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B - Deutsches Institut für Menschenrechte

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30<br />

A<br />

Ein Menschenrechtsansatz gegen Menschenhandel – Internationale Verpflichtungen und Stand der Umsetzung in Deutschland<br />

Petra Follmar-Otto<br />

4<br />

Menschenhandel als Menschenrechtsverletzung<br />

In der öffentlichen Debatte in Deutschland und international<br />

kehrt in den letzten Jahren die Formel wieder,<br />

Menschenhandel sei eine Menschenrechtsverletzung. 92<br />

Im Bezug auf diese Formulierung sind unterschiedliche<br />

Bedeutungsebenen zu unterscheiden. Alltagssprachlich<br />

wird sie vermutlich nicht selten in dem Sinne verstanden,<br />

dass es sich bei Menschenhandel um eine besonders<br />

gravierende, menschenverachtende Form von Kriminalität<br />

handele. Daraus leitet sich dann im Hinblick auf<br />

staatliche Verpflichtungen zunächst die Pflicht zu einer<br />

effektiven Strafverfolgung ab. 93 Wesentlich weitergehend<br />

kann man diese Formel jedoch auch dahingehend<br />

interpretieren, dass Menschenhandel aufgrund seiner<br />

weltweiten Ausbreitung und seines systematischen<br />

Charakters unmittelbare Verpflichtungen des Staates<br />

als Adressaten von <strong>Menschenrechte</strong>n auslöst.<br />

Die letztgenannte Lesart lässt sich zum einen durch<br />

explizite Normierungen menschenrechtlicher Verantwortlichkeit<br />

der Staaten gegenüber den Betroffenen<br />

von Menschenhandel belegen und ist zum zweiten aus<br />

Fortentwicklungen des Menschenrechtsverständnisses<br />

in den letzten Jahrzehnten herzuleiten. Dabei führt,<br />

wie sich zeigen wird, die Einordnung in das Menschenrechtsschutzsystem<br />

über das strafrechtliche Verständnis<br />

hinaus.<br />

4.1 Explizite Normierung des Verbots<br />

des Menschenhandels<br />

Die menschenrechtliche Pflicht zur Überwindung des<br />

Frauenhandels wird bereits in Art. 6 des UN-Frauenrechteübereinkommens<br />

(CEDAW) von 1979 94 explizit<br />

fest geschrieben und in der Deklaration über die Beseitigung<br />

der Gewalt gegen Frauen von 1993 95 weiter<br />

bekräftigt. Bezüglich des Kinderhandels enthalten die<br />

Kinderrechtskonvention und ihr Fakultativprotokoll<br />

betreffend den Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution<br />

und die Kinderpornografie Schutz- und Gewährleistungspflichten.<br />

Im Völkerstrafrecht, das individuelle Verantwortlichkeit<br />

<strong>für</strong> schwerste Menschenrechtsverletzungen sicherstellen<br />

will, sind im letzten Jahrzehnt auch Formen sexua li sierter<br />

und geschlechtsspezifischer Gewalt als Völkerrechtsverbrechen<br />

anerkannt worden. Das Rom-Statut des<br />

internationalen Strafgerichtshofs normiert folgerichtig<br />

die Versklavung, sexuelle Sklaverei und den Zwang zur<br />

Prostitution als Verbrechen gegen die Menschlichkeit<br />

und Kriegsverbrechen. 96<br />

In jüngster Zeit entwickelte die Staatengemeinschaft<br />

darüber hinaus spezifische völkerrechtliche Instrumente<br />

92 – Präambel der Europaratskonvention gegen Menschenhandel: „(…) in der Erwägung, dass Menschenhandel eine Verletzung<br />

der <strong>Menschenrechte</strong> und einen Verstoß gegen die Würde und die Unversehrtheit des Menschen darstellt (…)“<br />

– Einführung des EU- Rahmenbeschluss des Rates vom 19. Juli 2002 zur Bekämpfung des Menschenhandels – 2002/629 JI:<br />

„(…) (3) Der Menschenhandel stellt einen schweren Verstoß gegen grundlegende <strong>Menschenrechte</strong> und die Menschenwürde<br />

dar.“<br />

– Brüsseler Erklärung (Abschlusserklärung der Europäischen Konferenz zur Vorbeugung und Bekämpfung des Menschenhandels<br />

in 2002): “Trafficking in human beings is an abhorrent and worrying phenomenon involving coercive sexual exploitation,<br />

labour exploitation in conditions akin to slavery, exploitation in begging and juvenile delinquency as well as domestic<br />

servitude. These practices constitute serious violations of the victims’ human rights as enshrined in international law and<br />

the EU Charter on Fundamental Rights.” (S. 2 der Erklärung).<br />

– Außenminister Fischer hat anlässlich der gemeinsamen Konferenz „Europa gegen Menschenhandel“ der OSZE und des<br />

Auswärtigen Amtes im Oktober 2001 in Berlin in seinen Eröffnungsworten den Menschenhandel als „eine besonders brutale<br />

und verabscheuungswürdige Verletzung der <strong>Menschenrechte</strong>“ bezeichnet.<br />

93 Hierzu Obokata (2006), S. 121 ff.<br />

94 Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau vom 18.12.1979.<br />

95 Deklaration der UN-Generalversammlung über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen vom 20.12.1993. UN-Dok. A/RES/48/104.<br />

96 Ausführlich Obokata (2006), S. 133 ff.

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