B - Deutsches Institut für Menschenrechte
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A<br />
Ein Menschenrechtsansatz gegen Menschenhandel – Internationale Verpflichtungen und Stand der Umsetzung in Deutschland<br />
Petra Follmar-Otto<br />
dere Relevanz können dabei Maßnahmen zur Verwirklichung<br />
der Rechte auf Bildung und Zugang zum<br />
Arbeitsmarkt, zum Schutz von Frauen vor Gewalt sowie<br />
zum Abbau von Diskriminierungen von Frauen und ethnischen<br />
sowie sexuellen Minderheiten besitzen.<br />
6.1.2 Gestaltung von Migrationsprozessen<br />
Menschenhandel geschieht überwiegend, wenn auch<br />
nicht ausschließlich im Kontext von Migrationsbewegungen.<br />
Im Grundsatz liegt die Entscheidung über<br />
die Zulassung von Migrantinnen und Migranten zu<br />
einem Staatsgebiet in der Souveränität der Staaten.<br />
Dies bedeutet jedoch nicht, dass die staatliche Gestaltung<br />
von Migrationspolitiken menschenrechtlicher<br />
Beurteilung entzogen ist. 171 Sie müssen so gestaltet<br />
sein, dass Migranten und Migrantinnen ihre <strong>Menschenrechte</strong><br />
tatsächlich wahrnehmen können. Dazu müssen<br />
deren spezifische Situation und ihre besondere Vulnerabilität<br />
berücksichtigt werden.<br />
Aus dem menschenrechtlichen Verbot des Menschenhandels<br />
ergeben sich Schutzpflichten <strong>für</strong> die Staaten.<br />
Aus diesen folgt, dass aufenthaltsrechtliche Regelungen<br />
zu vermeiden sind, die Menschenhandel begünstigen,<br />
indem sie es den Tätern erleichtern, Menschen in Ab -<br />
hängigkeitsverhältnisse zu bringen. Dies kann etwa bei<br />
der Bindung eines Aufenthaltstitels an das Bestehen<br />
eines konkreten Arbeitsverhältnisses der Fall sein. 172<br />
Zu denken ist darüber hinaus auch an Regulierungspflichten<br />
gegenüber Privaten, etwa die Auferlegung<br />
von Informationspflichten <strong>für</strong> internationale Heiratsagenturen<br />
oder Arbeitsvermittlungen.<br />
Nach der Europaratskonvention sollen die Staaten die<br />
Eröffnung legaler Wege der Arbeitsmigration als einen<br />
Präventionsansatz gegen Menschenhandel berücksichtigen.<br />
173 Wichtig ist auch, die Betroffenen schon in den<br />
Herkunftsländern über die rechtlichen Bedingungen<br />
von Migration und Arbeitsaufnahme in den Zielländern<br />
sowie über Hilfs- und Beratungsangebote <strong>für</strong> Betroffene<br />
von Menschenhandel und Zwangsarbeit zu informieren,<br />
um den Betroffenen Entscheidungen zu ermöglichen und<br />
sie gegen Fehlinformationen durch die Händler abzusichern.<br />
Die neue Europarats konvention enthält daher<br />
entsprechende Informationspflichten <strong>für</strong> die Staaten. 174<br />
Maßnahmen der Migrationssteuerung wie Grenzkontrollen<br />
dürfen keine diskriminierenden Effekte gegen<br />
bestimmte Gruppen, etwa junge Frauen, entfalten. 175<br />
Menschenrechtlich unzulässig sind auch Beschränkungen<br />
der Rechte auf Freizügigkeit und auf Verlassen des<br />
eigenen Landes durch Maßnahmen, die im Namen der<br />
Verhinderung von Menschenhandel die Emigration <strong>für</strong><br />
bestimmte Gruppen von Menschen verhindern oder<br />
erheblich erschweren. 176<br />
6.1.3 Stärkung der Betroffenen in der Wahrnehmung<br />
ihrer Rechte, insbesondere Rechte in der<br />
Arbeit<br />
<strong>Menschenrechte</strong> als Rechte selbstbestimmter Freiheit<br />
tragen den Gedanken des Empowerment in sich. Ein<br />
menschenrechtsbasierter Ansatz muss deshalb darauf<br />
zielen, dass die Betroffenen von Menschenhandel in<br />
die Lage versetzt werden, ihre Rechte selbst wahrzunehmen,<br />
in doppeltem Wortsinn. Ausgangspunkt jeder<br />
Maßnahme müssen die Betroffenen als Rechtssubjekte<br />
und nicht als Objekte staatlichen Handelns sein. Den<br />
Betroffenen müssen reale Exit-Optionen aus der Be -<br />
schränkung ihres Selbstbestimmungsrechtes eröffnet<br />
werden, indem sie über ihre Rechte informiert und ihre<br />
Handlungsoptionen erweitert werden. So müssen faktische<br />
Barrieren in der Durchsetzung von Ansprüchen<br />
auf Lohn und Entschädigung abgebaut werden. 177 Die<br />
Stärkung der Durchsetzung der Rechte von Migrant innen<br />
und Migranten in der Arbeit, unabhängig von ihrem<br />
Aufenthaltstatus, kann bereits einen Beitrag dazu leisten,<br />
dass Abhängigkeitsverhältnisse gar nicht erst entstehen.<br />
171 Vgl. Weisbrodt (2008), sowie die Arbeit der UN-Vertragsorgane: CERD (Antirassismus-Ausschuss), General Comment No XXX:<br />
Discrimination of Non-Citizens, http://www.unhchr.ch/tbs/doc.nsf/ (Symbol)/e3980a673769e229c1256f8d0057cd3d?Opend<br />
ocument; CEDAW (Frauenrechtsausschuss), General Recommendation No 26: Women Migrant Workers,<br />
http://www2.ohchr.org/english/bodies/cedaw/comments.htm<br />
172 Follmar-Otto (2007), S. 8.<br />
173 Siehe Kapitel 5.2.2.<br />
174 Art. 5 Abs. 4 Europaratskonvention.<br />
175 Art. 3 Europaratskonvention.<br />
176 Kempadoo (2005). Ein sicherlich extremes Beispiel ist ein weißrussisches Regierungsdekret aus dem Jahr 2005, das unter<br />
anderem Genehmigungspflichten <strong>für</strong> die Ausreise bestimmter, potenziell von Menschenhandel gefährdeter Gruppen, enthält<br />
und damit die Bewegungsfreiheit und das Recht auf Verlassen jedes Landes einschließlich des eigenen massiv beschränkt.<br />
Decree of the President of the Republic of Belarus No. 3 of March 9, 2005, on Certain Measures to Combat Trafficking in<br />
Persons. Vgl. Vorläufiges Gutachten OSCE-ODIHR, August 2005, http://www.legislationline.org/upload/lawreviews/34/<br />
1d/8f0db4d2b6cefd8b33bfbbbdeceb.pdf<br />
177 Vgl. hierzu die Studie von Rabe in diesem Band.