B - Deutsches Institut für Menschenrechte
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36<br />
A<br />
Ein Menschenrechtsansatz gegen Menschenhandel – Internationale Verpflichtungen und Stand der Umsetzung in Deutschland<br />
Petra Follmar-Otto<br />
5<br />
Spezialisierte Abkommen und Normsetzung<br />
zu Menschenhandel<br />
Seit einem Jahrzehnt haben sich, einhergehend mit<br />
dem größeren Bewusstsein <strong>für</strong> das Problem, eine Vielzahl<br />
internationaler und multilateraler politischer,<br />
rechtlicher und praktischer Initiativen gegen Menschenhandel<br />
entwickelt. Menschenhandel ist „von den<br />
Rändern ins Zentrum des politischen Diskurses“<br />
gerückt. 128 Menschenhandel steht hoch auf der politischen<br />
Agenda der Vereinten Nationen, der OSZE, der<br />
Europäischen Union und des Europarates. Programme,<br />
Aktionspläne und Sonderarbeitsbereiche wurden etwa<br />
in der OSZE, dem Stabilitätspakt <strong>für</strong> Südosteuropa, der<br />
ILO, der Internationalen Organisation <strong>für</strong> Migration<br />
(IOM) und der EU aufgelegt. Dabei ist spätestens seit<br />
der Verabschiedung des UN-Palermo-Protokolls international<br />
üblich, die Arbeit gegen Menschenhandel auf<br />
die drei Säulen von Prävention, Strafverfolgung und<br />
Opferschutz zu stützen.<br />
Im Folgenden wird die internationale und europäische<br />
Rechtsetzung anhand des UN-Palermo-Protokolls<br />
gegen Menschenhandel, der Europaratskonvention gegen<br />
Menschenhandel sowie der Rechtsakte der Europäischen<br />
Union dargestellt. Aus menschenrechtlicher Sicht<br />
von besonderem Interesse ist das Verhältnis zwischen<br />
Vorschriften zur Strafverfolgung und Migrationsregelungen<br />
einerseits und Prävention, Opferschutz und<br />
Opferrechten andererseits, sowie die Frage, ob die Spezialabkommen<br />
die Staatenverpflichtungen aus den<br />
Kernmenschenrechtsverträgen in vollem Umfang übernehmen<br />
oder ob sie durch diese ergänzt werden müssen.<br />
5.1 UN-Palermo-Protokoll gegen Menschenhandel<br />
Das Zusatzprotokoll zur Verhütung, Bekämpfung und<br />
Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des<br />
128 Gallagher (2006), S. 163<br />
129 www.unodc.org<br />
130 Stand vom 01.05.2009.<br />
131 Art. 1 und 4 Palermo-Protokoll.<br />
132 Zu den Verpflichtungen aus dem Protokoll vgl. auch UNODC (2004); Obokata (2006), S. 164.<br />
Frauen- und Kinderhandels, zum Übereinkommen der<br />
Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende<br />
organisierte Kriminalität von 2000 – kurz Palermo-<br />
Protokoll gegen Menschenhandel – wurde nicht im<br />
Kontext des Menschenrechtsschutzes, sondern der Verbrechensbekämpfung<br />
und Strafjustiz entwickelt. Seine<br />
Verhandlung und Umsetzung wurde und wird durch<br />
das 1997 gegründete United Nations Office on Drugs<br />
and Crime (UNODC) in Wien als Teil des UN-Sekretariats<br />
begleitet. 129 Derzeit wurde das Protokoll von 128<br />
Vertragsparteien ratifiziert, darunter auch die Europäische<br />
Union. 130<br />
5.1.1 Überblick über die Inhalte des<br />
Zusatzprotokolls<br />
Wie bereits dargestellt, einigten sich die Staaten im<br />
Rahmen des Zusatzprotokolls zum ersten Mal auf eine<br />
rechtsverbindliche internationale Definition, welche<br />
die Rechtsetzung und das Politikfeld derzeit prägt. Der<br />
Geltungsbereich des Zusatzprotokolls ist allerdings auf<br />
die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität<br />
beschränkt. 131<br />
Der erste Teil des Protokolls enthält allgemeine Bestimmungen,<br />
insbesondere die Definitionen (Art. 3) und die<br />
Pflicht der Staaten zur Kriminalisierung der entsprechenden<br />
Taten inklusive der Strafbarkeit von Versuch<br />
und Tatbeteiligung (Art. 5). 132<br />
Der zweite Teil enthält Bestimmungen zum Opferschutz,<br />
wobei viele der dort genannten Bestimmungen<br />
ein weites Ermessen der Vertragsstaaten vorsehen. Die<br />
stärkste Verbindlichkeit haben die Pflicht zur Information<br />
der Opfer über maßgebliche Gerichts- und Verwaltungsverfahren<br />
(Art. 6 Abs. 2 a), zur Unterstützung<br />
des Auftretens der Opfer im Strafverfahren (Art. 6 Abs.