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B - Deutsches Institut für Menschenrechte

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46<br />

A<br />

Ein Menschenrechtsansatz gegen Menschenhandel – Internationale Verpflichtungen und Stand der Umsetzung in Deutschland<br />

Petra Follmar-Otto<br />

6.1.7 <strong>Menschenrechte</strong> im Kontext der Rückkehr<br />

und Rückführung<br />

Die Praxis in vielen Zielstaaten und die spezialisierten<br />

Abkommen gegen Menschenhandel setzen auf die ‚freiwillige<br />

Rückkehr’ der Betroffenen. 183 Es muss sichergestellt<br />

werden, dass durch dieses Ziel nicht Rechte<br />

auf Verbleib im Zielland, etwa aus der Genfer Flüchtlingskonvention,<br />

aus dem Refoulementverbot aus Art. 3<br />

EMRK oder dem Recht auf Familien- und Privatleben<br />

aus Art. 8 EMRK unterlaufen werden, indem Betroffene<br />

ohne ausreichende Informationen über diese Rechte<br />

und ohne Zugang zu formalisierten Verfahren zur Überprüfung<br />

in Programme zur freiwilligen Rückkehr ge -<br />

drängt werden. 184<br />

6.2 Empfehlungen <strong>für</strong> die weitere<br />

Bearbeitung des Politikfelds in<br />

Deutschland<br />

6.2.1 Ratifikation und Umsetzung der Europaratskonvention<br />

Die lange angekündigte Ratifikation der Europaratskonvention<br />

gegen Menschenhandel sollte zügig erfolgen.<br />

Zwar sind in die Europaratskonvention die menschenrechtlichen<br />

Verpflichtungen der Staaten nicht<br />

umfassend eingeflossen, dennoch enthält sie viele interessante<br />

Ansätze, etwa hinsichtlich eines genderresonanten<br />

und kinderrechtlichen Ansatzes, des Konzepts<br />

von safe migration, der Betonung von Informationsrechten,<br />

der Verpflichtung zur Identifizierung von Opfern<br />

und zur Durchsetzung von Entschädigungsrechten.<br />

Menschenhandel, insbesondere Frauenhandel in die<br />

Prostitution, ist in Deutschland im vergangenen Jahrzehnt<br />

auf die politische Agenda gerückt und praktische<br />

Verbesserungen <strong>für</strong> die Betroffenen sind insbesondere<br />

durch die engagierte Arbeit von Kooperationsstrukturen<br />

und den Aufbau einer nichtstaatlichen Beratungs- und<br />

Unterstützungsstruktur erreicht worden. Die Ratifikation<br />

der Europaratskonvention sollte nun in Deutschland<br />

zum Anlass genommen werden, die Politik zu<br />

Menschenhandel auf den Prüfstand zu stellen. Das<br />

Deutsche <strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>Menschenrechte</strong> empfiehlt, sich<br />

dabei an den soeben skizzierten Elementen eines Menschenrechtsansatzes<br />

gegen Menschenhandel und den<br />

folgenden politischen Linien zu orientieren.<br />

183 Art. 8 Abs. 2 Palermo-Protokoll; Art. 16 Abs. 2 Europaratskonvention.<br />

184 Vgl. Sölkner / Uhl (2007).<br />

185 Siehe Kapitel 5.3.2.<br />

6.2.2 Von der Dominanz der Strafverfolgung<br />

zu einem menschenrechtlichen Ansatz an<br />

(Arbeits-) Migration<br />

Der Fokus in der Bekämpfung von Menschenhandel<br />

liegt in Deutschland nach wie vor auf der Strafverfolgung<br />

der Täterinnen und Täter, vor allem im Bereich der<br />

kommerziellen sexuellen Ausbeutung. Dies lässt sich<br />

sowohl an den Rechtsentwicklungen ablesen, die fast<br />

ausschließlich im Strafrecht stattfinden als auch an der<br />

überwiegenden Bindung der Opferrechte an die Kooperationsbereitschaft<br />

im Strafverfahren. Strafverfolgung<br />

ist jedoch nur ein notwendiger Baustein in einer um -<br />

fassenden Strategie gegen Menschenhandel. Das Strafrecht<br />

ist naturgemäß reaktiv, kann nur einen Teil der<br />

tatsächlichen Fälle erfassen (die weit überwiegende<br />

Zahl von Opfern wird nicht identifiziert) und kann nicht<br />

in die Graubereiche hineinwirken, in denen einvernehmlich<br />

begründete Arbeitsverhältnisse zu schlechten<br />

Bedingungen schleichend in Nötigungs- und Zwangsverhältnisse<br />

übergehen. Die Konzentration der politischen<br />

Diskussion auf das Strafrecht – etwa pro und contra<br />

Freier bestrafung – führt daher nicht in die richtige<br />

Richtung.<br />

Das Vorgehen gegen Menschenhandel, sowohl zum<br />

Zweck der kommerziellen sexuellen Ausbeutung wie<br />

zur Arbeitsausbeutung, sollte eingebettet werden in ein<br />

menschenrechtliches Gesamtkonzept im Umgang mit<br />

legaler und illegaler Arbeitsmigration. Dadurch rückt<br />

zugleich die Stärkung der Betroffenen zur Wahrnehmung<br />

ihrer Rechte in den Mittelpunkt. Dies erleichtert<br />

es auch, eine künstliche Trennung in Menschenhandel<br />

zum Zweck der sexuellen Ausbeutung einerseits und<br />

zur Arbeitsausbeutung andererseits zu vermeiden.<br />

Bestehende Regelungen des Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisrechtes<br />

sollten daraufhin überprüft werden,<br />

ob sie die Entstehung von Zwangs- und Ausbeutungssituationen<br />

fördern. Die Eröffnung legaler Migrationsmöglichkeiten<br />

sollte verstärkt erwogen werden. Die<br />

Betroffenen sollten in der Durchsetzung ihrer Rechte<br />

in der Arbeit durch Informationen, Verfahrenserleichterungen<br />

und durch einen Ausschluss der Meldepflicht<br />

der Arbeitsgerichte gegenüber den Ausländerbehörden<br />

gestärkt werden. Die Umsetzung der EU-Richtlinie über<br />

Sanktionen gegen Personen, die Drittstaatsangehörige<br />

ohne legalen Aufenthalt beschäftigen, 185 sollte als<br />

gesetz geberischer Anlass hier<strong>für</strong> genutzt werden.

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