26.11.2012 Aufrufe

B - Deutsches Institut für Menschenrechte

B - Deutsches Institut für Menschenrechte

B - Deutsches Institut für Menschenrechte

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

34<br />

A<br />

Ein Menschenrechtsansatz gegen Menschenhandel – Internationale Verpflichtungen und Stand der Umsetzung in Deutschland<br />

Petra Follmar-Otto<br />

steigerte, über die normalen Schutz- und Gewährleistungsverpflichtungen<br />

hinausgehende Verpflichtungen<br />

insbesondere in der Ermächtigung der Betroffenen zur<br />

Durchsetzung ihrer Rechte. 123<br />

Die mit dem Frauenmenschenrechtskonzept verfolgte<br />

Ausweitung menschenrechtlicher Verantwortlichkeit<br />

der Staaten ist <strong>für</strong> Betroffene von Menschenhandel in<br />

zweierlei Hinsicht relevant: Einerseits ist Menschenhandel<br />

eine Form systematischer Gewalt und Rechtsverletzung<br />

in der privaten Sphäre, die menschenrechtliche<br />

Verpflichtungen des Staates zu Prävention, effektiver<br />

Strafverfolgung der Täter und Restitution der<br />

Betroffenen auslöst. Andererseits sind die meisten<br />

Betroffenen als Frauen und als Migrantinnen mit häufig<br />

prekärem Status in doppelter Hinsicht von dem ‚weißen<br />

männlichen Staatsbürger’ als typischen Rechtsträger<br />

des klassisch liberalen Menschenrechtsverständnis<br />

entfernt. Deswegen ist die Betonung der Verpflichtung<br />

zur Überwindung struktureller Diskriminierung <strong>für</strong> sie<br />

besonders bedeutsam.<br />

4.3.2 Menschenrechtliche Pflichtentrias:<br />

Achtungs-, Schutz- und Gewährleistungspflichten<br />

Parallel zu den eben beschriebenen Einflüssen der Frauenrechtsbewegungen<br />

entwickelte sich, ausgehend von<br />

der Universalität und Unteilbarkeit der <strong>Menschenrechte</strong>,<br />

auch ein neues Verständnis staatlicher Verantwortlichkeit<br />

<strong>für</strong> die <strong>Menschenrechte</strong>. Es fand eine Abkehr von<br />

den klassischen Kategorien von Abwehr- und Leistungsrechten<br />

statt, die mit den bürgerlichen und politischen<br />

Rechten einerseits und den wirtschaftlichen, sozialen<br />

und kulturellen Rechten andererseits gleichgesetzt<br />

wurden. Stattdessen wurde nunmehr hervorgehoben,<br />

dass alle <strong>Menschenrechte</strong> gleichermaßen verschiedene<br />

Dimensionen staatlicher Verpflichtungen entfalten, die<br />

kurz als Achtungs-, Schutz- und Gewährleistungspflichten<br />

(‚Pflichtentrias’) gekennzeichnet werden<br />

können. 124 Dadurch wurde einerseits die staatliche<br />

Verantwortung <strong>für</strong> systematische Formen von Rechtsverletzungen<br />

durch Private betont, 125 was die eben dargestellte<br />

frauenrechtliche Position stärkte, die Menschen-<br />

rechtsrelevanz auch der privaten Sphäre anzuerkennen.<br />

Zum anderen wurde durch die Aufwertung der sozialen<br />

und wirtschaftlichen Rechte und die Heraushebung des<br />

Diskriminierungsverbots auch die Frage ungleichen<br />

Zugangs zu wirtschaftlichen und sozialen Gütern und<br />

damit auch die ungleiche Möglichkeit zur tatsächlichen<br />

Ausübung aller <strong>Menschenrechte</strong> unterstrichen.<br />

Die menschenrechtliche Pflichtentrias verpflichtet den<br />

Staat als Adressaten der <strong>Menschenrechte</strong>, die <strong>Menschenrechte</strong><br />

der Betroffenen von Menschenhandel zu<br />

respektieren, sie vor Verletzungen auch durch Private<br />

zu schützen und einen Rahmen an <strong>Institut</strong>ionen und<br />

Verfahren zu gewährleisten, damit Betroffene ihre<br />

Rechte wahrnehmen und tatsächlich umsetzen können.<br />

Das Verbot von Sklaverei und Zwangsarbeit und die<br />

Rechte auf persönliche Freiheit, Bewegungsfreiheit, auf<br />

Privatheit und Selbstbestimmung sowie auf körperliche<br />

und psychische Unversehrtheit entfalten damit auf diesen<br />

drei Ebenen im Kontext von Menschenhandel eine<br />

Vielzahl von Verpflichtungen.<br />

4.3.3 Menschenhandel als Ausdruck<br />

rassistischer Diskriminierung<br />

Menschenhandel stellt zum einen – soweit Frauen und<br />

Mädchen betroffen sind – eine Form von Gewalt gegen<br />

Frauen und Diskriminierung aufgrund des Geschlechts<br />

dar. Zudem wird Menschenhandel seit der 3. Weltkonferenz<br />

gegen Rassismus in Durban/Südafrika 2001<br />

zunehmend auch im Kontext von rassistischer Diskriminierung<br />

thematisiert. Im internationalen Menschenrechtsschutzsystem<br />

ist in den vergangenen Jahren eine<br />

verstärkte Aufmerksamkeit <strong>für</strong> rassistische Diskriminierung<br />

im Umgang der Staaten mit Nichtstaatsangehörigen<br />

entstanden. 126 Zwar wird das Recht der souveränen<br />

Staaten auf Migrationsregulierung und Grenzkontrolle<br />

anerkannt. Die Staaten dürfen diese Rechte jedoch<br />

nicht in diskriminierender Weise ausüben und müssen<br />

sicherstellen, dass Nicht-Staatsangehörigen nicht faktisch<br />

die Ausübung ihrer <strong>Menschenrechte</strong>, darunter die<br />

Rechte in der Arbeit und das Rechts auf Gesundheit,<br />

verwehrt wird.<br />

123 Vgl. die Verpflichtungen in Art. 4 c)-l) der Deklaration über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen von 1993 und den<br />

thematischen Bericht der Sonderberichterstatterin gegen Gewalt gegen Frauen, UN-Dok. E/CN.4/2000/68, 29.02.2000,<br />

Rn. 49–53.<br />

124 Nowak (2002), S. 62 ff. Zum Verständnis im Rahmen der EMRK: Grabenwarther (2005), S. 118 ff.; vgl auch die Praxis des<br />

Ausschusses <strong>für</strong> wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte in seinen Allgemeinen Bemerkungen, inbes. Nr. 12 (Recht auf<br />

Nahrung), Rn. 14 ff.; Nr. 13 (Recht auf Bildung), Rn. 43 ff.; Nr. 14 (Recht auf Gesundheit), Rn. 30 ff.<br />

125 Wiesbrock (1999).<br />

126 Vgl. Durban Declaration and Programme of Action; UN-Antirassismusauschuss CERD: General Comment No. XXX: Non-<br />

Citizens (2004); UN-Frauenrechteausschuss CEDAW: General Recommendation No. 26: Women Migrant Workers (2008).

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!