B - Deutsches Institut für Menschenrechte
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A<br />
Ein Menschenrechtsansatz gegen Menschenhandel – Internationale Verpflichtungen und Stand der Umsetzung in Deutschland<br />
Petra Follmar-Otto<br />
in vielen Punkten durch die Verhandlungsposition der<br />
Europäischen Union verhindert, die – seit der EU-<br />
Erweiterung 2004 in einer Mehrheitsposition im Europarat<br />
– eine Anhebung über die geltenden europarechtlichen<br />
Standards hinaus verhinderte. 137 Dies gilt<br />
insbesondere <strong>für</strong> die aufenthaltsrechtlichen Regelungen.<br />
Die parlamentarische Versammlung konnte sich<br />
mit einer Vielzahl von Änderungsanträgen zur Verbesserung<br />
der Opferrechte 138 nicht durchsetzen und kritisierte<br />
explizit die Haltung der Vertreterin der Europäischen<br />
Kommission. 139 Dennoch enthält die Konvention<br />
eine Reihe von Fortschritten nicht nur im Vergleich<br />
zum UN-Palermo-Protokoll, sondern auch zur Rechtslage<br />
der EU.<br />
5.2.2 Überblick über die Inhalte der Konvention<br />
Das erste Kapitel der Konvention enthält die allgemeinen<br />
Bestimmungen. Die Konvention übernimmt die<br />
Definition des UN-Palermo-Protokolls (Art. 4). Sie hat<br />
jedoch einen weiteren Geltungsbereich als das Protokoll,<br />
der alle Formen des Menschenhandels umfasst,<br />
innerstaatlich und grenzüberschreitend, mit oder ohne<br />
Zusammenhang zur organisierten Kriminalität (Art. 2).<br />
Durch die Erweiterung des Anwendungsbereiches<br />
macht die Konvention einen wichtigen Schritt aus der<br />
Dominanz des Strafverfolgungsansatzes hinaus. Explizit<br />
ist in Art. 3 <strong>für</strong> alle Maßnahmen zur Umsetzung der<br />
Konvention ein Diskriminierungsverbot mit einem<br />
Katalog von Diskriminierungsgründen, der Art. 14 der<br />
EMRK entspricht, verankert. Auch dies ist ein menschenrechtliches<br />
Element, das über das Palermo-Protokoll<br />
hinausgeht. Hinzu kommt der durchgängige genderresonante<br />
und kinderrechtliche Ansatz, der im Sinne<br />
eines Mainstreamings <strong>für</strong> alle materiellen Gewährleistungen<br />
einen geschlechtergerechten und am Prinzip<br />
des Kindeswohls orientierten Ansatz fordert. 140 Die<br />
Garantie der Geschlechtergleichstellung geht dabei<br />
über ein Verbot der Ungleichbehandlung hinaus und<br />
erfordert positive Maßnahmen zur Herstellung tatsächlicher<br />
Gleichberechtigung von Frauen und Männern. 141<br />
Für die Maßnahmen im Bereich der Opferrechte ist die<br />
Methode des Gender Mainstreaming vorgeschrieben<br />
(Art. 17).<br />
Kapitel 2 enthält Vorschriften zur Prävention und Kooperation<br />
sowie zu Grenzkontrollen und Dokumentensicherheit.<br />
Die Vorschriften zu Präventionsmaßnahmen<br />
eröffnen eine breite Palette. Forschung, Information,<br />
Kampagnen, soziale Initiativen und Schulungsmaßnahmen<br />
<strong>für</strong> potentielle Betroffene und spezifische Berufsgruppen<br />
werden auf einen Ansatz verpflichtet, der in<br />
den <strong>Menschenrechte</strong>n, dem Gender Mainstreaming<br />
und den Kinderrechten gründet. 142<br />
Hervorzuheben ist Art. 5 Abs. 4, der die Staaten verpflichtet,<br />
als eine Form der Prävention legale Migration<br />
zu ermöglichen und Informationen über deren Vorraussetzungen<br />
zu verbreiten. Damit erkennen die Vertragsstaaten<br />
die Ermöglichung sicherer, legaler Migration<br />
als eine Präventionsstrategie gegen Menschenhandel<br />
an, auch wenn der Regelung keine Verpflichtung zu<br />
bestimmten Formen legaler Migration zu entnehmen<br />
ist; dies verbleibt im Ermessen der Staaten. Die Betonung<br />
der Informationspflichten schließt an die Regelungen<br />
neuerer menschenrechtlicher Verträge, etwa<br />
der UN-Kinderrechtskonvention und der UN-Wanderarbeiterkonvention,<br />
an. 143 Migrantinnen und Migranten<br />
ist der Zugang zu Informationen über ihre Rechte<br />
erschwert, doch Informationen über Migrationsmöglichkeiten<br />
und Rechte in der Arbeit können einen wichtigen<br />
Schutz vor Ausbeutung bieten. 144<br />
Maßnahmen zur Reduzierung der Nachfrage werden<br />
ebenfalls als ein Element einer Präventionstrategie<br />
aufgenommen (Art. 6). Während dieser Artikel sich auf<br />
Forschung, die Arbeit mit Medien und Zivilgesellschaft,<br />
Informationskampagnen und Bildungsmaßnahmen zur<br />
Geschlechtergleichstellung bezieht, spricht Art. 19 auch<br />
die Kriminalisierung des Nutzers von Dienstleistungen<br />
eines Menschenhandelsopfers an. Die Einführung entsprechender<br />
Straftatbestände verbleibt aber im Ermessen<br />
der Vertragsstaaten.<br />
Art. 7 bis 9 der Konvention, die sich mit Grenzkontrollen<br />
und Dokumentensicherheit beschäftigen, sind überwiegend<br />
wortgleich mit Art. 11-13 des Palermo-Protokolls,<br />
mit der Ausnahme, dass bei einigen Regelungen anders<br />
als im Zusatzprotokoll kein staatliches Ermessen eingeräumt<br />
wird. 145<br />
137 Scarpa (2008), S. 145.<br />
138 Council of Europe (Parl. Ass.): Draft Council of Europe Convention on Action against Trafficking in Human Beings, Opinion<br />
No. 253 (2005).<br />
139 Council of Europe (Parl. Ass.): Draft Council of Europe Convention on Action against Trafficking in Human Beings, Rec 1695<br />
(2005).<br />
140 Vgl. etwa Art. 1 a), 5 Abs. 3 und Abs. 5, Art. 10 Abs. 1, 3, 4; Art. 16 Abs. 7, Art. 17.<br />
141 Explanatory Report, Ziff. 54.<br />
142 Art. 5 Abs. 2, 3.<br />
143 Spieß (2007), S. 33.<br />
144 Explanatory Report, Ziff. 105.<br />
145 Art. 7 Abs. 5, 6; Art. 8 Europaratskonvention.