft, die Bedrohung der Familie im Herkunftsland,<br />

Einschüchterungen im Hinblick auf deutsche<br />

Behörden oder die Wegnahme von Dokumenten ausgeübt.<br />

20 Es scheint daher sinnvoll, bei der Abgrenzung<br />

den Fokus auf die Beschränkung des Selbstbestimmungsrechtes<br />

zu legen: Menschenhandel liegt dann<br />

vor, wenn aus Sicht der Betroffenen keine reale Exit-<br />

Option aus der ausbeuterischen Situation besteht.<br />

2.2.3 Menschenhandel – Organisierte Kriminalität<br />

Menschenhandel wird vielfach vor allem als Phänomen<br />

grenzüberschreitender organisierter Kriminalität<br />

betrachtet, insbesondere die Schleuserkriminalität in<br />

mafiösen Strukturen. Unzweifelhaft operieren die Täter<br />

häufig in Netzwerken organisierter Kriminalität.<br />

Zugleich besteht im Hinblick auf diese Gruppen ein<br />

13 Cyrus (2005), S. 15 ff.: zu Au Pairs in Hausarbeit, Saisonarbeitenden in der Landwirtschaft, Werkvertragsnehmern im Baugewerbe;<br />

Ban Ying e.V., Eingabe an den UN-Frauenrechtsausschuss, zu Haushaltshilfen von Diplomaten. http://www.ban-ying.de/<br />

pageger/start.htm<br />

14 Cyrus (2005), S. 77 f.; vgl. auch Mentz (2001) S. 174 ff., zur Rechtslage vor Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes.<br />

15 Kritisch zu der Fassung des Tatbestandes („sprachlich missglückt“ und „systematisch unpassend“) Tröndle / Fischer (2007),<br />

§ 233 Rn. 2.<br />

16 Tröndle / Fischer (2007), § 291, Rn. 19.<br />

17 Im Jahr 2006 wurden 92 Fälle des § 233 mit 101 Opfern in der Polizeilichen Kriminalstatistik registriert. BKA (2007), S. 11.<br />

18 Cyrus (2005), S. 74 ff.<br />

19 Mentz (2001), S. 67 ff, Cyrus (2005), S. 70 ff.<br />

20 BKA (2004), S. 14 ff.

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